Das Scheitern der Polizei - ein Bericht

ra0105 07.06.2007 05:19 Themen: G8
Man bedenke die Ausgangssituation. Auf der einen Seite eine hochgerüstete Polizei. 16.000 eine wahre Armee. Sie können mit jedem kommunizieren, sie haben Transportmöglichkeiten und hoheitliche Rechte. Auf der anderen Seite, Leute mit kaum mehr als ihr Willen. Sie sprechen verschiedene Sprachen, sie haben keine Befehlstruktur, sie laufen kilometerweit zu Fuß. Es ist die extremste Form eines asymetrischen "Krieges" und beim Kampf von David gegen Goliath warem sie heute die Gewinner. Wie kann das möglich sein? Ein Erlebnisbericht...
[Seien wir realistisch und versuchen alles Mögliche]

Die Blockade steht bereits. Tausende sind vor dem Zaun. Auf der Straße von Bad Doberan nach Heiligendamm, ein nicht enden wollenener Schwall an Demonstranten. Sie sitzen auf der Straße, machen es sich gemütlich. Der Weg auf dem die akkredierten Journalisten in Tagungszentrum kommen sollen, ist versperrt. Molly die alte Dampfschmalspurbahn die sonst Touristen ins Ostseebad Heiligendamm fährt, ihr Kessel muss heute kalt bleiben. Die kommerziellen Berichterstatter werden per Schiff verfrachtet. Auch der Zugang an der Westseite, einer der wenigen Zugangsstellen zum antiglobalisierungskritischen Schutzwall ist versperrt. Aber mindestens ein Weg ist noch offen heißt es. An der Südzeite des Zaunes ist wohl noch keine Blockade. Leute sammeln sich, vielleicht hundert oder hundertfünfzig. "Wir versuchen es!" Der Zug setzt sich in Bewegung. An der Bahnlinie scheint alles klar zu gehen. Wir werden vielleicht 450, die sich dem Marsch durch die Felder anschließen. Helikopter kreisen über uns. Der Polizei ist nicht verborgen geblieben, dass wir uns auf den Weg machen. Man stampft über Feldwege oder schafft sich seine eigenen Gehweg, indem die Menge das gerade sprießene Korn niederwalzt. Der Tross wälzt sich zunächst südlich entlang.
Wir umgehen die Ortschaft "Vorder Bollhagen" und über die Felder stoßen immer mehr versprengte kleine Grüppchen zu uns zu. 800 Menschen lang wird die Schlange sein, die sich unaufhaltsam "Hinter Bollhagen" nähert. Helikopter haben wir inzwischen nur noch aus der Ferne gesehen. Vereinzelt stehen kleine Transporter der Polizei. Wenn sie den Lärm der Marschkapelle vernehmen ist aus der Ferne hektische Betriebssamkeit zu beobachten. Wenn sie das Ausmaß der Kolonne erfassen die sich in ihre Richtung bewegt, flüchten sie. Fast zwei Stunden wandern wir nun durch mecklenburgische Landschaft. Der Zaun kommt in Sicht, es ist nicht mehr weit bis zur letzten Durchlassstelle die noch offen ist. "Demonstrants please close the gate!" ich denke an Reagon und wenn ich am Abend die ARD schauen werde, sind Journalisten im Interview, die sich auch an die Mauer zwischen Ost und West erinnert fühlen.
In der Ferne erblicken wir Polizei. Wir sind am Zaun vielleicht noch 500 Meter. Hektisch rücken die Beamten an. Man schätzt es seien maximal 100 die unseren Zug paralell begleiten. 10 Reiter sind auch dabei. Sie sind unentschlossen. Vermutlich fürchten sie, dass wir jeden Moment den Zaun stürmen. Aber sie sind zu wenig. Wir sprinten auf das letzte noch offene Tor zu. Etwa 300 werden es sein, die "Hinter Bollhagen" schließlich erreichen bevor es der Polizei doch noch gelingt, den Rest abzudrängen. Wir haben es geschafft. Anruf beim Infotelefon. Es ist wahr, Heiligendamm ist von Demonstranten abgeriegelt. Doch nur kurz Zeit für Freude.
Ein Wasserwerfer fährt auf: "Hier spricht die Polizei. An die Demonstranten, wir fordern sie auf, den Ort unverzüglich zu verlassen. Ansonsten werden wir den Wasserwerfer einsetzen." Weitere Aufforderungen folgen. Man droht mit Knüppeleinsatz. In unserem Rücken ein zweiter Wasserwerfer. Der erste spritzt bereits, aber die Leute halten durch. Pfefferspray großräumig gegen die ersten Reihen. Es wird an den Haaren gezogen, die Reiterstaffel ist da. Immer mehr Polizei trifft ein. Doch die Menschen bleiben stoisch sitzen. Die Polizei wird aggressiver. Sie werden brutaler. Schließlich müssen wir das Feld räumen. N-TV berichtet. Wir werden weniger. Der Wasserwerfer von der hintere Seite hat den erhitzten Gemüter der räumenden Polizei von vorn kurz eine Abkühlung verschafft. Er traf die Beamten voll. Gejohle seitens der Demonstranten. Wohl heute das erste Mal, dass ein Wasserwerfereinsatz Zustimmung unsererseits erfuhr. Am Rande steht ein Gruppe in schwarz gekleidet. Sie ziehen sich ihre völlig durchnässten Oberteile aus. Nicht einmal kam es von unserer Seite zu Gewalt. Zwei zittern am ganzen Leib. Ihre nackten Oberkörper sind gezeichnet von der Gewalt der Polizei. Blessuren am ganzen Oberkörper. Einem tränen die Augen, er kann kaum noch etwas sehen. Pfefferspray, viel versprüht haben sie davon. Ich gehe auf ihn zu. "Das ist unser Tag", seine Stimme überschlägt sich, "Wir waren schneller als die. Und das kommt alles in die Medien!"
Ich lächele in mich hinein. "Heiligendamm ist dicht!" sagt mir ein Freund über das Telefon. Ja es hat viel Mühe von tausenden gekostet aber wir haben es erreicht. Block G8 ist keine Parole mehr. Es ist ein Faktum. Kilometerweit der Stau der Polizeifahrzeuge. Vielleicht ein halbes dutzend Wasserwerfer ist nun vor Ort. Ich sehe zwei Räumpanzer. Einer will grad auf der engen Landstraße wenden. Es will nicht klappen. Es kommt Hektik auf, zwei Krankenwagen mit Sirenen wollen durch. Die Blockade ist längst geräumt. Doch noch immer trifft Polizei ein. In zivilen Fahrzeugen sitzen die Beamten dicht gedrängt in voller Kampfmontur. Nichts will für die Polizei heute klappen. Sie generieren mit ihren Fahrzeugen eine größere Blockade als wir sie je erreicht hätten. "Wir waren nicht überrascht." wird die Polizei später vermelden. Für mich sah das heute anders aus.
Egal was in den nächsten Tagen passieren wird. Wir können gar nicht mehr verlieren. Verloren hat die Polizei. Sie log mit der Anzahl ihrer Verletzten am Samstag. Sie log als sie heute behauptete sie hätte alles im Griff. Ich weiß es war anders.
Und ich weiß die letzte Schlacht gewinnen sowieso wir.

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Ergänzungen

video

chronist 07.06.2007 - 12:20
eine reportage vom weg zum sicherheitszaun
und ganz frisch:
bilder von der greenpeace-aktion:
 http://www.interpool.tv/

neueste Lügen

stubenhocker 07.06.2007 - 16:15
Die Polizei verbreitet immer wieder offensichtliche Lügen. Gerade hat der Pressesprecher der Polizei behauptet, Demonstranten würden Kartoffeln mit Nägeln spicken um sie auf die Polizei zu werfen. Es wurden bereits Nägel auf die Strasse gelegt. Gestern waren es angebliche Autonome mit Mollis und Steinen und verletzte Polizisten die mit Hubschraubern ausgeflogen worden sein sollen. Beides wurde später als Lüge enttarnt.
Davor wurde begauptet Demonstranten würden Polizisten mit Säure bespritzen, auch das hat sich als haltlos herausgestellt, das sogenannte Pustefix Attentat.
Das ganze erinnert mich an HH wo bei einer Antifa Demo behauptet wurde Demonstranten würden Schneebälle mit Batterien füttern. Das ganze ist nur da um Bullen aufzuheizen, deren Aggressivität und Misstrauen zu steigern und vor der Presse hartes Durchgreifen zu rechtfertigen.

Beiträge die keine inhaltliche Ergänzung darstellen

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Provos und falsche Zahlen...

borse 07.06.2007 - 07:31
Die Polizei hat es geschafft, mit Provokateuren (in Rostock wie auch jetzt vor Heiligendamm - wie früher schon in Hamburg) andere zum Steinewerfen zu veranlassen und mit falschen Zahlen über Verletzte (es sollen nur 2 wirklich Schwerverletzte sein) die Öffentlichkeit zu täuschen: So werden Öffentlichkeit und vor allem das Bundesverfassungsgericht hinters Licht geführt, so werden günstige Gerichtsentscheidungen erzeugt. Alles andere wäre für die Polizei auch schwierig geworden. Man stelle sich vor, dass in der ZOne vor dem Zaun keine Räumaktionen möglich geworden wären, keine Platzverweise, kein Einsatz von Pferden usw.usw.

ja

fnord 07.06.2007 - 10:54
ich liess mich bereits und wuerde mich wohl auch wieder verpruegeln lassen oder mich zurueckziehen, wenn mir die situation zu handgreiflich wird. ich habe es nicht noetig, mich auf das niveau derer hinabzulassen, welche das verletzen von menschen zu einem teil ihrer strategie machen.

Seid Ihr wirklich so naiv?

matten 07.06.2007 - 12:21
Das hört sich alles so naiv an! Mein Gott, bleibt doch mal auf dem Boden der Tatsachen.

Die Sache ist die...

...egal 07.06.2007 - 12:25
...dass das wohl der beste Beweis ist, in einem demokratischen Land zu leben, in dem die Polizei trotz einzelner Ausfälle an Recht und Gesetz gebunden ist. Darauf bin ich stolz, in einem Land zu leben, wo die Polizei auch mal zweiter Sieger bleibt und nicht auf Biegen und Brechen Sieger wird. Dass das ohne weiteres möglich wäre, würden andere Kräfte unser Land regieren, liegt wohl klar auf der Hand. Und in einer Gesellschaft, wie sie Teile der Linken gerne manifestieren möchten, gäbe es sowas auch nicht. Ich bin stolz auf dieses Land und hoffe, dass die Polizei weiter besonnen ihre Arbeit macht. Sie könnte Sieger sein, würde sie alle denkbaren Mittel einsetzen. Tut sie aber nicht. Respekt.

tja, nur Idioten sind stolz auf irgendwelche

nationale 07.06.2007 - 13:44
Staaten, weil diese Kinder nicht mal begreifen, was Stolz überhaupt für eine Bedeutung hat.



Aber, dass begreift so ein kleines Kind wie egal natürlich nicht: häng dir doch ne Fahne um, die deines Wesen entspricht. :)

differenzierte Wahrnehmung

Scheiterer 07.06.2007 - 15:14
Bei allem Scheitern der Polizei sollte die Dimensionierung des Spektakels nicht vergessen werden. >>Unser schoener Wirtschaftsgipfel<< (Tagebuch Merkel) muss mit Ereignissen gespickt werden, fuer alle. Fuer die DemonstrantInnen, fuer BuergerInnen, fuer ZuschauerInnen, fuer Wuedentraeger, Hosentraeger und letztlich fuer die Polizei selber.

Strategie ist Strategie. nicht dass ich daran Zweifel das du, ich, wir die letzte Schlacht gewinnen werden (eigentlich haben wir schon gewonnen), wenn dann aber nicht, weil die PolizistInnen Vollhirnies sind, sie haben eben den falschen Beruf ergriffen und sehen sich gezwungen den "Bonzen" alles "Recht" zu machen. Also die letzte Schlacht gewinnen wir, Geacht wofuer?

Nationalismus ?

pipapo 07.06.2007 - 15:42
Stolz ist die Leere im Herzen der Dummen !

Egal will einen Schnuller

Egal 07.06.2007 - 15:43
Naja, wenn man nun gleich ein kleines Kind ist, weil man auf Verhältnisse stolz ist, die eben nicht so sind, wie in manchem Land, wo man friedliche und unfriedliche Gipfelkritiker mit anderen Methoden aus dem Weg räumen würde, muss jeder selbst entscheiden. Für mich spricht das für dieses Land, das sicherlich eine Reihe Defizite aufzuweisen hat. Wenn ich mir aber angucke, wer diesen Staat hier abschaffen will und was die Alternative ist, wie von diesen Leuten mit Andersdenkenden umgegangen wird - also eine bessere und friedlichere Welt sehe ich da beim besten Willen nicht. Bestes Beispiel Indymedia: Meinungsfreiheit? Gibts hier nicht. Zum Glück wird alles veröffentlicht und es sitzen nicht die an den Hebeln, die hier immer wieder fordern, kritische Einträge zu entfernen. Es tut weh, wenn man so radikal und auf dem linken Auge verblödet ist, gleichzeitig aber Freiheiten für sich einfordert, die man anderen nicht mal ansatzweise zugestehen will.

Ich wünsche allen friedlichen Protestlern einen ruhigen, schönen Sommerabend.

Alte und neue soziale Kämpfe -Grund für Stolz

Tsss 07.06.2007 - 15:56
"Sie könnte Sieger sein, würde sie alle denkbaren Mittel einsetzen. Tut sie aber nicht. Respekt."

Schon mal vom ideellen Gesamtkapitalisten gehört, Du "Patriot"? Der Staat sorgt zugunsten des Gesamtkapitals auch schon mal dafür, dass all zu derbe Auswüchse des Kapitalismus zurückgeregelt werden, weil diese sonst das Gesamtkapital schaden würden - entweder direkt (Verminderung des Bruttoinlandsprodukts) oder indirekt, zB indem sie massenweisen Protest der Linken erzeugen würden, wenn's all zu krass wird sogar 'ne Revolution.

Es ist so dumm.: Alle Abwehrrechte(!!) gegen den Staat, die die Sozialdemokraten und Liberalen im 18. und 19. Jahrhundert GEGEN den Staat erstritten haben, rechnest Du heute in verlogener CDU-Diktion eben diesem Staat an. Gehts noch? Sicher waren reaktionärer Staat und dessen Parteigänger irgendwie an den "Errungenschaften" beteiligt - aber auf der Gegenseite, auf der Seite, die gegen diese "Errungenschaften" "gerungen" haben. Beispiel Feminismus und Gleichberechtigung der Frau, heute rechnet sich die CDU das irgendwie an, hetzt im Namen "unserer Werte" (?) gegen den Islam. Tatsache ist aber, dass die Union noch in den 70ern - als die CSU den Bundestagspräsidenten stellte - eine Bundestagsabgeordnete "verwarnte", uweil es eine "Schande für dieses hohe Haus" sei, dass eine Frau darin mit Hosen (!) herumlaufe. Im ach so tollen "deutschen Bundestag" habe eine Frau in Hosen nichts zu suchen - wohlgemerkt, dass war noch mitte der 70er. Merke: Sehr wohl hat die Union um die Gleichberechtigung der Frau gerungen - aber auf der Gegenseite. Es ist grotesk, wenn nun eben die Gleichberechtigung der Frau von einem CDU-Systemling als "unsere Errungenschaften" ausgegeben werden, wofür dann Typen wie Du dem BRD-Staat samt reaktionärem Establishment den Kredit geben. Einfach lachhaft...

Alles was an diesem Staat vielleicht noch positiv ist, das wenige, sind die "Errungenschaften" nicht der CDU, die erst GEGEN diese "Errungenschaften" "gerungen" haben, heute aber im Namen dieser "Errungenschaften" die "Errungenschaften" wieder sukzessive abbauen wollen (Überwachungsstaat, Repressionsstaat, Sozialkahlschlag usw.), sondern die Errungenschaften der Linken, der Progressiven. Wir haben den Absolutismus gestürzt, wir haben 1789 in Frankreich oder 1848 uch in Deutschland für die Demokratie gekämpft (die in der BRD niemals wirklich verwirklicht wurde), nicht die Konservativen, nicht die Systemlinge, die noch verzwungen "Stolz" auf jene Dinge sind, die ihre Gegner "errungen" haben.

"errungen", "Errungenschaft" - was für ein Scheissjargon!, kümmere Dich lieber um die HEUTIGEN KÄMPFE, die heutigen sozialen und libertären Problematiken, statt auf die Kämpfe vergangener Generationen "Stolz" zu sein!!! Geh nach Heiligendamm und beteilige dich an den sozialen Kämpfen, beteilige Dich an einem Streik, am Arbeitskampf und Klassenkampf, leiste selbst etwas, dann hast Du vielleicht einen Grund, wirklich auf etwas, nämlich auf eine eigene Leistung "stolz" zu sein!

Newsflash

Meine Stimme gegen 07.06.2007 - 19:50
Unbestätigten Gerüchten zufolge sollen Behörden mit Unwahrheiten gefüllte Kartoffeln auf Journalisten geworfen haben. Attac wollte dazu nicht Stellung nehmen. In Heiligendamm kam es im Tagungszentrum zu einem heftigen Einsatz von Unverbindlichkeiten und Nebelkerzen seitens der versammelten Regierungschefs. Einige Journalisten erlitten Unmutsanfälle und mussten mit einem Buffet aus mecklenburgischen Spezialitäten behandelt werden.