Aktuelles zum TKDV Verfahren gegen A. Reuter

TKDV-Ini Dresden 22.04.2008 21:52 Themen: Militarismus
Das Landgericht Görlitz hat die drei Verteidiger, denen der Richter am Amtsgericht Ronsdorf die Zulassung am 14.12.2007 in einem spektakulären Coup entzogen - und anschließend mit dem Angeklagten "kurzen Prozess" gemacht - hatte, wieder zugelassen!
In dem Strafverfahren (Anklageerhebung bereits März 2006) gegen den Totalen Kriegsdienstverweigerer Andreas Reuter aus Zittau wegen Dienstflucht sind Detlev Beutner (FfM), Jörg Eichler und Sebastian Kraska (TKDV-Initiative Dresden) - teilweise erst durch Beschwerdeentscheidung des Landgerichts Görlitz - als Wahlverteidiger zugelassen worden.

Da sie keine Rechtsanwälte sind, läuft eine Strafverteidigung über die in der Praxis relativ unbekannte Vorschrift des § 138 Abs. 2 StPO, nach der auch "andere Personen" (als Rechtsanwälte oder Hochschullehrer) als Wahlverteidiger zugelassen werden können, sofern sie genügend sachkundig und vertrauenswürdig erscheinen.

Von Beginn an war das Verfahren seitens des Amtsgerichts Zittau gekennzeichnet von einer Reihe von massiven Verstößen gegen zentrale - und verfassungsrechtlich verbürgte - Schutzrechte des Beschuldigten. Der zuständige RiAG Ronsdorf hat sich durchgehend einer Verfahrensweise bedient, die sich so weit vom Boden der Strafprozeßordnung entfernt hat, daß von offenem Rechtsbruch gesprochen werden muß. Exemplarisch seien dabei lediglich genannt die Beschneidung des Rechts des Beschuldigten aus § 137 Abs. 1 StPO, sich des Beistandes von bis zu drei Verteidigern zu bedienen sowie die mehrfache faktische Verweigerung von Akteneinsicht.

Mittlerweile hat nun in diesem Verfahren Mitte Dezember letzten Jahres die Hauptverhandlung am Amtsgericht stattgefunden, die von schier ungeheuerlichen Vorgängen begleitet war, die im folgenden skizzieren werden:

Die Hauptverhandlung am 12.12.07 fand statt in Anwesenheit von sechs schwer bewaffneten Beamten der Bereitschaftspolizei, die teilweise mit schußsicherer Weste ausgerüstet waren und in unmittelbarer Nähe des Angekagten in der ersten Reihe des Sitzungssaales Platz nahmen. Die Heranziehung der Polizeibeamten war vom Vorsitzenden angeordnet worden, ohne daß es im Vorfeld auch nur den geringsten Anlaß für die Befürchtung gab, daß es zu Störungen in der Hauptverhandlung durch den Angeklagten und/oder durch das mit ihm sympathisierende Publikum kommen könne. Die Verhandlung glich damit einer Hochsicherheitsveranstaltung; man hätte meinen können, hier sollte einem gefährlichen Gewaltverbrecher der Prozeß gemacht werden.
Interessant in diesem Zusammenhang ist noch die Tatsache, daß sich die Polizeidienststelle in Zittau etwa 150 Meter vom Gerichtsgebäude entfernt befindet.

Aufgrund dieser Vorgänge war der Vorsitzende RiAG Ronsdorf von der Verteidigung wegen der Besorgnis der Befangenheit abgelehnt worden; die Verhandlung wurde unterbrochen und ein Fortsetzungstermin für den 14.12.07 bestimmt.
Zu Beginn dieses Forsetzungstermines wurden die Ablehnungsanträge durch RiAG Ronsdorf selbst - unter klarer Überspannung seiner Kompetenzen - als unzulässig gem. § 26a Abs. 1 Nr. 3 StPO (Verschleppungsabsicht), aber mit deutlichem Eintreten in eine Begründetheitsprüfung, verworfen - womit sich der Vorsitzende zum "Richter in eigener Sache" gemacht hat; u.a. findet sich in den Gründen dieses Beschlusses der Satz: "Auch bei den weiteren in den Befangenheitsanträgen vorgebrachten Gründen ist kein Grund ersichtlich, der tatsächlich eine Befangenheit rechtfertigen würde."
Mit einem zweiten Beschluß wurde den Verteidigern die (teilweise erst über die Beschwerde am Landgericht Görlitz erwirkte) Zulassung als Wahlverteidiger überraschend - u.a. mit der Begründung, daß die Tätigkeit einen Verstoß gegen das RBerG darstelle - entzogen, um dann sofort gegen den nunmehr unverteidigten Angeklagten zu verhandeln, ohne ihm auch nur eine Minute die Gelegenheit zu geben, sich auf diese völlig neue Verfahrenssituation einzustellen oder ggf. seine Verteidigung neu zu organisieren. Vielmehr wurden seine Anträge, die Verhandlung aus diesem Grunde zu unterbrechen, mit dem pauschalen Hinweis darauf, daß kein Fall der notwendigen Verteidigung vorliege, abgelehnt. Verurteilt wurde Andreas Reuter zu einer Freiheitsstrafe von zwei Monaten auf Bewährung, die Staatsanwaltschaft hatte drei Monate beantragt. Dabei darf das (jedenfalls in der Praxis) vergleichbar "milde" Urteil jedoch nicht darüber hinwegtäuschen, mit welch geradezu Verachtung zu nennenden Haltung hier gegenüber fundamentalen strafprozessualen Rechten des Angeklagten vorgegangen wurde.

Der Angeklagte hat gegen dieses Urteil nunmehr Revision eingelegt.
Gleichzeitig hat aber die StA Görlitz Berufung gegen das Urteil eingelegt, die sich aus der Differenz von einem Monat gegenüber ihrem eigenen Antrag in der Verhandlung jedenfalls nicht rechtfertigen läßt. Ganz offensichtlich dient das von der StA eingelegte Rechtsmittel lediglich dazu, die Revision des Angeklagten (die dann als Berufung behandelt wird) zu verhindern, um auf diese Weise einer revisionsrechtlichen Überprüfung der durch das Amtsgericht an den Tag gelegten Verfahrensweise zu entgehen.
Eine diesbezüglich deutliche Sprache - unter Erfindung völlig neuer Strafzumessungskriterien - spricht auch die Berufungsbegründung der StA
Görlitz: das gefundene Strafmaß werde als nicht ausreichend beurteilt, weil der Angeklagte es zulasse (!), "daß der Prozeß dazu benutzt wird, um die vermeintliche Unfähigkeit und Willkür des erkennenden Gerichts zu demonstrieren. Dies hätte in die Strafzumessungserwägungen als Hintergrund und Nachtatverhalten mit einfließen und zu einer kurzen Freiheitsstrafe führen müssen, die sich nicht am untersten Strafrahmen orientiert".

Der Angeklagte befinden sich nun mittlerweile in einem Schriftwechsel mit dem Leitenden Oberstaatsanwalt mit dem Ziel, die StA dazu zu bewegen, ggf. ihr Rechtsmittel zurückzunehmen und damit den Weg zu einer Überprüfung der klar rechtsstaatswidrigen Verfahrensweise des Amtsgerichts freizumachen.

Das Landgericht Görlitz hat seine drei Verteidiger, denen der Richter am Amtsgericht Ronsdorf die Zulassung am 14.12.2007 entzogen hatte, wieder zugelassen!

Dem Landgericht war es vermutlich schlicht zu peinlich, sich mit den Argumenten des AG Zittau im Einzelnen auseinanderzusetzen. Es erklärt kurz und knapp, dass die Verteidiger "in ihren bisherigen Schriftsätzen" - die es ja u.a. gerade waren, die den RiAG Ronsdorf so erbosten - "ihre strafrechtliche Sachkunde hinreichend dargelegt" hätten.


Den aktuellen Stand des Verfahrens könnt Ihr übrigens neuerdings unter  http://tkdv-zittau.blogspot.com verfolgen, wo auch jeweils die entsprechenden Schriftstücke aus den Akten verlinkt sind!
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