Verurteilung in Freiburg: DIY against the BFE

Die Wahrheit wird euch frei machen 16.05.2007 07:57 Themen: Freiräume Repression
In Freiburg fand am 15. Mai 2007 vor dem Amtsgericht am Holzmarkt ein Prozess gegen einen Linken statt. Der Angeklagte wurde beschuldigt, den Polizeikommissar Joachim Höhne der Beweissicherungs- und Festnahmeeinheit (BFE) im Juli 2006 vorsätzlich und grundlos verletzt zu haben. In diesem ersten gerichtlichen Verfahren zum D.I.Y.-Festival verurteilte Richter Holm Ertelt den Angeklagten wegen Körperverletzung zu 40 Tagessätzen à 5 Euro. Ertelt ist als politischer Richter bekannt, der Prozess war eine einzige Farce.
Knapp 20 Linke hatten ihr Kommen angekündigt (1, 2) und saßen wie der Staatsschützer Kronbiegel pünktlich in den Rängen des Gerichtssaals, um dem Feierabend-Prozess des „eisernen“ Richters Holm Ertelt beizuwohnen. Als ein Teil des Publikums erst nach einer kleinen Sekundenverzögerung aufstand, ließ der Richter - als Einleitung und roten Kopfes - zu einer kurzen, heftigen Hasstirade verführen: „Dass wir uns hier richtig verstehen, hier gibt's kein Halli-Galli. Das ist kein Happening, sondern eine Gerichtsverhandlung.“ Der Wutschwall ließ den gesamten Saal verstummen: Ringsum verdutzte und empörte Gesichter.




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Solidarität ist eine Waffe!


Die Rechtsreferendarin in der Staatsanwaltschaftsrolle, Azubi Klingenberg, las den Anklagepunkt vor: Am 29. Juli 2006 gegen 14:45 Uhr habe der Beschuldigte auf Höhe der Bertoldstraße 28 in Freiburg-Stadtmitte bewusst und gewollt dem geschädigten Kommissar Höhne auf den Unterkiefer geschlagen... dies komme einer körperlicher Misshandlung gleich. Am 7.3. erging der Strafbefehl, welchem am 8.3. ein Widerspruch folgte.

Es folgte die übliche Befragung nach Daten des Angeklagten: Der Prozess konnte beginnen. Name, Geburtsdatum, Beruf. Hierzu Nachfrage des Richters: „Was studieren Sie genau?“ Angeklagter: „Ich bin nicht verpflichtet Ihnen das zu sagen.“ Richter in einem abfälligen Tonfall: „Mal dies, mal das, was? Zu meiner Zeit nannte man das ‚Studium Generale‘! Wieviel Geld verdienen Sie?“ ... „Mal so, mal so – es klappt“.




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Wer das Geld hat, hat die Macht.
Wer die Macht hat, hat das Recht.



Nach dieser förmlichen Vorstellung des Angeklagten folgte die Rechtshilfebelehrung. Der Anklagte wollte vorerst nicht aussagen. Daraufhin der Richter spöttisch-verdutzt: „Sie wollen voll verhandeln?“ Plötzlich klingelte das Handy von Staatsschützer Kronenbiegel penetrant im Publikum, woraufhin der Richter erneut und wütend bei weiteren Störungen mit 500 Euro Ordnungsgeld drohte.

Dann konnte endlich die Vorstellung des 31-jährigen, kleinen, bulligen und geschiedenen Polizeikommissars Joachim Höhne erfolgen.Höhne behauptet, er sei 31 Jahre alt, geschieden und dem baden-württembergischen Innenministerium untergeordnet, beim Referat 36: Technik.




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Der Geschädigte mit seiner Bezugsgruppe


An diesem Tag wurde er mit seinem BFE-Zug auf einer Kundgebung des linken Spektrums in Freiburg eingesetzt. „Als Clowns verkleidete Personen bewegten sich in Richtung Kaiser-Josef-Straße und wir sind von der Einheit mit Kameras hinterher“.Auf Höhe der Bertoldstraße 28 habe der Angeklagte ihm um 14:45 Uhr den Weg versperrt und mit dem linken Ellenbogen auf den Kiefer geschlagen.Aufgrund des allgemeinen Trubels konnte jedoch keine sofortige Festnahme durchgeführt werden. Der Angeklagte wurde dann nach Rücksprache mit dem Zugführer gegen 15:05 Uhr festgenommen. Frage des Richter: „Und da ist eine Täuschung ausgeschlossen, nicht wahr?“

Der Richter fragte nach Kleidung des Angeklagten. Da Joachim das nicht mehr wusste, holte der Richter kurzerhand Fotos des Angeklagten vom 29.07.2006 raus, um der Erinnerung des Zeugen ein wenig Aufwind zu verleihen. Prompt konnte der Zeuge sich wieder erinnern und alles war wieder gut.

An dieser Stelle wurde aus dem Publikum gefordert, die Beweismaterialien zur allgemeinen Einsicht auszulegen. Dies schmetterte Richter Ertelt mit der Begründung ab, dafür bräuchte man eine Berechtigung und Vollmacht des Angeklagten. Mit anderen Worten: Kein Pöbel, nur VolljuristInnen mit Vollmacht.

Die Staatsanwältin: „Waren sie denn deutlich als Polizisten zu erkennen?“Bulle: „Wir waren ausreichend als Polizisten zu erkennen. Wir waren in voller Einsatzmontur unterwegs.“. Er sei vom Hauptbahnhof in Richtung Bertoldsbrunnen gelaufen und habe mit einem zweiten Kollegen gearbeitet. Dieser habe aber genauso wie die anderen Bullen nichts gesehen, obwohl der vermeintliche Täter frontal vor ihnen gestanden haben soll. Na ja, die Verletzung sei außerdem nicht so schlimm gewesen, Joachim hatte auch gar kein Attest.Richter Ertelt war unerbittlich: „Der Angeklagte hat sie geblockt. Und das war schmerzhaft?“ Joachim: „Ja, so ist es.“




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29.07.2006: Links und rechts der wehklagende Joachim Höhne
etwa eine Stunde nach seiner „schmerzhaften Verletzung“.
In der Mitte der bekannte Einsatzleiter Zeller.



Die Staatsanwältin fragte zwischendurch noch den Bullenzeugen: „Stellten Sie in diesem Moment eine Bedrohung für den Angeklagten dar?“, woraufhin der Zeuge entgegnete: „Nein, wir wollten die Clowns! Von den Clowns ging die Störung aus!“

Der Angeklagte wollte sein Recht zur Befragung des Zeugen wahrnehmen und setzte zu einer Frage an: „Sie waren an der Bertoldstraße ...?“, doch Richter Ertelt unterbrach barsch: „Das hat der Zeuge bereits gesagt!“In schönstem Schwäbisch sagte der Bulle aus: „Mir sin gloffe.“ Sie hätten sich vom Platz der Alten Synagoge wegbewegt. Der Angeklagte hakte nach: „Zu wievielt waren sie unterwegs?“Bulle: „Das BFE besteht aus 46 Einsatzkräften, die immer zu zweit und in Gruppen agieren.“Der Angeklagte fragte daraufhin, ob die Kollegen auch nichts gesehen hätten.

Der Richter wollte es nochmal ganz genau wissen und würgte den Angeklagten erneut ab: „Also das war gegen 15 Uhr? Mit dem Gesicht zu Ihnen? Und sie haben Schmerzen gehabt?“ Joachim: „Ja, so ist es.“




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Es wurde kaum gefilmt...


Daraufhin gab der Angeklagte bekannt, eine Aussage zu machen:„An dem Tag war ich in der Innenstadt und wurde von hinten angerempelt.“ Daraufhin sei er gestrauchelt und mit den Worten „Verpiss dich!“ von einem vorbeistürmenden Polizisten angeschrien worden. Dem kam der Angeklagte nach kurzer Überlegung nach, da die Situation ihm sehr angespannt schien. Das sei ziemlich genau zu dem Zeitpunkt der hier „verhandelte Tat“ gewesen. Der Richter hatte zuvor jeglichen Hinweis auf die chaotische Situation am Nachmittag des 29. Juli 2007 grundsätzlich abgeblockt.

Richter: „Es kam bewusst zu dieser Körperverletzung und zwar von vorne.Die Geschichte des Angeklagte mag sich zugetragen haben, das hat mit der Sache hier jedoch überhaupt nichts zu tun. Sonst noch?“Diese und die Frage, ob der Zeuge vereidigt werden solle, wurde mit einem Schulterzucken abschlägig beschieden. Allerdings verlangte der Angeklagte das Filmmaterial der Bullen, doch Richter verkündete: „Anderes Filmmaterial ist nicht von Belang.“

Nun war die Reihe an der angehenden Staatsanwältin Klingenberg: Ein Plädoyer für den Staat. Aus Sicht der Staatsanwaltschaft habe sich die Sache ganz genau so zugetragen wie in der Anklageschrift verfasst. Es gebe keinen Anlass, daran zu zweifeln. „Ihre Geschichte kann sein, es war eine aggressive Stimmung, das hat damit aber nichts zu tun.“ Es sei somit nur noch die Höhe der Strafe festzulegen. Die Staatsanwaltschaft beantragte 40 Tagessätze à 10 Euro plus die Kosten der Gerichtsverhandlung.

Der Angeklagte beantragte Freispruch.




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Damals wie heute ein Kracher: Kill your darling!


Ertelt zog sich mit seinem Azubi zurück und verurteilte den Angeklagte fünf Minuten später zu 40 Tagessätzen à 5 Euro plus die Kosten des Verfahrens.Angesichts der Beweisaufnahme hätte sich der Angeklagte den Bullen in den Weg gestellt und ihm mit dem Ellenbogen den Kiefer verletzt. Zudem sei er auch noch von der Stange der eigenen Kamera getroffen worden. „Es war schmerzhaft für den Polizeibeamten. Daran bestehen keine Zweifel. Die Geschichte des Angeklagten tangiert diesen Vorfall nicht.“

Nach der Verkündung dieser offensichtlich vorgefertigten Meinung und der Verlesung der zugehörigen Paragraphen entstand Unruhe im Publikum. Richter Ertelt rettete die Situation mit dem Satz: „Es gibt Regeln für Polizisten und Demonstranten...“, woraufhin ihm ein befreiendes Lachen aus dem Publikum entegegenschallte. Zynisch meinte der Richter noch zum nun Verurteilten, er könne doch noch Berufung vorm Landgericht oder Revision beantragen - Landgericht oder nur formale Überprüfung.

Die „volle“ Verhandlung war vorbei, der Verurteilte und einige Gäste verließen den Raum. Nur der Bulle schlich sich zum anderem Ausgang raus.




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Freiburg am 29. und 30.07.2006


Im Anschlus wurde Richter Holm Ertelt von ZuschauerInnen angesprochen. Arrogant zeterte er: „Gerichtsverhandlungen werden missbraucht!“Ertelt wurde auf seinen respektlosen Umgang mit dem Publikum angesprochen, auf die Pauschalverurteilung und Unfreundlichkeit von Anfang an - obwohl es dazu keinen Anlass gab.

Richter Ertelt meinte, es würden Gerichtsverhandlungen missbraucht werden. Doch die Empörten meinten nur: „Das geht ja gar nicht, was sie hier gemacht haben!“ Leicht defensiv-hochnäsig entgegnete Ertelt: „Die Verfahrensführung ist: Ich habe einen Präsidenten und da können sie sich beschweren.“ Er gab keine Antwort auf die Gegenfrage: „Aber das wollen Sie nicht wirklich, oder?“

Ein nerviger Rechtsreferendar marschierte auf und ab und versuchte sich wichtig zu machen: „Sie haben nicht zu kichern“, und während das Streitgespräch mit dem Richter weiterging: „Da ist einfach ruhig zu sein.“

Ertelt wurde immer arroganter: „Ich zieh' die Robe auch nicht aus Kleidermangel an.“ und „der aus dem Innenministerium“ (Bulle Höhne) würde ja auch nicht herfahren um zu lügen, oder...?Einer fragte: „Aber es ist doch der Ton, der die Musik macht.“ und bekam hochnäsig zu hören: „Ich habe Erfahrung. Es flogen hier schon Tomaten und Colaflaschen. Ich könnte auch sagen, ich lehne es ab zu diskutieren. Tun sie das ins Internet und haben Sie ihren Spaß, ich habe den meinen.“Zum Richter: „Wir sind friedlich, was seid Ihr? Guten Abend.“ Alle Anwesenden wanden dem Richter den Rücken zu und gingen.




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Bunt statt grün-schwarz!


Der Politrichter Holm Ertelt ist kein Unbekannter. Ertelt stellte den Durchsuchungsbefehl zur Hausdurchsuchung am 8. Dezember 2004 wider besseren Wissens aus. Bei der Durchsuchung war auch der Politbulle Wolfgang Kronbiegel anwesend, der dann auch noch dreist zwei Jahre später ebenda um Informationen bat, er sei ja immerhin „mit persönlichem Interesse bei der Polizeidirektion Freiburg im Dezernat Staatsschutz“ tätig. Das eingespielte Doppel hatte sich offensichtlich mal wieder vorgenommen, die linke Szene ein bisschen aufzumischen. Frei nach dem Motto: „Wir haben in den Busch geschossen, nun sehen wir weiter, was und wer sich dort bewegt.“





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Ergänzungen

Kill your Darling

war da 16.05.2007 - 18:33
Auf dem D.I.Y.-Festival:

 http://de.indymedia.org/2006/07/153819.shtml




Auf der KTS-Homepage:

Dienstag, 15. Mai 2007, 21:00 Uhr

THE GIRLS (israel) & KILL YOUR DARLING

WOW! aus dem heiligen Land direkt in die KTS! THE GIRLS aus Tel Aviv befleissigen sich grandiosen retro NEW WAVES: sie sehen aus wie die New York Dolls und klingen als würden PJ Harvey, Velvet Underground und Television auf der Bühne gemeinsam eine Orgie des energetischsten Rocknrolls veranstalten, MC5 schauen vorbei, die Pretenders räkeln sich im Hintergrund auf dem Sofa, während die Undertones ins Bier pinkeln und die Sonics die Bäume im Vorgarten anzünden! Die Vorbilder sind klar, Früh-Punk, New Wave, Metal, ’60s Garage und ’70s Hard Rock, alles das mit spektakulärer Frauenstimme dargeboten. Urban, verrucht, mal melodisch, mal schnell & laut aber immer arschtretend und hüftschwingend.

Mit dabei, dieses mal aber wirklich: KILL YOUR DARLING! Während Gregor noch seinen schmerzenden Schädel in Watte bettet, wurde kurzerhand TEN-VOLT-SHOCK-Mario bequatscht den Bass in die Hand zu nehmen. Die toten Lieblinge werden wie das Messer in der Faust ins Auge den Abend ergänzen, 77´er Punkrock mit Garagenrocknroll Attitüde und einer Killerfrauenstimme! Der Dienstag kann kommen...

Tagessatz 5€???

Gerichtskosten 16.05.2007 - 19:50
Seit wann gibt es den Tagesätze von 5€? Der Normalsatz für Hartz4-Empfänger beträgt 15€, wer soll denn noch weniger haben??? 40 Tagessätze wird nicht im Führungszeugnis vermerkt - erst ab 90 Tagessätze...

Es geht immer weiter...

Autonom@ntifA 17.05.2007 - 15:06

Schwere Vorwürfe gegen Polizisten

BZ-LeserIn 31.05.2007 - 01:33
Badische Zeitung vom Donnerstag, 31. Mai 2007

Schwere Vorwürfe gegen Polizisten

Die Staatsanwaltschaft ermittelt wegen Gewaltmissbrauchs / Anzeigen gegen Beamte sind keine Seltenheit, aber meist unbegründet

Von unserem Mitarbeiter Lars Bargmann

Die Staatsanwaltschaft ermittelt derzeit gegen mehrere Freiburger Polizisten wegen Gewaltmissbrauchs im Dienst und rassistischer Diskriminierung. Beamte der Polizeidirektion Freiburg sollen am 7. April einen Hund auf einen am Boden liegenden Nigerianer mit den Worten "Friss den Neger" gehetzt haben.

Der Strafverteidiger Jens Janssen berichtet auf Anfrage der Badischen Zeitung von einem weiteren aktuellen Fall, bei dem zwei Polizeibeamte in ihrer Freizeit einen Mann aus Montenegro geschlagen haben sollen. Auch hier ermittelt der Staatsanwalt. Im Oktober ist Verhandlung.

Anzeigen gegen die Ordnungshüter sind keine Ausnahme: "Das gehört nahezu zum Tagesgeschäft" , so Oberstaatsanwalt Wolfgang Maier. Dass die Anzeige allerdings vor Gericht verhandelt wird, ist hingegen eine Ausnahme: "99 Prozent der Anzeigen enden nicht vor Gericht, sondern werden wegen Geringfügigkeit vorher eingestellt" , sagt Maier. Auf 20 bis 30 Anzeigen im Monat schätzt der Oberstaatsanwalt die Anzeigenflut gegen die Polizei. Eine eigene Statistik werde indes nicht geführt, auch nicht darüber, wie viele Anzeigen tatsächlich in ein Urteil gegen die Polizei münden. Ein einziges ist Maier noch geläufig: Ende der 90er-Jahre war ein Freiburger Hauptkommissar in einem der spektakulärsten Polizeifälle Freiburgs verurteilt worden — der Mann hatte sich in großem Stil mit Drogen in der Asservatenkammer bedient. Ansonsten ist Maier aber "kein zweites Urteil gegen einen Polizisten in Erinnerung" .

Kein Urteil war auch gegen die beiden Polizisten ergangen, die im Juli 2005 eine Rentnerin, die beleidigend wurde, so vehement ins Dienstauto verfrachtet hatten, dass die 72-Jährige einen Kreuz- und Innenbandanriss, einen beschädigten Meniskus im rechten Knie sowie zwei aufgeschürfte Handgelenke durch Handschellen davongetragen hatte. Das Verfahren gegen die Ordnungshüter, die die Frau im Gegenzug ebenfalls angezeigt hatten, wurde eingestellt, das Verfahren gegen die Rentnerin ebenfalls. "Das war umgekehrt eines der sehr seltenen Verfahren, in denen es kein Urteil gab, obwohl die Polizisten Anzeige erstatteten" , sagt Janssen. Ob dabei eine Rolle gespielt habe, dass der Richter das Verhalten der Beamten womöglich als unverhältnismäßig eingestuft hatte, will er offen lassen.

Janssen betont, dass insgesamt die Fälle, in denen Polizisten ihren Status ausnützten, weniger geworden seien: "Die Polizei bemüht sich heute sehr um einen guten Ruf, das war vor 20 Jahren noch etwas anders." So werden heute die Ermittlungen gegen die Ermittler nicht in den jeweiligen Polizeidirektionen, sondern in der Landespolizeidirektion geführt. Die befasst sich derzeit mit dem Fall des Nigerianers, in den sich zwischenzeitlich SPD-Landtagsabgeordneter Gustav-Adolf Haas und SPD-Stadtrat Walter Krögner mit einer Anfrage an Polizeichef Heiner Amann eingeschaltet haben. Das Freiburger Friedensforum veranstaltet heute eine Pressekonferenz hierzu.

Beamte schlugen in der Freizeit zu

BZ-LeserIn 31.05.2007 - 01:34
Beamte schlugen in der Freizeit zu

Landespolizeidirektion ermittelt in noch einem Ausnahmefall

Von unserem Mitarbeiter Lars Bargmann

Für heute hat das Freiburger Friedensforum zu einer Pressekonferenz geladen, bei der auch der Mann aus Nigeria anwesend sein soll, der von einem Polizeihund gebissen wurde. Beamte im Dezernat für Sonderfälle der Landespolizeidirektion ermitteln deswegen gegen ihre Kollegen von der Polizeidirektion (PD) Freiburg. Das Dezernat hat noch in einem weiteren Fall ermittelt, bei dem Beamte der PD Freiburg einen Mann aus Montenegro in ihrer Freizeit geschlagen haben sollen. Zwei spektakuläre Fälle, aber doch Ausnahmen.

Der Vorfall mit dem Montenegriner hatte sich bereits am frühen Morgen des 10. Dezember 2005 ereignet. Zwei Polizeibeamte in Zivil hatten den durch die Hans-Sachs-Gasse am Hauptbahnhof rennenden Mann mit den Worten "Stopp, Polizei" angehalten und wollten wissen, warum er renne. Die Auskunft, dass er schnell zu seinen an der Diskothek "Karma" wartenden Freunden müsse, reichte den Beamten nicht. Der Montenegriner musste im Josefskrankenhaus behandelt werden, hatte eine Platzwunde und eine Schürfwunde auf der Stirn. Warum, darüber gehen die Darstellungen auseinander. Nach Einschätzung der Rechtsmediziner passen die Angaben des Montenegriners zu seinen Verletzungen.

Beide Beamten waren, so steht es in dem der BZ bekannten Schlussbericht der Ermittler, stark alkoholisiert. Gegen einen der Männer war übrigens ebenfalls in 2005 bereits wegen gefährlicher Körperverletzung in einem und Beleidigung in einem anderen Fall ermittelt worden. Beide Verfahren wurden hernach eingestellt.

Der Freiburger Strafverteidiger Jens Janssen, der den Montenegriner vertritt, sieht jetzt "gute Chancen" , dass die beiden Beamten verurteilt werden. Janssen wartete in diesem "an brutale Straßenkriminalität erinnernden Fall" fast ein Jahr auf Akteneinsicht. "Die Staatsanwaltschaft tut sich besonders dann schwer, schnell zu entscheiden, wenn es gegen Polizisten geht" , meint Janssen, da zwischen Polizei und Staatsanwaltschaft im Prinzip eine Arbeitsgemeinschaft im Kampf gegen das Verbrechen bestehe.

Eine Frage, die jetzt im Fall des gebissenen Nigerianers gestellt wird, ist, ob die Beamten wegen Arbeitsüberlastung bereits gereizt an den Einsatzort gekommen waren. Fakt ist: Die Freiburger Polizei ist personell nicht gut ausgestattet. In Stuttgart kommen auf einen Polizisten 250 Einwohner, in Mannheim einer auf 320, im Breisgau einer auf 428.

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Machtstaat oder Rechtsstaat — unter den Talaren

Vorgehen des Richters? — Nachhaker

Holm- Filbingers Reinkarnation — kennt nur der kronbügel

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