Niger: Erneute Tuareg-Rebellion

newsgroup.nordniger 21.07.2007 21:58 Themen: Weltweit
Hypotheken der Vergangenheit?

Seit Februar dieses Jahres schwelen im Norden der Republik Niger erneut Unruhen. Bereits werden zahlreiche Tote – darunter auch Zivilisten – und Vermisste gemeldet. Werden ungelöste Konflikte zur Neuauflage der Ereignisse von 1990-95 führen?
Zahlreiche Tuareg rund um Vertreter der Tuareg-Rebellion der Neunziger Jahre haben sich im vergangenen Februar zu einer neuen Front mit dem Namen „Mouvement des Nigériens pour la Justice“*, kurz MNJ, zusammengeschlossen. Seither ist es zu mehreren bewaffneten Auseinandersetzungen zwischen der Armee des Niger und dem MNJ gekommen. Auch wurden mehrmals kommerzielle ausländische Einrichtungen angegriffen, so zum Beispiel ein Uran-Bergwerk der französischen Firma Areva.

Die Verhaftung und Ermordung von drei zivilen, hochbetagten Tuareg-Männern durch das Militär in der Region Tezirzayt (inzwischen durch mehrere, auch militärische Quellen in Niger bestätigt) und Vermisstmeldungen von über 250 nach Verhaftungen verschwundenen Zivilisten, brachte den Konflikt zur Eskalation. Als Vergeltungsakt haben die Rebellen des MNJ einen Angriff auf den militärischen Stützpunkt in Tezirzayt unternommen, wobei 17 nigrische Soldaten getötet, weitere 43 verletzt und über 70 gefangen genommen wurden. Kurz nach dem Angriff rief der MNJ das Internationale Komitee vom Roten Kreuz (IKRK) an, die medizinische Versorgung der schwerverletzten Gefangenen zu sichern. Am 25. Juni wurden die 30 schwerstverwundeten Soldaten freigelassen und einer Delegation des IKRK zur Überführung ins Spital von Arlit übergeben.

Trotz der internationalen Beachtung, welche die Ereignisse in den letzten Wochen fanden, spricht die Regierung des Niger weiterhin von "bewaffnetem Banditentum" und "Drogenschmuggel“. Sie weigert sich, die Tuareg-Rebellen und ihre Organisation MNJ anzuerkennen, welche sich gemäss der MNJ-Website für alle Nigerier, unabhängig ihrer ethnischen Zugehörigkeit, einsetzt. Entsprechend haben sich bereits zahlreiche Nicht-Tuareg den MNJ-Kämpfern angeschlossen.
Neben der Weigerung der Regierung, die Rebellion anzuerkennen, wird eine aktive Pressezensur betrieben: Am 1. Juli wurde die unabhängige Zeitung "Aïr Info" in Agadez aufgrund ihrer Berichterstattung über die Geschehnisse für 3 Monate suspendiert. Drei andere private Zeitungen in Niamey erhielten Verwarnungen. Aktuell wurde auch dem französischen Radiosender RFI Radio France International ein Sendeverbot für 1 Monat erteilt. RFI hatte gegen das Verbot der Regierung von Niger, einen Sonderberichterstatter in die Konfliktzone zu entsenden, Widerspruch eingelegt. Der RFI-Sonderberichterstatter Moussa Kaka, ist daraufhin von einem der obersten nigrischen Militärs, General Moumouni Boureima, mit dem Tode bedroht worden.

Die Tuaregrebellen haben mehrmals ihre Bereitschaft zu Gesprächen mit der Regierung signalisiert. Dies jedoch unter der Bedingung, dass diese ihre Organisation MNJ als Rebellionsbewegung anerkennt.
Mehrmals kuriserten (allerdings unbestätigte) Informationen, gemäss welchen die Regierung des Niger andere Länder um militärische Untersützung angefragt hätte. Zuletzt wurde am 3. Juli auf der Website des MNJ gemeldet, Präsident Mamadou Tandja wolle von der Ukraine Kampfhubschrauber des Typs MI-24 erwerben, um die Lager des MNJ anzugreifen.

Die Gründe für den Konflikt sind in der anhaltenden Benachteiligung des Nordens sowie in der Ausbeutung und Exploration (insbesondere durch Frankreich und China) der reichen Uranvorkommen zu sehen, die ein bedeutendes Gesundheits- und Umweltrisiko für die dort lebende Bevölkerung darstellt. Unter der Mediation von Frankreich, Algerien und Burkina Faso war 1995 der letzte bewaffnete Aufstand der Tuareg durch ein Friedensabkommen zwischen den Tuareg und der nigrischen Regierung beendet worden. Dieses Abkommen beinhaltet neben einer umfassenden administrativen und militärischen Dezentralisierung des Landes auch vermehrte Investitionen in die nördliche Region, insbesondere in das Bildungswesen und die medizinische Grundversorgung. Ebenso wurde der Bevölkerung des Nordens, grösstenteils aus Tuareg bestehend, gewisse Selbstverwaltungsrechte zugestanden. Gemäss dem MNJ wurden die Zugeständnisse aus dem Friedensabkommen von 1995 von der Regierung allerdings nur punktuell bis gar nicht in Tat umgesetzt.

* Bewegung der Nigerier für die Gerechtigkeit


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E-Mailadresse: newsgroup.nordniger[at]yahoo.de

Internetquelle MNJ:  http://m-n-j.blogspot.com

siehe auch:
RFI
 http://fr.news.yahoo.com/afp/20070719/tbs-niger-france-violences-touareg-armee-f41e315.html
und REUTERS
 http://www.alertnet.org/thenews/newsdesk/L19455420.htm
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Ergänzungen

Auch im Spiegel #30/2007

illy 22.07.2007 - 12:25
Auch im Montag [23/7/07] erscheinenden Spiegel wird im auslands panorama darüber berichtet.
"Die Tuareg-Nomaden wollen endlich angemessen an den Bodenschätzen ihres Landes beteiligt werden - und verleihen ihrer Forderung mit rabiaten Methoden Nachdruck. Westlich von Agadez kidnappte die Nigersiche Bewegung für Gerechtigkeit (MNJ) den Vizechef einer Urangräbertruppe der China Nuclear Engineering & Construction Corporation. Die Tuareg fordern einen größeren Anteil an den Erträgen der Uranminen im Norden des Landes.
Der Chinese wurde inzwischen freigelassen. Lösegeld wollten die Entführer nicht, sie verlangten aber den Rückzug der fernöstlichen Bergbautruppe. Die Chinesen hätten Präsident Mamadou Tandjia Kampfhubschrauber finanziert, die er zur Unterdrückung des eigenen Volkes einsetze. In den vergangenen fünf Monaten hatten die Rebellen bereits mindestens 33 Regierungssoldaten getötet. Niger ist neben Namibia das wichtigste Uranförrderungsland Afrikas. In dem Guerillakrieg am Südrand der Sahara mischen auhc auswärtige Mächte mit: Die Überfälle der Tuareg werden von der Regierung in Paris mit Wohlwollen begleitet. Denn der staatliche französische Nuklearkonzern Areva, der bisher die nigerischen Minen unter Kontrolle hatte, muss zusehen, wie sich indische und chinesische Prospektoren in ihrem Revier breitmachen. Die Gerüchte über Frankreichs Hilfe für die Ritter der Wüste erhielten neue Nahrung, als unlängst der ehemalige Militärattaché der französichen Botschaft und heutige Areva Sicherheitsberater, Jules Denamur, in der Uranbergbaustadt Arlit festgenommen und ausgewiesen wurde."

Keinerlei Beweise für "SPIEGEL"-Artikel

Menschenrechte30000@yahoo.de 23.07.2007 - 12:41
Für die im "SPIEGEL"-Artikel genannten Behauptungen, insbesondere daß Frankreich die Rebellen unterstützen würde, gibt es keinerlei Beweise.
Es handelt sich dabei ausschließlich um die Weitergabe von Gerüchten, die von regierungsnahen Kreisen in Niamey gestreut werden.
Außerdem entspricht die reisserische Diktion vom "Guerillakrieg am Rande der Sahara" keineswegs der Realität. Es gab einige gezielte Aktionen der MNJ, die Gerechtigkeit innerhalb von Niger einfordert.
Die Regierung in Niamey hat darauf nicht nur mit dem zeitweiligen Erscheinungsverbot einer Zeitung (Air-Info) reagiert, sondern auch dem französischen Sender RFI Radio France Internationale Sendeverbot erteilt (website von RFI, REUTERS).

Dieser massive Eingriff in die Pressefreiheit sollte zu denken geben - auch dem SPIEGEL.

MENSCHENRECHTE 3000 e.V., Freiburg



Was für Aktionen?

sichFragende 24.07.2007 - 01:53
Hmm gut, interessiert mich das Thema. Der Spiegel ist nun leider nicht die seriöseste Quelle wo gibt, auch wenn befreundete Leute es immer wieder behaupten.

"Für die im "SPIEGEL"-Artikel genannten Behauptungen, insbesondere daß Frankreich die Rebellen unterstützen würde, gibt es keinerlei Beweise."
Für die Tötungen, das Geldinteresse beim Uranhandel und die Entführung gibt es also Beweise?

"Es gab einige gezielte Aktionen der MNJ, die Gerechtigkeit innerhalb von Niger einfordert."
Welche?

Aktuelles: siehe website von MNJ

menschenrechte3000 24.07.2007 - 13:49
Die aktuellen Ereignisse und Nachrichten können auf der website von MNJ - Mouvement des Nigeriens pour la Justice - nachgelesen werden ( http://m-n-j.blogspot.com, französisch, mit link zu einer - teilweisen - deutschen Übersetzung).

Die Aktionen von MNJ umfassten - nach langen und ergebnislosen Bitten an die Regierung, um eine Einhaltung der im Friedensvertrag von 1995 getroffenen Vereinbarungen zu erreichen - verschiedene militärische Aktionen gegen die FAN - Armee des Niger, die ihrerseits gegen Zivilbevölkerung vorgegangen war und u.a. 3 alte Männer ermordet hatte.

Inzwischen sind auch Truppenteile der FAN zur MNJ übergelaufen - was zeigt, wie kritisch die Regierung auch von manchen Armeeangehörigen gesehen wird.

Die Regierung in Niamey hat - neben Verbot einer Zeitung (Air-Info) für 3 Monate und entsprechenden Verwarnungen an 3 bzw. 4 andere Zeitungen - vor wenigen Tagen auch dem französichen Sender RFI Radio France International für 1 Monat Sendeverbot erteilt (Bestätigung auf der website von RFI).

Zur klarstellung sei auch gesagt, daß die MNJ keine "Geiseln" genommen hat.
Die Freilassung der - verletzten - gefangengenommenen Soldaten erfolgte ohne jede Bedingung oder Forderung.
Die Freilassung des Angehörigen eines chinesischen Uranabbau-Explorationsunternehmens erfolgte ebenfalls ohne Bedingungen und aus freien Stücken.

Hingegen gibt es von der Regierung von Niger nach wie vor KEINE Klärung des Sachverhaltes, daß 3 alte Männer (Namen und genaue Umstände des Todes sind bekannt) ALS GEFANGENE (!) ermordet worden sind. Dies ist ein grober Verstoß gegen die Menschenrechte und gegen die Genfer Konvention.
Es steht zu befürchten, daß die Armee noch weitere Zivilisten gefangenhält bzw. "verschwinden" läßt.
Diverse weitere Namen von Verhafteten - von denen derzeit jede Spur fehlt - sind bekannt.

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