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Aktenzeichen XY aufgelöst

konkret Nr. Nr.17/1968 22.01.2008 21:11
Das Zweite Deutsche Fernsehen nimmt die Reihe »Aktenzeichen XY ungelöst« von Eduard Zimmermann ins Programm. Ulrike Meinhof analysiert die verheerenden Folgen dieser Sendung:

doppelter Betrug
In erster Linie ist die Fernsehunterhaltungsendung »Aktenzeichen XY ungelöst« ein groß angelegter, phantastischer Massenbetrug. Da gehen also einmal im Monat am Freitagabend ein paar Millionen deutsche und österreichische Fernsehzuschauer auf Verbrecherjagd, helfen der Polizei, Leute zu finden, gegen die ein Haftbefehl vorliegt; werden mit den erschrecklichen Taten wirklicher, lebender Ganoven bekannt gemacht,sind Augenzeuge,wie Hinweise eingehen; harren tapfer vor dem Bildschirm aus, nicht nur von acht bis neun, warten auch bis halb elf auf die ersten Fernsehergebnisse, auf letzte Hinweise von Eduard Zimmermann, um dem - »wie wir alle wissen« (Zimmermann) – ansteigenden Verbrechertum Einhalt zu gebieten. Der Betrug ist ein doppelter: Erstens wird den Leuten das Gefühl vermittelt – deshalb, behauptet Zimmermann , sei die Sendung so beliebt-, hier geschehe wirklich etwas, hier werde nicht nur geredet, sonder auch wirklich gehandelt. Zweitens werden die Leute glauben gemacht, sie hätten an diesen Geschehen aktiven Anteil, weil sie mitmachen dürfen und weil das, was geschieht, ihr ureigenes, Persönliches Interesse sei: Der Ganove, den wir heute gemeinsam zu fassen kriegen, kann dich und mich morgen nicht mehr über´s Ohr hauen.Der Betrug besteht darin, dass nichts geschieht und dass der Betrüger und der Mörder und der Dieb der mir da namentlich vorgeführt wird mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit nicht der sein wird, der mich morgen oder übermorgen reinlegt. Von den 45 durch die Fernsehsendung gesuchten Personen sind im Verlauf eines Jahres 30 gefaßt worden.30 von zig Tausenden, die frei herumlaufen. Von wirksamer Verbrechensbekämpfung, im Sinne der Sendung, dürfte nicht Rede sein. Die Mitverantwortung, die den Zuschauern suggeriert wird, ist rein quantitativ barer Unsinn – die zwei, dererwegen Million von Zuschauern am 13. Dezember gebeten wurden, bis halb elf auf zubleiben, sind nur 2 von Tausenden – was soll der Unsinn?

Wieso fallen die Leute auf den Zauber rein?
Die Sendung ist gut gemacht. Sie hat Unterhaltungscharakter auf Kriminiveau. Es ist ja auch die Unterhaltungsabteilung des Zweiten Deutschen Fernsehens, die sie für die Bundesrepublik und Österreich ausstrahlt.

Und möglicherweise sind mehr Leute unter den Zuschauern, als man - ärgerlich über die Sendung -annehmen möchte, die auf den Betrug gar nicht reinfallen, sondern sich nur amüsieren.

Immerhin - gehen wir von Eduard Zimmermanns Selbstverständnis aus, von dein, was er in der 10. Jubiläumssendung, zu seiner Rechtfertigung preisgab, was er will, was die objektive Funktion dieser Sendung ihrem Selbstverständnis nach ist. Hier würde gehandelt, hier würde endlich etwas getan, hieß es, und weiter: Wenn es uns nicht gelänge, das ansteigende Verbrechertum zu bremsen, dann bestünde die Gefahr, dass wieder ein starker Mann - wie gehabt; und schließlich sollte man an die Opfer denken, die Bestohlenen, die Geschändeten, auch sie seien Menschen.

Es wird nicht gehandelt
Es wird nicht gehandelt, und die Selbsttätigkeit der Zuschauermassen findet in Wirklichkeit nicht statt. Die von der Sendung ausgehende Suggestion aber dürfte dem Bedürfnis vieler entgegenkommen, aus der Rolle des Befehlsempfängers im Beruf und des Konsumenten in seinem Privatleben einmal herauszukommen, aus der permanenten Ohnmacht, Spielball zu sein, nicht Subjekt des eigenen Lebens, sondern Objekt fremder Interessen. Das Gefühl, einflußlos zu, sein, dass die oben ja doch machen, was sie wollen, das Gefühl der Isolation in der eigenen Wohnstube, das Bedürfnis, mit der Faust auf den Tisch zu hauen - dem allen kommt die Sendung entgegen, deshalb wird der Betrug ertragen, weil er einem Bedürfnis nach Selbsttätigkeit entspricht, dein Bedürfnis, keine Null, kein Rädchen im Getriebe, sondern einzelner, ein als einzelner Angesprochener zu sein, auf den es als einzelnen ankommt.

Die Deutschen haben
Die Deutschen haben - wie wir wissen von Politik die Nase voll, sie können sich politisches Engagement weitgehend nur noch als nationalsozialistisches vorstellen, womit sie reingefallen sind. Nun kommt der Herr Zimmermann und sagt ihnen, sie müssten bei der Verbrechensbekämpfung helfen, sonst käme ein, neuer Hitler und täte, es für sie. Demnach war Hitler also ein Verbrechensbekämpfer, dabei ist er über das Ziel hinausgeschossen, gewiss, weshalb wir dem nächsten zuvorkommen sollten, selbst Sauberkeit im Staat herstellen, jeder sein eigener starker Mann, selbst groß. Womit das Gefühl der Größe, das Hitler,den Deutschen gab, herüber gerettet wäre. Womit auch die Anhänglichkeit der Deutschen an ihren Führer eine späte Rechtfertigkeit erfährt, womit die Bereitschaft der Deutschen, sich politisch zu engagieren; wieder geweckt werden könnte, die historische Kontinuität wieder hergestellt - den Deutschen Gelegenheit gegeben wäre, sich von den Demütigungen der Nachkriegszeit zu erholen.

Die Opfer
Die Opfer schließlich, die bestohlenen, die geschändeten, seien auch Menschen, behauptet Zimmermann. Eine merkwürdige Behauptung angesichts der Tatsache, daß das noch nie einer bestritten hat. Um so merkwürdiger im Zusammenhang mit der Drohung mit dem starken Mann, von dessen Opfern hier doch gar nicht die Rede ist. Hier werden nicht NS-Verbrecher gesucht, KZ-Wächter, Kammergerichtsräte beim Volksgerichtshof wie dieser
Rehse, der kürzlich in Berlin freigesprochen wurde. Zimmermann schlägt seinen Zuschauern vor, sich mit den Opfern von betrügerischen Pferdehändlern, von Mädchenschändern, von Brillantenräubern, Titelfälschern, Automatenknackern zu identifizieren. Wie macht man das - wenn man nicht ein gerüttelt Maß an Selbstmitleid parat hat? Selbstmitleid zum Beispiel wegen erlittener, unbegriffener Demütigungen wegen der nationalsozialistischen Vergangenheit, wegen verlorener Ostgebiete, Entnazifizierung etc.Woher sonst nimmt dieser Zimmermann die Unverfrorenheit, im Anschluss an die Rede vom starken Mann nicht von den Opfern des Nationalsozialismus zu reden, sondern von den Opfern alltäglicher Kriminalität - wenn nicht in Anspielung auf das vorhandene, latente Selbstmitleid der Deutschen, einem Produkt ihrer begriffenen Geschichte?

unterdrückte Aggressionen
Wir wissen - von
Freud, Reich, Mitscherlich u. a. -, dass wir Deutschen mehr Schwierigkeiten als andere, mit unseren unterdrückten Aggressionen haben, weil wir die, die wir hassen müssten, die unsere Aggressionen unterdrücken und unterdrückt haben - Vorgesetzte, Eltern, die da oben -, nicht hassen dürfen. Wir haben die Juden gehasst und die Kommunisten. Die Juden geht nicht mehr, die Kommunisten - scheint es - zieht nicht mehr, die Studenten - das verbietet derzeit noch der demokratische Überbau. Zimmermann schlägt uns die Kriminellen vor. Er erklärt sie zum Sündenbock der deutschen Geschichte - deshalb kam Hitler -, er macht sie zum Sündenbock unserer Gegenwart, an dem sich, politisches Unbehagen - damit kein neuer Hitler kommt -entladen kann. Mitscherlich: »Sündenböcke werden in Fremdgruppen gesucht; die Unvertrautheit; mit ihnen wird aber aktiv konserviert (man will-nichts von ihnen wissen), damit sie -,von den Gruppen widerspruchsfrei und schuldfrei ... benutzt werden können.".1)Was wissen Herr, Zimmermann und seine Zuschauer über die Ursachen von Kriminalität? Was wissen Herr Zimmermann und seine Zuschauer über die katastrophalen Zustände im deutschen Strafvollzug? Vermutlich nichts. Deshalb kann man sie verteufeln, diese kleinen und großen Gesetzesbrecher, deren Taten alle samt Bagatellen sind, verglichen mit den Verbrechen des Nationalsozialismus.Deshalb kann man sie zu Haßobjekten machen und sich darüber hinwegsetzen, dass einer, der einmal einem Millionen Publikum von . Fernsehzuschauern zur Beute hingeworfen worden ist, sich schwerlich davon wird erholen können, auch dann nicht, wenn sein Verfahren gelaufen, seine Strafe abgesessen ist.

echte Bedürfnisse
Die Fernsehsendung Aktenzeichen XY ungelöst ist ein riesiger Betrug an den Zuschauern, der nicht durchschaut wird, weil er einer ganzen Reihe echter Bedürfnisse - entgegenkommt, Sie dürfte nicht zuletzt eine Testsendung sein, vermittels derer feststellbar ist, inwieweit Kriminelle sich als Haßobjekte in Deutschland und Österreich eignen und inwieweit Deutsche und Österreicher auf diese faschistische Manier mobilisierbar und gleichzeitig kontrollierbar sind. Zimmermann behauptet, die Deutschen wären kein Volk von Denunzianten und Kopfjägern. Es wäre schön, wenn er recht behielte.



1) Alexander und Margarete Mitscherlich: Die Unfähigkeit zu trauernDie Unfähigkeit zu trauern - Grundlagen kollektiven Verhaltens, München 1968 S. 98/99

Ergänzungen

Beiträge die keine inhaltliche Ergänzung darstellen

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Verwirrend — egal

? — ganz egal