Pretzien: Ein Dorf als Opfer ?

jemand 06.07.2006 15:01 Themen: Antifa
Nach einer neonazistisch movtivierten Bücherverbrennung in Pretzien fand dort gestern eine Einwohnerversammlung statt. Medien waren unerwünscht. Das Dorf sieht sich als Opfer eines Mediendiskurses. Ein Rückblick.
In Folge einer neonazistisch motivierten Bücherverbrennung im sachsen-anhaltinischen Ort Pretzien fand dort gestern eine Einwohnerversammlung statt. Eingeladen hatte der Gemeinderat und die Kirchengemeinde, um öffentlich über die Ereignisse zu debattieren. Der moderierende Pfarrer Holtzt richtet mahnende Worte an die Bürger/innen. Die Geschehenisse stellten einen nicht hinnehmbaren politischen Skandal dar, aus dem KOnsequenzen gezogen werden müssten. Nach den einleitenden Wortes des Pfarrers äusserten sich eine Vielzahl von Einwohner/innen des Dorfes, die zwar die Tat verbal verurteilten, sich jedoch in erster Linie über die Berichte der überregionalen Presse beschwerten. "Verleumdet und mit Dreck beworfen" worden sei der Ort, so ließen sich viele Stimmen vernehmen. Eine Bereitschaft zur selbstkritischen Reflektion der Ereignisse war nur bei einer Minderheit der Teilnehmer/innen erkennbar. Nach einer ersten Gessprächsrunde verlas einer von mehreren anwesenden Tätern eine vorgefertigte Erklärung, in der er sich Namens der Tätergruppe bei Bürgermeister Harwig und der Pretziener Bevölkerung entschuldigte. Ein Wort des Bedauerns über die Tat, oder eine Entschuldigung beim anwesenden Vertreter der Anne Frank Stiftung, fiel nicht. Zum Tumult kam es, als Teilnehmer der Versammlung eine Aufzeichnung der Erklärung durch Medien zu unterbinden suchten. Dabei sollen nach Augenzeugenberichten zwei Kameraleute geschlagen worden sein. Die Erklärung der Täter wurde von den anwesenden Bewohnern mit Beifall quittiert.

Bürgermeister Harwig bekräftigte in seinem Statement seinen Willen, sein Amt als Bürgermeister weiter auszuüben. Hierfür bekam er in zahlreichen Wortmeldungen Unterstützung.
Der Vertreter der Anne Frank Stiftung äußerte sich nach der Veranstaltung zurückhaltend über die Aussichten, das gesellschaftliche Klima im Ort zu verändern. Es käme entscheidend auf die lokalen Akteure an, so Dr. Thomas Heppener, Direktur des Anne Frank Zentrums Berlin. Er hege die Hoffnung, dass die Verantwortlichen den Mut zu den notwendigen Schritten in der Region aufbrächten.
Enttäuscht vom Ergebniss der Versammlung äußerte sich Pfarrer Holtzt. Es sei nicht gelungen, dem Phänomen des Rechtsextremismus in der Region auf den Grund zu gehen.
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Ergänzungen

Hintergrund zum Fall selbst

ydfg 06.07.2006 - 21:15

Zeitungsartikel

Zeitungsleser 07.07.2006 - 12:07
Nach Buchverbrennung bei Sonnenwendefeier
Volksstimme.de 06.07.2006
Bürgermeister tritt aus Linkspartei. PDS aus

Magdeburg ( dpa ). Nach der öffentlichen Verbrennung einer Ausgabe des "Tagebuchs der Anne Frank" in Pretzien ( Landkreis Schönebeck ) hat Bürgermeister Friedrich Harwig politische Konsequenzen gezogen. Gestern erklärte der Kommunalpolitiker schriftlich seinen Austritt aus der Linkspartei, sagte Parteichef Matthias Höhn. Sein Bürgermeisteramt will Harwig zunächst behalten. Höhn bezeichnete den Parteiaustritt als
notwendig und unumgänglich.

Das berühmte Tagebuch des jüdischen Mädchens sowie eine US-Fahne waren am 24. Juni im Rahmen einer Sonnenwendefeier im Gemeindezentrum Pretzien verbrannt worden. Organisiert hatte das Fest der "Heimat Bund Ostelbien", der vom Verfassungsschutz der rechten Szene zugeordnet wird. Der Bürgermeister soll dem Verein selbst angehört haben und steht auch deshalb in der Kritik, weil er junge Leute mit rechter Gesinnung in das Gemeindeleben integrieren wollte. Nach der Buchverbrennung
ermittelt die Staatsanwaltschaft gegen drei Männer im Alter von 24, 27 und 28 Jahren wegen Volksverhetzung.

Der SPD-Bundestagsabgeordnete Niels Annen hat sich "schockiert" über die Buchverbrennung in Pretzien gezeigt. Die Verbrennung des "Tagebuchs der Anne Frank" unter den Augen des Bürgermeisters sei eine "neue Qualität des Treibens neonazistischer Organisationen", sagte der Sprecher der Projektgruppe "Rechtsextremismus" des SPD-Parteivorstandes gestern in Berlin. Die Verantwortlichen müssten mit aller Härte des Rechtsstaates zur Verantwortung gezogen werden, forderte Annen. "Rechtsextremismus und Antisemitismus können und dürfen wir niemals akzeptieren."

Der Vorfall sei eine "schwerwiegende, krasse Grenzverletzung, die das Andenken Ermordeter in den Dreck ziehe", sagte der SPD-Innenpolitiker Dieter Wiefelspütz. Den Tätern sei "mit voller Härte des Gesetzes" zu begegnen, betonte Wiefelspütz.

TV-Bericht über den Vorfall in Pretzien

a-tv 14.09.2006 - 17:19
Sonnenwendfeier in Pretzien:
Fakt auf ARD vom Montag 10.07.2006 21.45 Uhr
Format: wmv Länge: 06:53 min. Größe: 41,6 MB

 http://files.to/get/193984/46757/Fakt_vom_10.07.2006_-_Sonnenwendfeier_in_Pretzien.wmv

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