Prozess um Anti-Nazi-Symbole am BGH Karlsruhe

ak prozessbeobachtung (sKAd) 08.03.2007 13:37 Themen: Antifa Repression
Im Verfahren vor dem Bundesgerichtshof in Karlsruhe um di e Verwendung von durchstrichenen Hakenkreuzen und anderen antifaschistischen Symbolen forderten der Rechtsanwalt und die Bundesanwaltschaft die Aufhebung des Urteils des Landesgerichts Stuttgart und den Freispruch des Angeklagten. Das Urteil wird erst am kommenden Donnerstag, 15.03. vom 3. Senat des BGH verkündet. Über 80 BesucherInnen und PressevertreterInnen verfolgten den Prozess heute. AntifaschistInnen verteilten Flugblätter an die Anwesenden im Gerichtssaal, in denen die Kriminalisierung von antifaschistischer Arbeit thematisiert wurde.
Im vergangenen Jahr entschied das Landesgericht Stuttgart auf Empfehlung des Oberlandesgerichts Stuttgart, dass antifaschistische Symbole wie das durchgestrichene Hakenkreuz oder das Umweltmännchen unabhängig davon strafbar seien, ob sich dessen Träger vom Nationalsozialismus distanzieren oder nicht. Der Vorsitzende des Senats interpretierte das Stuttgarter Urteil auch aus der Angst heraus, dass die „braune Flut“ durchbrechen könnte, wenn die Tür für AntifaschistInnen um einen Spalt geöffnet würde.

Zu Beginn des Prozesses wies der Vorsitzende zur allgemeinen Erheiterung auch darauf hin, dass es sich bei einem BGH-Prozess nicht um eine TV-Gerichtsshow handele und keine demonstrationsähnlichen Akte im Gerichtssaal geduldet würden.

Dann begann der Rechtsanwalt des Angeklagten Jürgen Kamm (Inhaber von Nix-Gut Records) seine Ausführungen. Er warnte vor der Tabuisierung des Hakenkreuzes und warb für eine Bewertung der jeweiligen Sachlage nach der objektiven Darstellung, also ob eine Distanzierung zum Nationalsozialismus auf den ersten Blick erkennbar sei. Er argumentierte dabei auch gegen das vom Landgericht Stuttgart aufgebrachte Beispiel des unbedarften fernöstlichen Touristen. Die Gefahr sei doch viel größer, dass die internationale Presse darüber berichten würde, dass NS-Gegner heute in Deutschland wegen eines durchgestrichenen Hakenkreuzes verurteilt würden, als dass ein Tourist die international übliche Durchstreichsymbolik nicht erkenne.

Die Staatsanwaltschaft schloss sich den Worten des Rechtsanwalts weitgehend an, warnte aber vor der Gefahr, dass naturgetreue Nachbauten von Flugzeugen aus der NS-Zeit oder ähnliches beispielsweise in Spielzeugabteilungen auftauchen würden. Ein Missbrauch durch Neonazis sei bei den allermeisten Symbolen, die das Landgericht Stuttgart beanstandete nicht vorstellbar. Auch die im Urteil des Landgerichts Stuttgart heraufbeschworene Gefahr von Neonazis, die in Stiefeln, braunen Hemden und Armbinde mit durchgestrichenem Hakenkreuz wurde von den Anwälten und dem Senat als doch eher unwahrscheinlich angesehen.
Danach ging es um einige konkrete Symbole, die das Landgericht Stuttgart beanstandete. Dabei ging es um ein T-Shirt von „Schleimkeim“, auf dem ein Stiefel ein Hakenkreuz zertritt und -splittert. Einhellig wurde der Auffassung des Landgerichtes nicht gefolgt, wonach der Stiefel das Hakenkreuz verdecken würde nicht gefolgt und festgestellt, dass die Symbolik eindeutige Gegnerschaft zum Nationalsozialismus zeigt. Dies wurde auch bei einem Aufnäher der Band „Kein 4. Reich“ attestiert. Ebenso wurde beim Umweltmännchen eindeutig erkannt, dass das Hakenkreuz in den Mülleimer geworfen wird und nicht, wie es vom Stuttgarter Gericht phantasiert wurde, aus diesem herausgeholt oder das Männchen mit dem deutschen Gruß vor dem Hakenkreuz salutieren würde. Bei einem Aufkleber des Nationalen Widerstands, der ebenfalls diese Symbol nutzte, sei eine anderweitige Deutung nur durch den Text („Ihr stimmt uns heiter … der nationale Widerstand marschiert geschlossen weiter“) möglich, der sich von der Symbolik gerade distanziert. Einzig bei einem Cover von „Schleimkeim“ auf dem ein Foto von einer Rede Adolf Hitlers mit einer Hakenkreuzfahne im Hintergrund abgebildet ist, erkannten Rechtsanwalt und Bundesanwaltschaft trotz des Plattentitels „Drecksau“ und eines darauf befindlichen Liedes „Faschosau“ eine Gefahr der fehlender Eindeutigkeit. Dies wurde vom Angeklagten aber schon beim Verfahren am Landgericht eingeräumt und die betreffende Platte schon seit 2005 aus dem Nix Gut-Sortiment genommen.

Daraufhin wurden die Anträge gestellt. Der Rechtsbeistand des Angeklagten betonte die Ähnlichkeiten des durchgestrichenen Hakenkreuzes mit internationalen Verbotszeichen wie Handy- oder Rauchverbot. Zertretene, zerbröselnde oder anderweitig gekennzeichnete Hakenkreuze wiesen eine noch eindeutigere Gegnerschaft zum Nationalsozialismus auf. Beim Schleimkeim-Cover seien sein Mandant und er schon beim Landgericht vorsichtig gewesen. Dies war aber nur eines von mehr als hundert Symbolen für das sein Mandant verurteilt wurde. Zudem sei „Schleimkeim“ als antifaschistische Band bekannt und kann bei mehreren tausend Artikeln im Sortiment von Jürgen Kamm auch untergehen. Er wiederholte nochmal, dass es bei der Deutung der Symbolik auf objektive Kriterien ankomme und führte dazu zwei Kriterien an.
1. In der Symbolik muss für jeden Betrachter objektiv die Gegnerschaft bzw. das „Nein“ zum Nationalsozialismus erkennbar sein.
2. Die Symbolik sollte keine Verwendung im nationalsozialistischen Sinne möglich machen, dies hänge eng mit den ersten Kriterien zusammen.
Er forderte die Revision des Urteils des Landgerichts Stuttgart und den Freispruch seines Mandanten. Die Kosten solle der Staat tragen und sein Mandant solle eine Entschädigung für die Durchsuchung seines Versandes und weitere Unannehmlichkeiten erhalten.

Die Bundesanwaltschaft schloss sich dem wiederrum weitgehend an. Ein Missbrauch sei bei der überwiegenden Anzahl der beanstandeten Symbole nicht vorstellbar und der Angeklagte ist als klarer Gegner des Nationalsozialismus erkennbar. Beim Schleimkeim-Cover könne der Tatbestand der Missbrauchsfähigkeit zwar erfüllt sein, es sei aber kein Vorsatz erkennbar und von einem Irrtum auszugehen. Auch er forderte die Aufhebung des Urteils und Freispruch des Angeklagten.

Nach kurzer Beratung kündigte der Senat das Urteil für die kommende Woche an.


Fazit:

- Der Prozess war eine deutliche Niederlage für die Staatsanwaltschaft Stuttgart. Ihre Kriminalisierungsversuche antifaschistischer Arbeit wurden vor dem obersten Gericht teilweise lächerlich gemacht.
- Die breite Ablehnung des Verbots antifaschistischer Symbole vor dem Gericht und das große Presseinteresse zeigten, dass die damit verbundene Repressionspolitik bei breiten Schichten der Bevölkerung auf Ablehnung stoßen.
- Bleibt zu hoffen, dass das große Interesse an dem Prozess auch darin mündet, dass mehr Menschen ihrer Meinung auch mit einem spürbaren Protest Ausdruck verleihen.
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Ergänzungen

NS-Fluzeugmodelle

egal 08.03.2007 - 22:50
Vielleicht geht der Staatsanwalt ja mal in ein größeres Spielzeuggeshcäft und fragt nach Modellflugzeugen aus dem 2. Weltkrieg. Da findet er so ziemlich alles. Von der Messerschmidt 19 (deutsches Jagdflugzeug aus dem 2WK) bis zur JU 88 (deutscher Sturzkampfbomber) und der Heinkel 111 (deutscher Bomber). Alle im Maßstab 1:72 "naaturgetreu" nachbildbar und "natürlich" mit Hakenkreuzsymbol zum aufkleben an der Schwanzflosse.
Von Stalingrad bis zum D-Day sind so ziemlich alle Schlachten des 2WK nachspielbar. Ob Flugzeuge oder Panzer gint es alles, was das Militaristenhez begehrt.
Ich habe in meiner Kindheit und frühen Jugend diese militaristischen "Spielsachen" gehabt und finde, sie müßten verboten werden. Im Gegensatz zu den antifaschistischen Symbolen deretwegen dieser Prozeß geführt wird.

flugzeugmodelle

hans wurst 09.03.2007 - 13:30
@egal:

das stimmt so nicht ganz. wenn überhaupt flugzeuge mit hakenkreuzen drauf in deutschland in den handel kommen sollen, müssen die hakenkreuze auf der packung geschwärzt werden, bzw. die entsprechenden aufkleber ausgeschnitten (und natürlich weggeworfen) werden.
dass es natürlich widerwärtig ist, instrumente der nationalsozialistischen vernichtungsmaschinerie als "spielzeug" bzw. als hobbymaterial zu verkaufen steht auf einem ganz anderen blatt...

ALERTA ANTIFASCISTA!

AUDIO Gespräch vor Prozeszbegin

radio corax 09.03.2007 - 16:24
Der Bundesgerichtshof in Karlsruhe verhandelt heute(Donnerstag) darüber, ob das Tragen von Anti-Nazi-Symbolen strafbar ist. Warum? Ein Händler war im vergangenen Jahr vom Stuttgarter Landgericht zu einer Geldstrafe von 3.600 Euro verurteilt worden, weil er Kennzeichen wie durchgestrichene Hakenkreuze anbietet und verkauft. Gegen das Urteil hatte die Firma Berufung eingelegt. Die Richter hatten Firma ja damals für schuldig befunden, mit Ansteckern und Aufnähern von verfassungswidrigen Organisationen zu handeln...

AUDIO Hintergründe zum sogenannten Hakenkreuz

radio corax 09.03.2007 - 16:26
Voraussichtlich in der kommenden Woche fällt der BundesGerichtsHof ein Urteil im sogenannten Hakenkreuzstreit. Konkret ging es um die Frage, ob auch das Zeigen eines durchgestrichenen Hakenkreuzes als Verstoss gegen den Paragraphen 86a Strafgesetzbuch zu gelten habe. Noch im Jahr 2006 hatte das Landgericht Stuttgart einen Versandhändler verurteilt, weil dieser Buttons, T-Shirts und Aufnäher mit zerbrochenen Hakenkreuzen verkaufte. Über den Sinn des Volksverhetzungsparagraphen, die Bedeutung des Hakenkreuzes in der politischen Ikonographie und über das zu erwartende Urteil hören wir nun David Begrich von Miteinander e.V. Also Herr Begrich: Das hört sich doch etwas absurd an...

quellen

antifa-blogger 11.03.2007 - 16:04
über den folgenden link gelangt ihr zu einer sammlung von artikeln zu diesem thema:  http://antifa-aktionen.blogspot.com/2007/03/bundesanwaltschaft-verkauf-von-anti_08.html

Für weitere Informationen zum Thema Antifaschismus in Deutschland könnt ihr das Archiv von www.antifaschistische-aktionen.de.vu nutzen.

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