Berlin: "Ich krieg die Krise" Veranstaltung

Antifaschistische Linke Berlin ::[ALB]:: 27.11.2008 23:51 Themen: Soziale Kämpfe
"Ich krieg die Krise" hieß es am 4. November im Festsaal Kreuzberg in Berlin. Die Antifaschistische Linke Berlin und die Zeitschrift Antiberliner hatten zu einer Veranstaltung geladen um die aktuelle Krise des Kapitalismus zu diskutieren und zugleich den Auftakt für eine bundesweite Veranstaltungsreihe im Rahmen der Interventionistischen Linken zu machen. Am kommenden Mittwoch, dem 3. Dezember, wird die Diskussion am selben Ort um 19.30 Uhr fortgesetzt.
Etwa 250 ZuhörerInnen lauschten den drei Referenten und der anschliessenden, angenehm konstruktiven Diskussion. Angenehm auffallend war auch die Zusammensetzung des Publikums - es war alles Andere als eine typische Szeneveranstaltung.

Das erste Referat hielt Joachim Bischoff, Redakteur der Zeitschrift Sozialismus und Autor des vor wenigen Wochen im VSA Verlag erschienenen Buches "Globale Finanzkrise". Er skizzierte die Ursachen der der Wirtschaftskrise vorausgehenden Finanzkrise, betonte aber, dass es auch unabhängig von den Zusammenbrüchen auf dem Finanzmarkt zu einer Konjunkturkrise gekommen wäre. Die Krise der so genannten Realökonomie würde sich bereits jetzt, etwa im Bereich der Automobilindustrie zeigen. Dies sei jedoch erst der Anfang, denn seines Erachtens sei die derzeitige Krise als eine Jahrhundertkrise anzusehen, die in ihren Auswirkungen selbst noch die Weltwirtschaftskrise von 1929 übersteigen könnte.

In Anbetracht der staatlichen Rettungspakete für die Banken forderte er, die Sanierung der Kreditinstitute mit Auflagen zu verbinden und die Auswirkungen für die Ärmsten abzufedern.

Seiner Meinung nach bestünde die Gefahr, dass im Zuge der Krise das Alltagsverständnis vieler Menschen nach rechts rücken könnte, er bestand aber darauf, dass dies nicht notwendiger Weise passieren müsse, sondern davon abhängt inwieweit sich die Linke in die kommenden gesellschaftlichen Auseinandersetzungen einmischt.


Als zweiter Referent sprach Werner Rätz, der bei der Informationsstelle Lateinamerika sowie bei attac aktiv und innerhalb der Interventionalistischen Linken vernetzt ist. Er stellte die derzeitige Krise in einen historischen Kontext. Hierbei verdeutlichte er, mit welchen Transformationsprozessen das Kapital in der Vergangenheit auf derart heftige Krisensituationen reagiert hatte.

Streng marxistisch leitete er die systemimmanenten Ursachen der Krise her und datierte den Anfang des aktuellen Krisenzyklus auf die Ölkrise von 1973, deren Folgen bisher immer weiter aufgeschoben wurden. Bezüglich des zu erwartenden Ausmaßes der derzeitigen Wirtschaftskrise schloss er sich der Einschätzung Joachim Bischoffs an. Für die weitere Zukunft, behauptete Werner Rätz, seien weitere Krisenphasen zu erwarten, die in kürzeren Zyklen auftreten und immer tiefer in der Kern der kapitalistischen Ökonomie vordringen würden.

Gegen die staatlichen "Rettungsmaßnahmen" des Finanzsektors wendetet er sich nicht, da die Linke von einem Zusammenbruch nichts Gutes zu erwarten hätte. Er gab jedoch zu bedenken, dass das kapitalistische Wachstumsmodell schon aus ökologischen Gründen nicht mehr lange machbar sei. Die Linke müsse sich daher perspektivisch die Fragen stellen:

Wie kann eine Schrumpfungsökonomie aussehen? Und wie übernehmen wir die Organisation der Ökonomie?

Michael Heinrich, der daraufhin referierte, unterstrich, dass er mit den Ausführungen der bisherigen Referenten grundsätzlich übereinstimme und deshalb nur vertiefend auf Details eingehen wolle.

Zuderst wies er darauf hin, dass der Begriff Realwirtschaft, welcher dem Finanzmarkt gern gegenüber gestellt wird, insofern irreführend ist, da er annehmen lässt, dass der Finanzmarkt nichts Reales wäre. Es müsse darauf geachtet werden der Trennung von gutem, "realem" Kapital und schlechtem Finanzkapital nicht auf den Leim zu gehen. Das Entkoppeln beider Sphären wäre schon deshalb nicht sachgemäß, da kapitalistische Produktion auf Kredite angewiesen ist.

Des Weiteren widersprach er seinen Vorrednern in Bezug auf das Ausmaß der Krise insofern, als er die konkreten Auswirkungen noch nicht absehen könne und deshalb auch nicht sagen könne, dass die Krise noch Schlimmer sei als 1929. Sicher sei sie jedoch die schwerste Krise seither, zudem das offensichtliche Ende des neoliberalen Gesellschaftsexperiments.

Er bekräftigte noch einmal die Einschätzung, dass die Krise dem kapitalistischen System immanent sei und war sichtlich amüsiert, weil inzwischen selbst stockkonservative Ökonomen diesen Systemfehler eingestehen mussten. Er verwies auch auf die Tatsache, dass derartige Krisen sich in der Vergangheit als Föderlich für das kapitalistische System als Ganzes erwiesen haben. Sie seien die einzige Korrekturmöglichkeit im Kapitalismus, beseitigen die unproduktiven Elemente und führen zur Restrukturierung der Ökonomie.

In welcher Weise sich die Ökonomie in der derzeitigen Krisensituation restrukturiert - sogar ein neuer "Elendskapitalismus" sei denkbar - hänge stark vom Eingreifen der Linken ab. Von allein breche der Kapitalismus jedenfalls nicht zusammen.

Konkret, sagte Heinrich, müsse die Linke das Legitimitätsdefizit, das sich aus der Krise ergibt, nutzen und in der Öffentlichkeit konkrete Alternativen propagieren. Zur Frage wohin es gehen soll, sei jedoch erst einmal eine innerlinke Verständigung von Nöten.

Das von den drei Referenten bereits angerissene Thema, der sich im Zuge der Krise ergebenden Aufgaben einer antikapitalistischen Linken, soll am Mittwoch der kommenden Woche vertieft werden. Hierfür sind Christine Bucholz (Die.Linke), Thomas Böhm (ver.di - AK Weltwirtschaft), Alexis Passadakis (attac), Thomas Seibert (Interventionistische Linke) und ein Aktivist des erst kürzlich Schlagzeilen machenden Berliner SchülerInnenbündnisses als ReferentInnen geladen.

"Ich krieg die Krise - Teil 2"
Mittwoch 3.12.2008 - 19.30 Uhr
Festsaal Kreuzberg (U-Bhf Kottbusser Tor)
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Ergänzungen

VA: Konkret und Sozialdemokraten

Anarchosyndikalist 28.11.2008 - 13:23
Fr. 28.11. [20.00 Uhr]
Info- und Diskussion:
Der freie Fall der Kräfte - Privatisierung und Verstaatlichung gestern und heute
Nicht erst seit der Finanzkrise beginnt der neoliberale Nimbus vom freien
Markt zu brechen. Schon zuvor setzte in einigen Ländern eine Rückkehr zu
stärkerem staatlichen wirtschaftlichen Engagement ein, nachdem sich dort
die Auswirkungen der Privatisierungspolitik gezeigt hatten. In der
Veranstaltung sollen das Verhältnis von regulierterter und deregulierter
Wirtschaft in Geschichte und Gegenwart beleuchtet und die Konsequenzen der
neoliberalen Privatisierungspolitik aufgezeigt werden. Dabei steht auch
die Frage im Raum, welche Handlungsperspektiven sich für uns im
Spannungsfeld von privater und staatlicher Wirtschaft ergeben.
Referenten: Holger Marcks und Mathias Seiffert
[Veransstaltungsort: FAU-Lokal, Straßburger Str. 38, Berlin-P'berg, U2 Senefelderplatz]


@Antifa

über den Tellerrand Blicker 28.11.2008 - 14:18
Ich denke, dass die Auswahl der ReferentInnen für die zweite Veranstaltung mit drei grundsätzlichen Überlegungen zusammenhängt:

1.) Es gibt keine VertreterInnen der linksradikalen/ autonomen Szene, die sich bisher auch nur einigermaßen Intelligent zum Thema Krise geäußert haben. Aus dieser Richtung kommt entweder Nichts, oder ein in Richtung Verelendungstheorie gehendes: "Lasst doch den Kapitalismus einfach zusammenbrechen." Daß Verelendung in Deutschland nicht zum Sozialismus, sondern nur zur Barbarei führt, sollte eine Lehre aus der Geschichte sein.

2.) Machen die eingeladenen ReferentInnen nicht den Eindruck, dass die ALB um einen Dialog mit "der" Linkspartei und "der" Gewerkschaft bemüht wäre. Die Eingeladenen ReferentInnen stellen innerhalb ihrer Organisationen die linke bis linksradikale Opposition dar.

Gerade der ATTAC Vertreter Werner Rätz hat auf der letzten Veranstaltung durch marxistische Analyse und Kritik bestochen. Wer meint er hätte dafür plädiert den Kapitalismus zu erneuern, war offensichtlich nicht auf der Veranstaltung.

3.) Was soll eine Veranstaltung bringen in der sich die autonome, berliner Szene gegenseitig Antagonismus versichert? Die Antwort auf die Krise kann nur eine breite antikapitalistische Bewegung sein, die über das autonome Spektrum hinaus geht. Hierfür müssen sich die AntikapitalistInnen der verschiedenen Organisationsansätze verständigen, also von Gewerkschaft, über Partei, bis NGO und autonomen Gruppen.

"K- Frage" stellen!

IL 28.11.2008 - 14:29
Weitere bundesweit stattfindende Veranstaltungen der Interventionistische Linken
auch im aktuellen Flyer:

Die Interventionistische Linke zur Krise des Kapitalismus und den
Perspektiven der Transformation

An die Linke von Heiligendamm. An alle Genoss/innen, denen die Kritik
des herrschenden Elends immer auch eine Frage der praktischen Intervention
ist. An die Gewerkschaftsaktivist/innen, deren Projekt sich im Kampf um 8%
mehr Lohn nicht erschöpft. An alle, für die eine andere Klimapolitik vom
Kampf gegen das globale Ausbeutungsgefälle nicht getrennt werden kann.
An die Aktivist/innen ungezählter sozialer Initiativen, denen die Veränderung
gesellschaftlicher Verhältnisse immer auch eine Frage der alltäglichen
Lebensweisen ist. An diejenigen in der Partei DIE LINKE, die sich von der
Bewegung auf der Straße nicht trennen lassen und für die ihre Politik im
Sprung auf 13%+x nicht aufgeht. An alle, die auf der Suche nach einer
kollektiven Form für ihre rebellischen Wünsche nach einer ganz anderen Welt
sind: Eröffnen wir gemeinsam eine Debatte um die „K-Frage“: eine Debatte
über Krise, Krieg, Klimawandel, Kapitalismus – und über ein kommunistisches
Danach.

Antikapitalistischer Ratschlag

Programm und weitere Infos demnächst auf

www.interventionistische-linke.de

Sonntag, 25.1.2009, Frankfurt/Main

von der ananlyse zur kritik zum widerstand

antifa linke münster 28.11.2008 - 16:42
Auch in Münster findet eine Podiumsdiskussion zum selbigen Thema statt:
Die Krise an den Finanzmärkten beherrscht die Medien und die politische Diskussion nun schon seit Wochen. Die Regierungen in den USA und der EU schnüren immer neue „Rettungspakete“ in unglaublichen Höhen. Nach Jahren der Aufrufe zum Sparen und des Verzichts („Gürtel enger schnallen“) ist auf einmal genug Geld da. Mit was haben wir es hier also zu tun? Wie ist die Krise entstanden und wer zahlt eigentlich ihre „Bewältigung“? Stecken bloß die Finanzmärkte oder der Kapitalismus generell in einer Krise? Wird gerade das Ende des Neoliberalismus eingeläutet?

Wir möchten die Ursachen und Auswirkungen der Krise in den Blick nehmen und fragen, mit welchen Problemen eine Linke konfrontiert wird. Gibt es eine Chance für die Linke in der Krise oder ist zu befürchten, dass extrem rechte und autoritäre Krisenerklärungen und - "lösungen" sich durchsetzen werden?

Podiumsdiskussion mit:
Werner Rätz (Interventionistische Linke)
Stefan Frank (Konkret)
Antifaschistische Linke Münster

Donnerstag, 18.12.2008 | 20.00 Uhr
Hörsaal 0.44 im Hüfferstift (FH)
Hüfferstraße 27 | Münster

Beiträge die keine inhaltliche Ergänzung darstellen

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schön — jones

Liebe ALB — Antifa

@Antifa — Kommunist

@kommunist — opa

tellerrand — @antifa

@kommunist — communist

vvv — bbb

@anton — Toni

@bbb — oldschool antifa

Deutschland — Ananda

Erwiderung — Antifa

@ Antifa — Ananda

ergänzende worte — JogiBär

Laumeyer — nicht laumeyer

IL? — c.c.

meine meinung — javanse

seibertchen — Dr. Schiwago

@Lego Lohmühle — extremverschuldet