Kiel: Soliaktion vor Starbucks

FAU Kiel 22.11.2008 12:39 Themen: Soziale Kämpfe
Am Samstag, den 8.11., trafen sich einige Mitglieder der FAU Lokalsyndikate Kiel und Bad Segeberg, sowie sympathisierende AktivistInnen zu einer Solidaritätsaktion vor der Starbucksfiliale in der Kieler Innenstadt. An-lass dafür waren die repressiven Maßnahmen, die gegen bei Starbucks arbeitende anarcho-syndikalistisch organisierte GewerkschafterInnen in Spanien und den USA angewendet wurden. Meistens gingen die jeweiligen UnternehmensleiterInnen so weit, die selbstorganisierten Arbeitskämpfe mit Entlassungen beenden zu wollen. Dieser - im deregulierten Kapitalismus nahe liegenden - Lösung einen Strich durch die Rechnung zu machen, ist das An-liegen der Solikampagnen, die ihren vorläufigen Höhepunkt vor einigen Monaten im Rahmen des Globalen Aktionstages gegen Starbucks ( http://www.fau.org/artikel/art_080705-070956) erfuhren. Es handelt sich somit um einen Versuch, im Rahmen einer internationalen anarcho-syndikalistischen Organisierung solidarischen Widerstand zu leisten.
Mit den über 500 verteilten Flyern (Inhalt siehe unten), die die Starbucks-Beschäftigten und KundInnen sowie interessierte PassantInnen über unser An-liegen aufklärten, wurde auch temporär eine kleine Alternative angeboten, sich im Rush-Hour Stress abseits vom normalen Konsumbetrieb mit Kaffee und Süßem in entspannter Atmosphäre zu versorgen. So wurden frisch gekochter zapatistischer Soli-Kaffee sowie selbst gebackene Brownies von unserem Infotisch aus für Lau verteilt, so dass sich das lange Anstehen bei Starbucks sowie die 3,50 für einen „ordentlichen“ Kaffee getrost gespart werden konnten. Zum verweilen luden die Klänge der sozialrevolutionären Straßenmusikgruppe „Schall und Rauch“ (www.myspace.com/agitakustik) aus Neu-münster ein, die die Aktion mit Instrumenten und Gesang unterstützten. Zudem gab es noch eine Ausgabe der Direkten Aktion ( http://www.fau.org/da/ausgaben/da_189/da_189.pdf) betreff der Thematik kostenlos zum mitnehmen.
Obwohl keine Genehmigung vom Ordnungsamt vorlag, verlief die Aktion mitten in der Innenstadt reibungslos. Eine ganze Weile lang war es sogar möglich, in der Starbucksfiliale selbst immer wieder Flyer an Tische und BesucherInnen zu verteilen, und mit verschiedenen Menschen ins Gespräch zu kommen. Erst sehr spät wurde der Manager des Unternehmens auf unser Treiben aufmerksam, verließ daraufhin sein Büro und verwies uns unter Androhung von Polizei des Hauses, was wir ohne Weiteres hinnehmen konnten, da sein Hoheitsgebiet nur wenige Meter vor der Tür des Ladens endete. Dort verstrickte sich der stolze Aufsteiger („Ich war bis vor 3 Jahren selbst noch normaler Angestellter“) in ausufernde Diskussionen mit einigen an der Aktion Teilnehmenden. Wichtig war ihm festzustellen, dass die Entlassungen ja nun nicht in Deutschland stattgefunden hätten, und er behauptete allen Ernstes, das deutsche Arbeitsrecht sei ein Indiz für die allgemeine Arbeitnehmerfreundlichkeit hierzulande, welche sich vorzüglich am Beispiel seiner Starbucksfiliale veranschau-lichen lasse. Hinweise unsererseits bezüglich der Aufweichung des Kündigungs-schutzes in den letzten Jahren blieben dann auch kommentarlos. Stattdessen wechselte der engagierte Manager das Thema, und erzählte von der Starbucks-internen Gewerkschaft in Berlin, deren bloße Existenz seiner Meinung nach unsere Kritik an Entlassungen von GewerkschafterInnen entkräfte. Der Versuch, ihm den Unterschied zwischen syndikalistisch organisierten, anarchistischen Gewerkschaften und einer sozialpartnerschaftlichen Starbucksgewerkschaft zu erklären, führte nicht gänzlich zum Erfolg. Als wir ihm insofern ein Friedensangebot unterbreiteten, als dass wir klarstellten, dass es sich nun mal um eine Solidaritätsaktion handele, und nicht um die Stigmatisierung „seines“ Unternehmens oder gar seiner Person, schlug er dieses aus mit den Worten: „Bei Starbucks sind wir alle eine Familie, egal ob An-gestellte oder Konzernspitze.“ An diesem Punkt mussten wir dann doch erkennen, dass dem Gespräch der Sinn zu fehlen schien.
Nett zu beobachten war, dass einige der Menschen, die einen Flyer in die Hand ge-drückt bekommen hatten, und sich diesen während des Stehens in der Schlange bei Starbucks durchlasen, nach der Lektüre ihre Konsumabsichten begruben und den Laden wieder verließen. Oft gesellten sie sich dann zu unserem Infostand und griffen auf die dortigen kulinarischen Angebote zurück. Ohne Zwischenfall brachten wir unser Kontingent an Flyern, Zeitungen, Kaffee und Brownies unter den Klängen der sozialrevolutionären Straßenmusik an die vorbeiströmenden Menschen, um dann nach getaner „Arbeit“ den Heimweg anzutreten.
Solidarität mit den kämpfenden GenossInnen in Spanien und den USA! Solidarität gegen Vereinzelung und sozialpartnerschaftlichen Identitätsschwindel!
FAU Kiel:
 http://www.fau.org/ortsgruppen/kiel/
FAU Bad Segeberg:
 http://www.fau.org/ortsgruppen/badsegeberg/
CNT Sevilla (Spanien):
 http://sevilla.cnt-ait.es/cms/index.php
sowie deren Aktionen zu Starbucks:
 http://seccionstarbuckscnt.wordpress.com/
SWU/IWW (USA):
 http://www.starbucksunion.org/

Flyer:

Dieser Kaffee schmeckt bitter!
Nun hat also auch in Kiel eine Starbucks-Fiale eröffnet. Mitten in der Innenstadt werden zukünftig gestresste BürgerInnen ihren Cofee to go schlürfen können, um von der Arbeit und dem stressigen Alltag abzuschalten.
Doch wie sieht es bei Starbucks selbst mit den Arbeitsbedingungen aus ?
„Soziale Verantwortung bei Starbucks“ und „Menschen mit Respekt und Würde behandeln“ sind nur zwei Parolen,mit denen Starbucks im Internet wirbt. Laut Konzern denken auch die Angestellten ausschließlich positiv über ihren Arbeitsplatz: „Wir schaffen uns ein großartiges Arbeitsumfeld und behandeln uns mit Respekt und Würde.“
Wird jedoch hinter die Kulissen geschaut, entpuppt sich dies als eine aus dumpfen Parolen bestehende Werbe-kampagne, die sich am kosmopolitischen Bürger der Industrienationen orientiert.. In Wirklichkeit feuert STARBUCKS seit Jahren immer wieder Beschäftigte, die sich für bessere Arbeitsbedingungen einsetzen. Letztes Beispiel in der langen Kette anti-gewerkschaftlicher Praktiken bei STARBUCKS ist die Entlassung von Monica aus Sevilla. Das sich STARBUCKS trotzdem so offensiv als „Menschen & Naturfreundlich“ präsentiert, spiegelt den autoritären Charakter solcher Unternehmen wieder: Verbesserungen werden von dem Wohlwollen der Unternehmensleitung abhängig gemacht- Mitspracherechte oder gar Selbstorganisation unter den ArbeiterInnen jedoch werden unterbunden.
Am 24. April wurde Monica gefeuert. Sie ist aktives Mitglied der wenige Monate zuvor von den Beschäftigten ins Leben gerufenen Betriebsgruppe der Gewerkschaft CNT bei STARBUCKS in Sevilla. Die CNT fordert ihre sofortige Wiedereinstellung und hat bereits erste Unterstützungsaktionen in Filialen der Stadt durchgeführt. Da wir die gesamtgesellschaftlichen Ziele der CNT teilen – als da wären Selbstorganisation in allen Lebens-bereichen, die Überwindung von Ausbeutung, sowie eine herrschaftsfreie Welt – unterstützten wir den Protest gegen diese repressiven Praktiken nun auch hier vor Ort. Denn Solidarität sehen wir als den grundlegenden Wert an, an dem sich eine Gesellschaft orientieren sollte. In diesem Zusammenhang ermuntern wir alle, nicht bloß ArbeiterInnen bei STARBUCKS, sich von der hierarchischen Struktur ihres Arbeitsplatzes nicht einschüchtern zu lassen, sondern sich zu organisieren und aktiv zu wehren.
Das Vorgehen gegen Monica gleicht demjenigen, mit dem STARBUCKS bereits zuvor in den USA mehrfach gegen den Versuch von ArbeiterInnen vorgegangen ist, sich gewerkschaftlich zu organisieren, um die eigenen Bedingungen zu verbessern. Auch dort werden immer wieder Leute gefeuert, die sich in der »Starbucks Workers Union (SWU)« der Gewerkschaft IWW organisieren. Wie die CNT fällt auch die IWW aus dem gewöhnlichen Rahmen der Organisation von ArbeiterInnen, da sie eine sehr weitgehende Vorstellung einer anderen Gesell-schaft propagiert. Es geht uns in diesem Fall konkret um die Zustände bei STARBUCKS, aber wir sehen diesen international organisierten Protest libertärer Organisationen auch als Aufschrei gegen eine Welt, in der die Menschen zu Produktions- und Kostenfaktoren erklärt werden, und ihre Bedürfnisse sich entsprechend der Profitmaximierung unterordnen müssen. Immer, wenn sich Menschen selbstbewusst und selbstbestimmt gegen die herrschenden Verhältnisse zur Wehr setzten, werden wir Wege suchen und finden, uns mit ihnen solidarisch zu zeigen.
In den vergangenen Jahren hat die FAU bereits in mehreren Städten und zu wiederholten Anlässen Aktionen bei STARBUCKS durchgeführt, um gegen das anti-gewerkschaftliche Verhalten des Konzerns zu protestieren, über die Arbeitsbedingungen aufzuklären und um unsere Solidarität mit KollegInnen auszudrücken. Damit nicht bloß bei STARBUCKS klar wird, dass ein Angriff auf eine von uns ein Angriff auf alle ist, und dass es darauf eine passende Antwort gibt! Wir fordern die freie Möglichkeit von Beschäftigten, sich gewerkschaftlich zu organisieren! Weltweit! Das gilt auch für die vielen prekär beschäftigten SchülerInnen und studentischen Aus-hilfen. Ob der jeweilige Konzern das nun will oder nicht! Weitere Infos: seccionstarbuckscnt.wordpress.com | www.starbucksunion.org | www.fau.org
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