Debatte: Sind Zugverspätungen "Terrorismus"?

tarnac-soli 04.12.2008 18:46 Themen: Repression
Die Verhaftungen von Tarnac haben in Frankreich eine breite Diskussion ausgelöst, ob das Herbeiführen von Zugverspätungen als Terrorismus zu bezeichnen ist.
Am 8. November, rund um den Castor-Transport, haben wohl bis zu 40.000 Reisende in Frankreich für 6 Stunden an den Bahnhöfen gewartet. 160 Züge fielen aus, 4 Strecken waren betroffen. So fragt die französische Zeitung Liberation: "Terroristen? Wirklich?". Daniel Cohn-Bendit beschuldigt die Polizei, "Menschen die die Gesellschaft kritisieren an den Rand des Abgrundes zu treiben", schreibt Liberation am 28.11. In einer Stellungnahme drücken die französischen Grünen zwar ihre Kritik an der Konstruktion eines "terroristischen Unternehmens" aus, distanzieren sich aber frontal vom "Vandalismus" (womit das Anbringen der Hakenkrallen gemeint ist).

Währenddessen betreibt die Regierung unter Federführung der Innenministerin Michele Alliot-Marie weiterhin die Kriminalisierung der Festgenommenen als "Ultralinke", die fern jeder demokratischer Meinungsäußerung agierten und sich extrem gewalttätig äußerten. In Frankreich haben Regierung und Polizei den Begriff "anarcho-autonom" geprägt, der seit Monaten eine zunehmende Repression linksradikaler, anarchistischer Strukturen begleitet. Die meisten der Verhafteten kommen scheinbar aus "Mittelklassefamilien", schreibt das Portal Bloomberg. Isabelle Montagne, Sprecherin der Staatsanwaltschaft, behauptet dort dass Julien Coupat, dem bis zu 20 Jahre Haft drohen (er gilt als "intellektueller Kopf"), für ein kürzlich erschienenes Manifest verantwortlich sei. Das Buch "The Coming Insurrection" ist auch auf deutsch im Umlauf ("Der Aufstand") und ruft unter anderem zu Aktionen gegen Infrastruktur wie Schienen auf. Wegen solcher impliziter Drohungen sei die Polizei auf "Coupats Gruppe" (so drückt es ein Kriminologe aus) aufmerksam geworden. Nach den Verhaftungen hat die Polizei ein Heft präsentiert, das angeblich in Tarnac gefunden worden sei ("Das vergessene schwarze Notizbuch"). Dort tauchen Notizen über Baustahl auf (wie er zur Herstellung von Hakenkrallen verwendet werden kann). Allerdings äußert das Journal du Dimanche Zweifel an der Herkunft des Notizbuchs. 2 Wochen nach der Razzia hatte die Polizei offensichtlich keinerlei Beweise für die vorgeworfenen Aktionen und sprach lediglich von "Indizien".

Gilbert Thiel, ein französischer hoher "Anti-Terror"-Beamter, erklärt dass im "gegenwärtigen ökonomischen Klima" mehr "Terrorismus" zu erwarten sei.
Währenddessen scheinen die BewohnerInnen des Dörfchens Tarnac weiterhin viel Sympathie für die Tarnac9 zu empfinden. Sie seien "nette junge Leute", im Falle ihrer Freilassung ist ein rauschendes Dorffest angekündigt.
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Ergänzungen

antifa!

antifa! 05.12.2008 - 00:07
Was da steht ist lächerlich!

Linksradikalen =>Es gibt keine Repression gegen die Linksradikalen, sondern gegen Teilen der Ultralinken. Die Verhafteten haben immer die Linksradikalen gehasst!

"Mittelklassefamilien"=>Ihr träumt, es ist bekannt in Frankreich, dass Coupat extrem Reich ist und so hat er die Leute um Ihn organisiert!

Umweltschutz=>Da träumt ihr, die Ultralinken sind gegen ökologie, das steht auch eindeutig in das buch "der aufstand".

Liest mal "der aufstand" und da wird hir sehen, was für anti-antifa "ultralinken" Leute ihr unterstüzt!

Fehlinterpretation

Zappa 05.12.2008 - 09:22
Nicht die Verspätungen der Züge sind der angeprangerte Terrorismus. Es ist das gezielte Zerstören von Infrastruktur. Was pasiert, wenn Gleisanlangen manipuliert werden, und ein vollbesetzter Schnellzug bei voller Fahrt von den Gleisen abkommt, kann sich jeder selber ausmalen...

neenee

... 05.12.2008 - 10:45
es geht nicht um gleisanlagen manipulieren (wieso wird dieses gerücht weitergetragen?), sondern hakenkrallen. es gab auch betonplatten auf den gleisen, dies wird jedoch nicht den verhafteten zugeschrieben. gibt ne lange debatte ob hkenkrallen menschenleben gefährden können. ich für meinen teil schließe mich denen an die sagen: nein.

antifa!

antifa! 05.12.2008 - 12:47
Die Betonplatten haben nichts mit den Vehafteten zu tun, und die hakenkrallen konnten keine leben gefährden: das sagt sogar die französische Polizei.

Es ging also NICHT um Gleisanlangen. Aber es ging auch nicht um "Züge", es ging das TGV zu zerschlagen, als Symbol das schnelle Leben. Wisst ihr zum Beispiel, dass die Verhafteten da Heidegger wunderbar finden?

Wieso denn bitte findet man Heidegger und Nietzsche (richtigerweise) faschistisch in Deutschland, und werden die akkzeptiert, wenn ein paar französischen ultra-Linken sich von denen berufen?

Ausserdem gibt es nicht NUR um die Hakenkrallen. Die französische Polizei sagt, dass die Verhafteten eine illegale Struktur aufgebaut hat (für demos, illegale aktionen, usw).

Es geht nicht NUR um Hakenkrallen, es geht um was in der BRD 129a ist. Die legale Linke spricht nur von den Hakenkrallen, genau wie die Unterstützer der Verhafteten, weil alle schiss haben. Aber es geht um viel mehr... Und dieses viel Mehr wird abgelehnt, von den Legalen Linken genau wie von den Leute, die gesagt haben, die seien reale ultra linken, die AUfstand wollen...

Noch einmal, liest bitte "der Aufstand", und versteht was drinnen für einen antikapitalistischen Romantismus steckt. Unsere Zeit braucht Antifaschismus, und was im Buch steht is mehr als problematisch...

unsichtbares Komitee

antifa 05.12.2008 - 17:24
Für die Leute die französisch sprechen:
 http://nantes.indymedia.org/article/15464
da gibt es der Aufruf zu einem Plenum in Paris bzw Montreuil, um solidarität aufzubauen.

Die Linie ist sehr "nah" von den Verhafteten: weder anarchie oder Kommunismus oder irgendtwas das linksradikal ist, sondern Gerede über... die Weltregierung die sich aufbaut mit der Repression!

Um ihr ein paar Fragen zu beantworten:


a)die Verhafteten haben KEINE Erklärung gemacht. Es gitb also keinen dirkten Weg, um die Sichtweise dieser Leute zu haben.

b)Manche von dieser Leute, insbesondere der der als "leader" von den Medien präsentiert wird, hat mehrere Bücher geschrieben, mehr oder weniger inofiziell (er hat sich aber immer als "Metaphysiker" vorgestellt, in zb Marx Kongressen, und war bekannt bei den Pariser uni-links Intellektuellen).

Er hat also in der Zeitschrift Tiqqun geschrieben, wo er Heidegger mit der jüdischen Kabbale mischt, und dann gibt es "der aufruf" (als buch) und dann auch "der aufstand" (offiziell vom "unsichtbaren Komitee").

Das unsichtbare Komitee ist keine Erfindung, es sind Leute die in der ultra linken existierten, zB in Paris wo sie ein Kaffehaus gekauft haben.

c)Was ist also "der aufstand" hier? Es ist ein Buch, in einem grossen bourgeois boheme Verlag von Paris gedruckt, 7.000 stücke sind verkauft worden.

In "der aufstand" wird erklärt, dass man in Kommunen leben soll, um der aufstand voranzutreiben. Erklärungen dafür sind aber nicht anarchie oder Kommunismus oder Klassenkampf oder Veganismus (oder irgendetwas das Linksradikal ist), sondern ein Kampf gegen das "falsche Leben".

Die Verhafteten sind also KEINE linksradikale Leute. Die haben sich NIE zo bezeichnet. Sie haben sich auch NIE als Autonomen bezeichnet.

Das Ganze besteht also nicht in linksradikalen Texten, sondern in ultra linke texten (diese Leute waren also immer GEGEN die linksradikalen, oder eigentlich gegen alle und alles überhaupt).

d) Was hier PROBLEMATISCH ist, ist das die "anti-bürgerlich" Attitüde NICHT genügt, um diese Leute als links zu bezeichnen. Es ist nicht umsonst, dass ein echtes faschistisches website/netz wie "zentropa" die Verhafteten wertet...

Also bitte, statt Phantasmen über Frankreich zu haben, bitte "der aufstand" lesen... insbesonders diese "Ideen" über das "falsche" Leben im Kapitalismus, die Notwendigkeit sein "Individuum" wieder aufzubauen, die Ablehnung der Klassen, der Romantismus über den "Aufstand" und 1848 und 1871, die grossen Sätzen über die Notwendigkeit der "verwurzelung" am Land...



solidarität mit kriminalisierten

rAge 05.12.2008 - 17:49
die politische ausrichtung ist sicherlich nicht nebensächlich und muss ausführlich und kritisch diskutiert werden.

aber es geht hier um einen staatlichen angriff auf "linke" strukturen, wo nicht zwischen ultralinken und autonomen / anarchist_innen differenziert wird sondern jegliche antikapitalistische / emanzipatorische zusammenhänge kriminalisiert werden soll.

und da ist meiner meinung nach solidarität gefragt und gefordert!

Solidarität mit allen Gefangenen! Gegen die Kriminalisierung von politisch aktiven Menschen! Für Anarchismen!

ultragauche-toujours

c´estpasimportant 05.12.2008 - 21:38
Entschuldigung, aber die von antifa! eingefädelte Debatte um "ultragauche" vs. linksradikal ist völliger Müll. Die GenossInnen aus Tarnac sind linke AktivistInnen mit verschiedenen Horizonten und Bestrebungen. Und selbstredend sind Yldune und ihre GenossInnen antif@s!
Für praktische Solidarität -- Das Repressionregime angreifen heißt die EU demontieren!

ultra-gauche / extrême-gauche

antifa 06.12.2008 - 14:38
Ich wurde kritisert mit dem satz:

"Entschuldigung, aber die von antifa! eingefädelte Debatte um "ultragauche" vs. linksradikal ist völliger Müll. Die GenossInnen aus Tarnac sind linke AktivistInnen mit verschiedenen Horizonten und Bestrebungen."

Sorry aber es stimmt nicht und JEDER linksradikale Person (oder ultralinker) in Frankreich kann es bestätigen.

Bitte Leute die Kontakt zu Frankreich haben, machen sie es!!!

Und ich bitte die Person, die das Wort "genossInnen" benützt, irgend eine Position, einen Text, oder eine Sage der Verhafteten zu geben, wo sie sich als Linksradikal (=extrêmle-gauche) bezeichnen.

Es gibt keine! Sie würden NIE so eine Sache machen, da die Ultralinken gegen den antifaschismus (für denen Teil des Systems), gegen die Linksradikalen (für denen Teil des Systems) sind. Es ist eine Tatsache !

Die Ultralinken haben sich immer als "jenseits" vorgestellt!

Buch "Der kommende Aufstand" ist lesenswert

Link zum Buch hier 08.12.2008 - 00:26
Hier gibt es das Büchlein als pdf-Datei:

 http://www.lafabrique.fr/IMG/pdf_Insurrection.pdf

Beiträge die keine inhaltliche Ergänzung darstellen

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@antifa!

bla 05.12.2008 - 14:34
"Wieso denn bitte findet man Heidegger und Nietzsche (richtigerweise) faschistisch in Deutschland, und werden die akkzeptiert, wenn ein paar französischen ultra-Linken sich von denen berufen? "

bezogen auf nietzsche..
weil er schwerlich eindeutig dem faschismus zuzuordnen ist. nietzsche war ein verwirrter mann, der an den dingen um ihn herum zum ende seines lebens hin zerbrach. vllt. wurden einige seiner gedanken 50 jahre spaeter missbraucht, aber nietzsche selber war weder antisemitisch, er hatte eine starke abneigung gegen den gemeinschaftsmythos (war persönlich auch extremer einzelgaenger), kriegskult und nationalismus. in seinen notizen steht zum beispiel: "Mit keinem umgehen, der an den Rassenschwindel glaubt!"
dem widersprechen selbstverstaendlich gedanken nietzsches zu massenliquiditionen im dienste der hoeherzuechtung, tyrannei und sklaverei auf das aeusserste. nur, diese gedanken aeusserte er vor allem in seinen spaetwerken und unbestritten ist, dass er am ende seines lebens einfach nur ein kaputter mensch war.


der artikel oben erinnert mich aus der kalten heraus ehr an die anfaenge der raf..
im uebrigen beriefen die sich auf ideen dutschkes und theorien der frankfurter schule. waeren das nun auch faschisten, wie es teile der raf waren?

Aufstand ?

Leser 05.12.2008 - 15:16
Um fass für ein Buch handelt es sich hier eigentlich ?
Mir ist es unbekannt.
Gibt es das unverfänglich im Netz, damit man sich selber eine Meinung bilden kann , bzw. weiss jemand eine gute Quelle im Netz wo man sich über die Verlautbarungen der Gruppe informieren kann ?

unterschied zwischen ultralinken

ich 05.12.2008 - 20:13
und linksradikalen.

was ist denn bitte der unterschied zwischen ultralinken (die ja laut dem artikel und seinen ergänzungen nicht "links" sind) und linksradikalen?

pünktlichkeit

passant 08.12.2008 - 19:28
Ja. zuverspätungen sind terror.
mir schnuppe ob von demonstranten oder der bahngesellschaft.
bahnverspätungen sind folter und sollten von nato-soldaten verhindert werden!

blahblah

@ Antifa! 18.07.2009 - 12:37
Ich weiß zwar nicht wieso, du gibst dir ja aber unglaublich Mühe, hier eine Entsolidarisierung mit den Tarnac-Leuten zu propagieren. Das du diesen Menschen unterstellst, sie seien nicht gegen reaktionäre Ideologien wie Faschismus und Nationalsozialismus, kann nur dem dummen Hirn eines Prollantifas entspringen, der neidisch ist, weil er (oder unwahrscheinlicher sie) nichts auf die Reihe kriegt, außer verbalmilitante Phrasen auf Demos zu dreschen und dort Antifaschismus als das Tragen von schwarzen Regenjacken, übergroßen Sonnenbrillen, weißen Sneakers und Prügelfähnchen auszugeben.
Schon mal daran gedacht, dass wir in faschistoiden Systemen leben?

Aber was willst du überhaupt? Krampfhaft entschiedene emanzipatorische Politik in den Dreck ziehen? Oder ist in den angesprochenen Büchern gar "verkürzte Kapitalismuskritik" zu finden? Aber das wirst wohl nicht mal du hinbekommen...

Sorry, dass ich mich hier an dem Angepisse beteiligt habe. Musste aber einmal sein.