Bericht & Fotos: Proteste in Dessau

Björn Kietzmann 09.12.2008 22:51 Themen: Antirassismus
Nach 59. Prozesstagen endete am 08. Dezember 2008 der Prozess gegen zwei Polizisten der Dessauer Polizei vor dem Landgericht Dessau-Roßlau mit Freisprüchen. Am 7. Januar 2005 starb der Asylbewerber Oury Jalloh in einer Zelle im Dessauer Polizeirevier. Oury Jalloh floh im Jahre 2000 vor dem Bürgerkrieg aus Sierra Leone nach Deutschland. Fünf Jahre später verbrannte er auf einer feuerfeste Kunstledermatratze in deutschen Polizeigewahrsam. Mit angelegten Fesseln die an Eisenringe in Wand und Boden gezogen waren.

Die Fotos findet ihr hier:
 http://www.flickr.com/photos/kietzmann/sets/72157610900726311/
Hintergrund:

"(..)Die Gewahrsamszelle ist durch eine Sprechanlage mit den Räumen der diensthabenden Beamten, Andreas S. und Beate H., im ersten Obergeschoss verbunden. In die Zelle ist ein sehr sensibles Mikrofon eingebaut, durch die auch normales Sprechen gut hörbar ist. Doch als gegen 12.00 Uhr ein Feuer ausbricht und Jalloh mit aller Kraft um sein Leben gebrüllt haben muss, hören die diensthabenden Beamten offenbar nichts. Der Dienstgruppenleiter Polizeihauptkommissar Andreas S. soll die Gegensprechanlage leise gedreht haben, weil er sich beim Telefonieren belästigt fühlte. Die Beamtin Beate H., die dies bemerkt haben soll, soll den Ton wieder lauter gestellt haben.

Kurz nach zwölf wollen Andreas S. und Beate H. ein Plätschern aus der Zelle gehört haben, in der Jalloh gefesselt liegt. Als der Rauchmelder anschlägt, soll Andreas S. den Alarm abgestellt haben. Der Melder habe öfter Fehlalarm angezeigt, wurde später zu Protokoll gegeben. Die Anlage wurde jedoch im September 2004 repariert. Fehlalarme soll es nach der Reparatur nicht mehr gegeben haben

Dann sollen Andreas S. und Beate H. Rufe von Jalloh gehört haben und ein, wie es heißt, lautes Plätschern. Der Rauchmelder schlägt erneut Alarm. Andreas S. soll wieder den Aus-Knopf gedrückt haben. Die Kollegin Beate H. löst Alarm aus. Auch der Rauchmelder aus dem Lüftungsschacht schlägt nun an. Als ein Beamter um 12.11 Uhr zur Zelle im inzwischen völlig verqualmten Keller vordringt, vernimmt er kein Lebenszeichen von Jalloh mehr. Die Feuerwehr dringt um 12.35 Uhr zur brennenden Leiche vor.“ (Zitat-Quelle: Chronologie der Ereignisse -  http://ouryjalloh.wordpress.com/die-chronologie-der-ereignisse/ )

Proteste am letzten Prozesstag:

Am letzten Prozesstag fand vor dem Gerichtsgebäude eine Kundgebung statt. Im Laufe des Tages wurde auch eine Demonstration durch die sachsen-anhaltinische Kleinstadt durchgeführt. An der Stelle wo am 11. Juni 2000 Nazis Alberto Adriano ermordeten, wurde eine Gedenkminute abgehalten.

Viele Sympathie-Bekundungen erhielt die Demonstration in der Stadt welche damit wirbt „Raum für Miteinander“ zu bieten nicht. Stattdessen flog bereits nach wenigen Metern Demostrecke ein Ei auf die Protestierenden. Immer wieder kam es zu verbalen Anfeindungen von Autofahrern, Radfahren oder Passanten.

Die Demonstration über den Weihnachtsmarkt laufen zu lassen wurde im Vorfeld verboten, stattdessen fand die Zwischenkundgebung nun an einem unbelebteren Platz statt. Hier wurde erneut eine Schweigeminute abgehalten. Diesmal für Oury Jalloh und für Mario Bichtmann. Der Obdachlose Mario Bichtmann, verstarb im Jahr 2002 in Zelle 5 vom Dessauer Polizeirevier. Also in der selben Zelle in der Oury später verbrannte. Bichtmann verstarb an einem Schädelbruch, der verantwortliche Dienstgruppenleiter, war wie bei Oury Jalloh der am 08.12.2008 freigesprochene Andreas S.

Die permanenten Aufforderung seitens der DemonstrationanmelderInnen die massiv Vorort präsenten Polizeikräfte im Hintergrund zu halten, bzw. diese abzuziehen, stießen auf taube Ohren. Als der Protestzug das Dessauer Polizeirevier erreichte, kamen circa zwei Dutzend PolizistInnen in Einsatzuniformen aus dem Gebäude gerannt. Sie bildeten eine dichte Kette vor der Polizeiwache und begannen damit die inzwischen auf der Treppe stehenden DemonstrationsteilnehmerInnen zu bedrängen. Auch von den anderen Seiten kamen nun zum Teil behelmte Polizeikräfte auf die Demonstration zu und kesselten diese vollständig ein. Es folgte ein Angriff mit einer versuchten Ingewahrsamnahme - wegen Nichtbeachtung eines Platzverweises. Dies wurde von der Demo allerdings verhindert. „Ihr müsst uns umbringen damit wir hier weggehen“ – rief ein Versammlungsteilnehmer in Richtung der PolizistInnen.

Nach einiger Zeit wurde die Demonstration sehr entschlossen zum Gericht fortgesetzt, die Polizeiketten wichen. Auf dem Weg zum Gericht kam es an einigen Stellen zu wiederholten Provokationen seitens der Polizei. Am Gerichtsgebäude folgte ein erneuter Angriff auf die Demonstration – eine Person wurde festgenommen. Eine zweite Festnahme findet im Gerichtssaal statt. Die beiden Gefangenen wurden noch vor dem Ende der Kundgebung freigelassen.

Eine Auskunft darüber wie viele BeamtInnen die Polizei am 08.12.2008 einsetzte, wurde auf Anfrage verweigert: "Dazu äußern wir uns grundsätzlich nicht", so der zuständige Einsatzleiter auf Anfrage. Das Großaufgebot diene allerdings vor allem dem Schutz der VersammlungsteilnehmerInnen vor möglichen Übergriffen auf die Protestierenden, versicherte der Beamte.

Weitere Infos:
 http://initiativeouryjalloh.wordpress.com/
 http://ouryjalloh.wordpress.com/">ouryjalloh.wordpress.com

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Ergänzungen

???

??? 09.12.2008 - 23:58
Im ARD Videotext stand folgendes:" Das Gericht ging davon aus, dass sich der an Händen und Füssen gefesselte Oury Jalloh selbst anzündete."

Wenn das Ganze nicht so traurig wär, müsste man darüber lachen.

kein vergeben, kein vergessen

vergessen 10.12.2008 - 11:31
Oury Jalloh hatte auch ein Leben, bevor er von deutschen PolizistInnen in einer Polizeizelle der Ex-Nazi-Landeshauptstadt-Dessau abgeschoben wurde, weil er 2 deutsche 1 Euro Jobber Reinemachefrauen nach einem Handy gefragt hatte.

Beiträge die keine inhaltliche Ergänzung darstellen

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wut

ma 10.12.2008 - 08:36
die geschichte von oury jalloh macht mich so verdammt wütend und hilflos.
ich scheiße auf diesen pseudorechtsstaat!! das wusste ich schon lange aber
bei so viel offensichtlicher verdrängung und verbiegung des real möglichen
bekomme ich brechreiz.
als angehörige person würde ich dieser justiz vor die füße spucken wollen.

wieso gibt es zu diesem urteil keine landesweiten proteste??

manches leben ist eben mehr wert.... immer noch.

14.12. solidemo hannover 15 uhr schillerdenkm

soli 10.12.2008 - 19:47
PM: Demo gegen staatliche Morde Hannover 14.12.2008
Am 14.12. wird in Hannover eine Gedenkdemonstration für die Opfer von Polizeigewalt unter dem Motto „Alexandros Grigoropoulos, Oury Jalloh* und Halim Dener*² ermordet vom Staat! Wandelt Wut und Trauer zu Widerstand!“ stattfinden.
„Der Staat mordet! Entgegen den Behauptungen der Politiker und Journalisten(welche mitschuldig an dem Mord sind), war dies kein "isolierter Einzelfall", sondern eine Explosion staatlicher Repression, welche systematisch und organisiert jene ins Ziel fassen, die Widerstand leisten und revoltieren...“*³
Die Demonstration wird um 15 Uhr am Schillerdenkmal in der Georgsstr. beginnen und durch die Innenstadt und über die Listermeile zum griechischen Konsulat führen. Dort werden wir die Gellertstr. in Erinnerung an den ermordeten Alexandros Grigoropoulos umwidmen und eine Gedenkkundgebung abhalten.


* Oury Jalloh wurde am 07. Januar 2005 im Polizeigewahrsam ermordet. Die schuldigen Polizisten wurden am 08. Dezember 2008 vorm Landgericht Dessau freigesprochen.
*² Halim Dener wurde am 29.06.1994 im Alter von 17 Jahren von Beamten des SEK in Zivil in Hannover beim plakatieren erschossen. Der schuldige Polizist wurde am 27. Juni 1997 freigesprochen.
*³ Auszug aus dem Communique der BesetzerInnen des Polytechnischen Instituts in Athen.

wir würden uns freuen euch auf der Demo zu sehen. bis dann solidarische grüße aus hannover

Aufruf

Gedenkdemonstration für die Opfer von staatlicher Morde
“Alexandros Grigoropoulos, Oury Jalloh* und Halim Dener*² ermordet vom Staat! Wandelt Wut und Trauer zu Widerstand!”

Die Demonstration wird durch die Innenstadt und über die Listermeile zum griechischen Konsulat führen. Dort werden wir die Gellertstr. in Erinnerung an den ermordeten Alexandros Grigoropoulos umwidmen und eine Gedenkkundgebung abhalten.
“Der Staat mordet!
Am Samstag, den 6. Dezember 2008 wurde Alexandros Grigoropoulus, ein 15 Jahre alter Genosse, von einem Polizisten kaltblütig ermordet, mit einer Kugel in der Brust im Athener Stadtteil Exarchia.
Entgegen den Behauptungen der Politiker und Journalisten(welche mitschuldig an dem Mord sind), war dies kein "isolierter Einzelfall", sondern eine Explosion staatlicher Repression, welche systematisch und organisiert jene ins Ziel fassen, die Widerstand leisten und revoltieren, die Anarchisten und Antiauthoritären.
Dies ist die Spitze des Staatsterrorismus, welche mit dem Verstärken repressiver Mechanismen ausgedrückt wird, mit, der ständigen Aufrüstung und Bewaffnung, mit dem steigenden Level von Gewalt die von ihnen ausgeht, mit der "Null - Toleranz" - Doktrine, mit verzerrender Mediapropaganda die jene kriminalisiert, die gegen die Authorität kämpfen.
Es sind diese Zustände, die den Weg freimachen für die Intensivierung der Repression, und die versuchen, die gesellschaftliche Zustimmung schon im Voraus zu verhindern, und die die Waffen der staatlichen Mörder mit Munition versorgen. Tödliche Gewalt gegen die Menschen im sozialen - und im Klassenkampf zielt auf die Unterwerfung jedes einzelnden Menschens, sie dient als exemplarische Bestrafung, um Angst zu verbreiten.
Sie ist Teil einer größeren Attacke des Staates und der Bosse gegen die ganze Gesellschaft, um ihr noch stärkere Instrumente von Ausbeutung und Unterdrückung aufzuzwingen, um Kontrolle und Repression zu festigen.
Von der Schule über die Universität zu den Verliesen der Lohnknechtschaft mit den Hunderten von toten Arbeiter in sogenannten "Arbeitsunfällen" und der Armut, welche grosse Teile der Bevölkerung im Griff hält ... Von den Minenfeldern an der Grenze, den Pogromen und den Morden an Immigranten und Flüchlingen zu den zahlreichen "Selbstmorden" in Gefängnissen und Polizeistationen... von den "versehendlichen Tötungen" in Polizeiblockaden zu der blutigen Repression gegen lokalen Widerstand, zeigt die Demokratie ihre Zähne!”
In den Barrikaden, den Universitäts - Besetzungen, den Demonstrationen und Versammlungen halten wir usere Erinnerung an Alexandros am Leben, aber auch unsere Erinnerung an Michalis Kaltezas*³ und alle anderen Genossen, die vom Staat ermordet wurden, den Kampf für eine Welt bestärkend, in der es keine Herren und Sklaven gibt, keine Polizei, Gefängnisse und Grenzen.
Die Kugeln der Mörder in Uniform, die Festnahmen und Schläge gegen Demonstranten, der Chemiegas - Krieg, der von der Polizei gestartet wurde, verursachen keine Angst und Stummheit , im Gegenteil: Sie werden für zum Grund, die Schreie des Kampfes für Freiheit gegen den Staatsterrorismus zu richten, seine Angst zu überwinden und sich - jeden Tag mehr - in den Strassen der Revolte zu treffen. Um die Wut überschwappen zu lassen und sie zu ertränken! Staatsterrorismus - keinen Schritt weiter !
Wir senden unsere Solidarität zu all jenen, die Universitäten besetzen, demonstrieren und gegen die staatlichen Mörder kämpfen.” Auszug aus dem Communique der Besetzer_innn des Polytechnischen Instituts in Athen.
Kein Vergeben, kein Vergessen!
Staatliche Repression zurückschlagen- in Griechenland, in Deutschland, überall! Wandelt Wut und Trauer zu Widerstand!
* Oury Jalloh wurde am 07. Januar 2005 im Polizeigewahrsam ermordet. Die schuldigen Polizisten wurden am 08. Dezember 2008 vorm Landgericht Dessau freigesprochen.
*² Halim Dener wurde im Alter von 17 Jahren am 29.06.1994 von Beamten des SEK in Zivil in Hannover beim plakatieren erschossen. Der schuldige Polizist wurde am 27. Juni 1997 freigesprochen.
*³ Michalis Kaltezas wurde im Alter von 15 Jahren am 19. November 1985 von Polizisten in Athen erschossen
14.12.2008 15 Uhr Schillerdenkmal/Gerorgsstr. Demonstration