Diaz Verfahren - ganz nach Plan?

rf 19.01.2007 03:36
Am 71. Verhandlungstag im Strafprozess gegen 29 italienische Polizeibeamte wegen der Begehung verschiedener Straftaten bei einer von brachialer Gewalt kennzeichneten „Durchsuchung“ am Rande des vor gut fünf Jahren in Genua abgehaltenen G8 Gipfels stellten sich zwei ungemein wichtige Asservate im Vorfeld einer Zeugenvernehmung als unauffindbar heraus.
Es handelt sich zweifellos um ganz große Kaliber unter den Asservaten im so genannten Diaz-Verfahren: zwei Molotov-Flaschen, die erstmals als Rechtfertigung der als Durchsuchung ausgegebenen Aktion in die Geschichte eingingen, als die Polizei der Weltöffentlichkeit eine ganze Kollektion von zu „Waffen“ deklarierten Gebrauchsgegenständen unterschiedlichster Art, aus dem Schauplatz der Operation präsentierte.

Die beiden Brandsätze ermöglichten seinerzeit die Eröffnung eines Verfahrens gegen die gesamte Gruppe der im Schulgebäude Verhafteten Menschen wegen Bildung einer kriminellen Vereinigung, weil das italienische Strafgesetzbuch derartige Objekte als Kriegswaffen einstuft. Vom schweren Vorwurf wurden sie nur befreit, als sich herausstellte, dass die Flaschen erst durch die Polizei in das Gebäude gelangten.

Die Molotov-Affäre sollte in diesen Tagen Gegenstand von Vernehmungen im Rahmen der Gerichtsverhandlungen im Diaz-Verfahren sein. Der Verteidiger eines Beschuldigten verlangte die Vorführung des Tatwerkzeugs. Der anklagende Staatsanwalt teilte mit, es werde nach den Asservaten gesucht. Daraufhin machte der Verteidiger die Anhörung der Zeugen von der Inaugenscheinnahme durch selbige abhängig. Nach einer polemischen Auseinandersetzung zog sich das Gericht anschließend zur Beratung zurück.

Währenddessen wurde in allerlei Abteilungen der Sicherheits- und Justizbehörden nach dem Verbleib der Flaschen gefragt. Nach der Pause teilte der Staatsanwalt dem Richter mit, dass man festgestellt habe, dass die Asservaten nicht vernichtet worden aber nicht auffindbar seien. Die Leiter von verschiedenen größeren und kleineren Asservatenkammern ließen nacheinander wissen, dass sie nicht oder kaum behilflich sein könnten. Nach jetzigem Erkenntnisstand verliert sich die Spur der Flaschen offenbar schon im Jahr 2002.

Die Verteidiger der Beschuldigten holten zum großen Angriff aus. Ihre Ausführungen ließen keine Zweifel über ihre Absichten zu. Mit der Forderung nach Aussetzung der Verhandlung des betreffenden Anklagepunktes bis zur Auffindung der Flaschen waren sie dann auch erfolgreich. Am Ende hektischer Nachforschungen und juristischer Dissertationen über die Nichtigkeit der Anklage bei Fehlen des Tatwerkzeugs ordnete der Richter tatsächlich die Aussetzung der Verhandlungen in Zusammenhang mit der Molotov-Affäre bis zur Auffindung der vermissten Asservate an.

Weiterhin ordnete der Richter die Auffindung der Asservate an. Die Frage ist, ob sie auffindbar sind. Die Anwälte der Nebenkläger schließen nicht aus, dass die Flaschen doch noch irgendwo lagern könnten. 40 versiegelte Kartons mit beschlagnahmten Gegenständen sollen untersucht werden. Der Staatsanwalt hat den Polizeipräsidenten von Genua angewiesen, die flächendeckende Suche nach den Flaschen zu veranlassen.

In der Tat konnten schon einmal im Rahmen des Diaz Verfahrens „verschwundene“ Verbindungsnachweise eines Telekommunikationsanbieters wieder ausfindig gemacht werden. Auf die Tatsache, dass es öfter zu solchen Problemen komme hatte zu Beginn der Debatte selbst der Gerichtsvorsitzende hingewiesen. Es könnte also wirklich ein durch Schlamperei verursachtes Problem vorliegen, was aber auch schon skandalös genug wäre. Wegen der besagten Affäre stehen echte Diamantspitzen des italienischen Polizeiapparats vor Gericht, die höchste Ämter inne haben.

Genau dieser Umstand verstärkt aber die Notwendigkeit, auch andere, noch weit dramatischere Ursachen für das Verschwinden der Asservate. Der Rifondazione Comunista Abgeordnete Caruso sprach es ohne Umschweife aus: „Ich habe da schon eine Vermutung... Es waren die Freunde derer, die wegen der Prügelaktion in der Diaz-Schule beschuldigt sind. Ohne diese Molotovs kann man keine Untersuchungen durchführen. Es waren die Faschisten...“ Parteichef Bertinotti beeilte sich, die Äußerungen des Abgeordneten zu bedauern. Er sagte auch, dass er der Meinung sei, „dass sich das Büro der Parlamentspräsidentschaft der Angelegenheit annehmen müsse – zum Zweck der Wahrung der formalen Würde der Institutionen“.

Ganz unabhängig von der Kollision Caruso-Bertinotti bleibt festzuhalten, dass die Tatsache nicht von der Hand zu weisen ist, dass die vermissten Gegenstände Teil eines Verfahrens gegen Polizisten ist, das sich mit der laut Amnesty international schwersten Verletzung der Menschenrechte in Westeuropa seit dem Endes des 2. Weltkriegs befasst und dass mehrfach Tatsachen dokumentiert wurden, die für ein Verhalten sprechen, das die Ermittlungen mindestens behindernd beeinflusste.

Besagtes Verhalten hat schon für die Straffreiheit von mehreren Tätern und für die Verdunklung von sehr vielen von Polizisten in Genua begangenen Straftaten gesorgt. Was in Genua im Fall Diaz und auch darüber hinaus verhandelt wird, stellt lediglich einen Bruchteil der Untaten dar, die aus den Reihen der Sicherheitsapparate aus verübt wurden.

Ein Teil der Untaten ist bekannt, weil er dokumentiert werden konnte. Hier scheiterte alles Weitere an der „Nichtidentifizierbarkeit“, sei es durch Vermummung, sei es durch unterlassene Aufstellung von Einsatzteilnehmerlisten, sei es durch Bereitstellung von veralteten Bildern für Abgleiche oder durch (stark vermutete) Unterlassung von Identifizierungsvorgängen.. Der Großteil der Straftaten ist aber nur denen bekannt, die ihnen zum Opfer fielen und ihren Angehörigen. Es geht hierbei um viele Hundert, das ließ sich seinerzeit deutlich an der Zahl der im Internet veröffentlichten Erlebnisberichte nachvollziehen.

Ein Polizist, der mit Ermittlungen im Fall Diaz betraut war, bestätigte vor wenigen Tagen mehrere Tatsachen, die jene von kritischen Beobachtern schon seit Langem angeprangerten fragwürdigen und problematischen Verhaltensweisen bestätigen. Auch kann nicht übersehen werden, dass die Frage nach den Asservaten von einer Verteidigung kam, die damit von der sonstigen Verteidigungstaktik eher abweicht.

Den Vorstoß machte Alfredo Biondi, ex Minister in der Regierung Berlusconi und Anwalt des Beschuldigten Troiani, der im Gegensatz zu den sonst in Zusammenhang mit der Affäre angeklagten Superpolizisten als unmittelbarer Handlungsvollstrecker angeklagt ist. Auffallend ist auch, dass anders als sonst, die Verteidigerriege komplett am Start war. Biondi war seiner Sache so sicher, dass er den Prozess aufgrund der fehlenden Asservate auch für so gut beendet erklärte. Offenbar waren aber auch Biondis Kollegen nicht weniger aktiv.

Eine am Abend des 18. Januar publik gewordene Aussage des anklagenden Staatsanwaltes – der sich trotz der Angriffslust der Verteidiger am 17. Januar noch relativ gelassen gab - lässt befürchten, dass er begonnen hat, sich mit der Möglichkeit eines endgültigen Misserfolgs der eingeleiteten Suche nach den Flaschen zu befassen. Offenbar denkt er an Möglichkeiten, ein Indizienprozess durchzusetzen. Zucca wird mit einer Äußerung zitiert, die auf derartige Ansätze in Zusammenhang mit Morden ohne Leiche Bezug nimmt.

In einem Indizienprozess ließen sich besonders folgende Elemente einbringen:

[1]

Die Flaschen wurden am 22. Juli 2001 auf dem Tisch des genuesischen Polizeipräsidiums Dutzenden Journalisten präsentiert, die sie eingehend begutachteten und von allen Seiten filmten und fotografierten.

Es handelte sich bei den Flaschen um nicht gängige Exemplare. Die eine war mit einem Sonderetikett mit der Aufschrift: 69. Treffen der Gebirgsjäger Udine/18.-19. Mai 1996“ versehen. Die andere war eine Abfüllung der Sorte „Gutturnio die Colli piacentini“, kein Massenwein, mit einem Namen, der interessant klingt und auffällt, weil er ungewöhnlich ist.

Eine Identifizierung und Wiedererkennung der Flaschen mithilfe von Bilddokumenten ließe sich also auch ohne Begutachtung der Originale bewerkstelligen.

[2]

Genau die oben beschriebenen Flaschen erkannte der Polizeibeamte Pasquale Guaglione als jene, die er am Vortag der Vorfälle in der Diaz-Schule auf dem Corso Italia aufgefunden hatte. Er bestätigte diesen Umstand vor den ermittelnden Staatsanwälten Zucca und Cardona Albini im Jahr 2002

Unter den Zeugen, zu deren Vernehmung es am 17. Januar durch die geschilderten Ereignisse nicht mehr kam befand sich auch der General der Carabinieri, dem Guaglione die Flaschen übergab, die dann in dem Fahrzeug, mit dem er durch die Stadt kutschiert wurde, auf die Reise gingen.

[3]

Der Fahrer des in [2] genannten Fahrzeugs Michele Burgio hat zugegeben, dass er die Flaschen in das Fahrzeug geladen und auch, dass er am Abend des Diaz-Überfalls Troiani zum Schauplatz der blutigen Operation gefahren hat. Auch hat er zu Protokoll gegeben, dass er die Flaschen in die Schule getragen und dort seinem Vorgesetzten Troiani übergeben hat.

[4]

Filmaufnahmen eines Lokalsenders zeigen die hellblaue Plastiktüte, in der die Flaschen lagen. Um diese Tüte waren die leitenden Beamten höchsten Ranges versammelt, die Zusammen mit Troiani vor Gericht stehen. Unter ihnen
Francesco Gratteri, Gilberto Caldarozzi, Vincenzo Canterini e Giovanni Luperi.

[5]

Frau Dr. Mengoni, Angehörige der politischen Polizei DIGOS von Florenz, hat dem Staatsanwalt erklärt, dass sie die Flaschen von Luperi bekommen hat, in Verbindung mit dem Auftrag, sie aufzubewahren, dass sie sie in die Schule getragen, einem Kollegen übergeben und dann aus den Augen verloren habe.

[6]

Das Protokoll der Verhaftung der 93 in der Schule festgesetzten Menschen enthält die Aussage, die präziert, dass die Flaschen „an einem für alle sichtbaren und zugänglichen Ort“ in der Schule aufgefunden worden seien...

Für die Zuständigen dürfte mit jedem Tag ohne positive Rückmeldung des mit den Nachforschungen beauftragten Polizeipräsidenten der Druck wachsen, mit der bestmöglichen Vorbereitung für ein so noch nie durchgesetzen Indizienprozess zu kämpfen. Den Stoff für gibt es, kritische Beobachter - die echten, die wirklich kontinuierlich die Entwicklungen verfolgt haben - wissen um die Menge der Tatsachen, die auch durchaus einen Indiziencharakter besitzen.

Die Verteidigung der Polizisten wird zweifellos aufs Standhaftigste auf die Regelung bestehen, die der Verteidigung den Anspruch auf Bereitstellung des Tatwerkzeugs zur Verteidigung des Mandanten. Es bleibt nun abzuwarten, was sich aus den angeordneten Nachforschungen ergibt. Die zum 24. und 25. Januar geplanten Verhandlungstage wurden am 18. Januar ausgesetzt. Die von der gerichtlichen Baustellen werden sich stattdessen bei der Eröffnung des juristischen Jahres Treffen. Auf die Veranstaltung wies der Gerichtsvorsitzende nach Beschluss der Aussetzung der zwei Verhandlungstage höchstselbst hin: "Am 25. werden wir zur Eröffnung des juristischen Jahres im Saal des Kammergerichts sein"

Mit Spannung darf man auf etwaige Einbindung Genuas in besagte Eröffnungsrede warten. 2003 und 2004 bezichtigte der genuesische Generalstaatsanwalt Porcelli, der in jenen beiden Jahren Rede hielt, die in den Genua-Verfahren gegen Polizisten tätigen Kollegen ganz unverblümt des vollends überzogenen Eifers bei der Verfolgung der Ordnungshüter. Auch das ist ein Indikator der Bedingungen, die die Genua-Verfahren charakterisieren.

Die Öffentlichkeit dürfte sich bis dahin wieder im beharrlichen Schweigens der italienischen Medien wiegen. Die Anwälte der Nebenklage und die wenigen in Sachen Genua noch aktiven Zusammenhänge werden die Augen offen halten und sich auf den Extremfall vorbereiten, falls die Asservate nicht doch noch zum Vorschein kommen. Das Schlimmste zu denken ist angesichts der Tatsachen und der Geschichte (nicht nur) Italiens durchaus zulässig.

Der von Fausto Bertinotti so eilig zurecht gewiesene Caruso hat nichts Anderes getan, als die direkteste Form der Aussprache der naheliegenden Hintergründen der einzigen Alternative zum Erklärungsversuch „Schlamperei“ - die ja reparabel wäre, gewählt. Diese Alternative lässt keine Hoffnung auf die Zurückgewinnung der Asservate, weil sie die gezielte Beseitigung beinhaltet. Mehrere aber haben ohne so deutlich wie Caruso zu werden, die Beseitigung als Methode thematisiert und auf Ustica, den Anschlag auf den Bahnhof von Bologna, Piazza Fontana und weitere Meisterwerke der Vertuschung verwiesen.

In der breiteren Öffentlichkeit hat neben Caruso Caruso bis jetzt der in der Diaz-Schule schwer verletzte und von einem nie identifizierten Träger eines weißen Hemdes mit einem elektrische Stöße versetzenden, in Italien nicht zugelassenen Schlagstock misshandelte Journalist Lorenzo Guadagnucci die deutlichsten Worte gefunden. Unter Betonung der Tatsache, dass er hoffen will, dass sich doch noch Alles zum Guten wendet, konzentrierte sich der als bekennender Verfechter des Rechtsstaates bekannte Publizist auf die Benennung des Mandanten.

Einige wenige Aussagen aus einem ausführlichen Kommentar mögen hier genügen:

Sagen wir, was Sache ist: [...] Wer für das Verschwinden der zwei Brandflaschen oder für ihre Vernichtung gesorgt hat, der will – auf die Annullierung des gesamten Verfahrens hoffend - eine Strategie des systematische Boykotts der Ermittlungen zur äußersten Konsequenz bringen, die gleich am Abend des 21. Juli ihren Lauf genommen hat. [...] Jetzt ist es klar: die Polizia di Stato hat an jenem Abend unter dem Versprechen der Straffreiheit an ihre Männer gehandelt. [...] An den Spitzen des Staates wurde eine Strafexpedition gegen das Genoa social forum beschlossen [...] Die Untersuchung der Staatsanwaltschaft hat die einzige Panne in einem perfekten Plan dargestellt, die der Resultate gezeitigt hat: Die mediale „Abstrafung des Genoa social Forum und der Bewegung, die in Guenua auf die Straße gegangen war; Die Behauptung einer autoritären Sichtweise des Staates; Die Einverleibung der Polizei in das autoritäre Modell selbst“.



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Ergänzungen

Eine Präzisierung

rf 19.01.2007 - 04:17
Genua gilt insgesamt als schwerste Verletzung der Menschenrechte in Westeuropa seit dem Ende des 2. WK. Der schwerste Fall an sich wird aber - zu Recht - in Bolzaneto gesehen. Das ist die Kaserne, in der Hunderte über Stunden aber auch Tage seelisch und Körperlich schwerstens Misshandelt und sämtlicher Rechte beraubt wurden. Das Verfahren läuft parallel zum Diaz-Verfahren.

Zusatzinformation:

nach mehrmonatiger Unterbrechung wird nun das Verfahren gegen 25 Demonstranten fortgesetzt.

schwerste verletzung?

htfhd 19.01.2007 - 11:29
genua gilt als die schwerste verletzung?
was ist denn, um nur mal ein beispiel zu nehmen, mit dem massaker 1961 in paris, als bei der zerschlagung einer demo für ein unabhängiges algerien über hundert menschen erschossen wurden und in die seine geworfen?

 http://de.wikipedia.org/wiki/Massaker_von_Paris_1961

gibt es da definitionen, die solche geschichten rausfallen lassen, oder ist die einschätzung - trotz aller schrecklichkeiten in genua und in bolzaneto - genuas als schwerste verletzung gegen die menschenrechte ignorant gegenüber nicht-europäerInnen?

prozess geht scheints doch weiter ...

PigBrother.info 19.01.2007 - 12:41
laut einem kommentar auf indy.uk hat der richter beschlossen, den prozess trotz des mysteriös aber für die angeklagten ziemlich patent verschwundenen beweismaterials weiterzuführen ...

 http://www.indymedia.org.uk/en/2007/01/360265.html?c=on#comments

die behauptung, der prozess sei nach dem houdini-akt "finito" ist dann auch laut eines ebenfalls dort verlinkten artikels aus la repubblica eine aussage der verteidigung der polizei und nicht des richters

 http://www.repubblica.it/2007/01/sezioni/cronaca/g8-molotov/g8-molotov/g8-molotov.html

Caruso

Caruso 19.01.2007 - 14:56
Um nochmal auf die Äusserungen Bertinottis einzugehen.
Sowie sie in dem Artikel stehen sind sie aus dem Zusammenhang gerissen, den sie beziehen sich nicht auf die Aüsserungen von Caruso, sonder auf etwas anderes.
Caruso hat wieder einmal einen seiner selbstdarstellerischen Stunts durchgeführt,
er hat zwei "gefakte" Molotows ( die mit Wein gefüllt waren ) in das Parlamentsgebäude
gestellt, und dann mit grossen Tratra die Presse eingeladen, und gesagt das diese beiden
Molotow ja die verschwundenen sein könnten. Darauf bezieht sich die Äusserung Bertinottis,
das die Würde des Parlaments etc pp. wieder hergestellt werden müsse.
Überhaupt ist die Person Caruso nicht unumstritten, aus der Bewegung der noglobal und centri sociali kommend hat er sich soweit profiliert, das er schliesslich von der Rifondazione einen Parlementssitz zugeschanzt bekam. Es bleibt also abzuwarten ob er sich nicht über den G8-Prozess selber weiter profilieren will.

Feedback zu den feedbacks

rf 19.01.2007 - 18:53
Um die Sache zu vereinfachen, hier gesammeltes feedback aufs feedback

Struktur:

- Feedbacktitel,

- Autor, Datum, Uhrzeit

- Meine Erwiderung


schwerste verletzung?
htfhd 19.01.2007 - 11:29

Ich weiß, Massaker in Paris. Ich bin da auch ganz einverstanden, weshalb ich mir nen konstruktiveren Ton gewünscht hätte. Ich hatte da selbst Diskussionen zum Thema, bei denen ich genau Deinen Standpunkt vertreten habe. Deswegen steht im Text auch, dass es die Einschätzung von Amnesty ist. Nach wie vor denke ich immer an Paris, wenn ich das Zitat verwende. Das Amnesty Statement spiegelt nicht hundertprozentig meine Meinung wieder, es bleibt aber eins. Ich kann es nicht „anpassen“, um es „politisch korrekter“ zu machen. Gerade weil ich viel darüber diskutiert habe, weiß ich ein wenig, was aus der Sicht der besagten Organisation dem von dir kritisierten Statement zugrunde liegt. Es ist diskussionswürdig, aber dem Wesen der Organisation nach durchaus nachvollziehbar. Die hat eine politische Identität genau so wie du euine hast. Die Aussage mag Deinen Werten nach für Dich nicht Ok sein, und auch für mich ist sie - so absolut formuliert - nicht restlos haltbar. Sündhaft schlecht ist sie aber nicht und sachlich lässt sie sich auch verteidigen, wenn die Parameter der Bewertung vor dem Hintergrund der politischen Identität der Organisation klar sind.

Am Rande möchte ich wenigstens ganz grob eine Sache anreißen: Gerade die Strategen von Algerien und Paris haben besonders das, was Lateinamerika in dunkelsten Zeiten erlebt hat, taktisch, operativ und ideologisch maßgeblich mitgestaltet. Einige unter den bedeutendsten Machern des Repressionsterrors im Kontext Paris und Algerien wurden seinerzeit – das ist belegt – eigens nach Lateinamerika „importiert“, und zwar ganz direkt zur Übertragung der taktischen und ideologischen Modelle dieser Leute. Die Kultur der polizeilichen „Bewältigung“ von Protesten mit militärisch-faschistischen Mitteln und Strategien, die im ach so demokratischen Europa erst jetzt langsam anfängt, in der besagten Dimension der massenhaften, institutionalisierten Aussetzung der Rechte „im eigenen Haus“ überhaupt als solche wahrgenommen zu werden hat, genau so wie das Modell der internationalen polizeilichen Vernetzung, ausgesprochen stark und in weit größerer personaler und inhaltlicher Kontinuität als Mensch meinen könnte ihre Wurzeln nicht nur am Rande genau dort. Das ist echt sehr grob gesagt, aber ein Thema, das Vertiefung und Dokumentation wüprdig ist.


prozess geht scheints doch weiter ...
PigBrother.info 19.01.2007 - 12:41

Ich bestätige, aber:

a) ist der Prozess ein Sammelprozess. Klar geht etwa der Teil, der Bereitschaftspolizeiabteilungsleiter Canterini und seine Zugführer betrifft, nicht automatisch wegen den Mollis den Bach runter. Ich warne aber davor, deswegen die Lage zu verharmlosen. Tauchen die Mollis nicht auf, ist die Durchsetzung eines Indizienprozesses in dieser Sache zwingend fällig. Das wird ein Kampf und ist wegen der Zeit, die das kostet, schon genug ein Problem, weil schon jetzt kaum noch Aussicht auf eine dritte Instanz vor Ablauf der Verjährungsfristen kommen wird. Die Geschichte mit den Verbindungsnachweisen hat auch für mächtige Zeitverluste gesorgt, auch wenn der Prozess nicht gestoppt werden konnte.
b) Die beanstandete Aussage in Teil zwei Deines Kommentars bezieht sich auf den Stand des 17. Januar. Auch ich habe mich auf Presseberichte gestützt und auf die Infos, die von Supportolegale kommen. Danach hatte der Richter am 17.01 vorläufig sehr wohl den Einwänden der Verteidigung entsprochen. In der auszugsweise bei supportolgale einsehbaren Mitschrift der Gerichtsverhandlung vom 18. 01. wird der Umstand indirekt bestatigt: da erklärt der Staatsanwalt dem Richter, dass eine Rückmeldung zu den Nachforschungen womöglich nicht vor dem 25. 01. eintreffen könnte, weshalb aufgrund der Anordnungen vom 17.01. die Verhandlungen vom 24. und 25. 01. flach fallen würden.

Angaben 17. 01, 18.01 tummeln sich jedenfalls nicht von Ungefähr im Text. Nur weil sich die Ereignisse überschlagen und Menschen zum Glück auch reagieren, so dass sich Aussicht auf Fortsetzung konkretisiert, muss nicht zerrissen werden, was zu einem bestimmten Zeitpunkt stimmte.

*Aktivisten und Beraternetzwerk, das die Anwälte des GLF und der sei es als Nebenkläger, sei es als Beschuldigte (im Prozess gegen 25 Demonstranten) in den Prozessen involvierten einstigen Genua-Protestierenden unterstützt.
Caruso
Caruso 19.01.2007 - 14:56

Ja ja, Caruso. Ist auch nicht mein Liebling. Gerade deswegen habe ich mich auch nicht auf die Posse im Parlament eingelassen. Persönlich glaube ich ganz und gar nicht, dass Bertinotti wirklich den „selbstdarstellerischen Stunt“ meinte, sondern, dass er geschickt die würdelosigkeit der Posse vorschiebt, um die Partei vor Grundsatzdiskussionen um die eigentliche Aussage, die für den italienischen Flügel der europäischen Linken doch zu radikal ist.

Die Aussage Carusos steht aus meiner Sicht mit oder ohne selbstdarstellerischem Stunt, meine ich. Mein Bericht befasst sich nicht mit der Reinheit und Erhabenheit von italienischen Linken, egal welcher Gruppierung. Der ewige Hick-hack um gute und schlechte außerparlamentarische, vollparlamentarische, halbparlamentarische, revolutionäre, nicht revolutionäre, reformistische, revisionistische und was sonst noch Linke in Italien ist echt nicht mein Ding. Ich halte ihn sogar für eine wahre Unsitte, die kaum was bringt außer Gelaber ohne Ausgang fernab der Probleme, die uns erdrücken. Ich hatte mit dem Bericht die Absicht, möglichst schnell möglichst viel Informationen auf Deutsch für die Leserschaft zu liefern, die keine andere Zugänge hat. Ich verstehe Indymedia auch nicht als reines Szene Sprachror.

Keine Frage: Mr. Caruso ist nicht unumstritten, das habe ich selbst auf diesen Seiten öfter angemerkt. Aber hier geht es nicht um sein politisches Pedigree. Ich habe ganz direkt den Inhalt der Aussage zitiert, weil sie unabhängig von der Bewertung der Absichten, die der Person unterstellt werden können, ohne Zweifel DIE Aussage gewesen ist, die am direktesten etwas ausgesprochen hat, das vor dem Hintergrund der italienischen Geschichte und dessen, was rund um die Genua follow-ups nicht a priori für ausgeschlossen erklärt werden kann und nun einmal wirklich von kritischen Leuten gedacht wird.

Ich sage es für meinen Teil mal ganz deutlich: in der Diaz-Schule sind Leute beinahe ums Leben gekommen. Die hatten wegen den Mollis das Plaisir, sehr, sehr lange auch noch mit dem Vorwurf der Bildung einer kriminellen Vereinigung leben zu müssen. Kriminalisierung grassiert unter extremen Vorzeichen.

Dass diese Mollis nun weg sind, ist alles andere als nebensächlich.

Das sind für mich Probleme, nicht Caruso. Den kann es, wie viele andere auch, mit der ganzen Sparte im Schlepptau nicht zuletzt nur geben, weil sonstige Linke, die sich für besser hält, offenbar nicht gerade viel Besseres auf die Reihe kriegt, denke ich.

An PigBrother

Holger 20.01.2007 - 14:08
Der Autor hat Recht. Der Gerichtsvorsitzende hat die Zeugenvernehmung am 17. Januar nicht mehr zugelassen und damit der Argumentation der Verteidigung stattgegeben. Das lässt sich aus den vom Autor genannten Quellen klar herauslesen. Nach der Quelle vom 18. Januar geht die Vernehmung der Zeugen erst weiter, wenn die Antwort des Polizeipräsidenten bei Gericht vorliegt. Das lässt die Spekulation zu, dass der Gerichtsvorsitzende sich geneigt sieht, einer Fortsetzung der Verhandlungen zum fraglichen Anklagepunkt auch ohne Vorhandensein der Flaschen zuzustimmen. Formal aber steht das, was er Mittwoch angeordnet hat, bis zum nächsten Beschluss.

il manifesto

k.a. 20.01.2007 - 19:12
vorläufig ausgesetzt stimmt. auch il manifesto berichtet wie rf und holger.

 http://www.ilmanifesto.it/Quotidiano-archivio/19-Gennaio-2007/art48.html

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dfgoqe — f

@ f 19.01.2007 - 04:13 — post scr