Klassik vertreibt Menschen aus dem Bahnhof

Mozart 01.10.2008 13:42 Themen: Repression
In Delmenhorst folgt man jetzt München und Hamburg. Der Bahnhof wird mit klassischer Musik beschallt. Damit sollen Menschen vertrieben werden, die sich nicht zum Bahnfahren kurzfristig im Bahnhof aufhalten, sondern - aus welchen Gründen auch immer - für längere Zeit im Bahngebäude verweilen wollen.
Den Bahnvorständen und "Bahnhofsmanagern" gefällt nicht, dass unterschiedliche Menschen sich in Bahnhöfen aufhalten.
Diese "hohen Herren" (Frauen erlangen diese Ämter bei Mehdorn nicht) haben folgendes Bahnhofsbild im Kopf: Man möge den Bahnhof bitte zügig betreten, schnell Tickets kaufen (was allerdings wegen der langen Warteschlangen nicht geht) und dann noch schnell etwas in den Läden konsumieren. Danach hat man gefälligst schnell zu Fuß oder per Bahn zu verschwinden (was wegen der zahlreichen Zugverspätungen aber schwierig ist).

Die Menschen verhalten sich nicht so wie sich die Bahnhofsmanager es wünschen und daher erdenken sie sich stets neue Methoden zum Vertreiben der Menschen. Da werden Sitzbänke abgebaut und durch unbequeme Sitzschalen ersetzt. Es werden warme Warteräume abgebaut, so dass auch bei Frost und Schneefall alle Leute draußen stehen müssen.
Jetzt als neue Idee: klassische Musik soll als Vertreibungsunterhaltung herhalten. "Musikschulen versuchen Kindern und Jugendlichen die klassische Musik näher zu bringen und Bahnhofsmanager nutzen diese Musik als Abschreckungslärm. Das Kulturverständnis dieser Bahnhofsmanager ist offenbar nicht vorhanden und sollte daher von Kulturschaffenden und Politik gefördert werden. Kulturbanausen als Bahnhofsmanger sind nicht hinnehmbar." so kommentierte ein reisender Vater die hochoffizielle Einweihung der Musikanlage auf dem Delmenhorster Bahnhof.
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Ergänzungen

lsyh

ldfh 01.10.2008 - 14:40
Die Klassik-Geschichte in Bahnhöfen ist bereits seit HAMBURG eine perfide Mär.

Gleichzeitig werden ungebetene Subjekte von privaten und öffentlichen Security-Teams aggressiver aus den Bahnhöfen hinausbugsiert.

Wie einfach die Leute doch mit perfiden Lügen, die normalerweiser direkt durschaubar wären, auszutricksen sind.

Andererseits freut es auch die meisten Leute, dass der Abschaum nicht mehr das Sichtfeld beleidigt.

Musik an Bahnhöfen

Anti Space Control 01.10.2008 - 15:11
In München wird im U-Bahnbereich an verschiedenen Stationen klassische Musik in gedämpfter Lautstärke gespielt. Die Auswahl der Stücke ist immer ähnlich: Beruhigende, nicht aufwühlende, -keine spannungsreichen Stücke. Vivaldi bis Bach. Beispielsweise U-Poccistrasse (Kreisverwaltungsreferat=Verkehr von Menschen die um ihre Aufenthaltsverlängerung zittern; MVG-Zentrale=Schwarzfahrstelle) oder an der U-Giselastr. (Ex-Szene-Treff für harte Drogen, heutzutage noch sehr vereinzelt (Codein-)Saft Szene und Kiff /Alk).
Durch die Beschallung der Bahnhöfe mit klassischer Musik sollen mehrere Dinge erreicht werden:
1. Soll die Musik beruhigend wirken (Egal auf wen, ob "soziale Zielgruppe" direkt oder allgemein Bürger)
2. Verhindert die Musik einen längeren Aufenthalt. Mensch kann schlecht bei der Musik länger als 2h einnicken/schlafen. Auch wenn es manchen Menschen zunächst nichts ausmacht, während der Musik etwas zu schlafen, werden sie längerfristig davon Abstand nehmen und an einer
anderen U-Bahnstation oder sich an einem anderen Ort aufhalten.

Was sehr nebensächlich erscheint hat sozialpsychologische Strategie. Es ist eine Intervention des Kontrollstaates, eine Massnahme die kein Zufall ist, sondern bewusst Menschen leiten /kontrollieren möchte.

nicht ganz verstanden

verbesserer 01.10.2008 - 15:25
die klassische musik dient dazu drogenabhängige aus den bahnhöfen zu werfen. ein versuch, junge menschen aufgrund der klassik zu vertreiben, wäre wohl ein wenig blöd. aber in einem rauschzustand von härteren drogen wird die musik als sehr störend, auch mit angst aufgenommen. deshalb wird in münchen an den bekannten bahnhöfen diese musik gespielt

Kultur-BoschewistInnen

Noel Birkenmayer 01.10.2008 - 20:11
Eine interessante Einschätzung der Lage.

Da sollen also Menschen die angeblich aus der bürgerlichen Norm herausfallen, durch Beschallung mit, nach bürgerlicher Norm, hochkulturellem Bildungsgut "vergrätzt" werden - nämlich klassischer Musik. Das halte ich für einen schlechten Witz. Denn schlimm kann dies meiner Ansicht nach nur ein vollkommen auf populär-seichtes Gedudel eingeschworener Mensch finden. Würde in den Bahnhöfen hingegen MUZAK gespielt, wie in Fahrstühlen, Telephonschleifen, Supermärkten und Einkaufszentren oder in sehr vielen tatsächlich privaten Lokalitäten (Bistros, Cafès, Restaurants) wäre dies allemal terrorisierender als entspannende klassische Musik. Aber beklagt sich irgedein indy-user über den alltäglichen MUZAK der ihn andauernd umfliesst, oder den er selbst für seine umwelt produziert (mittels seines mp3-players oder dem cell-phone)? Meine Recherche hat ergeben - dem ist nicht so.

Wenn die Beschallung also dazu beiträgt die oft hektische Atmosphäre auf Bahnhöfen zu besänftigen, oder den oftmals sehr funktionellen Bahnhöfen eine, für viele verschiedene Musikgeschäcker der NutzerInnen, die noch keine eigene Privatbeschallung am Ohr tragen, (der Bahnhof ist ja nicht nur ein "Freiraum" für "Pöbel und Gesocks" - es soll tatsächlich Menschen geben die solche Orte täglich als Transitflächen benutzen) erträglicheres, angenehmes Sound-design zu verschaffen, was kann daran verwerflich sein?

Glaubt der Verfasser des Beitrags, dass sich Junkies, BerberInnen, kids off class und andere "nichterwünschten Menschen" an Bahnhöfen wohler fühlen würden mit HC, Punk, Metal oder GOA, ect. Beschallung?

Ich bevorzuge für mich immer die Vorstellung Einkaufszentren mit düsterem Detroit-Techno beschallt zu bekommen - Wellness- und Arztpraxen mit rohem Industrialsound. Aber ich bin mir schon darüber im klaren, dass dies nur meine persönlichen Phantasien sind. Aufdrängen wöllte ich dies keinem anderen Menschen - wofür gibts schliesslich alle die feinen Kopfhörerchen?

Ob sich also die Entscheidung von BahnhofsbetreiberInnen (die oftmals eben nicht mehr "öffentliche" Körperschaften sind - und somit die jeweiligen Bahnhöfe immer öfter auch Mix-Landschaften aus privater und "öffentlicher" Nutzung sind) für klassische Musik, wenn sie die Aufendthaltsbereiche beschallen wollen, tatsächlich hier als "politischer" SKANDAL thematisieren lässt, sehe ich kritisch.

@Kultur-BoschewistInnen

Noel B. 01.10.2008 - 20:30
gemeint sind selbstverständlich: Kultur-BoLschewistInnen...=]

hamburg

77 02.10.2008 - 14:58
in hamburg am hbf wurden die drogis ganz anders verscheucht. mit security und bullerei. außerdem nahm die bahn sich der toiletten an. wer sich unter anderem am bahnhof irgendwo auf den boden setzt, wird sofort von bullerei oder security zum aufstehen aufgefordert! kein geheimnis ist, dass die vertriebenen nun am harburger bahnhof aufzufinden sind, wo sich weitaus weniger zugverkehr und vor allem tourismusaufkommen zeigen.

dortgibt es verlassene bahnhallen mit allerlei netter inhalt. dort scheinen unter anderem leute schon gewohnt zu haben und bilder gemalt zu haben. die verlassenen hallen sind ein kleines abenteuer - mal als tipp :) - aber auf bahnmitarbeiter aufpassen.

auch gibt es klassikmusik in ubahnstationen der innenstadt wo mehr los ist. ich habe immer gehört, dass das wegen der drogis ist. der hvv erhöht zum jahreswechsel übrigens die preise. "in unbekannter höhe". mir wurde auf eine email mit der begründung gestiegener kraftstoffpreise geantwortet.

viel perfider finde ich am kiez ein "kunstwerk" unter dem sich sonst immer leute ohne bleibe zum schlafen eingefunden haben. nun wird da nachts alle halbe stunde wasser gesprüht um die leute zu vertreiben!!!


und mal ehrlich. wahrscheinlich nehmen sie diese musik, da darauf kein copyright mehr besteht. müssen also nichtmal gema für die mukke zahlen.

Lalalaaa - Täderääääääää .....

Alf Tschopin 03.10.2008 - 08:29
In der Psychoakustik beispielsweise wird untersucht, unter welchen Umständen zwei nacheinander erklingende Töne als zusammenklingend wahrgenommen werden und ab welchem Tempo ein Rhythmus wahrgenommen wird und ab welchem nicht mehr (Universalien der Musikwahrnehmung).
Auch Phänomene wie das der virtuellen Tonhöhe oder die Synästhesie werden untersucht.
Ein weiterer Schwerpunkt liegt auf dem Zusammenhang zwischen Musik und Emotion. Auch Aspekte wie das Erkennen von Musik, sowie das Beurteilen, Erinnern und Speichern werden, häufig mit neuropsychologischen Methoden erkundet. Hoffe es hilft .......

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Klassik rockt! — Wie Waldi

Long live music — AntifascistRuhrpott

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Paranoia — BahnFan