Der letzte BUKO?

njet 13.04.2007 12:33
Über Ostern fand der 30. Kongress der Bundeskoordination Internationalismus, eines der wichtigsten und am längsten bestehenden linken Netzwerke statt. Die BUKO ist derzeit von Krisen geschüttelt. Erst fiel ihre wichtigste Finanzierungsquelle aus, was wohl ausgeglichen werden konnte. Nun scheint es inhaltliche und Motivationsprobleme zu geben: Es konnten keine Personen mehr für den so genannten SprecherInnenrat gefunden werden. Unklar ist weiterhin, ob es einen 31. BUKO-kongress geben wird.
zunächst bin ich nicht der geeignetste, um über diesen BUKO zu berichten, da ich nur einen Teil mitbekommen habe, das meiste vom Hörensagen her weis. Deshalb hoffe und bitte ich um Ergänzungen. Es ist wichtig, das auf indymedia zu diskutieren und auf die Probleme hinzuweisen.

Was ist BUKO:  http://www.buko.info/ >Selbstverständnis

Der diesjährige BUKO trug den Titel: macht#netze, was einerseits auf das Machtnetz G8 verweisen andererseits die Aufforderung enthalten sollte, sich gegen dieses zu vernetzen. Wegen des G8-Gipfels wurde der BUKO extra vorverlegt. Allerdings blieb der tatsächliche Schwerpunkt unklar, es gab wohl keinen.

Die Auftaktveranstaltung trug den Titel „WIE denn nun eine andere Welt?" und behandelte die Organisationsfrage, deren Antwort durch das Podium jedoch vorweggenommen schien. Neben einem Vertreter der BUKO waren dort RepräsentantInnen der größten und professionellsten NGOs (ATTAC, WEED, Ev. Landeskirche Sachsen) angekündigt nicht etwa andere Ansätze vertreten wie PGA oder Ya Basta. Mehr kann ich dazu nicht sagen, außer dass die Vertreterin von Weed Gerüchten zu Folge am Tag des Podiums absagte, weil sie noch Projektanträge fertig machen musste, was mir etwas zu plakativ erscheint um wahr zu sein.
 http://www.buko.info/kongress/buko30/deutsch/groups/auftakt.html

Innerhalb der Workshops lassen sich wie gesagt schwer Tendenzen ausmachen. Es gab Blockadetraining und Clownsarmy, viel inhaltliches aber zu sehr unterschiedlichen Themen. Am frühesten war ein Haufen Veranstaltungen zum Bertelsmann-Konzern angekündigt, wegen des zentralen Militärflughafens Halle/Leipzig gab es außerdem einen Block zu Kampagnen gegen Militärstandorte etc., worauf sich das Themenfeld Antimilitarismus auch weitgehend reduzierte. Es gab vieles zu Gender/Feminismus, was aber wohl auch wegen des fehlenden Schwerpunkts meist quer zu den anderen Themen lag und keine gemeinsame Ausrichtung erkennen ließ. Weitere Blöcke waren Migration, Privatisierung/Ökonomisierung und Widerstand.
Die meisten Workshops, von denen ich gehört habe, sollen ganz gut gewesen sein.
 http://www.buko.info/kongress/buko30/deutsch/workshops.html

Etwas ulkig war die zentrale Abendveranstaltung am Samstag, zu der es hier bereits ein Crossposting gab ( http://de.indymedia.org/2007/04/172858.shtml). Unter dem Titel "weiterführende Links" sollten Anknüpfungspunkte für Rechte an linke Kritik, also auch das Verhältnis der Linken zur Bewegung diskutiert werden. In diesem Zusammenhang wurde natürlich auch der Sinn einer G8-Mobilisierung, die ja "offizieller" Schwerpunkt dieses BUKO war, in Frage gestellt. Im Effekt wurde zwei Vertretern lokaler antideutscher Gruppen (BGA, Phase II) ein Podium geboten, die Linke bzw. den BUKO zu kritisieren. Nach langer Suche wurde als ihr Gegenpart in diesem Schaukampf Bernhard Schmid aufs Podium gesetzt. Besonders ernst schien die Diskussion, abgesehen von einigen lokalen (post-)linken, jedoch niemand zu nehmen und sie verlief verhältnismäßig unaufgeregt, hätte fast produktiv sein können, wenn sie nicht von vornherein etwas komisch zu Stande kam und auf so viel Ablehnung gestoßen wäre. Widerum gerüchteweise hieß es, der BUKO wäre extra nach Leipzig geholt worden, um ihn mit diesen Positionen zu konfrontieren und lokale antideutsche hätten sich in die Vorbereitung eingemischt, nur um diese Veranstaltung durchzusetzen. Das Podium war unausgeglichen und stand deshalb in Opposition zu einem Großteil des BUKO-Publikums. Die lokalen Vertreter haben ihre Arbeit zwar ganz gut gemacht, waren weniger kompromisslos oder angreifend als sonst, aber dieser Rolle nicht ganz gewachsen.

Sonntag gab es ein Zeitfenster für Aktionen, einerseits einen antikolonialen Stadtrundgang, andererseits einen Ostermarsch. Während der antikoloniale Stadtrundgang ganz gut besucht gewesen sein soll, kamen nichteinmal 20 Leute vom BUKO zur Demo gegen die militärische Nutzung des Flughafens Halle/Leipzig, obwohl extra Busse dorthin organisiert wurden und die Demo eine Stunde wartete, bis die Workshops zu Ende waren. Der Ostermarsch zog etwa 50m an den beiden Antonows vorbei, die Deutschland (und der NATO) als zentrale Verlegekapazität für Auslandseinsätze dienen. Die Redebeiträge richteten sich gegen die militärische Nutzung des Flughafens, die Militarisierung Deutschlands allgemein, sowie gegen die Auslandseinsätze. Abschlußkundgebung war neben dem Haupteingang. Hier wäre einiges gegangen, nicht aber mit den hundert lokalen Friedensbewegten, die die Demo letztlich alleine trugen.

Am Sonntagnachmittag gab es noch Vernetzungstreffen und anschließend eine BUKO-MV, bei der gerade 14 Mitgliedsgruppen der BUKO vertreten gewesen sein sollen. Gerüchten zu Folge soll sich keine einzige Person für den SprecherInnenrat aufgestellt haben.
(Der SR übernimt die Aufgaben eines ehrenamtlichen Beirates und ist die politische Vertretung der BUKO zwischen den Kongressen nach außen. Der SR steht in Kontakt mit Geschäftsstelle und Mitgliedgruppen sowie mit Kampagnen und Arbeitsschwerpunkten. Die Mitglieder des SR werden alljährlich auf dem BUKO-Kongress gewählt.)
auch hat sich keine Struktur und kein Ort gefunden, die den nächsten BUKO austragen will, was scheinbar von der MV auch gar nicht unbeding als wünschenswert, angesichts der aktuellen Krise, gesehen wurde.

Montagfrüh gab es noch eine Abschlussveranstaltung: "...erst den Gipfel stürmen - und dann?
emanzipatorische Aussichten nach dem G 8", zu der ich leider gar nichts sagen kann.

Alles in Allem sind wieder ein Haufen netter Leute zusammengekommen und es fanden gute Workshops statt. Dass hinsichtlich der Vernetzung zu G8 etwas passiert wäre oder vom BUKO irgendwelche Impulse ausgingen, habe ich bislang nicht mitbekommen. Einzig in der taz wird etwas über den BUKO berichtet ( http://www.taz.de/pt/2007/04/11/a0059.1/text) insbesondere über seine Replik zum Positionspapier der etablierten NGOs zu G8. Hierin wurden die NGOs dafür kritisiert, dass sie Forderungen an die G8 stellten und sie somit eher als Mittel zur Lösung von Problemen, denn als Problem selbst anerkannten.

Die alternativen, die der BUKO zu bieten hatten, waren allerdings dünn, eine gemeinsame Stoßrichtung war weniger zu erkennen, als bei der G8 Mobilisierung insgesamt. Thematisch zerfleddert wurde auf eher akademischen Niveau diskutiert, für Aktionen, insbesondere gegen den Flughafen Halle/Leipzig kam kaum wer aus dem Elfenbeinturm linker Theorie. Dann schon lieber Stadtrundgang über die Verbrechen vergangener Tage. Es drängte sich etwas der Verdacht auf, dass die OrganisatorInnen dieses BUKO wenig über seine Geschichte, seinen Inhalt und seinen Charakter gewußt hätten. Das schien aber letztlich allen so zu gehen. Klar muss der BUKO weitergehen, aber was ist er eigentlich (noch/mittlerweile)?
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Ergänzungen

Halle/Leipzig

aufmerksamer Leser 13.04.2007 - 15:24
Die bundesregierung zur militärischen nutzung des flughafens:

Es ist zutreffend, dass seit März 2006 zwei Transportflugzeuge Antonov 124-100 dauerhaft auf dem Flughafen Leipzig/Halle stationiert sind. Sie stehen den teilnehmenden Nationen zur Deckung ihres strategischen Lufttransportbedarfs abrufbereit zur Verfügung.

Für Deutschland wurden im Wesentlichen mit Antonov 124-100 transportiert:
● Hubschrauber,
● Container, dabei zu einem großen Teil Sanitätscontainer,
● Fahrzeuge, einschließlich der Rückführung von Schadfahrzeugen,
● Versorgungsgüter aller Art sowie
● Verpflegung, Trinkwasser und Zeltmaterial.

Es ist lediglich bekannt, dass während der Verlegung/ Rückverlegung EUFOR RD CONGO nahezu täglich mehrere Antonov 124-100 eingesetzt waren.

Hat Deutschland die vertraglich zugesicherten und bezahlten 750 Flugstunden für das Jahr 2006 ausgeschöpft?
Ja.

Es können durch die Bundesregierung lediglich Angaben zur deutschen Nutzung gemacht werden; es wurden angeflogen:
● Südafrika,
● Norwegen,
● Pakistan,
● Afghanistan,
● Tadschikistan,
● Gabun,
● Demokratische Republik Kongo,
● Kap Verde,
● Djibouti und
● Zypern.

Es erfolgten 27 Flüge zwischen Deutschland und der Demokratischen Republik Kongo und Gabun. Darüber hinaus wurden 24 Shuttle-Flüge zwischen Libreville (GAB) und Kinshasa (COD) durchgeführt.

World Airways fliegt darüber hinaus im Auftrag des amerikanischen Verteidigungsministeriums. Es erfolgen technische Zwischenlandungen in Leipzig/ Halle. Informationen über die transportierte Fracht dieser militärischen Flüge liegen nicht vor.

Nach Auskunft des Flughafens werden im Auftrag der USA-Regierung Angehörige der USA-Streitkräfte in die USA zum Heimaturlaub oder aus dem Heimaturlaub in die USA zurück zum Stationierungsort geflogen. Dabei handelt es sich um so genannte Urlaubsflüge.

World Airways hat in der Vergangenheit die Absicht erklärt, den Flughafen Leipzig/Halle zukünftig stärker für Zwischenstopps zu nutzen.

Ab Juli 2006 war eine monatliche Zahl von 50 bis 80 Einflügen der World Airways in das Hoheitsgebiet der Bundesrepublik Deutschland vorgesehen.

Nach Feststellungen der Deutschen Flugsicherung (DFS) fanden im Jahr 2006 folgende Flugbewegungen vom Flughafen Leipzig/Halle nach Oman, Kuwait, Saudi Arabien, Usbekistan, Afghanistan und Irak statt:
● Januar: 0
● Februar: 1
● März: 0
● April: 0
● Mai: 1
● Juni: 1
● Juli: 39
● August: 51
● September: 61
● Oktober: 78
● November: 67
● Dezember: 34

Der Rest:  http://dip.bundestag.de/btd/16/043/1604343.pdf

Fakten statt Gerüchte?!

teesocke 14.04.2007 - 12:35
Mehr Inhalt, weniger Gerüchte hätten diesem Artikel sicherlich gut getan. Du warst nicht auf der MV (warst Du überhaupt beim BUKO?!) also macht es wenig Sinn, darüber Halbwahrheiten zu verbreiten.
- Welche Finanzierungsquelle ist gemeint? Die Streichung der EED-Förderung ist Jahre her, und konnte bisher, d.h. bei den BUKOs 2005, 2006 und 2007 aufgefangen werden.
- In welcher Krise steckt der BUKO Deiner Ansicht nach? Klar kann man Jahr für Jahr eine Finanzkrise ausrufen - traurig aber wahr, und v.a. nichts BUKO-spezifisches sondern ein Problem für alle emanzipatorischen Zusammenhänge. Oder ist eine inhaltliche Krise gemeint? Innerhalb der BUKO gibt es einige aktive Kampagnen und Schwerpunkte - so den Arbeitsschwerpunkt Weltwirtschaft, die BUKO-Pharmakampagne, die Kampagne gegen Biopiraterie, und einen neuen Schwerpunkt zu Stadt- und Raumplanung. Motivationskrise? Mag sein, der letzte SprecherInnenrat war recht heterogen, und konnte daher wohl wenig kontinuierliche Arbeit leisten.
- Schwerpunkt, Workshops etc.: Dass dem BUKO die Praxis in Sachen G8 gefehlt habe, und dass Vernetzung ausgeblieben sei, sehe ich nicht so. Beispielsweise traf sich das Activist Trauma Network, das sich mit Krisenintervention bei psychisch anstrengenden Situationen (Räumungen, Polizeiübergriffe...) befasst. Dann gab es Vernetzungstreffens des "Netzwerks Globale Landwirtschaft", außerdem hat die Kampagne gegen Biopiraterie für den G8-Gipfel eine Großpuppe gebastelt. Weitere Beispiele spar ich mir, steht ausführlichst im Workshop-Programm.
Hier noch einige Ergebnisse der MV, um die obigen Halbwahrheiten klarzustellen:
Tatsächlich HABEN auf der MV Gruppen aus dem Bergischen Land mitgeteilt, dass sie gerne den nächsten BUKO vorbereiten wollen. Für den BUKO 31 sieht es also erstmal gut aus, zumal noch über ein Jahr Zeit ist.
Für den SprecherInnenrat erklärten 2 Personen ihr Interesse, waren allerdings mit den BUKO-Strukturen noch nicht soo vertraut. Deswegen einigte sich die MV darauf, bald nach dem G8-Gipfel auf einem BUKO-Ratschlag in Kassel ein SprecherInnenteam zusammenzustellen. Das wird dann "formal" kein richtiger SprecherInnenrat sein, dramatisch ist das aber nicht, schließlich gibt es in den Kampagnen ja auch eine Menge aktive Menschen.
Die MV war mit etwa 80 Leuten gut besucht, verlief meines Erachtens ein wenig chaotisch, zog sich sehr in die Länge, aber die Stimmung blieb dabei gut. Dass der BUKO nicht nur von "Mitgliedsgruppen" besucht wird, sondern zunehmend auch von Leuten außerhalb des klassischen entwicklungskritischen Spektrums betrachte ich als eine positive Tendenz, die die Handlungsfähigkeit der BUKO nicht schmälert, sondern für mehr Vielfalt sorgt.

Ich wollte und konnte dann doch nicht

eine Nichtdagewesene 14.04.2007 - 20:27
dieses Jahr zum ersten Mal zu DER BUKO fahren ,gerade WEGEN der Samstagabendveranstaltung zu Antiamerikanismus und Antisemitismus,um diese Themen nicht auf separatistischen antideutschen Veranstaltungen ,sondern mit Diskußíonsanspruch
an die Linke /n zu hören (gibt es Mitschriften /Mitschnitte der Veranstaltung und wo kriegt man die ? Sind die erhältlich ?),schade ,das das nicht geklappt hat .Die G8isierung aller linken Diskußionen in Deutschland zur Zeit geht uns auf die Nerven ,nachhaltige Diskußionen wären sinnvoller,weil das event eine Dreitagsfliege ist und schon jetzt allen zur ungeliebten Plage geworden...äh,Ostsee...und vielleicht ist das Thema als Motto und Leitthema flasch gewählt gewesen .Identität bewahren .Das beliebige Gequatsche geht so oder so auf die Nerven .Und zur G( :bitte nicht so viel Papier der gehabten und gekannten Qualität ,bitte mehr Inhaltliches und weniger Position bzw.Profil entsteht nicht in der Selbstdarstellung .

weiterführende links

m8# 16.04.2007 - 11:32
@ nichtdagewesene:
Links zu Mitschnitten der Antisemitismus-Veranstaltung gibt es auf der Kongresshomepage unter
untenstehendem link.
Dort findet sich auch ein Überblick über die sonstige Presse zum Buko 30.

Beiträge die keine inhaltliche Ergänzung darstellen

Zeige die folgenden 2 Kommentare an

wieso: klar muss ... weitergehen? — unorganisierteR

@teesocke — njet