Berlin: Neues zum Knast-Fall Christian S.

König Eisenberg 24.07.2008 00:17 Themen: Antifa Repression
Der Antifa Christian S. sitzt seit Juni 2007 im Knast weil er am 1. Mai 2004 in Berlin-Friedrichshain einen Naziaufmarsch mit einem umgekippten Auto aufhalten wollte. Die Geschichte der Repressalien gegen ihn waren schon oft Thema auf Indymedia und sollen nicht alle wieder aufgerollt werden. Vielmehr gibt es Aktuelles, was es zu berichten lohnt.
Die letzte Zusammenfassung von den Solidaritätsaktionen für Christian S. wurde hier im März 2008 dargestellt.
Am 4. April 2008 wurde von der Strafvollstreckungskammer Berlin entschieden, dass Christian die elf Monate (die er unrechtmäßig in U-Haft verbrachte) erlassen bzw. auf die Haftzeit angerechnet werden. Das geschah nicht, weil sie plötzlich ein Großzügigkeitausbruch bekommen haben, sondern viel mehr, weil sie politischen und medialen Druck bekommen haben.

Am 25. April 2008 wurde das Parteibüro der Berliner Grünen in der Dresdner Straße von einigen AktivistInen besetzt mit dem Ziel die Grünen dazu zu bewegen sich zu den skandalösen Aussage im Vollzugplan von Christian S. zu äußern. Die Aktivisten wollten erfahren, ob auch für die Grünen Antifaschismuseine für „eine schädliche Haltung“ halten.

Dazu wurde dann eine kleine Anfrage bei der Berliner Justizsenatorin Gisela von der Aue gestellt. Die kann man hier ( http://one.xthost.info/freechristian/data/stuff/AnfrageAntifaschismusMakel.PDF) lesen. Zitat: "Das überaus wichtige bürgerschaftliche Engagement gegen Rechtsextremismus hat mit der Begehung von strafbaren Handlungen nichts zu tun"

Am 19. Juni 2008 wurde eine Geburtstags Kundgebung und ein Hip-Hop Konzert vor dem Knast in dem Christian inhaftiert ist, der JVA-Plötzensee, abgehalten und zeitgleich in Rom eine Kundgebung für Christian vor der deutschen Botschaft organisiert ( http://roma.indymedia.org/node/3530)
Die folgenden Forderungen wurden bei der Botschaft abgegeben und sie wurde dann von da an der Senatsverwaltung für Justiz, an die Strafvollstreckungskammer und an die JVA Plötzensee in Berlin gefaxt.

Forderung:
Hiermit fordern wir die Leitung der Justizvollzugsanstalt Plötzensee, die Berliner Strafvollstreckungskammer, die Staatsanwaltschaft von Berlin und die Senatsverwaltung für Justiz auf, den Berliner Antifaschisten Herrn Christian S., Buchungsnummer: 441/08/5 an seinem zweidrittel Haftzeit Entlassungstermin (zu den Verfahren: P11/81Js 542/00VRs und A18/81Js 1150/04 Vrs) am den 4. August 2008 freizulassen:

Gründe:
Der Grund für die Vollverbüßung der Strafen in seinem ersten Vollzugsplan entspricht seiner politischen Überzeugung einer antifaschistischen Grundhaltung. Diese wird im ersten Vollzugsplan der JVA-Tegel als eine kriminelle Haltung definiert. Das können wir nicht ohne ausdrücklichen Protest hinnehmen. Der Vorwurf: "Wut, Hass und Verachtung gegenüber faschistischen Organisationen“ zu haben ist nicht als Haftbegründung akzeptierbar, sondern höchstens als eine für alle humanistischen und demokratischen Grundsätzen verpflichteten Menschen selbstverständliche politische Grundhaltung. Seine antifaschistische Überzeugung wird in diesem Vollzugsplan dafür genutzt, ihm eine besonders harte Haftzeit ohne Aussicht auf Lockerungen zu "verpassen". Wir wiederholen die Tatsache, dass es momentan in den verschiedenen Haftanstalten Berlins Neonazis gibt, die von Lockerungen und offener Vollzug begünstigt sind. Darunter langjährige Gewalttäter die bis heute ihre Taten in rechten Szenepublikationen aus der Haft heraus rechtfertigen. Den uns vorliegenden Akten nach müssten wir davon ausgehen, dass in einem Land wie der Bundesrepublik Deutschland kein Platz für Antifaschismus ist. Grotesker weise wird zwar inhaftierten Neonazis eine Resozialisierung getraut und ihnen dementsprechend entgegengekommen - den inhaftierten Antifaschisten werden – gerade aufgrund ihrer Überzeugung - Steine in den Weg gelegt.

Christian S. musste auf seine Berufung für das Verfahren A18/81Js 1150/04 VRs, in welchem die Staatsanwaltschaft schon angekündigt hatte ihn nicht für drei Jahre sondern für 2 Jahre und 4 Monate( welches auch ein überbemessenes Urteil gewesen wäre) zu inhaftieren - verzichten, um aus der überlangen 11-monatigen Untersuchungshaft wegen einem anderen Verfahren herauszukommen und seine Gesundheit zu retten. Durch diese Erpressung hat die Berliner Justiz rechtsstaatliche Grundlagen, sprich jedem einen fairen Prozess zu ermöglichen, nicht eingehalten. In diesem Verfahren, welches die Erpressung ermöglich hat, wurde er freigesprochen, was eigentlich schon von dem ersten Tag der U-Haft absehbar war.
An diesem Punkt möchten wir die Berliner Justiz daran erinnern, dass die maximale Dauer einer U-Haft normalerweise 6 Monate beträgt.

Christian erhielt während dieser elf Monate nur unregelmäßig seine Medikamente gegen Hepatitis C. Die Beamten im Haftkrankenhaus Moabit, die für ihn zuständig waren, wurden wegen Medikamentendiebstahls im Mai 2008 zu Bewährungsstrafen verurteilt. Wir möchten auch daran erinnern, dass die Grundrechte jedes Gefangenen eine medizinische Versorgung beinhalten.

Seit jetzt mehr als 4 Jahren verhält sich die Berliner Justiz gegenüber Christian S. sowie seinen Angehörigen in einer oft die Regeln eines Rechtsstaates in Frage stellenden Art und Weise. Gesetze sind keine Einbahnstraße, sie gelten für alle Bürger. Beobachter dieser Vorgänge sind der ständig neue Schikanen müde.

Deswegen fordern wir die Freilassung von Christian S. am 4. August 2008.

Dann am 27. Juni 2008 wurde eine Kundgebung in Tel Aviv vor der deutschen Botschaft durchgeführt. Diese beide Kundgebungen wurden sowohl für Christian wie auch für Andrea als Solidaritäts Aktion gemacht.
Seitdem Christian in der JVA-Plötzensee eingesperrt ist, hat die Leitung der JVA Plötzensee keinen neuen Vollzugsplan gemacht. Laut Paragraph 57 Svg ist es vorgesehen, dass ein Gefangener nach 2/3 seiner Strafe, die restliche Zeit auf Bewährung verbüßen kann. Dafür gibt es eine Anhörung bei der Strafvollstreckungskammer. Dazu muss die Staatsanwaltschaft eine Stellungsnahme abgeben und um ihre Stellungnahme zu begründen braucht sie wiederum eine Stellungnahme von der Knastleitung. Bei Christian wurde die Knastleitung von der Staatsanwaltschaft aufgefordert diese Stellungnahme vor dem 3. Juli 2008 abzugeben. Damit sie ihre eigene Stellungnahme abgeben kann und vor dem 4. August 2008 eine 2/3 Anhörung stattfinden kann. Die Haftanstalt hat diese Frist nicht eingehalten und es sieht nicht so aus als ob sie beabsichtigt dies zu tun.
Gleichzeitig hat die Anwältin von Christian einen Antrag nach Paragraph 109 SVG gestellt und beantragt, dass der falschen Vollzugsplan aufgehoben wird und durch einen neuen ersetzt wird. Der Vollzugsplan ist relativ wichtig, weil er die Grundlage der 2/3 Anhörung ist. Die Anstalt hat die Anklage erwidert indem sie behauptete, dass sie für den Vollzugsplan der in Tegel gemacht worden ist nicht zuständig sei. Die Anstalt hat gleichzeitig jedoch der Strafvollstreckungskammer zugesichert im Juni einen neuen Vollzugsplan zu erstellen, was sie ebenfalls nicht gemacht hat.
Stattdessen deutet die JVA-Plötzensee mündlich an, dass sie ein psychologisches Gutachten bei Christian zu erstellen plane, da sie ihn für hochgefährlich und aggressiv halte. Ein Antrag auf Ausgang zum Vorstellungsgespräch bei dem Arbeitsgeber von Christian, den er normalerweise am 14. Juli 2008 hätte haben müssen, wurde gar nicht erst bearbeitet.
Die Anstalt will offensichtlich so lange die Sachen verschleppen, bis Christian seine 2/3 Anhörung mit dem alten und falschen Vollzugsplan machen muss.

Das Datum für die Anhörung ist also noch nicht bekannt, aber sie wird wohl in den nächsten zwei Wochen stattfinden. Achtet daher auf Ankündigungen!!!
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Ergänzungen

Eine Anfrage im Abgeordnetenhaus

Antifa 24.07.2008 - 11:41
Eine Anfrage im Abgeordnetenhaus hat die Nazis in den Berliner Knästen und der Umgang mit Christian S. zum Thema:

 http://www.parlament-berlin.de:8080/starweb/adis/citat/VT/16/KlAnfr/ka16-12186.pdf

@ 24.07.2008 - 19:31

LiMo 25.07.2008 - 02:48
Du outest dich hier doch selbst als geistiger Tiefflieger. Was du plumpen, idiotischen Vadalismus nennst, ist in diesem Land oft das einzige Mittel, Naziaufmärsche praktisch zu verhindern. Sobald nämlich genügend Chaos entsteht und somit Polizeikräfte gebunden werden, wird die Polizeiführung Stück für Stück, Unruheherd für Unruheherd an den Punkt gedrängt, wo sie verkünden muss, die Sicherheit der Nazidemo nicht mehr gewährleisten zu können. Und von diesem Punkt an wird sie alles tun, die Versammlung zu beenden und die herangekarrten Nasen schnellstmöglich wieder in Bus und Bahn zu pferchen und nach Hause zu schicken.

Anfang der 90er noch regelmäßig, Anfang dieses Jahrzehnts die letzen male, wurde dieses Konzept erfolgreich angewendet. Da die meisten Leute aber Gegenaktivitäten zu einer Nazidemo nur noch als rein symbolischen Akt begreifen,m wo es allein darauf ankommt, bei der "Gegendemo" dabei gewesen zu sein, ist es mittlerweile normalgeworden, dass Nazis beinahe überall (wo es keinen "plumpen, idiotischen Vandalismus" gibt, ungestört marschieren können.

Und zu dem anderen Schreiberling: Wer meint Nazis und Antifaschisten in einen Topf werfen zu können, dem ist sowieso nicht mehr zu helfen.

Soli für Christian!

Beiträge die keine inhaltliche Ergänzung darstellen

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Sicherheit — blub blub

MAnchmal frag ich mich echt — muss ausgefüllt werden

@LiMo — NordNeuköllner

positionierung — satd

muss ausgefüllt werden — muss ausgefüllt werden