Aktionstage Abschiebelager Bramsche (1. Tag)

NoLager 06.06.2006 10:25 Themen: Antirassismus
Mehrmals ist es in den letzten Monaten rund um das Abschiebelager Bramsche-Hesepe zu Protesten gekommen (vgl. www.nolager.de). Seit gestern wird nachgelegt – mit einem Camp und neuen Aktionen.
Mehrmals ist es in den letzten Monaten rund um das Abschiebelager Bramsche-Hesepe zu Protesten gekommen (vgl. www.nolager.de). Seit gestern wird nachgelegt – mit einem Camp und neuen Aktionen.

In unmittelbarer Nähe des Lagers haben (Flüchtlings-)AktivistInnen aus dem Abschiebelager und des bundesweiten NoLager-Netzwerks für zweieinhalb Tage ein Widerstandscamp aufgebaut. Hintergrund ist, dass es im Zuge der vielfältigen Aktionen und Proteste zu massiven Repressionen und Einschüchterungen gegenüber den aus dem Lager beteiligten FlüchtlingsaktivistInnen gekommen ist. Konsequenz war, dass sich immer weniger Flüchtlinge überhaupt noch getraut haben, aktiv zu werden. Das Camp soll dem etwas entgegenhalten. Konkret: Den LagerbewohnerInnen soll im Zuge des Camps eine Möglichkeit gegeben werden, sich niedrigschwellig einzumischen, d.h. ohne sich gleich in Auseinandersetzungen mit Bullen am Tor verwickelt zu sehen, so wie das ja (politisch erfreulicherweise!) bei den beiden letzten großen Demos gegen das Abschiebelager im September 2005 und während der Anti-Lager-action-Tour 2004 gewesen ist. Die AktivistInnen aus dem Lager erhoffen sich hiervon eine Stärkung des Flüchtlingswiderstands im Lager.

In diesem Sinne ist es kein Zufall gewesen, dass es gestern vor'm Lager erstmal ruhig mit einem ausgedehnten Kaffee-Trinken, Spiel & Plausch losgegangen ist. Und selbst das war nicht einfach. Denn die Polizei ist einmal mehr mit ein oder zwei Hundertschaften vor Ort gewesen (inklusive Pferdestaffel) – der Eingangsbereich war durch Absperrgitter gesichert, abermalige Angriffe auf den Zaun sollten verhindert werden. So kann es nicht verwundern, dass eingangs zwar viele Flüchtlinge geguckt, sich aber nicht rausgetraut haben. Verstärkt wurde das durch zahlreiche Drohungen, die MitarbeiterInnen der Ausländer- und Sozialbehörden sowie des Sicherheitsdienstes im Vorfeld der Aktionstage gegenüber Flüchtlingen ausgestoßen hatten. So hieß es etwa, dass die, die an den Aktionstagen teilnehmen würden, mit baldiger Abschiebung rechnen müssten. Allein: Das Kalkül ist nicht aufgegangen, am Ende sind es doch rund 80 BewohnerInnen gewesen (nicht zuletzt Kinder), die rausgekommen sind und sich beteiligt haben (die meisten von ihnen wurden beim Rausgehen durch Security-Mitarbeiter und den Lagerleiter Lüdkau höchstselbst fotografiert).

Nach 2 Stunden sind wir dann zum Lager zurückgegangen – viele Flüchtlinge sind mitgekommen. Auf einem Plenum haben einige LagerbewohnerInnen, insbesondere die Kinder, ausführlich über die Situation im Lager berichtet. Im Kern ging es – das hat mit dem Charakter von Bramsche-Hesepe als Abschiebelager zu tun – um die (all-)täglichen Schikanen und Repressionen, mit denen die BewohnerInnen zur so genannten „Freiwilligen Ausreise“ genötigt werden sollen. Es gibt Familien, die bereits seit 4-5 Jahren im Lager wohnen – einzig mit der Perspektive, abgeschoben zu werden oder freiwillig auszureisen (näheres hierzu auf www.nolager.de).
Nach dem Plenum haben sich rund 40 AktivistInnen auf den Weg nach Eggermühlen gemacht und eine besonders rassistische Mitarbeiterin der Sozialbehörde bei sich zu Hause (im schicken Neubaugebiet) aufgesucht. Mit Trommeln, etc. wurde diese in ihrer feiertäglichen Ruhe aufgeschreckt, in einer Rede und mit Flugblättern wurden die NachbarInnen über das Treiben von Frau Ruth Gerdes informiert (Adresse folgt noch).
Auf dem Camp gab es am Abend noch zwei Veranstaltungen: Ein Aktivist von einer Flüchtlingsberatungsinitiative machte die Anwesenden mit den zynischen (Un-)Logiken des Ausländergesetzes vertraut – mit Blick insbesondere auf Bramsche. Die Diskussion kreiste vor allem um die Frage, ob und wie auch mit juristischen Mitteln das Abschiebe- und Schikaneregime politisch (!) bekämpft werden könnte. Konkret ging es um die Frage, wie mit Hilfe exemplarischer Musterprozesse der Widerstand gestärkt werden könnte.
Ab 22 Uhr gabs noch Kino: Gezeigt wurde die Uraufführung eines Kurzclips über die Dachbesetzung im Abschiebelager Bramsche-Hesepe am 2. Mai 2006 sowie weitere Film über Lager und Lagerwiderstand.

Heute steht mehreres auf dem Programm: Ab 10 Uhr gibt es vor dem Lager Theater, Spiel und vieles mehr für Kinder aus dem Lager. Um 11 Uhr besucht eine Deligation von terres des homes das Lager. Ab 16 Uhr wird in Osnabrück demonstriert. Die Demo beginnt mit einer einstündigen Speakerscorner in der Osnabrücker Innenstadt. Ort: Nicolaiort. Am Abend findet in der Uni in Osnabrück ein Hearing zu Bramsche und Europäischer Flüchtlingspolitik statt.
Am Mittwoch wird’s am vormittag noch Aktionen und ein Abschlussplenum geben, danach wird eingepackt...




Creative Commons-Lizenzvertrag Dieser Inhalt ist unter einer
Creative Commons-Lizenz lizenziert.
Indymedia ist eine Veröffentlichungsplattform, auf der jede und jeder selbstverfasste Berichte publizieren kann. Eine Überprüfung der Inhalte und eine redaktionelle Bearbeitung der Beiträge finden nicht statt. Bei Anregungen und Fragen zu diesem Artikel wenden sie sich bitte direkt an die Verfasserin oder den Verfasser.
(Moderationskriterien von Indymedia Deutschland)

Ergänzungen

Offizielle Erklärung über Bramsche

Uwe Schünemann 06.06.2006 - 15:14
Bramsche wichtiger Baustein der Flüchtlingspolitik der Landesregierung

Schünemann: Erfolgreiche Förderung der freiwilligen Rückkehr

BRAMSCHE. Niedersachsens Innenminister Uwe Schünemann hat die erfolgreiche Arbeit in Bramsche zur Förderung der freiwilligen Rückkehr von abgelehnten Asylbewerbern in ihr Heimatland betont.

Schünemann sagte am Donnerstag bei einem Besuch der Zentralen Aufnahme- und Ausländerbehörde (ZAAB) Oldenburg, Außenstelle Bramsche, die Fördermaßnahmen würden sehr gut umgesetzt und angenommen. "Die Zahl der freiwilligen Ausreisen - und damit die humanere Beendigung des Aufent-haltes nicht bleibeberechtigter Ausländer - übersteigt inzwischen die Zahl der zwangsweisen Aufenthaltsbeendigungen um mehr als das Doppelte."

Im vergangenen Jahr seien von den Zentralen Aufnahme- und Ausländerbehörden Oldenburg und Braunschweig 384 Personen in ihre Heimatländer zurückgeführt worden, davon allein 154 aus Bramsche, so der Innenminister. Davon seien 254 Flüchtlinge, die keine Bleibeperspektive hatten, mit den unterschiedlichsten Unterstützungsangeboten freiwillig in ihre Heimatländer zurückgekehrt, davon 117 aus Bramsche.

Die Außenstelle Bramsche ist eine für 550 Bewohner ausgelegte Gemeinschaftsunterkunft nach dem Asylverfahrensgesetz, in der vom Land Niedersachsen Ausländer ohne dauerhafte Bleibeperspektive untergebracht werden. Gemeinsam mit den Flüchtlingen werden in persönlichen Beratungs- und Informationsgesprächen Perspektiven entwickelt, wie und mit welchen Unterstützungsmaßnahmen eine Rückkehr in das Heimatland erleichtert werden kann.

Die Mitarbeiter der Einrichtung beraten und vermitteln finanzielle Unterstützungsmaßnahmen des bundesweiten Förderprogramms REAG/ GARP (Reisebeihilfe, Gepäckkostenzuschuss, Starthilfe) und fördern mit zusätzlichen Mitteln vom Land die Rückkehr der Flüchtlinge. Mit individuellen Hilfen wird der Situation des Flüchtlings und seiner Familie im Heimatland Rechnung getragen. Die Übernahme von Herrichtungskosten für Wohnraum oder die Finanzierung von Medikamentenkosten im Heimatland sind ebenso wie die Beschaffung von handwerklichem und technischem Gerät Mittel, mit denen die freiwillige Rückkehr unterstützt wird. Ein besonderer Schwerpunkt in Bramsche liegt im Angebot von Qualifizierungsmaßnahmen. Zielgerichtete Berufsqualifizierungen (z. B. Tischler, Maler, Maurer, Näherei) durch Praktika und Kurse helfen, die Startchancen im Heimatland zu verbessern.

Der Innenminister wies Vorwürfe zurück, die Einrichtung in Bramsche diene nur der Abschiebung. "Die Fördermaßnahmen zeigen, dass eine freiwillige Rückkehr der abgelehnten Asylbewerber einer Abschiebung in jedem Fall vorgezogen wird." Auch Kritik an der Unterbringung wies Schüneman zurück: "Die Bewohner können die Einrichtung jederzeit betreten oder verlassen. Die medizinische Versorgung erfolgt durch eine Krankenstation sowie durch die zweimal wöchentlich stattfindende Sprechstunde eines Arztes." Die Kosten für Arztbesuche, Krankenhausbehand-lungen und Apotheken trage das Land.

Die in der Einrichtung lebenden Kinder erhielten von drei Lehrern Förderunterricht oder besuchten die übergeordneten allgemein bildenden Schulen.

"Niedersachsen wird nicht nachlassen in den Bemühungen, Flüchtlinge ohne dauerhafte Bleibeperspektive, bei einer Rückkehr und einer Reintegration in ihr Heimatland zu helfen", sagte der Innenminister.

Fotos

JDJL Münster 07.06.2006 - 03:08