Studiengebührenboykott Hamburg

L.L. 19.06.2007 11:32 Themen: Bildung
Studiengebührenboykott an der Hochschule für Bildende Künste und der Theaterakademie, einem Dekanat der Hochschule für Musik und Theater tritt in Kraft! Über 10.000 Studierende in Hamburg verweigerten die eingeforderte Zahlung von 500,- Euro Studiengebühren an die Hamburger Hochschulen.
Bis zum 15.06.07 sollten die zu diesem Semester vom Gesetz her eingetretenen Studiengebühren an die Hochschulen in Hamburg gezahlt worden sein. Bis dahin boykottierten an allen Hamburger Hochschulen Studierende die Studiengebühren. An jeder Hochschule gibt es einen Verein zur Förderung eines gebührenfreien Studiums. Die Studierenden zahlten die nun eingeforderten 500,-Euro, die zusätzlich zu einem Semesterbeitrag von 250,-Euro anfallen, nicht an die Hochschulen, sondern auf Treuhandkonten der Vereine, die vom Anwalt Martin Klingner betreut werden.
Jeder Verein legte ein eigenes Quorum fest, bei dessen Erreichen er den Boykott als in Kraft getreten erklären wollte. Das Geld sollte dann nicht an die Hochschule überwiesen werden, sondern bei Erfolg des Boykotts zurück an die Studierenden. Wenn das Quorum nicht erreicht sein sollte, sollte an die Hochschulen gezahlt werden. Dies geschah aus Angst, einige Studierende könnten Repression erwarten, wenn sie die Studiengebühren nicht zahlen und exmatrikuliert werden.

Die Studierenden treten mit dem Boykott für eine für jeden zugängliche Bildung ein, die sich ausschließlich nach der Begabung richten darf. So treten sie für eine verbesserte Förderung von Bildungseinrichtungen des Staates ein, wie Kindergärten, Schulen Ausbildungs- und Studienplätzen, weil Bildung niemals jemandem auf Grund seiner Herkunft, einem bildungs- oder finanziellschwachen Hintergrund, entzogen oder erschwert werden darf! Weil sie im Gegenteil zur Vergangenheit besser gefördert werden muss, da sie ein Grundrecht ist und zum „humanen Kapital“ gehört. Weil Bildung nie aus wirtschaftlichen Gesichtspunkten betrachtet werden darf. Sie ist ein davon unabhängiges jedem zur Verfügung stehend müssendes Gut. Sie sind gegen Studiengebührenfinanzierungskredite zu 7,5% Zinsen, da sie den Zugang zum Hochschulstudium nicht gerecht lösen, sondern eine Aufnahme desselbigen für bildungsferne und sozial schwache Schichten erschweren.

An der Hochschule für angewandte Wissenschaften (HAW) wurde schon am 30.04.07 das Quorum zu 90% erreicht, der Boykott damit aber abgebrochen, da die Einzahlungsfrist an die HAW bereits am 04.05.07 endete. Das Datum wurde von der Hochschulverwaltung entgegen monatelanger Ankündigungen zweimal vorgezogen, so dass es für die Studierenden bei einer dreimal wöchentlichen Öffnungszeit des Büros für Studiengebühren schwierig war, sich über Befreiungsanträge, Härtefälle und Studiengebührenfinanzierungskredite zu informieren.
Die Studierenden setzen sich zurzeit für eine Verlängerung der Einzahlungsfrist an die HAW ein.

An der Universität wurden mit 6.078 Boykottteilnehmern zwei Drittel des Quorums erreicht. Leider wurde das Geld nun an die Hochschule überwiesen.12.000 Studierende haben einen Befreiungsantrag gestellt. Es haben aber zusätzlich 5.000 weder an die Uni, noch an das Konto des Vereins für ein gebührenfreies Studium überwiesen, da sie wahrscheinlich das Geld nicht auftreiben konnten. Der Verein zu Förderung eines gebührenfreien Studiums an der Uni setzt sich jetzt gegen eine Exmatrikulation dieser Studierenden ein.
Mehr als die Hälfte von 38.000 Studierenden hat also am 15.06.07 das Geld nicht an die Universität gezahlt.

An der HafenCity Universität (HCU) beteiligten sich statt 630 Studierenden, die für das Erreichen des Quorums vorgesehen waren 403 Studierende. Auch hier wurde bereits an die Hochschule überwiesen.
Durch die Einführung von Bachelor- und Masterstrukturen, die u.A. zur Verkürzung und besseren Vermarktung des Studiums vorgesehen sind sowie den Studiengebühren haben zudem wenig Studierende die Zeit sich in Hochschulgremien wie dem ASTA und dem Studierendenparlament zu beteiligen. So gibt es z.B. im Studierendenparlament der HCU nur 7 statt 15 Vertretern, was z.B. bei Berufungskommissionen für ihre Professoren von nicht unerheblicher Bedeutung ist.

Auch an der Technischen Universität Harburg (TU) wurde das Quorum nicht erreicht und das Geld an die Hochschulverwaltung überwiesen. Dort gab es statt 1332 für das Quorum und Inkrafttreten des Boykotts Angedachten 725 Beteiligte.

Nur die kleinen Hochschulen wie die Hochschule für bildende Künste und die Hochschule für Musik und Theater haben ihr Quorum erreicht.

So wurde auf der Vollversammlung vom 13.6.07 an der Hochschule für Bildende Künste das Inkrafttreten des Boykotts mit 274 von 555 zahlungspflichtigen Studierenden, abzüglich einer noch unbekannten Zahl von Studierenden, die befreit werden, wie z.B. die so genannten „besonders Begabten“ erklärt, obwohl der Präsident der Hochschule, Martin Köttering, zuvor auf der gleichen Veranstaltung erklärt hatte, er würde die Zahlungsunwilligen nach einer Mahnfrist von 10 Tagen exmatrikulieren, da er nicht willens sei, gegen Gesetzte zu verstoßen. Von ursprünglich 860 Studierenden seiner Hochschule haben sich dieses Semester ohnehin nur 720 zurückgemeldet. Diesen Rückgang von Studierenden hält er allerdings für nicht repräsentativ, da es sich um Langzeitstudierende handle. Diese müssen allerdings schon seid längerem Langzeitstudiengebühren bezahlen.
Weitere 160 seiner Studierenden müssen, wahrscheinlich nicht ohne Grund, ihre Gebühren an die Universität bezahlen, da sie als Lehramtsstudierende an beiden Hochschulen eingeschrieben sind.
Der Präsident wollte sich auf der Vollversammlung auf Begriffe, wie den der Selektion, nicht einlassen, machte jedoch deutlich, dass durch die Bewerbungskriterien an der HfbK, die Auswahl von Studierenden durch eine Mappenkommission ohnehin eine Selektion stattfände und diese durch die Zahlung von Studiengebühren nur eine weitere sei. Außerhalb der Hochschule gäbe es genügend andere Studierende, die für eine Aufnahme an der HfbK gerne Studiengebühren bezahlen würden. Im Hochschulsenat vom 14.06.07 erwartete er eine Stellungsname der ProfessorInnen. Diese wurde jedoch auf den nächsten Hochschulsenat am 03.07.07 verschoben. Der Präsident behauptete er würde, sei die Zahl der boykottierenden Studierenden wirklich so hoch, erneut mit dem Wissenschaftssenator Jörg Dräger in Verahndlungen treten. Das habe er als einziger hamburger Hochschulpräsident in Vergangenheit schon mehrmals getan, da er ja auch gegen Studiengebühren sei. So würde er sich immer wieder vor der Behörde für Wissenschaft und Forschung lächerlich machen.
Er befürchtet, dass die Behörde für Wissenschaft und Forschung anstreben könnte, die HfbK an eine andere Hochschule anzugliedern, sprich: dicht zumachen. Dies dürfte allerdings bei einer bundesweiten Öffentlichkeit für nicht unerhebliches Aufsehen sorgen und wäre gar nicht so leicht durchführbar.
Zurzeit nehmen schon 291 Studierende der HfbK am Boykott teil. Sie lassen sich nicht unterkriegen und beraten über weitere Aktionen, so soll z.B. die so genannte „Jahresausstellung“ dieses Jahr boykottiert werden. Es soll ein klares Zeichen gesetzt werden, dass Kunst nicht zunehmend als wirtschaftlicher Faktor gesehen werden darf.

Von 124 Studierenden der Theaterakademie, einem Dekanat der Hochschule für Musik und Theater, boykottieren ca. 90, im Gegensatz zu den anderen Hochschulen ganz ohne Treuhandkonto. Auf einer Vollversammlung am 20.06.07 werden sie über das weitere Vorgehen diskutieren. Auch sie planen Aktionen beim seid 2 Jahren stattfindenden Finale, ihrer „Jahresausstellung“, im Thaliatheater. Ihr derzeitiger Präsident Elmar Lampson hat noch laut „Hamburger Abendblatt“vom 26.05.2005 (www.abendblatt.de/daten/2005/05/26/438252.html zum Thema BA und MASTER) gesagt, „die neuen Abschlüsse bieten für uns die große Chance, die Praxis und Theorie noch besser aufeinander abzustimmen.“ Er freue sich zudem über einen Konsens für die Einführung von Studiengebühren. (…).“ Studierende der Theaterakademie sehen einer BA/MA-Regelung kritisch entgegen. Sie bezeichnen ihre Hochschule schon jetzt als Theaterbetrieb. Sie ähnle mehr einer Produktionsstätte, als einer Ausbildungsstätte. Sie verlangen aber, dass sie einer Ausbildungsstätte dient und sind ebenso gegen Studiengebühren im Allgemeinen. Von ihren ProfessorInnen erhalten sie teilweise Unterstützung beim Boykott.

An allen Hamburger Hochschulen; Universität, Hochschule für angewandte Wissenschaften,
Technische Universität Harburg, und HafenCity Universität wird nächstes Semester geschlossen weiterboykottiert. Sie unterstützen den laufenden Boykott an der Theaterakademie und der Hochschule für bildende Künste. Es wird weitere gemeinsame Aktionen geben. Die Zahl der Boykottierenden wird nächstes Semester deutlich steigen.

Die HfbK braucht allerdings noch Patenschaften von Leuten, die sich bereit erklären, für Studierende 500,-Euro aufs Treuhandkonto des Vereins für eine gebührenfreie Bildung an der HfbK ev. einzuzahlen. Diese melden sich bitte bei  ag.studiengebuehren.hfbk@web.de

L.L.

Infos unter:
izshamburg.de (Uni) , boykott-hawhamburg.de/, boykott-hcu.de/ , boykott-hh.de (HfbK) , asta.tu-hamburg.de/boykott/













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Ergänzungen

Videobeiträge zum Gebühren-Boykott

Feuer Loescher 19.06.2007 - 22:26
Zum Protest gegen Studiengebühren hat
Feuerloescher TV Statements zum Thema eingefangen.
Mit Impressionen vom Barrikadenbauworkshop 2006,
Camping auf dem Campus und der Demonstration
am 26. Mai 2007 in Hamburg.
Zwei Videos zum Thema sind online auf Feuerloescher TV.Comonline geguckt werden - (mit Quicktime)br/>br/>
online zu hören ist auch das Protestlied
"Zeitgeister wehrt Euch !"
mit freundlicher Erlaubnis der UrheberInnen.


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