Sparkassen Informatik – Der unbekannte Streik

SI-MitarbeiterIne 29.08.2007 15:01 Themen: Soziale Kämpfe
Weitgehend unbemerkt von der Öffentlichkeit findet derzeit bei der Sparkassen Informatik GmbH & Co. KG (nachfolgend der Einfachheit halber SI genannt), einem der beiden IT-Dienstleister der Sparkassen-Finanzgruppe, ein Arbeitskampf statt. Bereits seit Mitte Juni befinden sich Mitarbeiter der von der Schließung bedrohten Standorte Duisburg, Karlsruhe, Köln und Mainz im Ausstand.
Die SI mit Sitz in Frankfurt/Main und weiteren Betriebsstätten in Duisburg, Fellbach, Karlsruhe, Köln, Mainz, München, Münster und Nürnberg, ist der größere der beiden IT-Dienstleister in der deutschen Sparkassen-Finanzgruppe. Mit 3.768 Mitarbeitern (Stand: 30.06.2007) betreut die SI 298 Sparkassen (Stand: 30.06.2007) in den Bundesländern Bayern, Baden-Württemberg, Rheinland-Pfalz, Hessen und Nordrhein-Westfalen. Das Leistungsspektrum der SI reicht vom klassischen Rechenzentrumsbetrieb bis hin zu komplexen Beratungsleistungen; letztlich wird die komplette IT der angeschlossenen Sparkassen durch die SI bereitgestellt bzw. gewährleistet. Eigentümer der SI sind auf dem Umweg über die jeweiligen regionalen Sparkassen- und Giroverbände die Sparkassen, die zugleich auch Kunden der SI sind.

Entstanden ist die SI aus der Fusion mehrerer vorher selbständiger Rechenzentren: SI-BW (Fellbach/Karlsruhe), SIS-West (Duisburg/Köln/Mainz) und IK (Münster/Offenbach). Später kam noch die iZB-Soft (München/Nürnberg) hinzu. Derzeit laufen Fusionsverhandlungen mit dem 2. IT-Dienstleister der deutschen Sparkassen-Finanzgruppe, der Finanz-IT mit Sitz in Hannover. Im Zuge der Gründung der SI wurde eine Betriebsvereinbarung abgeschlossen, die den Mitarbeitern der damaligen Standorte (Duisburg, Fellbach, Karlsruhe, Köln, Mainz, Münster und Offenbach) einen Kündigungsschutz (Verzicht auf betriebsbedingte Kündigungen) bis Ende 2012 gewährte.

Derzeit plant die SI-Geschäftsführung unter Vorsitz von Fridolin Neumann die Schließung von vier Standorten: Duisburg, Karlsruhe, Köln und Mainz. Der Vorschlag zur Standortkonsolidierung wurde durch die Geschäftsführung erstellt und vom Aufsichtsrat genehmigt. Von der Schließung betroffen wären rund 1.400 Mitarbeiter. Da betriebsbedingte Kündigungen aufgrund der o.g. Betriebsvereinbarung derzeit nicht möglich sind, plant die SI nach eigenen Angaben, allen Mitarbeitern einen Arbeitsplatz an einem der verbleibenden Standorte anzubieten.

Diese offizielle Darstellung wird jedoch von den betroffenen Arbeitnehmers anders gesehen. Häufig würde eine Versetzung nicht an den nächstgelegenen Standort erfolgen. Vielmehr könne es durchaus vorkommen, dass man an einen mehrere Hundert Kilometer entfernten Standort geschickt würde. Der damit verbundene Umzug oder die Wochenendheimreise sei für viele Betroffenen aus verschiedensten Gründen (familiäres Umfeld, pflegebedürftige Angehörige, schulpflichtige Kinder, noch nicht abbezahltes Wohneigentum, etc.) nicht möglich. Dessen ist sich auch die Geschäftsführung der SI bewusst. In einem Gutachten, welches durch die Unternehmensberatung Booz Allen Hamilton erstellt wurde, ist zu lesen, dass man davon ausgeht, dass rund 700 Mitarbeiter nicht an einem anderen Standort wechseln würden, sondern stattdessen wohl das Unternehmen verlassen würden. Somit ist klar, dass es ein klares Ziel der Geschäftsführung der SI ist, hier quasi durch die Hintertür Personal abzubauen, auch wenn dies nach außen hin immer bestritten wird.

Gegen diesen Personalabbau durch die Hintertür wehren sich mehrere Hundert Mitarbeiter der betroffenen Standorte mit Unterstützung der Gewerkschaft ver.di, indem sie sich seit Mitte Juni 2007 im Ausstand befinden. Folgende Forderungen haben die Streikenden:

1)
Keine betriebsbedingten Änderungskündigungen bis 2017

2)
Ausreichende Qualifizierungsmaßnahmen

3)
Beschäftigungssicherung durch lange Kündigungsfristen

4)
Angemessene Abfindungszahlungen bei Ausscheiden

5)
Förderung von Telearbeit und mobilen Arbeitsplatzformen

6)
Unterstützung bei freiwilliger Mobilität

7)
Besitzstandwahrung für alle Beschäftigten

8)
Adäquate Altersversorgung für alle Beschäftigten.

Diese Punkte sollen nach dem Willen der Streikenden in einem Firmentarifvertrag fixiert werden. Dies lehnte die Geschäftsführung ab und legte ihrerseits nur einen Sozialplan vor. Dieser war jedoch für die Streikenden inakzeptabel, da er die wirtschaftlichen und sozialen Härten der zwangsweisen Versetzungen sehr einseitig auf den Rücken der Mitarbeiter ablud. Durch Fortführung bzw. Intensivierung der Streiks konnte der Arbeitgeber jedoch dazu bewegt werden, Sondierungsgesprächen über einen Firmentarifvertrag zuzustimmen. Diese Sondierungsgespräche laufen derzeit.

Der Arbeitskampf wird seitens des Arbeitgebers mit harten Bandagen geführt. So wurden zu Beginn des Streiks gezielt falsche Informationen über rechtliche Belange (z.B. Bedienen der Stechuhr) des Streiks verbreitet. Mitarbeiter, die vor dem Hauptstellengebäude der SI demonstrierten, wurden fotografiert bzw. gefilmt. Seitens bestimmter Führungskräfte (berüchtigtstes Beispiel dafür ist die Bereichsleiterin M. S. am Standort Karlsruhe) wird massiver Druck auf die Untergebenen ausgeübt, damit diese sich nicht am Streik beteiligen. SI-Pressesprecher V. M. vom Standort Fellbach führt die Öffentlichkeit mit unwahren Aussagen in seinen Pressemitteilungen bewusst in die Irre. Abteilungsleiter T. K. vom Facility-Management des Standorts Karlsruhe lässt die Streikenden regelmäßig durch Mitarbeiter eines privaten Sicherheitsunternehmens beobachten. Durch solche Maßnahmen aber lassen sich die Streikenden nicht entmutigen. Sie führen ihren Arbeitskampf fort, um faire Lösungen zu erreichen. Die deutsche Sparkassen-Finanzgruppe reklamiert für sich das Leitbild „Fair – menschlich – nah“ – und genau so wollen auch die Mitarbeiter der SI behandelt werden.

Ein Ziel des Streiks ist es, die Anliegen der Betroffenen in die Öffentlichkeit zu tragen. So werden regelmäßig Demonstrationen in den Fußgängerzonen der betroffenen Städte organisiert. Auch die Sparkassenvorstände, welche als Vertreter der Eigentümer im Aufsichtsrat der SI sitzen, werden im Rahmen der Proteste aufgesucht, um sie dazu zu bewegen, sich gegen die unsozialen Pläne der SI-Geschäftsführung einzusetzen. Ebenso werden Kommunal- und Landespolitiker aufgesucht.

Bisher hatte der Streik bei der SI noch keine großen Auswirkungen auf die Endkunden, also die Bankkunden der Sparkassen. Geldautomaten, Kontoauszugsdrucker, etc. funktionieren nach wie vor – vor allem deshalb, weil die Geschäftsführung der SI diese kritischen Themen schon lange von den zu schließenden Standorten abgezogen und anderswo angesiedelt hat. Dennoch knirscht es hinter den Kulissen. Das für den Herbst geplante Release 6.1 der Anwendung OSPlus (des wichtigsten Produkts der SI, welches faktisch fast den kompletten Bankbetrieb der Sparkassen verantwortet) ist massiv gefährdet, ebenso die Migration der neu hinzu gekommenen Sparkassen in Bayern auf das OSPlus. Probleme und Anfragen von Sparkassen werden kaum noch bearbeitet, weil keine Kapazitäten dafür verfügbar sind. Kurz gesagt: der Zustand der SI wird langsam kritisch, was wohl eine Erklärung dafür ist, dass man seitens der Geschäftsführung der SI nunmehr verhandlungsbereit zu sein scheint.

Der Arbeitskampf bei der SI wird weitergehen. Wir, die von der Standortschließung betroffenen Mitarbeiter der SI, werden nicht aufgeben, ehe Lösungen gefunden wurden, die auch für uns das Leitbild „Fair – menschlich – nah“ gelten lassen.

Weitere Infos zum Thema findet man im Web unter www.si.verdi.de.

P.S.
Auf das Unkenntlichmachen der Gesichter auf den anhängenden Fotos wurde bewusst verzichtet, da die Bilder incl. der Gesichter bereits anderweitig, z.B. auf der o.g. ver.di-Website, veröffentlicht wurden.

P.P.S.
Dieser Text wurde exklusiv für indymedia geschrieben und noch nirgendwo anders veröffentlicht. AutorInnen des Textes sind direkt von der Standortschließung betroffene MitarbeiterInnen der SI. Dieser Text spiegelt ihre Privatmeinung wieder und wurde weder mit dem Betriebsrat der SI noch mit der Gewerkschaft ver.di abgestimmt. Wir sind jedoch der Meinung, dass es wichtig ist, über die gute Arbeit von Betriebsrat und Gewerkschaft hinaus die Öffentlichkeit auf unseren Arbeitskamp aufmerksam zu machen.
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@nazisau-schreier — du bist peinlich

Skandalös — Sitzblokade

Fellbach — joe

Volle Zustimmung — Mitbetroffene