Fotos: Oury Jalloh Demos in Dessau und Berlin

Umbruch Bildarchiv 09.01.2007 21:33 Themen: Antirassismus
Vor zwei Jahren verbrannte Oury Jalloh, Flüchtling aus Sierra Leone, an Händen und Füßen gefesselt in der Polizeiwache in Dessau. Zum Gedenken an Oury Jalloh gingen am 2. Todestag mehrere hundert Menschen auf die Straße.

Fotos über die Demonstrationen in Dessau und Berlin unter:
 http://www.umbruch-bildarchiv.de/bildarchiv/ereignis/070107oury_jalloh.html
In Dessau versammelten sich nach einer Demonstration rund 200 Menschen vor der Polizeiwache. Mit Sprechchören "Oury Jalloh - das war Mord" unterstrichen sie ihre Forderungen nach Aufklärung seiner Todesumstände und nach einer für alle nachvollziehbaren Gerichtsverhandlung. "Bis der Fall lückenlos geklärt ist, bleibt das Mord", sagte einer der Demonstranten und erhielt von vielen Teilnehmern Beifall. In Berlin demonstrierten zeitgleich 500 Menschen vom Hackeschen Markt durch Mitte.

Zwei Jahre nach Oury Jallohs Tod sind die damals anwesenden Polizeibeamten noch immer im Dienst, das Dessauer Landgericht wollte den Fall zunächst abschließen. Erst nach massivem öffentlichen Druck ließ es am 2.1.'07 die Hauptverhandlung gegen den 46-jährigen Dienstgruppenleiter zu, die genauen Prozeßtermine (voraussichtlich ab Ende März) stehen noch aus.

Zuviele Hinweise deuten zumindest auf ein Mitverschulden der Polizeibeamten hin: die schweren Verletzungen Oury Jallohs (Bruch des Nasenbeins, zerstörte Trommelfelle); das trotz vorheriger Durchsuchung gefundene Feuerzeug in der Zelle; die auf Polizeifunk mitgeschnittenen rassistischen Äußerungen der Beamten und des hinzugezogenen Arztes; die Frage, wie der an Füßen und Händen gefesselte Gefangene die schwer entflammbare Pritsche anzünden konnte und nicht zuletzt die Reaktion des Dienstleiters der Wache, der die Sprechanlage leise und den Feueralarm mehrfach abgeschaltet hatte. (siehe: WDR-Reportage: "Tod in der Zelle").

Die "Initiative zum Gedenken an Oury Jalloh" und die afrikanische Community in Deutschland hat durch ihre Hartnäckigkeit viel dazu beigetragen, daß die Todesumstände Oury Jallohs nicht einfach vertuscht werden konnten. Auf ihrer Konferenz in Dessau am Vortag der Demonstration unterstrichen sie ihre Forderungen, mit denen sie den Prozeß begleiten werden:

"1.Wir fordern die sofortige Eröffnung eines Gerichtverfahrens gegen die Polizisten, die am Mord an Oury Jalloh beteiligt waren, und ihre rasche Verurteilung und Entlassung vom Polizeidienst.
2. Wir fordern den Rücktritt des Polizeipräsidenten von Dessau.
3. Wir fordern Entschädigungszahlung an die Familie von Oury Jalloh.
4. Wir fordern das Ende aller rassistischen Polizeikontrollen, das Ende der Polizeibrutalität und der Ermordung von Schwarzen.
5. Wir fordern Gerechtigkeit für alle Opfer institutionalisierter Rassismus, aller Schwarzen Opfer der Polizei- und Staatsgewalt und Entschädigung für ihre Familien."
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Ergänzungen

polizeifunk

grftjx 10.01.2007 - 14:17
Hi!

Gibts die im polizeifunk mitgeschnittenen aussagen irgedwo nachzulesen, bzw. runterzuladen? wär super, das zu wissen

Gebrochenes Nasenbein

Wir sind alle Oury Jalloh 10.01.2007 - 14:41
ein artikel aus der spiegel, wo die sprüche zum ersten mal veröffentlicht worden sind.
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Gebrochenes Nasenbein


Von Steffen Winter

In einer Dessauer Polizeizelle verbrannte ein gefesselter Afrikaner. Zwei Beamte müssen sich vor Gericht für dessen Tod verantworten.

Ouri Jallow starb sehr, sehr langsam. Minutenlang rüttelte er an seinen Hand- und Fußfesseln, um der Feuerhölle im Dessauer Polizeirevier zu entkommen. Die Matte unter seinem an vier Punkten fixierten Körper stand in Flammen, aus eigener Kraft war eine Rettung unmöglich. Bei Temperaturen von bis zu 330 Grad Celsius erlitt der Afrikaner aus Sierra Leone einen tödlichen Hitzeschock.
Der Fall ereignete sich im Januar im sachsen-anhaltinischen Dessau. Inzwischen ist sich die Staatsanwaltschaft sicher, dass das Opfer die Matte selbst anzündete - aber der dramatische Ausgang durchaus zu verhindern gewesen wäre. Gegen den Dienstgruppenleiter des Reviers wurde Anklage wegen Körperverletzung mit Todesfolge erhoben, weil er den Brand zu spät bemerkt hatte. Einem Beamten wird fahrlässige Tötung vorgeworfen - er soll ein Feuerzeug bei Jallow übersehen haben.

Doch mit der Anklage gegen die zwei Polizisten sind längst nicht alle Merkwürdigkeiten geklärt, die sich um den Fall ranken. Bei einer zweiten Obduktion des Leichnams im Auftrag der Angehörigen fand der Frankfurter Gerichtsmediziner Hansjürgen Bratzke bei einer computertomografischen Durchleuchtung einen zuvor nicht entdeckten Bruch des Nasenbeins.

Es war, so viel ist sicher, kein alter Bruch. Dem Mediziner fielen auch die zerstörten Trommelfelle des Afrikaners und Einbrüche an den Siebbeinplatten der Nase auf. Die Verletzungen könnten jedoch von der ersten Obduktion stammen.

Jallow hatte sich bei seiner Einlieferung erheblich gewehrt. Der Afrikaner, der schon mehrfach wegen Drogendelikten aufgegriffen worden war, sei auf der Wache mit dem Kopf gegen Wand und Tisch geschlagen, berichten die Polizisten. Ein angeforderter Arzt erkannte jedoch keine Fraktur, wobei er den Mann - der Frauen im Park betrunken belästigt haben soll - wohl nur oberflächlich ansah.

Weil Jallow - mit 2,98 Promille Alkohol und Spuren von Cannabis und Kokain im Blut - zunehmend aggressiv wurde, war die Untersuchung schwierig. Der Arzt legte fest, dass der Gefangene im Gewahrsam fixiert bleiben sollte, damit er sich nicht verletze. Für die Berliner Anwältin Regina Götz ein Unding: "Ouri Jallow hätte in diesem Zustand nicht gefesselt werden dürfen. Die Untersuchung war viel zu oberflächlich."

Den Ermittlern fiel der Arzt auch auf - als sie den mitgeschnittenen Telefonverkehr der Wache an jenem Tag abhörten. Es ist der Anruf, mit dem der Neurologe zum Revier beordert wurde.

Polizei: "Wir bräuchten dich mal."
Arzt: "Was haste denn?"
Polizei: "Na, eine Blutentnahme."
Arzt: "Na, dann mach ich das."
Polizei: "Ja, pikste mal 'nen Schwarzafrikaner."
Arzt: "Ach du Scheiße."
Polizei: Lachen.
Arzt: "Da finde ich immer keine Vene bei den Dunkelhäutigen."
Polizei: "Na, bring doch 'ne Spezialkanüle mit."
Arzt: "Mach ich."

Es gibt einen zweiten, ähnlich schaurigen Mitschnitt von diesem Tag aus der Wache. Da hatte sich gerade herumgesprochen, dass im Zellentrakt etwas nicht stimmt und die Rettungsdienste alarmiert wurden:

"Hat er sich aufgehangen, oder was?"
"Nee, da brennt's."
"Wieso?"
"Weiß ich nicht. Die sind da runtergekommen, da war alles schwarzer Qualm."
"Ja, ich hätte fast gesagt gut. Alles klar, schönes Wochenende, ciao, ciao."

Die Staatsanwaltschaft wirft dem angeklagten Dienstgruppenleiter Andreas S. nun vor, dass dieser den Afrikaner noch hätte retten können. Der Beamte soll die akustische Überwachung der Zelle leise gedreht haben, weil Jallow lärmte. Auch der piepende Rauchmelder sei abgeschaltet worden. Ebenso, glauben die Ermittler, ein zweiter Alarm mit den Worten: "Nicht schon wieder das Ding."

Erst als auch die Lüftung der Zelle Alarm schlug, habe sich S. in Bewegung gesetzt. Da waren wohl zwei Minuten und 21 Sekunden vergangen. Maximal 50 Sekunden hätte S. jedoch aus Sicht der Staatsanwaltschaft bei sofortigem Aufbruch zu Zelle 5 gebraucht.

Der suspendierte Beamte erinnert sich anders. Er habe den nervenden Alarmton ausgeschaltet und sei der Sache gleich nachgegangen. Weil er nicht ohne Verstärkung zu dem Gefesselten wollte, wartete er auf einen Kollegen, der ein Telefonat beenden musste.

Endlich an der Zelle angekommen, hatte niemand einen Feuerlöscher dabei, starker Qualm verhinderte alle Rettungsversuche. 30 Minuten nach dem Alarm löschte die Berufsfeuerwehr den brennenden Leichnam.

Tage nach dem Brand fanden sich Reste eines roten Tokai-Feuerzeugs in der Zelle. Der Beamte, der Jallows Hose nach Einlieferung durchsucht hatte, hatte keins entdeckt. Allerdings habe er den Reißverschluss und den oberen Knopf der Hose nicht geöffnet. Trotz Handschellen könnte Jallow das Feuerzeug aus der Hose herausgefingert haben, ergaben Demonstrationsversuche der Polizei Stendal.
Doch wie zündete er sich an?

Die Matte war mit einem Kunstleder bezogen, das der Hersteller als schwer entflammbar einstuft. Was wirklich gut brennt, ist einzig der P-Schaum im Inneren. Dazu hätte der gefesselte Afrikaner die Nähte der Matte auftrennen müssen. Die Putzfrau des Reviers kann sich allerdings nicht an Vorschäden am Kunstleder erinnern. Und Brandgutachter wiederum schließen aus, dass allein Jallows brennende Kleidung die Matte entflammt haben könnte. Wie es zu dem verheerenden Feuer kam, bleibt rätselhaft.

www.spiegel.de/spiegel/0,1518,359077,00.html

AUDIO

FREIE RADIOS 10.01.2007 - 20:39
Zwei Jahre ist es her, dass ein 22 jähriger Mann bei lebendigem Leib verbrennt - in einer Gewahrsamzelle der Polizei Dessau. Der Mann stammte aus Sierra Leone und hoffte auf Asyl in Deutschland, sein Name war Oury Jalloh. Die diensthabenden Beamten ignorierten den Feueralarm. Oury Jalloh war alkoholisiert auf eine Britsche fixiert, an Armen und Beinen auf feuerfestem Material festgebunden.
Um die Umstände seines Todes endlich aufzuklären, erhoben Freunde und seine Mutter anklage gegen die diensthabenden Polizisten. Bis heute hat das Landgericht in Dessau keinen Prozess eröffnet. Um das Schweigen endlich zu brechen fanden am Sonntag den 7. Januar in Dessau und Berlin zwei Demonstrationen statt. Stefan Zimmer sprach in Berlin mit einer der Veranstalterinnen.

Videos über die Oury-Jalloh Demo in Dessau

Umbruch Bildarchiv 12.01.2007 - 19:39
"Gedenken an Oury Jalloh"
Ein Video über die Demonstration am 7. Januar 2007 in Dessau.
(6'48 Min., DSL-Version, 26 Mb)

und ein Interview mit Cornelius Yufanyi (The Voice Forum)
über die African Community Conference am 6. Januar
(3'59 Min., Modem-Version, 4,8 Mb)

jetzt auf:
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