Die letzten Wochen in Neunkirchen/Saar

malte malzbier 24.01.2008 16:14 Themen: Antifa Antirassismus Freiräume
Seit der Auftaktdemonstration der Kampagne "Kein Raum fuer Nazis - Den rechten Lifestyle aus der Deckung holen" (http://de.indymedia.org/2007/11/200817.shtml) hat sich in Neunkirchen/Saar einiges getan. Seither verzeichnet die neunkircher Antifa Gruppe einen enormen Anstieg rechter Aktivitäten in der Mittelstadt.
Inhalt:

Naziaktivitäten

Am 12.12.07 wurden erstmals Flyer entdeckt, welche sich gegen das örtliche Jugend- und Kulturzentrum (JuZ) richteten. DieFlyer mit dem Aufdruck "ALKOHOL, DROGEN, RUHESTÖHRUNG UND VIELES MEHR IM JUGENDZENTRUM NEUNKIRCHEN - WARUM VERSCHLIESSTJEDER SEINE AUGEN", wurden anfangs von neunkircher Jungnazis aus dem Umfeld des "First Class Streetwear" verteilt und tauchten später in den Briefkästen etlicher Haushalte in der Stadt auf. Auch auf sämtlichen Bahnhöfen in der Region war dieser Flyer zu finden (Bild).
Auch örtliche Antifaschisten sowie auch antifaschistisch engagierte Bürger bekamen gleich mehrere Flyer in ihre Briefkästen.

Welches Ziel der Urheber der Flyer - nach Rechercheergebnissen der Besitzer des Naziladens "Torsten Staudacher"- mit demFlyer verfolgt, bleibt fragwürdig. Abgesehen von dem losen Inhalt und dem schlechten Layout, fällt die Resonanz auf diesen Flyer eherbescheiden aus. Jedoch war zu beobachten, dass alle Flyer zumindest in Farbe gedruckt wurden und mit einer hohen Auflage zu rechnenist.

Parallel zu den bereits erwähnten Geschehnissen, wurden auch im Internet (Gästebuch der Antifa Saar) vermeindliche AntifaschistInnen"geoutet" und teilweise Morddrohungen ausgesprochen. In der Innenstat tauchten nun auch explosionsartig Naziaufkleber aller Couleur auf. Von "Anti-Antifa"-Motiven bis Aufklebern mit der Aufschrift "Landser", mussten Antifaschisten diese fast täglich entfernen. Selbst die Tür der JuZ wurde zwangsweise mehrmals von "Anti-Antifa"-Aufkleber gesäubert.

Nachdem der Naziladen mitterweile zum dritten Mal entglast wurde, verteilten Nazis aus der gesamten Region am 19.01.08 erstmals neueFlyer. In diesen wird die "Antifa" als eine Art Nachfolgeorganisation der RAF dargestellt und auch erklärt, diese würde sich im Juztreffen, um von dort aus ihre "Anschläge" zu planen:

„Roter Terror in der Einkaufstadt Neunkirchen
20 Jahre nach dem Terror der RAF, deren Terroristen heute in Freiheit leben, scheint sich eine kriminelle Organisation namens „Antifa“ den Weg zum neuen roten Terror zu bahnen.Dieser richtet sich nicht wie damals gegen Regierungsvertreter oder sonstige einflussreiche Persönlichkeiten, nein diese richten sich gegen den „kleinen Mann“ auch hier in Neunkirchen.In den letzten Wochen wurden zahlreiche Anschläge gegen kleinere Einzelhandelsläden hier in Neunkirchen verübt. Darunter eine Metzgerei, ein Afroshop und ein Textilwarengeschäft. Bei jedem Anschlag wurden die Schaufenster mit Steinen zerstört, vereinzelt wurde gezielt versucht die Einrichtung zu zerstören und Waren aus dem Sortiment gestohlen.Die sogenannte „Antifa“ trifft sich regelmäßig im Jugendzentrum in der Karl-Schneider Straße 18 in Neunkirchen um ihre Straftaten zu planen. Diese werden meistens nach den dortigen Veranstaltungen an den Wochenenden verübt. Dieses Jugendzentrum wird von der Stadt getragen, also von Unseren Steuergeldern finanziert.
Darf so etwas denn sein?“

Wie der Urheber des neuen Flyers auf diese Schlußfolgerung kommt bleibt zwar unklar, jedoch zeigt sich eine deutliche Abstinenz zu Flyergestaltung, sorgfältiger Recherche und Geschichtsbewusstsein (Bild).

Wie schon erwähnt waren am 19.01.08 in Neunkirchen, Neonazis aus der gesamten Region anwesend. Nach dem Verteilen der Flyer, verfolgteeine Gruppe von Nazis, augenscheinliche Antifaschsiten, um Fotos von ihnen zu schießen. Auch wurde an diesem Tag eine Art "Nachtwache" vor demNaziladen inszeniert. So hielten sich ständig min. 10-15 Nazis, teils mit Kampfhunden, vor dem Naziladen oder in unmittelbarer Nähe auf.Offensichtlich hatte die Polizei die Lage über den ganzen Tag im Griff und es kam weder zu tätlichen Auseinandersetzungen, noch zueinem Angriff auf das JuZ. Selbst als gegen 2.30 Uhr ca. 70 Jugendliche, nach einer Abiturfeier in der örtlichen Diskotek, mit dem letztes "Nachttaxi" ihren Nachhauseweg antreten wollten, erschienen ca. 20-30 Neonazis auf der gegenüberliegenden Straßenseite und provoziertendie Jugendlichen. Jedoch war die Polizei innerhalb von ca. 30sec. anwesend, so dass nur Rufe wie "Scheiss Asylanten" und "ScheissAntifa-Wichser" zu vernehmen waren. Auch hier bleibt der Sinn dieser Aktion mehr als fragwürdig.


Naziaufkleber und Flyer: (für Großansicht anklicken)




Protest gegen den Naziladen:

Im Anschluss der Demonstration am 24. November vergangenen Jahres, wurde weitere Aktionen seitens der lokalen Antifaschisten gegen das Geschäft"First Class Streetwear" gestartet. Beispielsweise wurden ca. 10.000 Flyer mit das Aufschrift "Schon geheert? - Was Sense-Eduard zu Ohren kam..." in ganz Neunkirchenverteilt. Der "Sense-Eduard", mit Namen "Eduard Sens", wurde im Nationalsozialismus von den Nazis verfolgt und in einem Lager in Hadamar getötet.Als Andenken wurde ein Denkmal am neunkircher Hammer-Graben errichtet, wobei nur wenige Meter von diesem Denkmal entfernt, der Naziladen im vergangenenJahr seine Eröffnung feierte. Der Flyer, welcher in neunkircher Dialekt geschrieben ist, weist auf den Laden sowie sein Sortiment hin und wurde seitens der neunkircher Bevölkerung meist positiv reflektiert. (Flyer: vorne | hinten)

Am 15.12.07 wurde auch in Neunkirchen der Bundesweite Aktionstag gegen Thor Steinar als Anlass zur Aufklärung genommen. So machten sich einige Antifaschisten auf den Weg und füllten die Briefkästen in Neunkirchen mit Informationsmaterial, welches insbesondere auf die vom Naziladen vertriebeneMarke "Thor Steinar" aufklären sollte.

Fast zeitgleich zu den bereits erwähnten "Anti-JuZ-Flyern", konnte man im Schaufenster des Naziladens eine Art "Chronologie" entdecken. Dort hing eineListe, mit der Überschrift "Seit Eröffnug Vandalismus von Links gegen dieses Geschäft". Nach der Liste, wurden dem Besitzer die Reifen seinesAutos zerstochen, seine Tür mit Edding angemalt, zweimal mussten er einen Glaser bestellen und einmal bedienten sich anscheinend auch Menschendes glaslosen Schaufensters und nahmen das Ein oder Andere mit. Zudem wurde das Schaufenster auch schon "Opfer" von Sprayern (Bild).
Diese Liste musste wohl mehrmals aktualisiert werden, wobei auch die Überschriften sowie die Formulierungen oftmals wechselten. Eine letze Version liegt vom17.01.08 vor, wonach sein Auto demoliert und verkratzt wurde und auch Teerfabe den Weg über das komplette Schaufenster fand (Bild).
Nach den Ereignissen in der Nacht vom 12. zum 13. Januar, übernahm dann die "Saarbrücker Zeitung" die Dokumentation der Ereignissen (Presseartikel vom 14.01.08 | 15.01.08).Den Angaben der Saarbrücker Zeitung nach, haben gegen 2.30 Uhr, 20 bis 25 Personen das Geschäft angegriffen und danach eine Art Feuerwerkskörper in Richtung des Ladens geschossen. Auch eine zertrümmerte Scheibe des danebenliegenden Geschäfts wird der Personengruppe zugerechnet. Dass dies eins zu eins der Wahrheit entspricht, bleibt zu bezweifeln.

Wie immer sieht sich der Inhaber als Opfer, da er lediglich seinen Laden führen möchte und ihm dauernd das Geschäft "entglast" und besprüht wird. Schon seit Eröffnung des Geschäfts war klar, dass Neunkirchen für ihn kein Zuckerschlecken werden wird. Daher richtete sich der Inhaber zu Beginn auch einige Male an die Stadtverwaltung, welche schließlich auch nicht mehr tun kann, als Anzeigen gegen Unbekannt zu erstatten.
Nach dem eben erwähnten Bericht der Saarbrücker Zeitung, schafft sich Staudacher nun auch eine gewisse Öffentlichkeit. Mit einem Presseartikel, indem der Nazihooligan sogar zitiert wird und mal wieder die Schuld auf das JuZ schiebt, gibt es seither ein wenig bemerkbaren Rückenwind aus Teilen der Bevölkerung.
Auch die Solidarisierung der Nazis aus dem Saarland mit dem Laden wird größer, was die erwähnten Geschehnisse am 19.01.08 verdeutlichen.





VS/Staatsschutz-Aktivitäten: St.Ingbert

Unmittelbar im Anschluss der Geschehnisse in der Nacht vom 12. zum 13. Januar, ermittelt nun das LKA und prüft ob ein politischer Hintergrundvorliegt. Auch der VS bzw. Staatsschutz versucht anscheinend verkrampft sich in die Ermittlungen einzubringen.
So wurde am Mittwoch, dem 16.01.08, in St. Ingbert ein junger Antifaschist auf dem Weg von der Arbeit zu seinem Auto, von Beamten des Innenministeriums bezüglich seiner Zugehörigkeit zur "antifaschistischen Szene" belästigt. Als die Beamten bemerkten, dass dieser mit Argumenten nicht zur Zusammenarbeit zu bewegen ist, versuchten sie ihn mit einem Betrag von 500 Euro zu "überzeugen". Dies wurde auch abgelehnt und der Antifaschist wollte mit seinem Auto losfahren. Jedoch wurde versucht, ihn daran zu hindern, was zur Folge hatte, dass der Antifaschist nochmals aus seinem Wagen aussteigen musste umseine nicht vorhandene Gesprächsbereitschaft zu bekräftigen.





Für weitere Informationoen:

Autonome Antifa Neunkirchen
NO.SPAMneunkirchen@autonome-antifa.org
http://neunkirchen.antifa.net
http://www.kein-raum-fuer-nazis.de.vu
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Ergänzungen

Pressemitteilung vom 24.01.08

Autonome Antifa [NK] 24.01.2008 - 17:07
Pressemitteilung der Autonomen Antifa [Neunkirchen] Neunkirchen den 23.01.08



Naziaktivitäten in Neunkirchen in den letzten Wochen um ein vielfaches Gestiegen

Seit einiger Zeit beobachten wir das ansteigende Auftreten von Neonazis in der Öffentlichkeit fast wöchentlich werden mittlerweile Aufkleber mit rechtsradikalem Inhalt in der Innenstadt verklebt sowie Nazi Flyer verteilt. Diese Aktivitäten sowie eine Reihe von Ereignissen (u.a. versuchte Übergriffe, Morddrohungen, Drohgebärden auch gegen Bürger, Recherche Aktivitäten, NPD Wahlkampf Unterstützung in Ottweiler, Verteilaktionen, Aufkleber verkleben, Nazischmierereien usw.) in den vergangenen Wochen, sehen wir als einen parteiunabhängigen Strukturansatz der nun auch in Neunkirchen vorhanden ist. Zum ersten Mal seit der Schließung des Studio 88 (1999) versuchen erneut Nazis in Neunkirchen Fuß zu fassen und sich zu organisieren um Politik zu machen.
Mit einer Vielzahl an Aktivitäten im vergangenen Monat sind Neonazis in Neunkirchen sehr aktiv, während die Stadtverwaltung sich jedoch nicht wirklich bewegt „Im Neunkircher Rathaus sieht man währenddessen keinen Grund gegen das Geschäft vorzugehen. Das Geschäft sei bereits offiziell von Polizei und Ordnungsamt durchsucht worden“ so Oberbürgermeister Friedrich Decker gegenüber der SZ (Ausgabe vom 23.11.07). Mit der Zeit kommt sogar die Stadtverwaltung Neunkirchen in Argumentationsnot nun wurde wirklich jeder Neunkircher Bürger auf das Treiben in der Hebbelstraße und um das NS Opfer „Sense Eduard“ aufmerksam. Wenn von diesem Geschäft keine Gefahr ausgeht weshalb muss dann die Polizei wie auch am vergangenen Wochenende das Geschäft beobachten weil sich dort 15 bis 20 Nazis versammelten. Weshalb finden sich dann wie bei der letzten Demonstration im November gegen Naziläden ca. 40 Aktivisten aus der zum Teil extremen Rechten u.a. auch aus Saarlouis, Köllertal und Kaiserslautern? Diese Beispiele verdeutlichen auch die Kontakte des Geschäftsinhabers „Torsten Staudacher“. Wie ein Laden der sogar schon mit seinem Namen eine Anspielung auf eine extrem rechte und über Gewalt definierte Hooligan Gruppe aus Kaiserslautern (First Class 85 Limburgerhof) der übrigens auch Staudacher angehört, aus den Augen der örtlichen Polizei, dem Ordnungsamt sowie der Stadtverwaltung allen ernstes keine Gefahr darstellen soll bleibt uns wirklich ein Rätsel.
Torsten Fries (Pressesprecher der Autonomen Antifa Neunkirchen) dazu: „Was soll dieses Saubermann Image der Stadt? Neunkirchen hat ganz klar ein Naziproblem größer als vor einem Jahr als dieser Laden noch nicht existierte“.
Nach wie vor bleibt es wichtig die Nazis aus ihrer Anonymität herauszureißen und klar zu machen dass es für Rassismus, Antisemitismus und menschenverachtende Ideologien jeder Art in Neunkirchen oder sonst wo keinen Platz gibt. Wir werden mit unserer Gruppe weiterhin auf konstruktive politische Arbeit setzen, unserem eingeschlagenen Kurs folgen und wie bisher auf Aufklärung`s bzw. Öffentlichkeitsarbeit setzen, was uns bisher auch schon weit brachte.

...

... 26.01.2008 - 19:18
Auch wenn von der Öffentlichkeit bisher wenig Reaktionen auf die beiden Nazi-Flyer zu sehen sind hat die Aussage von Torsten Staudacher in der Saarbrücker Zeitung für massive Probleme des Jugendzentrums bei der Stadtverwaltung gesorgt. Das Juz muss sich aufgrund der unbewiesenen und nachweislich falschen Behauptung, es würde an Juz-Veranstaltungen immer zu Angriffen auf den Laden kommen, nun vor der Stadt rechtfertigen, es würde gewaltbereiten Personen oder Gruppen Raum für ihre Treffen bieten.

Aktuelles:

Am Freitag, 26. Januar 2008 kam es in der Neunkircher Innenstadt und im Saarparkcenter zu weiteren Vorfällen und sogar zu einem Übergriff. Gegen 18.30 Uhr wurde ein Juz-Mitarbeiter im Saarparkcenter von zwei Neonazis beleidigt und bedroht (einer der beiden ist namentlich bekannt und hat in Verbindung mit der ersten Flyerverteilaktion bereits eine Anzeige am Hals). Vor Zeugen wurde dem Juz-Mitarbeiter gedroht, dass man ihn umbringen werde und er das Saarparkcenter nicht mehr lebend verlassen würde. Gegen die beiden wurde Anzeige erstattet.

Gegen 20.30 Uhr wurden zwei Jugendliche von den beiden Neonazis (die sich mittlerweile Verstärkung organisiert hatten) angegriffen und verletzt. Als den beiden Jugendlichen ein weiterer zu Hilfe kam eskalierte die Situation vollends. Nur durch Einsatz von Reizgas konnten schlimmere Verletzungen verhindert werden. Die Polizei wurde alarmiert und einer der Angreifer musste ins Krankenhaus.

In der Nacht vom 25. auf den 26. Januar wurde eine Scheibe des Jugendzentrums mit einem Stein eingeworfen. Mehrere Jugendliche, die die vermeintlichen Täter stellen wollten, wurden daraufhin von einem der beiden angegriffen. Sie konnten sich mit Reizgas erfolgreich zur Wehr setzen. Der Täter flüchtete, konnte aber wenig später von zwei Jugendlichen gestellt und der Polizei übergeben werden.

Während einer Kundgebung am 26. Januar 2008 auf dem Stummplatz, die anlässlich des Gedenktages der Opfer des NS-Regimes vom Bündnis gegen Rechts organisiert wurde, versammelten sich am First Class Streetwear mehrere Neonazis. Auf dem Stummplatz waren immer wieder vereinzelte oder kleine Gruppen von Neonazis zu sehen, die die Kundgebung beobachteten und u.a. Autokennzeichen der Teilnehmer/Organisatoren notierten.

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