Obernkirchen: Mahnwache gegen Antisemitismus

Schaumburger AntifaschistInnen 20.01.2007 23:18 Themen: Antifa
In den Abendstunden des 20.01.2007 versammelten sich knapp 200 Menschen am Gedenkstein für die ehemalige Synagoge in der niedersächsischen Kleinstadt Obernkirchen (Landkreis Schaumburg, zwischen Hannover und Bielefeld) um dort eine Mahnwache unter dem Motto "Erinnern heißt handeln! Antisemitismus bekämpfen!" abzuhalten. Initiator war ein breites Bündnis aus DGB, jüdischen wie christlichen Gemeinden und anderen VertreterInnen des öffentlichen Lebens Obernkirchens. Es beteiligten sich auch zahlreiche autonome AntifaschistInnen. Der Anlass für die Mahnwache war die erneuet Schändung des jüdischen Friedhofes in der Silvesternacht durch Neonazis.
Mit enormer Gewalt müssen die Neonazis in der Nacht vom 31.12. auf den 01.01. vorgegangen sein, um 5 Grabsteine auf dem jüdischen Friedhof in Obernkirchen aus ihrer Verankerung im Boden zu reißen. Darunter befand sich auch das Grab eines erst 1999 verstorbenen Mannes. Nach der letzten Schändung im Juni 2006 wurde der Friedhof aufwendig saniert.
Bei der feigen Friedhofsschändung in der Silvesternacht dürfte es sich um die von den Schaumburger Neonazis nach ihrem gescheiterten Aufmarsch am 24.12.2006 angekündigte Aktion für Silvester gehandelt haben. ( http://de.indymedia.org/2006/12/164910.shtml)
Offiziell konnten die TäterInnen noch nicht ausgemacht werden - die Ermittlungen der Polizei dauern an. Jedoch betonte sogar diese in der Presse den eindeutig antisemitischen Hintergrund der Tat.

Für das Bündnis "Courage gegen Rechts Schaumburg", welches Ausrichter der Mahnwache war, steht ohne Zweifel fest, dass die TäterInnen in den Reihen der militanten Schaumburger Neonazi-Szene zu suchen sind. Nicht zu letzt die immer wieder für Schlagzeilen sorgenden Aktionen von Neonazis in Obernkirchen dürften zu dieser Überzeugung beigetragen haben. Um ein Beispiel zu nennen sei an den Drohbrief erinnert, den junge Neonazis an das Schulzentrum Obernkirchen schrieben und in dem sie forderten, "deutsche" und "ausländische" SchülerInnen zu trennen.

Die Mahnwache begann pünktlich um 17.30 Uhr mit der obligatorischen Verkündung der Auflagen. Den ersten Redebeitrag hielt eine Vertreterin der Jüdischen Gemeinde. Es folgte ein Beitrag eines Vertreters der beiden christlichen Gemeinden, in welchem auch Kritik an der Stadt geübt wurde, da diese keineN offizielleN VertreterIn entsandt hatte. Nach dem Redebeitrag eines Mitgliedes der Partei "Die Grünen" erneuert der Redner des DGB noch einmal diese Kritik. Unter den ZuhörerInnen befand sich der stellvertretende Bürgermeister von Obernkirchen, der von der Kritik an der Stadt sichtlich mitgenommen wurde. Er ergriff dann spontan das Mikrofon und kündigte u.a. eine engere Zusammenarbeit mit "Courage gegen Rechts Schaumburg" an. Die letzte Rede hielt ein Mitglied der Kulturinitiative Detmold. Alle RednerInnen verurteilten die Schändung des jüdischen Friedhofes auf das Schärfste und forderten ein aktives Eintreten gegen Neofaschismus und Antisemitismus. Zwischen den einzelnen Redebeiträgen wurde klassische jüdische Musik gespielt.

Mit 200 TeilnehmerInnen war die Mahnwache sehr gut besucht. Neben vielen Menschen unterschiedlichen Alters aus Obernkirchen selbst waren auch einige VertreterInnen des Bündnis "Bad Nenndorf ist bunt" und des "Aktionsbündnis Minden gegen Nazis" anwesend. Etwa 60 der TeilnehmerInnen entstammten aus dem autonomen antifaschistischen Umfeld.

Diese Beobachtung dürften auch die beiden Nazi-Spitzel, die für kurze Zeit im Schutze der Polizei die Mahnwache beobachteten, dazu verleitet haben, sich schnell wieder zu ihren anderen Kameraden zu verziehen. Die insgesamt 8 Neonazis, die sich ein paar Straßen weiter gesammelt hatten, dürften dankbar gewesen sein, dass die Polizei an diesem Abend mit vielen BeamtInnen (darunter einige in zivil) vor Ort war. Ansonsten hätte ihnen das Wegrennen wohl auch nicht mehr geholfen. Unter den Neonazis befand sich auch der Anführer der lokalen Szene, der mehrfach verurteilte Gewalttäter Marcus Winter aus Lindhorst bei Stadthagen. Aus seiner Ankündigung, die Mahnwache stören zu wollen, wurde nichts. Stattdessen haben er uns seine Kameraden vor der deutlichen Überzahl an entschlossenen AntifaschistInnen lieber "den Schwanz eingezogen".

Die Veranstaltung kann als deutlicher Erfolg gewertet werden. Die für eine Mahnwache hohe TeilnehmerInnenzahl von 200 verdeutlicht die positive Resonanz. Es wurde klar gestellt, dass so verachtenswerte Taten wie die Schändung eines jüdischen Friedhofes nicht unwidersprochen bleiben. Die Weichen für eine weitergehende Bündnisarbeit in Obernkirchen sind spätestens durch dieses deutliche und erfolgreiche Zeichen des Protestes gestellt.

Der Aufruf des Bündnis "Courage gegen Rechts Schaumburg" ist auf der Seite des Antifaschistischen Aktionsbündnis Deister [AAD] nachzulesen:  http://www.puk.de/aad/20012007%20obernkirchen%20aufruf.html

Die Vorgeschichte der Mahnwache ist unter  http://www.hiergeblieben.de dokumentiert.


Die Fotos in diesem Beitrag können den Gesamteindruck der Mahnwache leider nicht genau wiedergeben. Für bessere Aufnahmen war es leider schon zu dunkel.
Creative Commons-Lizenzvertrag Dieser Inhalt ist unter einer
Creative Commons-Lizenz lizenziert.
Indymedia ist eine Veröffentlichungsplattform, auf der jede und jeder selbstverfasste Berichte publizieren kann. Eine Überprüfung der Inhalte und eine redaktionelle Bearbeitung der Beiträge finden nicht statt. Bei Anregungen und Fragen zu diesem Artikel wenden sie sich bitte direkt an die Verfasserin oder den Verfasser.
(Moderationskriterien von Indymedia Deutschland)

Ergänzungen

Redebeitrag am 20.01.2007 auf der Mahnwache i

Kulturinitiative Detmold e.V. 20.01.2007 - 23:55
Wann es genau war, sollte nie herauskommen, irgendwann zwischen Montag und Donnerstag. Blumen wurden herausgerissen, Grabsteine aus der Verankerung gebrochen, Porzellan-Gedenkschilder zerstört. Bis heute offiziell "Unbekannte" zerstörten Ende Mai oder Anfang Juni im Jahre 2000 45 Gräber des Jüdischen Friedhofes in Detmold.

Viele weitere Schändungen folgten: in Lippe, Ost- und Westfalen und insbesondere hier, im Kreis Schaumburg wie beispielsweise auf dem Rehrener 'Russenfriedhof' oder dem Jüdischen Friedhof in Hattendorf.

Diese unerträgliche Störung der Totenruhe wird begleitet von der schriftlichen Verhöhnung der Opfer des Nationalsozialismus. Hier in Schaumburg. Fortdauernd und alltäglich durch die antisemitischen und volksverhetzenden Veröffentlichungen der so genannten "Nationalen Offensive Schaumburg".

Diese militanten Neonazis um die Führungskader Marcus Winter und Arwid Strelow führen damit eine antisemitische Gesinnung fort, die ab 1933 zur Staatsdoktrin gemacht wurde. In diesem Handeln eingeschlossen, ist die gleiche Fortsetzung einer antijüdischen Denkweise wie im Nationalsozialismus. Sie ist Ausgangspunkt der industriellen Vernichtung von sechs Millionen Jüdinnen und Juden, aber auch für Taten wie die erneute Schändung des Jüdischen Friedhofes in dieser Stadt am Jahresende 2006.

Und auch die unzähligen neonazistischen Gewalttaten aus dem Inneren und dem Umfeld der "Nationalen Offensive Schaumburg" in den letzten Jahren haben gezeigt, dass ihre extrem rechte Weltanschauung per se gewalttätig ist:

Die Vorstrafenregister reichen von räuberischer Erpressung, gemeinschaftlicher gefährlicher Körperverletzung, Bedrohung, Freiheitsberaubung, Führens und Gebrauchs einer Schusswaffe, Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte, Verstoß gegen das Sprengstoffgesetz, Beleidigung von Polizeibeamten, Betruges, Urkundenfälschung, Diebstahls, Volksverhetzung, bis hin des Verwendens von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen.

Konkret bedeutet dies zum Beispiel die Niederschlagung eines Antifaschisten mit einem NPD-Schild, der als Folge einer Schädelfraktur erlitt. Sehr konkrete Todesängste musste auch ein Schüler durchleiden, der unter anderem von Marcus Winter gewaltsam entführt wurde. Auch das Schiessen mit Radmuttern auf Menschen mit Migrationshintergrund und das Werfen mit Pflastersteinen gehören zum so genanten "Gesicht des Nationalen Widerstandes" in Schaumburg.

Und: Eine selbst gebastelte Bombe, gefüllt mit 22 Gramm Schwarzpulver, Kugeln vom Kaliber 22 und Rasierklingen, wurde vor zehn Monaten bei einer Hausdurchsuchung gefunden. Wo und vor allem - gegen wen - sollte sie gezündet werden?

Vergessen wir nicht: Der Neonazi, der im Juni vergangenen Jahres wegen zweifacher Friedhofsschändung lediglich zu einer Bewährungsstrafe verurteilt wurde, ist immer noch auf freien Fuß und bei der "Nationalen Offensive Schaumburg" aktiv! Er war bekanntermaßen bereits wegen Körperverletzung mit Todesfolge vorbestraft!

Somit ist die Aussage, dass Faschismus keine Meinung, sondern ein Verbrechen ist, nicht nur auf den historischen Nationalsozialismus anwendbar. Sie hat eine traurige Aktualität. Es ist mehr als ein Wunder, dass bis heute nicht mehr Menschen Opfer der Skrupellosigkeit von Winter und Co. geworden sind!

eng verknüpft ist die Schaumburger Nazi-Szene mit Gleichgesinnten aus Ostwestfalen-Lippe. Seit einem Jahr versuchen sie gemeinsam ihren Aktionsradius auszudehnen - und scheiterten auf der ganzen Linie: Nicht eine Demonstration konnten sie in Ostwestfalen-Lippe durchführen. Egal ob in Bielefeld, Gütersloh oder Minden: Überall stellten sich ihnen engagierte Menschen entgegen und blockierten erfolgreich die Aufmarschrouten der Holocaustleugner.

Wir schafften es gemeinsam, den Nazis ihre Räume zu nehmen und sie öffentlich in die Defensive zu drängen. Ihr faschistischer Terror konnte deutlich begrenzt werden, allerdings gab und gibt es weiterhin unkalkulierbare Bedrohungen.

So war zum Beispiel unser Vereinshaus, die "alte Pauline" in Detmold, zahlreichen Angriffen ausgesetzt. Mehrfach wurden die Fensterscheiben mit Steinen oder Gullydeckeln eingeworfen. Erst im Dezember scheiterte der erneute Versuch, das Gebäude in Brand zu stecken. Die Täter hinterließen dabei als Visitenkarte ein Hakenkreuz auf unserem Schaukasten.

Über einen dieser Überfälle berichtete die "Nationale Offensive Schaumburg" auf ihrer Internetseite so zeitnah, dass es sich zwangsläufig um Täterwissen handeln musste. Trotzdem wurde das Ermittlungsverfahren gegen die "Nationale Offensive Schaumburg" vor vier Tagen eingestellt. Der zuständige Polizeiliche Staatsschutz war in beinahe 7 Monaten nicht in der Lage, die Täter zu ermitteln.

Dies ist leider kein Einzelfall. Am 27. Dezember musste zum Beispiel die Staatsanwaltschaft vor dem Landgericht Verden die Berufung gegen ein Urteil des Amtsgerichts Nienburg gegen sechs Angeklagte aus dem Umfeld der "Nationalen Offensive Schaumburg" zurücknehmen. Die einschlägig vorbestraften Neonazis waren vor 2 Jahren mit Kleiderschrankstangen, Bodenlukenhaken, Besenstiel und Schreckschusspistole bewaffnet nachts auf einer privaten Geburtstagsparty im Nienburger Naturfreundehaus aufgetaucht und hatten Angst und Schrecken verbreitet. Das Gericht konnte nicht anders als auf Einstellung entscheiden, weil die Polizei weder Fotos gemacht noch der Bodenlukenhaken, mit dem ein Partygast verletzt worden war, nach Blutspuren untersucht hatte.

Hauptangeklagter in dem Prozess war übrigens der Neonazi Oliver Pietsch aus Nienburg, der zum wiederholten Male durch den bundesweit bekanten Nazi-Anwalt Jürgen Rieger aus Hamburg vertreten wurde.

Aus Hamburg kommt auch Christian Worch, der vor wenigen Tagen für die "Nationale Offensive Schaumburg" wiederum eine Demonstration in Minden für den 17. März angemeldet hat.

Wir rufen in Erinnerung: Ab 1974 baute Worch gemeinsam mit Michael Kühnen die so genannte "Hansabande" auf, die zahlreiche Jüdische Friedhöfe verwüstete und insbesondere mit einer provokanten Aktion unter dem Motto "Ich Esel glaube, dass in Deutschland Juden vergast worden sind" weltweit bekannt wurden.

Marcus Winter und Christian Worch arbeiten seit über sieben Jahren zusammen. Ihre Differenzen sind rein taktischer Natur. Bis heute eint sie vor allem ein gemeinsames Ziel: Die Vollendung des Holocaust. Darüber sollten sich - nicht nur hier und heute - alle gegenwärtig und überall im Klaren sein!

Und in diesem Zusammenhang sei öffentlich die Frage erlaubt, warum die zuständige Staatsanwaltschaft es noch nicht für nötig befunden hat, gegen die von Marcus Winter angemeldete Internetseite der "Nationalen Offensive Schaumburg" juristisch vorzugehen? Diese erfüllt unbestritten in mannigfaltiger Weise den Straftatbestand der Volksverhetzung. Also: Warum bleibt diese Behörde untätig?

Schlimmer noch: Die erneute Schändung des Jüdischen Friedhofs in Obernkirchen in der Silvesternacht hätte verhindert werden können, wenn der verantwortliche Staatsschutz einfach nur seiner Arbeit nachgekommen wäre:

Warum war er nicht gewillt oder in der Lage, die bekannten Führungsfiguren der Schaumburger Neonazis am Jahreswechsel im Auge zu behalten? Anlass dazu hatte die "Nationale Offensive Schaumburg" reichlich gegeben. In aller Öffentlichkeit auf ihrer Internetseite und am Heiligabend bei der Abschlusskundgebung ihres gescheiterten Aufmarsches auf dem Mindener Bahnhofsvorplatz - mit der demonstrativen Aussage: Silvester sind wir aktiv!

wir haben die Erfahrungen gemacht, dass das Vertrauen in Behörden, Polizei und Sonntagsreden gegen die Neonazis trügerisch ist. Wenn wir etwas erreichen wollen, müssen wir selbst aktiv werden und handeln. Wenn die verantwortlichen Behörden reagieren, so reagieren sie meist nicht auf das Problem, sondern nur auf öffentlichen Druck. Diesen gilt es nun massiv zu verstärken!

Wir wollen hier und heute keine Diskussion über den Sinn oder Unsinn des Verbotes von neonazistischen Organisationen führen. Wir wollen aber an dieser Stelle ausdrücklich und in aller Deutlichkeit feststellen, dass es sich bei der neonazistischen "Nationalen Offensive Schaumburg" um die gegenwärtig gewalttätigste Organisation von Holocaustleugnern in der Bundesrepublik handelt!

Deshalb ohne Wenn und Aber: Null Toleranz für Neonazis!

Extrem rechte Gewalt wird auch dadurch motiviert, dass sie Akzeptanz in Teilen der Gesellschaft findet oder dort ignoriert wird. Deshalb meinen wir: Ob sich neonazistische Gruppen irgendwo festsetzen können, um rassistische und nationalistische Propaganda zu verbreiten, ist deshalb vor allem auch eine Frage des Engagements und der Zivilcourage der Menschen vor Ort.

In diesem Sinne freuen wir uns über den gemeinsamen Aufruf der Kirchen in Obernkirchen gegen Neonazismus, nämlich: dass "die überwiegende Mehrheit der Menschen, die hier leben, ihre Taten verurteilt und ihre Gesinnung strikt ablehnt".

In diesem Sinne sind wir alle verantwortlich hier anzusetzen, um einer Wiederholung dieser Geschichte mit allen Mitteln entgegenzutreten!

Nichts ist vergessen und niemand! Damals wie heute: Wer schweigt stimmt zu!

Spitzel

Aufmerksamer Beobachter 23.01.2007 - 16:44
Die beiden Drecksäcke und die anderen Nasen kamen aus dem Raum Wunstorf und Umgebung. Sind dort auch schon einschlägig bekannt.

Beiträge die keine inhaltliche Ergänzung darstellen

Zeige die folgenden 6 Kommentare an

bezüglich Polit-quizz — das war Stoiber

.. — Miri

fotos — paule