1649 - die 1. britische Republik

eine Geschichte von Klassenkämpfen 02.07.2006 04:09
Im Jahr 1649 erzwangen Soldatenräte der englischen Parlamentsarmee die Absetzung, Verurteilung und Hinrichtung des Königs Karl I aus dem Hause Stuart, König von England, Schottland und Irland. Die 1. britische Republik wurde auf revolutionärem Wege gegründet. 11 Jahre hatte sie Bestand.
1660 begann die Restauration mit Einsetzung Karl II Stuart als neuen König.
So hatte sich Karl Stuart sein Ende bestimmt nicht vorgestellt, als er 1625 zum neuen König - "von Gottes Gnaden" - von England, Schottland und Irland, zum Titularkönig von Frankreich und anderen Königreichen und zum Oberhaupt - "unter Gott" - der anglikanischen und schottischen Kirche gewählt wurde:
Nach 24 Jahren auf dem Thron zum Tode durch das Beil verurteilt, weil er versucht hatte, "die alten Freiheiten der Nation und ihre Fundamentalgesetze umzustürzen, weil er ein tyrannisches und willkürliches Regiment eingeführt hatte, und weil er aus Machtgier einen Bürgerkrieg begonnen hatte, der das Land mit Blutvergießen und Verwüstung gefüllt hatte".
Mit seine Hinrichtung begann die 1. britische Republik!

In den fast 25 Jahren seiner Regierung hatte Karl I versucht, über die vereinigten 3 Königreiche von England, Schottland und Irland ein absolutistisches Regime zu errichten, daß die gesamte weltliche und geistliche Macht in seinen Händen vereinigte. Steuern und Abgaben wurde ohne Beistimmung des Parlaments erhoben, das Parlament nicht mehr einberufen, religiöse Abweichler verfolgt, politische Widerständler und Parlamentsabgeordnete ins Gefängnis geworfen.
Die englische Justiz und die anglikanischen Priester machten sich zu willigen Helfern ihres Königs bei der Unterdrückung und religiösen Gleichschaltung der eigenen Bevölkerung. Privilegien, Karrieren und Nebeneinkünfte waren die Belohnung für ihre willigen Dienste als königliche Helfer und Mittäter.

Am 23. Juli 1637 begann in Edinburgh/Schottland der offene Widerstand gegen den König und seine Politik.
Als der König durch seinen schottischen Statthalter und religiösen Stellvertreter in Schottland, den Erzbischof Spottiswood, neue religiöse Zermonien und Gesetze einführen wollte, wurden der Erzbischof mit seinen Pfaffen während des Gottesdienstes von der wütenden Bevölkerung mit Stühlen beworfen und der Gottesdienst mit Protesten gestört. Von draußen wurden Steine gegen Fenster und Türen der Kirche St. Giles geworfen. Auf dem Nachhauseweg wurde der Erzbishof und schottische Reichskanzler Spottiswood von der Bevölkerung angegriffen und konnte sich nur mit Blessuren nach Hause retten.
In der Folge schlossen sich der schottische Adel, Bürger, Prediger, Arbeiter und Bauern gegen die religöse und weltliche Unterdrückung zu einer Art "Revolutionären Nationalen Front" zusammen. Der schottische "Covenant" (feierlicher Vertrag/Abkommen) von 28. Februar 1638 ist die Gründungsurkunde des gesamtschottischen Widerstandes gegen die royalistische Unterdrückung.
Der Versuch des Königs, von England aus mit einem Heer den schottischen Widerstand zu unterdrücken, führte zu seiner Niederlage und 1640 zum Einmarsch der revolutionären Schotten in England.
Die Niederlage des Königs und die Anwesenheit der revolutionären Schotten in England gab auch dem Widerstand in England wieder Auftrieb. Der König wurde gezwungen, das englische Parlament für den November 1640 wieder zu berufen.

Mit dem 3. November 1640 beginnt die antimonarchistisch-revolutionäre Phase auch in England. Die Hauptverantwortlichen der königlichen Unterdrückung, der Statthalter von Irland Wentworth-Woodhouse, Fürst von Strafford und der Primas der anglikanischen Kirche Erzbishof von Canterbury William Laud werden auf Hochverrat angeklagt. Sie hätten den König durch ihre Ratschläge verführt, die gesamten Gesetze umzustürzen und ein tyrannisches - absolutistisches - Regime errichten zu wollen. Per Gesetz werden Wenthworth und Laud durch das Parlament zum Tode verurteilt. Durch Massendemonstrationen der Londoner Bevölkerung wird der König im Mai 1641 gezwungen, die Todesurteile gegen seine Mittäter zu unterzeichen - und zu vollziehen.

Nach und nach wird der König und der royalistische Klerus entmachtet. Die radikale Fraktion im englischen Parlament, die aufrührerische Londoner Bevölkerung und die revolutionären Schotten arbeiten bei der revolutionären Umgestaltung des Landes und der Entmachtung des Königs eng zusammen. Auch im Londoner Stadtrat gewinnt jetzt eine radikale antimonarchistische Fraktion das Übergewicht. Die geistlichen Gerichte (High Commission) und das königliche Gericht (Sternkammer) werden aufgelöst, den Bischöfen im Oberhaus wird das Stimmrecht entzogen. Dem König wird das Recht genommen, das Parlament nach eigenem Gutdünken zu vertagen oder aufzulösen.
Als im Januar 1642 der Versuch des Königs mehrere radikale Parlamentsmitglieder verhaften zu lassen, am gemeinsamen Widerstand des gesamten Parlamentes, des Londoner Stadtrats und der Londoner Bevölkerung scheitert, flieht König Karl I Stuart aus London - und beginnt in York den Bürgerkrieg gegen Parlament und Bevölkerung.

Gegen den König, den königstreuen Adel und die royalistischen Banden stellt das Parlament eine Armee auf, deren Freiwillige meistens aus den nicht-anglikanischen religiösen Gruppen kommen, die gegen die Bischofskirche, für eine demokratische und soziale Umgestaltung von Kirche und Staat, und für religiöse Toleranz sind. Nach anfänglichen Niederlagen der Parlamentsarmee unter hochadeligen Generalen, die ihrem Souverän nicht kämpferisch und siegreich mit der Waffe in der Hand auf dem Schlachtfeld begegnen wollten, geht die Führung der Armee auf den Kleinadel und die Bürger über. Die royalistischen Banden werden von der Parlamentsarmee geschlagen und Ende April 1646 muß sich Karl I Stuart den mit dem englischen Parlament verbündeten revolutionären Schotten ergeben, die ihn an die englische Parlamentsarmee ausliefern.

Als englische, schottische und irische Royalisten versuchen, einen neuen Bürgerkireg zu entfachen, und das englische Parlament bereit ist, ein Abkommen mit dem König zu treffen, erhebt sich die englische Parlamentsarmee, von Soldatenräten und revolutionär-republikanischen Offizieren geführt - gegen das englische Parlament:
Sie fordern die Bestrafung des Königs, gleiches Wahlrecht statt Zensus-Wahlrecht und eine revolutionär-republikanische Umgestaltung des Landes.
Am 6. August 1647 rückt die Parlamentsarmee gegen den Willen des Parlamentes in London ein und fordert eine demokratische Neuordnung des Landes und eine Abstrafung des Königs. Doch statt dessen ordnet die Parlamentsmehrheit eine Auflösung der revolutionär-republikanischen Parlamentsarmee an.
Am 6. Dezember 1648 putscht die englische Parlamentsarmee gegen das englische Parlament: 96 royalistische Abgeordnete werden aus dem Parlament ausgeschlossen, 47 von ihnen werden verhaftet.

Am 1. Januar 1649 wird Karl I Stuart von den übriggebliebenen Mitgliedern des Unterhauses auf Hochverrat angeklagt. Seine Bestrafung wurde ausdrücklich deshalb gefordert, "damit keine Obrigkeit fortan ungestraft zu bleiben hoffen dürfe, wenn sie die englische Nation in Knechtschaft oder anderes Verderben bringen wolle".
Als der Hochadel des Oberhauses sich weigert, bei der Aburteilung ihres Souveräns mitzumachen, stellen die Mitglieder des Unterhauses in einem revolutionären Grundsatzbeschluß fest, daß alle Gewalt von Volke ausgeht, daß dem Unterhaus als vom Volk gewählt die höchste Gewalt zusteht, und daß das, was das Unterhaus für Gesetz erklärt, Gesetz ist - auch ohne Beistimmung des Königs und des Hochadels im Oberhaus.
Am 25. Januar 1649 wird Karl I Stuart von der Gerichtskommission des Unterhauses als "Tyrann, Mörder, Verräter und öffentlicher Feind des Gemeinwesens" zu Tode durch das Beil verurteilt - und Tage später hingerichtet.

Mit der Verurteilung und Hinrichtung des Königs beginnt die 1. britische Republik. Sie dauerte gerade mal 11 Jahre!
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Ergänzungen

mach dich erst mal schlau

schlaumischlumpf 02.07.2006 - 05:12

ah bah mach dich schlau

tagmata 02.07.2006 - 08:24
1) geschichte schreibt immer der sieger. insofern:

2) mal pepys lesen, dabei im hinterkopf behaltend, daß der ein royalist war. der mann schreibt unverblümt über die "vernetzung" in der spätrepublikanischen zeit... von den trix, die damals gelaufen sind, könnt sich noch "scheissblümchen" rove ne scheibe abschneiden (oder vielleicht um aller götter die da sein mögen und der welt zuliebe vielleicht doch eher nicht ;-))

3) die 1. (und einzige) englische republik ist zugrundegegangen an:

4) völliger inkompetenz des kleenen cromwell. gawd in heavens, what a fucker... ollie sah nur scheisse aus; sein spross *war* auch noch scheisse.

5) scheissegal-wer-herrscht-wir-machen-trotzdem-unsre-rente-klar-nepotismus

6) schottland & c. - laß die ärsche doch beten wie sie wollen... wir in mitteleuropa hatten 30 jahre krieg (den quantitativ schlimmsten ever, inklu 2. WK), die britischen inseln sind da ja noch echt güstig weggekommen...

(7) repubilk ungleich demokratie) zählt nicht wirklich, denn so weit waren vielleicht irgendwelche dissoziierten käffer in pashtunistan im 17. jahrhundert, aber jedenfalls nicht europa.

aber abgesehen davon: was gibts an dem artikel zu kritteln? gute details, die mensch in kaum einem offiziell sanktionierten geschichtsbuch findet. und dafür ist indy allemal geil: der periphere scheiss. der macht den unterschied zwischen leuten die bloss den nobelpreis kriegen und leuten dies kapiert haben.

guter text zum thema

der nestscheisser 02.07.2006 - 16:19