Weiter flammender Protest an Uni Bielefeld?

gegenGebühr 11.08.2006 15:35 Themen: Bildung
Nach einer aktuellen Pressemitteilung wurde in der vergangenen Nacht das Auto des Rektors der Uni Bielefeld abgefackelt. Seit Wochen wird darüber spekuliert, ob militante GegnerInnen von Studiengebühren für diverse Anschläge verantwortlich sind, Beweise dafür gibt es allerdings nicht.

Verschiedene soziale Institutionen an der Uni und Gremienmitglieder haben zwischenzeitlich das Rektorat und den Senat für die "Störung des sozialen Friedens" an der Universität durch die Einführung allgemeiner Studiengebühren verantwortlich gemacht. Der AStA der Uni kuschelt hingegen mit Rektorat und Staatsschutz.
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Brandanschlag auf privaten PKW des Rektors

In der Nacht zu Freitag, 11. August, gegen 1.30 Uhr haben Unbekannte den privaten PKW des Rektors der Universität Bielefeld, Professor Dieter Timmermann, vor dessen Privathaus in Bielefeld in Brand gesetzt. Das Fahrzeug wurde weitgehend zerstört. Durch das schnelle Eingreifen der Feuerwehr konnte ein Übergreifen des Feuers auf weitere im Umfeld stehende Autos verhindert werden. Die Polizei ermittelt und hat den PKW zur weiteren Untersuchung sichergestellt.

Dieser Brandanschlag ist eine weitere in einer Reihe von schweren Straftaten, die sich gegen die Universität Bielefeld und einzelne ihrer Funktionsträger richten.

Seit dem 12. Juli ist es in der Universität Bielefeld zu zahlreichen Straftaten gekommen. So wurden in sechs Toiletten, mehrmals im Bibliotheksbereich, in einem Gang in C01, im Treppenturm in V01 und in der Fahrstraße unterhalb des Universitätsgebäudes Brände gelegt. Am 12. Juli haben Unbekannte einen Generalschlüssel der Universität entwendet. Als Reaktion auf den Diebstahl hat die Universität Bielefeld 500 Schlösser besonders sensibler Bereiche und Büros ausgetauscht. Darüber hinaus wurde das Büro eines professoralen Senatsmitglieds mit tierischen Fäkalien besudelt, in ein Büro der Fakultät für Chemie eingebrochen und eine Fensterscheibe im Bereich des Hochschulrechenzentrums eingeschlagen.

Die Staatsanwaltschaft und die Universität Bielefeld haben für Hinweise, die zur Ermittlung und Ergreifung der Täter führen, eine Belohnung in Höhe von 6000 Euro ausgesetzt.


(Pressemitteilung Universität Bielefeld 11.8.06)

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Im Gegensatz zu früheren Pressemeldungen macht die Unileitung nun nicht mehr explizit GebührengegnerInnen für die Vorkommnisse verantwortlich. Hierzu dürfte auch entscheidend die massive öffentliche Kritik in den letzten Tagen beigetragen haben.


In einem offenen Brief haben Studienkontenberatung, BAföG-Beratung und Schwulenreferat der Uni daran erinnert, "bereits frühzeitig davor gewarnt [zu haben], dass eine Einführung allgemeiner Studiengebühren den sozialen Frieden an der Uni Bielefeld nachhaltig gefährden könne". Allerdings gelte "die Unschuldsvermutung bezüglich begangener Straftaten" - "Die nun seitens des Rektorats betriebene Diffamierung der GebührengegnerInnen ist für uns unerträglich. Ebenso ist die Präsenz der politischen Polizei an der Universität für uns und viele andere aus historischen Gründen absolut unerträglich".

Die Einrichtungen, die in ihrer täglichen Arbeit "mit einem repräsentativen Querschnitt der Studierendenschaft" erkannt haben: "Es handelt sich keineswegs nur um wenige oder gar einzelne, die sich mit Zurückhaltung oder offenem Verständnis über einen möglichen radikalen Protest gegen die Einführung der Studiengebühren zu erkennen geben", fordern einen Kurswechel der Unileitung:

"Unser Appell richtet sich daher an die Gremien und Personen, die in den letzten Monaten den anzustrebenden offenen Diskurs der Gruppenuniversität vollends verlassen und verweigert haben. Finden Sie in einen solchen Diskurs zurück, korrigieren Sie die im Senat getroffene Entscheidung vom 12. Juli, bevor durch eine gerichtliche Auseinandersetzung weiterer Schaden verursacht wird. Nehmen Sie die Stimmung an der Hochschule auch außerhalb Ihrer eigenen Statusgruppen wahr und ernst, vermeiden Sie eine weitere Eskalation, beenden Sie die Generalverdächtigung einzelner Interessensgruppen, und suchen Sie die sachliche und ergebnisoffene Auseinandersetzung mit allen Angehörigen unserer Universität!"

Ein Mitglied der zentralen Universitätskommission für Studium und Lehre wird "aus den Erfahrungen, die ich während meiner Arbeit als studentisches Mitglied in der LeKo gemacht habe" noch deutlicher: "Die Politik des Rektorats und der professoralen Senatorinnen und Senatoren zum Thema Studiengebühren war von Anfang an eskalierend und darauf aus, die undemokratischen Strukturen an der Universität für ihre neoliberalen Interessen zu missbrauchen".

Gegen die übliche Sachzwanglogik wendet der Gremienvertreter ein: "Die sklavische Haltung des Rektorats gegenüber der Landesregierung zeigt, dass jegliches Verständnis für soziale und politische Verantwortung fehlt. Würden Rektorat und Senat soziale Werte und Courage haben, könnten sie sich Seite an Seite mit dem AStA für ein gebührenfreies Studium einsetzen. Aber dies ist ganz klar politisch nicht gewollt!"

--- Offene Briefe im Wortlaut:  http://besetzung.kollima.de/index.php?id=293 ---


Für Aufregung und Empörung bei vielen GebührengegnerInnen hat das Verhalten des AStA in den letzten Wochen geführt. Das Gremium, das sich im wesentlichen aus Vertretern der "Grünen Hochschulgruppe" rekrutiert, war noch im wenige Wochen zurückliegenden Wahlkampf und bei der anschließenden AStA-Wahl mit der Vorgabe angetreten, sich weiterhin entschieden für ein gebührenfreies Studium einzusetzen. Nun verabschiedet sich der AStA in einer Art vorauseilendem Gehorsam mit schnellen Schritten von seiner Basis. Wie die "taz nrw" vom 5.8.06 zu berichten weiß, "nähern sich Unileitung und Studierendenvertreter [nun] an".

Damit nicht genug. Am 3.8.06 hat in den Räumen des AStA der Uni Bielefeld ein Gespräch zwischen den AStA-Vorsitzenden und dem örtlichen Staatsschutz stattgefunden - eine Begebenheit, die allerdings auch im AStA alles andere als unumstritten ist. Der AStA hat damit offensiv an einer politischen Kriminalisierung der GebührengegnerInnen mitgewirkt, denn nur für diese ist der Staatsschutz zuständig und seine Beteiligung zu rechtfertigen.

Auch eine Woche nach dem Treffen mit dem Staatsschutz hat der AStA es noch nicht für nötig befunden, die Studierenden über Ablauf und Inhalt des Gespräches zu informieren. Somit bleibt unbekannt, ob eine unmittelbare Gefährdung für die nach bekanntem Schema vom Staatsschutz beobachteten Personen und Gruppen entstanden ist.


Allerdings ist auch Land in Sicht. In Diskussionsforen der GebührengegnerInnen mehren sich die Stimmen, die eine Reorganisierung der Proteste fordern. Es kann davon ausgegangen werden, dass diese nur ebenso fernab der offiziellen studentischen VertreterInnen wie auch radikaler Protestformen zu realisieren ist.

Eine weitere Hoffnung vieler Studierender liegt in der eingereichten Klage zweier Senatsmitglieder, die von der entscheidenden Sitzung zur Gebühreneinführung durch den Sicherheitsdienst der Uni ausgesperrt worden waren. Schwer einzuschätzen bleiben die möglichen Folgen, sollte auch dieser Hoffnungsschimmer zunichte gemacht werden.
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Ergänzungen

Presse

Milli tanzt 12.08.2006 - 03:10
BMW des Uni-Rektors angezündet

Zweite Attacke auf Privateigentum von Professoren / Die Polizei hat das verkohlte Wrack sichergestellt

Bielefeld. Brandstifter haben am frühen Freitagmorgen das Auto des Uni-Rektors Dieter Timmermann angezündet. Timmermann hatte den 5er-BMW vor seinem Haus in Dornberg abgestellt. Der Gelehrte und einige Nachbarn sahen gegen 2 Uhr, dass das Auto brannte, und sie riefen die Feuerwehr. Vom Wagen ist nur ein verkohltes Wrack übrig geblieben.

Nach etwa 20 Brand- und anderen Anschlägen in der Universität waren jetzt mehrere Nächte ohne brennende Papierkörbe oder Toiletten vergangen. Timmermann hatte gehofft, der Spuk sei vorbei. "Überrascht" war er, als nun sein Auto brannte. Anzeichen dafür habe es nicht gegeben, keine Drohbriefe oder sonstige Attacken in Richtung seiner Person. "Ich gehe gelassen damit um, was soll ich sonst machen", sagt Timmermann. Im NW-Interview hatte Dieter Timmermann am 7. August für einen gemeinsamen Aufruf von Rektorat, Senat, AStA und Fachschaften geworben, die Gewalt unverzüglich zu beenden.

Der Brandanschlag auf das Auto des Uni-Rektors ist der zweite, bei dem die Täter privates Eigentum von Senatsmitgliedern beschädigen. Vor drei Wochen hatten Unbekannte das Haus eines anderen Professors mit Unrat beworfen. Jenen Fall verfolgt die Polizei nicht, den des abgebrannten Rektorenautos sehr wohl. Die Ermittler haben die Überreste des BMW abgeschleppt und sichergestellt. Am heutigen Samstag wird ein Sachverständiger den Wagen begutachten.

Weil anzunehmen ist, dass die Anschläge mit dem Studiengebühren-Beschluss des Senats zusammenhängen, ermittelt der polizeiliche Staatsschutz, der zuständig ist für politische Straftaten. Obwohl Uni und Staatsanwaltschaft 6.000 Euro Belohnung ausgesetzt haben, arbeiten die Fahnder mit dünnen Erkenntnissen. Konkrete Hinweise gibt es nach Polizeiangaben weiterhin nicht.

Auch die Auto-Anzünder haben keine handfeste Spur hinterlassen. Gegen 1.30 Uhr müssen sie zum Haus des Uni-Rektors geschlichen sein. Der hatte seinen schwarzen Wagen vor seinem Haus auf der anderen Straßenseite abgestellt. Wahrscheinlich haben die Täter einen Brandbeschleuniger benutzt, um den Wagen zu entflammen.

Gegen 2.10 Uhr rückten zehn Wehrleute von Berufsfeuerwehr und Löschabteilung Großdornberg an. Einsatzleiter Joachim Rath ließ das Auto erst mit einem C-Rohr löschen. Als er feststellte, dass Benzin auslief, legte die Feuerwehr obendrein einen Schaumteppich auf den brennenden Kraftstoff, damit die Flammen nicht auf in der Nähe geparkte Autos übergreifen. Der Brand war relativ schnell gelöscht. Um 3.10 hatte die Feuerwehr das restliche ausgelaufene Öl und Benzin abgestreut und beendete den Einsatz. Andere Autos sind nicht beschädigt worden, niemand wurde verletzt.

Wie nach anderen Anschlägen hat sich gestern per Pressemitteilung der AStA gemeldet: "Mit Empörung" habe man von der Zerstörung des Autos erfahren. Der Brandanschlag stelle "eine neue Qualität der Sachbeschädigung" dar, er sei nicht zu rechtfertigen. Dem stimmt Uni-Sprecher Ingo Lohuis zu und sagt, die Uni sehe Proteste gegen den Studiengebühren-Beschluss als legitimes Mittel der Auseinandersetzung. "Wir unterscheiden zwischen Straftätern und Protestierenden."

(Neue Westfälische, 12. August 2006)

Feueralarm an Unis

Junge Welt 12.08.2006 - 05:05
31.07.2006
Brände an Hochschulen in Göttingen, Bielefeld und Münster. Ein Feuerwehrmann starb bei Löscharbeiten. Vor Ermittlungen diverse Spekulationen über mögliche Urheber
Reimar Paul
An mehreren deutschen Hochschulen hat es in den vergangenen Tagen gebrannt. Betroffen waren die Universitäten in Göttingen, Bielefeld und Münster. Während die Brandursachen offiziell nicht geklärt sind, wird viel über mögliche Zusammenhänge und Urheber spekuliert.

Das folgenschwerste Feuer brannte in der Nacht zu vergangenem Freitag im Keller des Göttinger »Socio-Oeconomicums«, dem Gebäude der Wirtschafts- und Sozialwissenschaftlichen Fakultät auf dem Uni-Campus. In einem stundenlangen Einsatz bekämpften über 100 mit schwerem Atemschutzgerät ausgerüstete Feuerwehrleute Flammen und Qualm. Einer von ihnen starb bei den Löscharbeiten, ein weiterer erlitt eine Fraktur, sieben mußten mit Rauchvergiftungen im Krankenhaus behandelt werden.

Durch massiven Schaumeinsatz gelang es schließlich, das Feuer weitgehend unter Kontrolle zu bringen. Bis Freitag mittag dauerten die Löscharbeiten an. Das genaue Schadensausmaß stand am Sonntag noch nicht fest, das Gebäude muß möglicherweise abgerissen werden. Die Polizei hat den Brandort versiegelt und will am heutigen Montag die Ermittlungen aufnehmen.

Durch das Feuer brannte auch das von Studierenden selbstverwaltete Café Kollabs aus. Der alternative Göttinger Internet-Infodienst »Goest« hatte nach eigenen Angaben am Donnerstag abend die Nachricht erhalten, das Café Kollabs brenne – Feuerwehr und Polizei sprachen dagegen vom Kellergeschoß insgesamt. Die »Goest«-Redaktion erinnerte in diesem Zusammenhang an mehrfache Versuche der Unileitung, das Cafe zu schließen, und an den Brandanschlag auf eine linke Ausstellung im Juli 2003 im Keller eines am Campus gelegenen Studentenwohnheims.

Fast zeitgleich zu den Göttinger Geschehnissen hielten zwei Brände und mehrere Fehlalarme die Polizei in Münster auf Trab. Am Donnerstag mittag wurde dort laut Pressemitteilung zunächst ein Feuer in einem Kabelschacht im Keller des zentralen Universitätsgebäudes entdeckt. Kurz darauf brannte ein Elektro-Verteilerkasten in einem anderen Haus der Hochschule. In beiden Fällen gehe man von vorsätzlicher Brandstiftung aus, hieß es. Gleichzeitig sollen Unbekannte in weiteren Universitätsgebäuden Fehlalarme ausgelöst haben.

In der Bielefelder Uni schlug ebenfalls am Donnerstag abend ein Rauchmelder an. Die alarmierte Feuerwehr löschte daraufhin Feuer in einer Damentoilette. Dort hätten Unbekannte einen kleinen Mülleimer in Brand gesetzt, berichtet die Polizei. Der Staatsschutz nahm die Ermittlungen auf.

Im linken Internet-Infodienst Indymedia weiß ein Schreiber noch von weiteren Brandanschlägen an der Bielefelder Hochschule zu berichten. Er stellt sie in Zusammenhang mit Protesten gegen Studiengebühren. »An der Universität Bielefeld setzt sich der Widerstand gegen die Einführung allgemeiner Studiengebühren auch in den Semesterferien fort«, heißt es in dem Indymedia-Bericht. Dabei nähmen »demonstrative Aktionen« zu. So sei es »mindestens zu zwei feurigen und erlebnispädagogisch wertvollen« Widerstandshandlungen gekommen.

Für Aufsehen hatten an der Uni Bielefeld zuletzt auch andere Aktionen gesorgt. Zunächst entwendeten Unbekannte einen Generalschlüssel, der dem Spiegel zufolge in rund 10 000 Schlösser an der Hochschule passen soll. Und in dem offenbar mit diesem Schlüssel geöffneten Zimmer eines Professors wurden flächendeckend Kuhfladen verteilt. Der Allgemeine Studierendenausschuß geht Presseberichten zufolge indes nicht davon aus, daß es sich bei den Tätern um Studenten handelt.

Mal locker bleiben

egal 17.08.2006 - 01:32
würd mal die bälle flach halten. der asta besteht zum einen nicht nur aus der grünen hochschulgruppe und zum andern fährt er keinen kuschelkurs mit dem rektorat. er steht immer noch klar gegen studiengebühren ein!
es gab nie ein bekennerschreiben oder ähnlichem, dass bedeutet das es überhaupt keinen richtigen hinweis auf studiengebührengegnerInnen gibt. es könnten auch alles möglich andere leute sein. diese pauschalisierung find ich zum kotzen. das klingt mal wieder nach typisch unreflektiertem verhalten. mensch muss doch mal lernen gegebenheiten, organisationen und ihre rolle einzuordnen. das kann doch nicht so schwer sein. es gibt gremien die sind in ordnungen verankert und es gibt leute, die machen anderes. mensch kann nicht alles in einen topf werfen und verlangen das jedeR nach den selben Prämissen handelt.
das reicht glaub ich erstmal!

P.S.: Mensch sollte nie ohne Anwalt mit Polizei sprechen, erst recht nicht mit dem Staatsschutz. Das ist echt blauäugig und naiv!

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