Schnelle Regierungsbildung in Katatalonien

Ralf Streck 09.11.2006 20:27
In einer einzigartigen Geschwindigkeit haben sich die Linksparteien in Katalonien geeinigt, erneut die wirtschaftlich wichtigste Region im spanischen Staat zu regieren. Am späten Sonntag hat sich die Republikanische Linke (ERC) entschieden, erneut mit den spanischen Sozialisten und der linksgrünen Initiative für Katalonien/Grüne (IC/V) zu regieren. Sie hätte auch eine Koalition mit den konservativen Nationalisten der "Konvergenz und Einheit" (CiU) eingehen können, wie 1980-1984.
Die CiU war aus den Wahlen vom letzten Mittwoch als Sieger hervorgegangen. Sie hatte mit ihren 31,5 % auf eine große Koalition mit den Sozialisten (26,8 %) unter ihrer Führung gesetzt. Zwar schweigt die CiU noch weitgehend, aber der Generalsekretär Josep Antoni Duran Lleida warnte schon, man habe nun "keinen Grund" mehr, die Zentralregierung des Sozialisten unter José Luis Rodríguez Zapatero zu stützen, die in Madrid keine eigene Mehrheit hat. Das ist aber egal, weil Zapatero nun wieder auf die ERC setzen kann.

Die CiU-Führung analysiert noch die Tatsache, die stärkste Partei aus der Bildung der Regierung auszubooten. Dass sich die ERC gegen die CiU entschieden hat, erklärt sich daraus, dass die die uneingeschränkte Führerschaft wollte und die ERC ihre neoliberale Politik weitgehend hätte mittragen müssen. Duran Lleida erklärte nach der Absage, die ERC trage die "Instabilität in den Genen" und kündigte an, die neue Regierung werde erneut keine vier Jahre halten. Es sei unverständlich, dass die ERC erneut mit denen regiere, die sie "als Verräter" bezeichnete, weil die Sozialisten das gemeinsam beschlossene Autonomiestatut auf dem Weg durch das spanische Parlament bis zur Unkenntlichkeit verstümmelten. Die ERC habe kein "Konzept für das Land" sondern wolle nur an die Macht, sagte er. Da er es als Fehler bezeichnet, die ultrarechte spanische Volkspartei (PP) als Koalitionspartner von vorneherein ausgeschlossen zu haben, dürfte es sich mehr um eine Selbstdarstellung handeln. Denn die PP stellte sich gegen jede Ausweitung der Autonomie, für die die CiU angeblich eintritt.

Trotzdem wird es die ERC schwer haben, auf den Basisversammlungen, die letztlich entscheiden, zu erklären, warum man wieder mit den Sozialisten regieren will. Warum wurden die Wahlen vorgezogen, um danach mit der Koalition geschwächt weiter zu machen? Vielleicht liegt darin der Schlüssel, denn vor allem wurde die Führung der Sozialisten in der Koalition geschwächt. Sie wurden hart für ihr Verhalten bestraft und verlor fast 5 % der Stimmen. Die wollen die Macht aber nicht erneut an die CiU abgeben, welche die Region ohne Unterbrechung 25 Jahre bis 2003 regiert hatte. Jedenfalls gibt es heftige Proteste gegen diese neue Regierung und ERC-Büros werden auch schon mal mit Farbeiern, der spanischen Nationalfarben beworfen. Es kommt sogar zu offenen Demonstrationen.

Klar ist, dass der ERC-Chef Josep Lluís Carod Rovira Stellvertreter des sozialistischen Präsidenten José Montilla wird. Da nur die linksgrüne IC/V ihren Stimmenanteil verbessern konnte, muss auch das berücksichtigt werden. Deren Parteichef Joan Saura wird ein Superministerium bekommen. Das genaue Organigramm und das Programm der Regierung, die auf den "sozialen Zusammenhalt" setzt, wird noch Woche ausgearbeitet.

© Ralf Streck, Donostia – San Sebastian den 09.11.2006

Text zum Wahlausgang

Spanische Sozialisten bei Wahlen in Katalonien abgestraft

Bei den vorgezogenen Neuwahlen in Katalonien, der wirtschaftlich stärksten Region des spanischen Staats, gab es am Mittwoch keine Überraschung. Sie waren nötig, weil die linke Dreierkoalition am Streit um das neue Autonomiestatut für die Region zerbrach. Vor allem haben die 5,3 Millionen Wähler die Parteien durch Missachtung gestraft. Nur 57 % nahmen am Wahlprozess teil, weniger waren es nur bei den Regionalwahlen 1992. Gut 2 % wählten ungültig, doppelt so viele wie 2003.

Gewonnen hat die konservative katalanische Partei und Einheit (CiU). Sie regierte seit dem Ende der Diktatur und wurde zuletzt von einer Linkskoalition unter Führung der Sozialisten abgelöst. Die CiU erhielt 31,5 % und damit 48 der 135 Sitze, zwei mehr als zuvor. Wegen Besonderheiten im Wahlsystem hatten sie schon 2003 mehr Sitze als die Sozialisten, die damals zwar mehr Stimmen aber 42 Sitze erreichten.
Dahinter blieben sie weit zurück. Die Wähler bestraften sie dafür, dass die auch in Spanien regierende Partei ihre Versprechen brach. Das ausgearbeitete Statut, auf das sich die Katalanen mit 90 % Mehrheit einigten, wurde in Madrid "abgehobelt". Was die Sozialisten in Barcelona beschlossen, tilgten die eigene Zentralpartei. Gestrichen wurden das eigene Finanzierungsmodell, die Anerkennung als Nation, etc. So trat der beliebte katalanische Sozialistenchef Pasqual Maragall nicht erneut an. Dessen Nachfolger, der Andalusier José Montilla, war als Industrieminister in Madrid aber am Hobeln beteiligt. Die Strafe für die Sozialisten fiel so deutlicher als erwartet aus. Sie verloren gleich fünf Sitze und fallen auf 26,8 % ab.
Die CiU fordert als Wahlsieger mit der Regierungsbildung beauftragt zu werden, forderte deren Kandidat Artur Mas gestern (heute). Möglich wäre eine große Koalition mit den Sozialisten oder ein Bündnis mit der Republikanischen Linken (ERC). Mit den 21 Sitzen der ERC hätte eine CiU-ERC Regierung die absolute Mehrheit. Zwar hat die ERC zwei Sitze verloren, hat sich aber auf hohem Niveau mit 14 % stabilisiert. Sie blieb hinter dem Spitzenergebnis von 2003 zurück, als sie ihren Stimmenanteil verdoppelt hat. Die ERC traf die geringe Wahlbeteiligung und die große Zahl an ungültigen Stimmen.
Rechnerisch wäre auch die Neuauflage der Linkskoalition mit Sozialisten und der linksgrünen Initiative für Katalonien/Grüne (IC/V) möglich. Die IC/V konnte ihre Position im linksnationalistischen Lager stärken und erhielt gut 9,5 % und damit 12 Sitze, drei mehr als 2003.
Weiter verloren hat die ultrakonservative spanische Volkspartei (PP). 10,6 % erhielt die Partei noch, die in Zentralspanien absolute Mehrheiten erreicht. Mit 14 Sitzen hat sie einen weiteren Sitz verloren. Sie stellt sich gegen die Ausweitung der Autonomierechte und hat Verfassungsklage gegen den neuen Text angestrengt. Die PP hat auch Stimmen an die "Ciutadans" verloren. Die neue Liste der "Bevölkerung" zieht erstmals mit 3 % und drei Parlamentariern ins Regionalparlament ein. Die rechte, antikatalanistische Formation, trat eigenständig an, um eine Alternative zur PP zu bilden, in der sich nach dem Tod des Diktators dessen Erben gesammelt haben.

© Ralf Streck, den 02.11.2006
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