Prozess gegen Antifas in BB ist eine Farce

ProzessbeobachtungsTeamerInnen 08.09.2008 19:46 Themen: Antifa Repression
Am heutigen Montag, den 08. September fand am Amtsgericht Böblingen der erste Prozeßtag gegen 7 Antifaschisten statt. Ihnen wird vorgeworfen im Anschluss an ein NPD Konzert im Februar letzten Jahres mehrere Nazis angegriffen zu haben. Geladen waren vier Nazis, die als Geschädigte ihre Aussagen machen sollten. In der Mittagspause fand mit 30 Teilnehmern eine unangemeldete antifaschistische Kundgebung vor dem Amtsgerichtsgebäude statt, bei der nochmals auf die Brisanz des Falles hingewiesen wurde.
Schikanen gegen Prozessbesucher

Die knapp 30 Prozessbeobachter waren mit verschiedenen Schikanen konfrontiert: Die Ausweise jedes Besuchers wurden bei dem Betreten des Prozesses kopiert, alle Besucher mussten sich einer teilweise peinlich genauen Leibesvisitation unterziehen. Der Saal war für die Anzahl der Besucher zu klein und erst auf Nachfragen von Anwälten wurden mehr Besucher in den Saal gelassen.

Nach der Aufnahme der Personalien und der Verlesung der Anklageschrift durch die Staatsanwältin verneinten die Beschuldigten die Frage ob sie Aussagen zur Sache machen wollen. Daraufhin wurde die Verhandlung nach 15 Minuten bis 13.30 Uhr unterbrochen.

Antifaschistische Kundgebung in der Mittagspause

Gegen 12.30 Uhr fand vor dem Gerichtsgebäude eine Kundgebung statt, bei der nochmals darauf hingewiesen wurde wie die Anklage zu Stande kam und die Notwendigkeit von Antifaschismus erneut herausgestellt. In einem Redebeitrag wurde desweiteren die Einstellung aller Verfahren gefordert.
Die anwesende Polizei wusste sich nicht zu helfen und nahm später die Personalien eines Anwesenden auf, um ihn zum Versammlungsleiter zu stilisieren.

Die "Opfer" werden in den Raum gebeten

Um 13:35 wird die Verhandlung fortgesetzt. Die Neonazis Florian Leittner und Thorsten Langer werden hereingebeten. Als sie den Saal betreten werden im Zuschauerraum Blätter hochgehoben die gemeinsam den Schriftzug "NAZIS RAUS" ergeben. Der Richter fordert die Polizei auf die Zettel einzusammeln. Den beteiligten Verhandlungsteilnehmern wird im Falle einer Wiederholung ein "Ordnungsgeld über 300 Euro, ersatzweise drei Tage Haft" angedroht.
Nachdem alle Blätter eingesammelt sind werden die Zeugen Leittner und Langer auf ihre Rechte und Pflichten hingewiesen.

Leittner und Langer errinern sich kaum

Der aus Ludwigsburg stammende Florian Leittner (28) ist sichtlich nervös. Sie "waren relativ die letzten" die das Konzert verließen und er hatte "vier bis fünf Bier getrunken und einen Schnaps". Als Sie in ihr etwas entfernt parkendes Fahrzeug einsteigen wollten "kamen auf einmal Leute aus dem Dunkeln und der erste hatte ´nen Stock". Ab da werden die Aussagen von Leittner recht wirr. Unter dem Stock soll er durchgetaucht sein aber ein zweiter Angreiffer soll ihn erwischt haben. Ausserdem soll er im Augenwinkel noch verschiedene Angriffe auf seine "Kameraden" beobachtet haben, räumt aber schliesslich ein, dass ihm das nur bedingt möglich war.
Die verwirrten Aussagen von Leittner führen im Publikum immer wieder für Geräusche der Ungläubigkeit. Verständnisvoll erklärt der Richter daraufhin, dass Zeugenaussagen vor Gericht schwierig seien "insbesondere wenn sich eine Menschengruppe wie sie im Hintergrund aufhält".
Der aus Marbach stammende Thorsten Langer (35) stellt im ersten Satz seiner Ausführungen gleich fest: "Ich kann nicht viel erzählen". Ihm selber sei nichts groß passiert nur "irgendwo hier rechts hab´ ich ne Schramme abbekommen" (zeigt dabei auf sein linkes Ohr). Nach einigen weiteren Erzählungen verlässt Langer unter "Nazis Raus" rufen den Raum.
Daraufhin werden die Personalien von drei Prozessbesuchern aufgenommen.

Marcel "Flinky" Hecht

Der 25 Jährige Trainee für Projektmanagement Marcel Hecht aus Ludwigsburg betritt zünftig gescheitelt den Gerichtssaal. Im Gegensatz zu seinen "Kameraden" habe er die Situation recht gut überblickt, da er gleich im Moment des Angriffs geflohen sei. Einer der Angreifer habe ihn zwar verfolgt er sei aber davongekommen als sich ein ziviles Polizeifahrzeug zwischen ihn und den Angreifer gestellt habe.
"Aus ca. 200 Metern Entfernung" habe er dann die Situation beobachtet. Dabei soll er beobachtet haben, wie die 6-9 Angreiffer in eine vorfahrende Stufenhecklimusine gesprungen seien.
Schon in diesen kleinen Details tauchen erstaunlich viele Widersprüche zu seinen früheren Aussagen auf. Damals war es ein Fahrzeug heute waren es zwei, Damals war sein Verfolger mit einem Schaal vermummt heute mit einer Sturmhaube usw.
Zu seiner Rolle im Regionalverband der NPD kann er auch nichts weiter sagen, als das er zwar Mitglied sei aber entgegen einer öffentlichen Stellungsnahme der NPD nie für die Betreuung der Homepage zuständig gewesen sei. Ausser einer einmaligen Presseerklärung habe er keine Funktionen in der NPD wahrgenommen.

Und noch mehr Widersprüche

Die Aussagen der Zeugen widersprachen sich heute in nahezu allen Punkten. Wie die Täter gekleidet waren, wohin und wie sie geflohen sind oder wie viele Täter es überhaupt waren, in derartig entscheidenden Punkten konnte keine einheitliche Aussage festgestellt werden. Fakt bleibt, dass alle "Opfer" getrunken hatten und mit kleineren Blessuren davon kamen.

Nazizeugen Bresst und Danneberg blieben dem Prozess fern

Martin Danneberg blieb dem Prozess von vornherein fern. Mit besonderer Spannung wurde sein Auftritt erwartet, da er für diesen Prozess den Bundesvorsitzenden der Republikaner Dr. Schlierer als Anwalt engagiert hatte.
Der Neonazi Bresst lies sich entschuldigen, da er sich momentan aus beruflichen Gründen in Südafrika aufhällt.

Mehrere Organisationen und Vereine fordern die Einstellung des Verfahrens

Für die Organisationen und Vereine die sich bisher zu dem Prozess verhalten haben dürfte der heutige Verhandlungstag eine Bestätigung ihrer Forderung sein. Bereits im Vorfeld hatte u.a. die Rote Hilfe e.V., die Antifaschistische Aktion (Aufbau) und das Antifaschistische Aktionsbündnis Stuttgart & Region die Solidarität mit den Angeklagten erklärt und die Einstellung aller Verfahren gefordert.
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Ergänzungen

Artikel aus der SZBZ, vom Dienstag 09.09.2008

Zeitungsleser 09.09.2008 - 11:27

Prügelei nach NPD-Veranstaltung

„Antifaschismus ist notwendig, nicht kriminell“ stand auf einem Transparent, das gestern Mittag vor dem Böblinger Amtsgericht entrollt wurde. Damit wandten sich die Demonstranten gegen den gestern beginnenden Prozess, indem sieben Angeklagten gefährliche Körperverletzung vorgeworfen wurde, weil sie nach einem NDP-Fest in der Sindelfinger Stadiongaststätte vier Rechtsextreme überfallen und verprügelt hätten – zum Teil mit einem Stock (die SZ/BZ berichtete).

Demo vor dem Gericht

In der Lesart der demonstrierenden Antifaschisten hätten die Stadt und der VfL Sindelfingen die so genannte Faschingsveranstaltung der NPD ermöglicht, die Polizei hätte darüberhinaus die Gegendemonstranten „schikaniert und daran gehindert, ihre demokratischen Rechte wahrzunehmen“. Und, so Frank Bach von der Roten Hilfe Stuttgart, einer bundesweiten linken Rechtshilfe-Organisation: „Zur Krönung der Provinzposse stehen nun auch noch ausgerechnet einige der Menschen vor Gericht, die versucht hatten, gegen die Veranstaltung der rassistischen Hetzer zu protestieren.“ Auch vor dem Böblinger Amtsgericht nahm die Polizei die Personalien der Redner auf. Nun soll geklärt werden, wie die Zusammenkunft der Demonstranten versammlungsrechtlich zu bewerten sei – ob es sich beispielsweise um eine spontane Versammlung oder eine nicht genehmigte Demonstration handelte.

So hatte es auch Richter Michael Kirbach im Gerichtssaal nicht ganz einfach, den üblichen Rahmen einer Gerichtsverhandlung aufrecht zu erhalten. An drei Besucher verhängte er eine Ordnungsstrafe in Höhe von 300 Euro – ersatzweise drei Tage Ordnungshaft, nachdem er sich mehrfach politische Kundgebungen verbeten hatte. „Ich dulde nicht, dass Sie den Gerichtssaal zu politischen Demonstrationen missbrauchen. Es geht hier nicht um Politik, sondern um gefährliche Körperverletzung.

Denn: Den sieben Angeklagten wird vorgeworfen, die von den Demonstranten vor dem Gerichtsgebäude skandierte Parole „Für die Freiheit, für das Leben – Nazis von der Straße fegen“ recht wörtlich genommen zu haben. Die sieben – Arbeiter, Handwerker und Studenten im Alter von 24 bis 34 Jahren – wollten weder zu ihrer Person noch zu der vorgeworfenen Tat Angaben machen.

Rennicke statt Fasching

Ausgangspunkt war eine angebliche Faschingsveranstaltung der NPD am 16. Februar 2007 in der Sindelfinger Stadiongaststätte. Das Wort Fasching nahmen wohl auch die späteren Opfer nicht allzu wichtig, lediglich einer von ihnen sei, nach Aussage des Zeugen Sven K. (alle Namen geändert), mit einer Melone und einem Stöckchen verkleidet gewesen. Umso interessanter sei für ihn der rechtsextreme Liedermacher und Ex-Ehninger Frank Rennicke gewesen. Zum Auftritt des wegen Volksverhetzung verurteilten Sängers sagte der Zeuge Sebastian G.: „Nur wegen Rennicke bin ich ja hingegangen.“

Nachdem die fünf Besucher der rechtsextremen Veranstaltung das Lokal verlassen hatten und bei der ehemaligen Gaststätte Sirtaki, rund 200 Meter entfernt, in ihre Auto einsteigen wollten, wurden ihnen nach Erkenntnis der Staatsanwaltschaft von den Angeklagten aufgelauert, sie wurden angegriffen und es entspann sich eine kurze, aber heftige Prügelei. Die Angreifer seien teilweise mit Sturmhauben getarnt und mit einem Stock bewaffnet gewesen.

Die Zeugen Sven K. und Sebastian G. kamen dabei glimpflich davon. Neben Rötungen am Kinn und einem „Streiferle“ am Ohr nach Faustschlägen, hätten sie keine ernsthaften Blessuren davongetragen. Zwei weitere Zeugen mussten mehr einstecken: Einer hatte nach der Keilerei eine aufgeplatzte Lippe, ein anderer eine Platzwunde überm Auge. Ungeschoren kam der fünfte davon: Das NPD-Mitglied und ehemalige Funktionär Jannick F. gab Fersengeld und konnte durch ein herbeieilendes Polizeiauto seinen Verfolger abschütteln.

Polizeisperre umfahren

Nach dem Auftauchen der Polizei seien die Angeklagten, so die Anklageschrift, in zwei Pkw davon gefahren, hätten auf dem Gehweg ein quergestelltes Polizeiauto umfahren, rote Ampeln ignoriert und mit überhöhter Geschwindigkeit geflüchtet.

Wer zugeschlagen hatte und womit, wie viel Täter an der Keilerei überhaupt beteiligt waren, blieb gestern unbeantwortet. Dass sie von einer „Horde“ von sechs bis neun Personen angegriffen wurden, darin sind sich die Zeugen weitgehend einig. Doch wie viele sich an der Keilerei beteiligt hatten konnte nicht geklärt werden. Sven K. hatte sich nach eigenen Angaben zeitweise mit zwei Angreifern auseinanderzusetzen; Sebastian G. war mit einem beschäftigt und Jannick F. heftete sich ein Verfolger an die Fersen. Die beiden anderen Zeugen kamen nicht zur Gerichtsverhandlung. Unklar auch die Anzahl der Fluchtfahrzeuge. Dabei und auch zur Fahrzeugform machte Jannick F. andere Angaben als die Staatsanwaltschaft. Nach anderthalb Jahren war ihm nur noch ein fliehendes Auto in Erinnerung – und die hätte sicher ein Stufenheck besessen – was gegen den Golf und den Fiesta der Angeklagten spräche.

Der Prozess wird am 22. September mit der Aussage der Polizisten fortgesetzt.

Bilder von der Kundgebung

mir 09.09.2008 - 13:08
Hier noch einige Bilder von der Kundgebung vor dem Amtsgericht.

Beiträge die keine inhaltliche Ergänzung darstellen

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Aber hörma´ — genervt von diesen Indylektuellen

ihr... — schafft das

beruhig — dich!