Lage in Ecuador spitzt sich zu

Ralf Streck 21.03.2007 14:50
Mehrfach kam es in der vergangenen Woche zu gewalttätigen Auseinandersetzungen in Ecuador. Die Lage spitzt sich einen Monat vor dem Referendum über die Einsetzung einer verfassungsgebenden Versammlung am 15. April zu. Die Ausarbeitung einer neuen Verfassung war das zentrale Versprechen, mit dem Rafael Correa ( http://www.rafaelcorrea.com) die Wahlen im vergangenen Herbst klar gewonnen hat ( http://www.heise.de/tp/r4/artikel/24/24368/1.html). Die rechte Opposition versucht seit dem Amtsantritt des 43-jährigen Wirtschaftswissenschaftlers die Einberufung des Referendums zu verhindern, das eigentlich schon am Sonntag stattfinden sollte. Putschgerüchte gehen um und der 2005 abgesetzte Lucio Gutiérrez warnte, das Land stehe vor einem "Bürgerkrieg". Derlei Szenarien sind überall dort bekannt, wo linke Präsidenten versuchen, die verkrusteten Strukturen aufzubrechen.
Die politische Lage in dem südamerikanischen Andenstaat ist schwierig und genauso schwierig ist es deshalb, die Verhältnisse umzukrempeln. Seit zwei Monaten im Amt hat Correa vor allem mit dem Problem zu kämpfen, dass er im Parlament über keine Hausmacht verfügt, mit der er seine Politik umsetzen kann. Denn seine Alianza País hatte zu den Parlamentswahlen im Oktober keine eigenen Kandidaten aufgestellt. Das war zwar einer der Schlüssel zum Sieg, weil viele die korrupte politische Elite ablehnen, die durch den Kongress verkörpert wird, es macht ihm aber heute das Regieren schwieriger.

Im vergangenen November setzte sich Correa mit 56 % in der Stichwahl klar gegen den "Bananenkönig" und reichsten Mann des Landes durch. Dem Multimillionär Alvaro Noboa halfen auch seine großen Aufwendungen im Wahlkampf nichts, mit denen er auch eine Schmutzkampagne ( http://www.heise.de/tp/r4/artikel/23/23764/1.html) gegen Correa finanzierte. Zum dritten Mal in Folge scheiterte er, weil die Bevölkerung einen deutlichen Wechsel wollte.

Correa hat die Wahlen gewonnen, weil er einen "Tsunami" versprach, der die alte Parteien-Oligarchie wegschwemmen werde. Er hat versprochen, ein Referendum durchzuführen, in dem die Bevölkerung entscheiden könne, ob eine verfassungsgebende Versammlung einberufen wird. Mit der Reform der Verfassung von 1999 will er die Macht der traditionellen Parteien im Kongress beschränken und die Korruption bekämpfen. Sollte sich die Bevölkerung am 15. April für die Einsetzung der Versammlung aussprechen, nach Umfragen sind 70 % dafür, wird das Parlament seine weiter Funktion ausüben, bis die neue Verfassung ausgearbeitet ist. Danach soll es aufgelöst und unter den neuen Vorzeichen sollen Neuwahlen durchgeführt werden.

Mit seinem Programm für einen "Sozialismus des 21.Jahrhunderts" hat er die Wahlen gewonnen und das ist, ähnlich wie in Bolivien ( http://www.heise.de/tp/r4/artikel/24/24477/1.html) und in Venezuela ( http://www.heise.de/tp/r4/artikel/24/24442/1.html) angereichert mit Versprechen für Verbesserungen im sozialen Bereich. Wie in Nicaragua, unter dem neuen Linkspräsidenten Daniel Ortega ( http://www.heise.de/tp/r4/artikel/23/23922/1.html), soll zum Beispiel auch die Gesundheitsversorgung in Ecuador umsonst sein. Davon profitiert vor allem die verarmte Unterschicht. Allerdings ist Correa kein Sozialist im herkömmlichen Sinn. Er bezeichnet sich selber mehr als christlich links statt als marxistisch links und arbeitete einst als freiwilliger Missionar in einer indigenen Gemeinde. Dort lernte der 43jährige, der aus der oberen Mittelschicht stammt, nicht nur die miserablen Lebensbedingungen der indigenen Bevölkerung kennen, sondern erlernte auch die Quechua-Sprache, die fast die Hälfte der Ecuadorianer spricht.

Wie Evo Morales und Hugo Chávez hat auch Correa mit Widerständen bei seinem Versuch zu kämpfen, den gesellschaftlichen Reichtum gerechter zu verteilen. Die alten Eliten geben die Macht nicht kampflos ab. Da nach der geltenden Verfassung nur das Parlament ein Referendum einberufen kann, versucht die Opposition dort ihre Macht auszuspielen. Eine Mehrheit der Abgeordneten sprach sich im Kongress dafür aus, eine Verfassungsbeschwerde gegen das Referendum einzulegen. Zuvor hatte das Oberste Wahlgericht (TSE) den 15. April als Termin für das Referendum festgelegt, nachdem es der Regierung am 13. Februar gelungen war, im Parlament eine Mehrheit zur Einberufung des Referendums zu finden. Die uneinige Opposition hatte die Sitzung nur zum Teil boykottiert, weshalb ein Quorum von mindestens 51 der 100 Parlamentarier gegeben war. Die große Mehrheit der Anwesenden (54 zu 3) gab der Volksabstimmung den parlamentarischen Segen. Das Dekret ( http://www.heise.de/tp/r4/artikel/24/24462/1.html) über die Volksabstimmung, von Correa bei der Amtsübernahme unterzeichnet, erhielt so die parlamentarische Absicherung.

Doch der Gang vor das Verfassungsgericht blieb nicht der einzige Zug der Opposition, um das Referendum zu blockieren. Anfang März setzte sie mit einer Mehrheit im Kongress den Präsidenten des Wahlgerichts (TSE) ab. Jorge Acosta habe im Auftrag Correas zu einem Referendum über eine verfassungsgebende Versammlung aufgerufen, ohne die Regeln für das Plebiszit vom Kongress verabschieden zu lassen, argumentierte sie. Die Opposition befürchtet, die verfassungsgebende Versammlung könnte das Parlament auflösen, was nicht ausgeschlossen worden sei. Der Führer der Unión Demócrata Cristiana ( http://www.udcecuador.com) Carlos Larreátegui erklärte, die Regierung wolle das Referendum anders durchführen, als vom Parlament beschlossen. Die Verfassungsklage "ist der erste Schritt, um die Einrichtung einer Diktatur in Ecuador zu bremsen", griff Larreátegui zu großen Worten, als er die Klageschrift übergab ( http://www.telegrafo.com.ec/(A(mHneWyuWxwEkAAAANjlhMzMwYmMtYzg3Ni00N2Y1LTg3NzctMTU4YWI5YWZlY2QylBZ1ZQdwP-cJvI2fu1p7zAg7u2U1)X(1)S(2l4xuse5mqiqxiui12fsgoio))/ShowArticle.aspx?ID=5203&AspxAutoDetectCookieSupport=1).

Die Reaktion auf die Abwahl des Wahlgerichtspräsidenten folgte sofort: Das TSE erkannte den 57 Abgeordneten das Mandat für 12 Monate ab, die für die Absetzung von Acosta votiert hatten. Sie hätten sich widerrechtlich eingemischt und somit einen rechtmäßigen Wahlvorgang behindert. Ganz so drastisch wie sich die Absetzung anhört, ist sie allerdings nicht. Denn die 57 sollen in der Zeit durch ihre Stellvertreter ersetzt werden, weshalb sich an den Machtverhältnissen im Parlament nichts ändert. Von einem "Staatsstreich", wie er Correa vorgeworfen wird, kann also keine Rede sein.

Derweil steigt die Spannung im Land und es hat sich inzwischen eine institutionelle Krise entwickelt. Am vergangenen Dienstag kam es auch zu gewaltsamen Zusammenstößen in der Hauptstadt Quito. Rangeleien gab es, als die Polizei versuchte abgesetzten Abgeordneten den Zutritt zum Kongress zu verweigern. Nach einem Telefonat mit dem Parlamentspräsidenten Jorge Cevallos wurde den 20 Ex-Abgeordneten allerdings der Einlass gewährt. Drinnen riefen sie: "Wir leben in einer Diktatur!", und Präsident Correa warfen sie Despotie vor. ( http://www.26noticias.com.ar/ecuador-por-la-fuerza-diputados-destituidos-entraron-al-congreso-35412.html).Vor dem Kongress ging die Polizei derweil mit Tränengas und Schlagstöcken gegen Demonstranten vor, die für die Auflösung des Parlaments demonstrierten, wobei es einige Verletzte gegeben haben soll. Da im Parlament kein Quorum zu Stande kam, sagte Cevallos die Sitzung ab.

Bis gestern war die Gesetzgebung blockiert. Doch legten 20 Vertreter der ausgeschlossenen Parlamentarier ihren Amtseid abgelegt, weshalb das Parlament wieder beschlussfähig ist. Die institutionelle Krise ist damit geläst und ein Teil der Parlamentarier hat damit die Rechtmäßigkeit des Vogehens anerkannt. Das dürfte ein Ergebnis davon sein, dass der Druck der Bevölkerung auf der Straße immer größer wurde.

Am vergangenen Donnerstag gab es bei Zusammenstößen erneut Verletzte in Quito und in der Kleinstadt Rocafuerte. In beiden Fällen seien abgesetzte Abgeordnete angegriffen worden, von denen verlangt werde, dass sie die Aberkennung des Mandats akzeptieren. In Rocafuerte, 230 Kilometer südöstlich der Hauptstadt demonstrierten Anhänger von Correa gegen einen Provinzrichter, der die Absetzung der Abgeordneten für nichtig erklären will. In Guayaquil, der größten Stadt des Landes, demonstrierten Tausende friedlich ihre Unterstützung für den Präsidenten und forderten die Neuordnung der Verfassung. Zu Zusammenstößen mit einer kleineren Demonstration gegen das Vorhaben der Regierung kam es nicht.

Die starke Indígena-Bewegungen, die in der Confederación de Nacionalidades Indígenas del Ecuador (CONAIE/  http://www.conaie.org) vereint auftritt, und die sozialen Bewegungen, stellen sich hinter Correa und fordern die Ausarbeitung einer neuen Verfassung. Gemeinsam präsentierten sie ihr Projekt "Somos Poder Constituyente" (Wir sind die verfassungsgebende Macht ( http://movimientos.org/enlacei/show_text.php3?key=9080).

Der Präsident von Ecuarunari – Mitglied von CONAIE – drohte sogar mit einem Volksaustand, wenn die Abgesetzten noch einmal versuchten, ihre ehemaligen Posten einzunehmen. Humberto Cholango erklärte weiter: "Hier in Ecuador wird es eine Rebellion geben, wegen all dem was gerade passiert, weil eine starrköpfige politische Klasse nicht das zulassen will, was die Bevölkerung will: eine verfassungsgebende Versammlung".

Die sozialen Bewegungen rufen zu großen Demonstrationen am Wochenende auf, um für ein "Ja" beim Referendum am 15. April einzutreten. Das Verfassungsgericht muss derweil die Kammer bestimmen, die über die Verfassungsmäßigkeit des Referendums zu entscheiden hat. Das Gericht muss auch prüfen, ob es für die Absetzung des TSE-Präsidenten durch das Parlament und für die Absetzung der 57 Abgeordneten durch das Wahlgericht zuständig ist.

Correa warf der Opposition derweil vor, Chaos stiften zu wollen, und machte sie für mögliche künftige Gewaltakte verantwortlich. Unverantwortlich nannte er den 2005 aus dem Amt gejagten Ex-Präsidenten Lucio Gutiérrez ( http://www.heise.de/tp/r4/artikel/19/19976/1.html). Der ehemalige Armeeoberst behauptet, das Land stehe an der Schwelle eines "Bürgerkriegs" und Putschgerüchte machen die Runde. Die Verteidigungsministerium Lorena Escudero räumte zwar "starke Spannungen" ein, aber in den Streitkräften herrsche Ruhe und die übten ihrer Tätigkeit "in Normalität" aus. Correa kündigte an, mit der Unterstützung der Bevölkerung die "Politikmafia" zu besiegen. Er trat auch Gerüchten entgegen, wonach die Regierung den Zugang zu den Ersparnissen einschränken wolle, um einer möglichen Kapitalflucht zu begegnen. Alles spricht dafür, dass sich die Krise in Ecuador in den nächsten Wochen weiter verschärfen wird. Ob das Referendum am 15. April stattfinden kann, wird sich zeigen noch zeigen. Eigentlich hätte es schon am Sonntag stattfinden sollen, wäre es nach dem Willen von Correa gegangen.
© Ralf Streck, den 21.03.2007
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Ergänzungen

Präsident Correa hilft Chevron zu verklagen

aljazeera 21.mrz.2007 21.03.2007 - 21:29

aljazeera 21.mrz.2007: Ecuador to help tribes sue Chevron

Indigenas behaupten Chevron Tochter Texaco hätte 18 Mrd. gallons (3,785l) 68,13 Mrd.l ölverschmutztes Wasser in den Amazonas gepumpt.

Der äquatorianische Präsident Rafael Correa erklärte, seine Regierung würde den Siedlern im Amazonasurwald helfen einen 6 Mrd.U$ Prozess gegen die Chevron Coporation zu führen.

Die Regierung würde helfen Beweise zu sammeln um ihre Behauptung, dass die Ölfirma ihre Gemeinden verschmutzt hat zu beweisen, erklärte Correa am di.20.mrz.2007.

Wir lassen es nicht mehr zu, dass unsere Umwelt und unsere Leute geopfert werden, sagte Corea nach einem Treffen mit Klagevertretern.

Er kündigte an das betroffene Gebiet im März 2007 zu besuchen.

Die Amazonasbewohner, einschließlich der Cofan indigenas, klagen Chevron Tochter Texaco an 18.Mrd. Gallonos von ölverschmutztem Wasser in ihrem Gebiet zwischen 1972 und 1992 gepumpt zu haben.

Die fast 30.000 Bewohner dieses Amazonasgebietes verlangen Schadenersatz als Unterstützung für die Reinigungskosten.

Die Ölfirma weißt die Anschuldigung zurück

Das 2001 mit Texaco verklumpte Chevron bestreitet irgend eine Fehlhandlung.

»Texaco kam den Verpflichtungen nach und hat erfolgreich sein Abteil der Öloperation im Osten Equadors wiederhergestellt,« erklärt Kent Robertson ein Chevronsprecher.

»Nach der erfolgreichen Abnahme der Wiederherstellung durch die äquadorianische Regierung war Texaco von allen Umweltverpflichtungen entbunden.

»Wir glauben die Regierung von Äquador soll ihren vertraglichen Verpflichtungen nachkommen.

Das laufende Gerichtsverfahren wird vor einem äquatorianischen Gericht geführt und die Klägeranwälte geben an, dass die Entscheidung frühestens in der zweiten Hälfte von 2007 fallen wird.

Corea ist ein in den USA ausgebildeter Wirtschaftswissenschaftler, hat die ausländischen Ölfirmen sorgen bereitet, mit Zusagen die Ölprospektions und -förderverträge mit dem Ziel neu zu verhandeln, den Regierungsanteile zu erhöhen.

Chevron operiert nicht mehr in Äquador, Südamerikas fünft größter Ölexporteur, mit einer täglichen Förderung von 530.000 Barrels.