7. Prozesstag - 08.05.07 zum Tod Oury Jallohs

prozessbeobachterInnen 09.05.2007 02:49 Themen: Antirassismus
„Es ist eine Ermessensfrage. Man kann, man kann nicht. Das heißt nicht, man muss.“

der ehemalige Polizei-Bereitschaftsarzt Dr. Andreas B. im Zeugenstand
Um 9.03 Uhr betrat das Gericht den Saal und Richter Steinhoff eröffnete den siebten Verhandlungstag. Bevor der Neurologe Andreas B. im Zeugenstand Rede und Antwort steht, wies der RA Isensee, der Anwalt der Nebenklage, darauf hin, dass der Dolmetscher nicht mehr benötigt wird, weil die Mutter und der Halbbruder Oury Jallohs bereits nach Guinea zurückgereist sind.



Nach der Zeugenbelehrung befragt der Vorsitzende Richter Steinhoff den Zeugen Andreas B. (46) zu den Geschehnissen am 07. Januar 2005 im Dessauer Polizeirevier. „Der Dienstgruppenführer“ hätte ihn am besagten Tag mitten in seiner Sprechstunde so gegen 08.00 Uhr zu einer Blutentnahme gerufen. Laut Akte soll das Telefonat ca. 09.00 Uhr stattgefunden haben. B. sei dann im Revier angekommen und Oury Jalloh hätte sich bereits im Gewahrsamstrakt befunden. Der Richter möchte wissen, welche Beamten sich zu diesem Zeitpunkt dort befanden. Der Zeuge kann sich an den Angeklagten Hans-Ulrich M. und den Beamten Udo S. erinnern. Wer der dritte Polizist gewesen sei, wisse er heute nicht mehr. „Als ich kam saß er auf dem Stuhl. Ob er da schon fixiert war weiß ich nicht“, so der Neurologe. In seiner polizeilichen Vernehmung hatte der Zeuge angegeben, dass Oury Jalloh bereits gefesselt war. „Ein dunkelhäutiger Mann der auf einer Liege auf dem Bauch lag“, hält der Richter dem Arzt seine damalige Aussage vor. B. hätte damals auch angegeben, dass die Hände des Delinquenten auf dem Rücken gefesselt waren und auch die Füße fixiert gewesen sein sollen. „Das ist möglich, damals war die Erinnerung noch frisch“, entgegnet B. „So kam es dann zur notwendigen Untersuchung, mit erheblichen Schwierigkeiten“, beginnt der Neurologe B. dann die vorzunehmende Blutentnahme zu schildern. Diese sei auf der Liege im Behandlungsraum erfolgt. Dazu musste die Handfesselung einseitig gelöst werden.



„Er wehrte sich extrem mit den Füßen“, schildert der Zeuge das damalige Verhalten Oury Jallohs. „Alles was beweglich war, bewegte sich“. Außerdem sei der Afrikaner „extrem aggressiv gewesen“ und hätte die Beamten beschimpft. Um welche Schimpfwörter es sich im Detail handelte, wusste B. nicht mehr zu sagen. In der polizeilichen Vernehmung hatte er den Ausdruck „Bullenschweine“ zu Protokoll gegeben. „Er hat die grüne Farbe der Polizei nicht gemocht“, so erklärt sich B. heute das Verhalten Jallohs. „Warum?“, fragt Ulrich von Klinggräff, der Anwalt des Vaters von Oury Jalloh, den Mediziner. „Weil er gewaltsam ins Polizeirevier gebracht wurde“, lautet dessen Antwort. Der Nebenklagevertreter möchte darüber hinaus wissen, ob mit dem Delinquenten eine „geordnete Kommunikation“ möglich gewesen wäre. „Er hat nicht geantwortet, er hat ja nicht gehört“, so der Arzt. Jalloh hätte immer das Gegenteil von dem gemacht, was er und die Beamten einforderten. „Ich kann mich noch an ein T-Shirt erinnern, weil ich das zur körperlichen Untersuchung hochgezogen habe“, sagt der Dessauer Mediziner zur Frage, welche Bekleidungsgegenstände Oury Jalloh trug.



„Wie war er drauf? (Oury Jalloh; Anm. der Red.) Haben Sie irgendwelche Verletzungen gesehen?“, fragt der Richter zum Komplex der körperlichen Verfassung. „Äußerlich war er eigentlich intakt“, sagt B. und fügt hinzu, dass er am Körper und den Extremitäten keine wahrnehmbaren Verletzungen bemerkt habe. Außerdem wäre die Untersuchung schwierig gewesen, da sich Jalloh ständig gewehrt haben soll. Der Vorsitzende zitiert aus dem Protokoll der polizeilichen Vernehmung. In dieser hatte der diensthabende Arzt ausgesagt, dass er oberflächliche Verletzungen am Handgelenk festgestellt hätte. Dabei soll es sich um Hautabschürfungen gehandelt haben, die durch die Handschellen hervorgerufen sein könnten. „Nach dieser Zeit ist es schwierig, sich daran zu erinnern“, erwidert Andreas B.
weiter unter:  http://ouryjalloh.wordpress.com/about/#7_Prozesstag
Creative Commons-Lizenzvertrag Dieser Inhalt ist unter einer
Creative Commons-Lizenz lizenziert.
Indymedia ist eine Veröffentlichungsplattform, auf der jede und jeder selbstverfasste Berichte publizieren kann. Eine Überprüfung der Inhalte und eine redaktionelle Bearbeitung der Beiträge finden nicht statt. Bei Anregungen und Fragen zu diesem Artikel wenden sie sich bitte direkt an die Verfasserin oder den Verfasser.
(Moderationskriterien von Indymedia Deutschland)

Ergänzungen