BUKO: Privilegien abschaffen

feminist_intervention 31.05.2006 16:06 Themen: Bildung Freiräume Gender
Wie sich das Herrschaftsinstrument Sprache auf linken Veranstaltungen auswirkt, hat sich auf dem BUKO (mal wieder) gezeigt. Ich kritisiere den Ausschluss von Nicht-Studierenden und die Trennung von Theorie und Praxis auf linken Veranstaltungen. Die linke Elite sollte sich erstens darüber bewusst werde, dass sie eine Elite ist und zweitens anders mit ihren Privilegien umgehen.
Kritik am Umgang mit dem Herrschaftsinstrument Sprache in linken Räumen

Innerhalb der „linken Bewegung“ (insofern wir von so etwas sprechen können) gibt es neben den inhaltlichen Konflikten eine schwerwiegende Trennung zwischen den AkademikerInnen (sogenannte Intellektuelle) und den Nicht-Akademikerinnen (Menschen, die sich nicht im Hochschulwesen rumtreiben und nicht an 'intelektuellen' Diskursen teilhaben). Diese Trennung verringert den gesellschaftlichen Einfluss linker Ideen.

Beispiel BUKO
Der BUKO ist mit einer Podiumskission eröffnet worden. Ein Vortrag stammte von Frau Dieffenbach. Um diesen zu verstehen musste Mensch an eine Art zu reden und Begriffen gewöhnt sein, die außerhalb der Hochschulen eigentlich nicht verwendet werden. Ich will hier weder Frau Dieffenbach schlecht machen noch ihren Beitrag inhaltlich bewerten. Ich möchte lediglich eine weit verbreitete Praxis kritisieren, und zwar den Ausschluss von Nicht-Akademikerinnen aus der politischen Diskussion. Ein Weg um diesen Ausschluss zu erreichen ist Sprache. Anders gesagt: Klassische Herrschaftsinstrumente der Elite haben auf einem 'linken' Kongress, der sich ausdrücklich auch an Nicht-AkademikerInnen richtet, eigentlich nichts zu suchen. Der Fakt, dass das trotzdem regelmäßig geschieht (in den verschiedenen workshops sowie auf anderen Kongressen) stößt auf. Dieser Ausschlusses (dabei ist es relativ egal, ob der gewollt oder ungewollt stattfindet) führt nicht nur zur Wiederherstellung von Machtungleichgewichten (Elite bleibt Elite bleibt Elite) sondern auch zur Spaltung einer (möglichen) linken Bewegung. Auf Seite der 'Nicht-Studis' ist Abkehr, Angenervtsein und Sich-Fehl-Am-Platz-Fühlen eine Reaktion. Die Protest-Plakate auf dem BUKO-Gelände haben das unter Anderem zum Ausdruck gebracht. Die Seite der AkademikerInnen redet nur noch mit sich selbst (gewollt oder ungewollt) und bildet dann irgendwann Arbeitsgruppen mit Namen wie „Raus aus dem Elfenbeinturm/STudi-Ghetto/ etc.“
Nun haben ja bereits Menschen vor mir dieses Problem erkannt und kritisiert. Warum tut sich nix?

Warum all dieses „akademische Rumgelaber“ ???
Ich will hier nicht gegen linke Theorie und Diskussion auf 'wissenschaftlichem Niveau' argumentieren. Ich halte das sogar für sehr wichtig um in Bildungseinrichtungen Einfluss (sei er noch so gering) ausüben zu können.
Theoretische Debatten auf eine Ebene zu bringen, die für 'Außenseiter' verständlich ist, ist eine schwierige, aber – meine Überzeugung – machbare Aufgabe. Dass sie nicht wahrgenommen wird, liegt schlicht und einfach daran, dass sie nicht sehr wichtig eingeschätzt wird.
Meine Behauptung lautet: Linke AkademikerInnen stehen nicht außerhalb des Systems, sind nicht frei von Verwertungszwang und Logik, und sind sich darüber nicht genügend bewusst.
Oder, etwas provokativer: Ist der BUKO ein Treffpunkt zur Diskussion der neuesten Dissertationsthemen???
'Bildung ist keine Ware' war mal irgendwann ein populärer Demo-Spruch. Doch! Ist sie längst. Und wenn Du welche hast, dann verkaufst Du sie auch – meistbietend. Als Zahlungsmittel dienen Bekanntheitsgrad, wissenschaftliche Anerkennung, Anstellungen, Ruhm...
WARUM gehen weiße Mittelstandsstudis (eindeutig die Mehrheit der BUKO-Teilnehmenden) zu einem linken Kongress bzw. machen sich die Arbeit, ein Seminar für so einen Kongress
vorzubereiten??? Aus Menschenliebe???

Plündert den Bildungsmarkt!
Das Zugänglich-Machen linker theoretischer Inhalte für Nicht-Studis steht auf der Rangliste der Aufgaben offenbar nicht sehr weit oben. OK, hat vielleicht auch niemand behauptet. Ich möchte aber für die Wichtigkeit dieser Aufgabe sprechen (zum Beispiel für den nächsten BUKO) und zwar im Sinne der Verbindung linker Praxis mit der Theorie.(Dies meine ich für Veranstaltungen, auf denen es dann sowieso um Theorie geht, bei Praxisgeschichten kann das wohl vernachlässigt werden, da spielen andere Ausschlussmechanismen eine Rolle).
Das Außeinanderklaffen der beiden Bereiche ist offensichtlich. Auf linken Treffen/Kongressen/Conventions treten immer wieder personelle Trennungen zwischen 'Bewegungsmenschen' (also denen, die die soli-action organisieren) und 'Inhaltsmenschen' (die sich in die theoretische Debatte stürzen) auf. Ist das schlimm??
Ich denke ja, solange die Anerkennung für diese Leistungen unterschiedlich ist. Das ist sie ganz entschieden in der Welt „da draußen“. Und das „da draußen“ setzt sich unter den Menschen, die zu einem linken Kongress kommen, fort. Vokü machen macht dich nicht unbedingt bekannter/angesehener. Einen Vortrag auf dem Podium halten aber wahrscheinlich schon.
Bildung ist ein Privileg und eine radikale Praxis wäre, dieses Privileg abzuschaffen.
Ich kann mir 2 Ansätze vorstellen. Die einen, wie z.B. die OUBS und andere alternative Unis wollen das Privileg ändern: zugänglich machen, selbstbestimmtes Lernen ermöglichen etc.
Ein anderer Ansatz wäre, die priviligierende Wirkung von Bildung auszuschalten bzw. „Unter-Priviligierte“ einzubeziehen. Das sollte vor allem für linke Kongresse gelten.
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Ergänzungen

2 Missverständnisse

deutschlaender.blogsport.de 31.05.2006 - 19:23
Die Kritik an Vorträge, die durch akademische Sprechweisen Leuten vergraulen, ist richtig. Zwei Missverständnisse im Beitrag sollten trotzdem angesprochen werden.

>Ich will hier nicht gegen linke Theorie und Diskussion auf >'wissenschaftlichem Niveau' argumentieren. Ich halte das sogar für sehr >wichtig um in Bildungseinrichtungen Einfluss (sei er noch so gering) >ausüben zu können.

"Linke Theorie auf wissenschaftlichen Niveau" wird nicht betrieben, "um im Bildungseinrichtungen Einfluss ausüben zu können". Sondern weil die wissenschaftliche Vorgehensweise bestimmte Vorteile hat. Etwa um beleg- und widerlegbare Thesen zu erstellen, diese Anhand der Empirie zu überprüfen, Analysen zu erstellen, Prognosen zu wagen. Wissenschaft ist eine Methode, kein Mittel.

Du machst aber aus der Wissenschaft ein Mittel der Einflusspolitik.

>Theoretische Debatten auf eine Ebene zu bringen, die für 'Außenseiter' >verständlich ist, ist eine schwierige, aber ? meine Überzeugung ? >machbare Aufgabe. Dass sie nicht wahrgenommen wird, liegt schlicht und >einfach daran, dass sie nicht sehr wichtig eingeschätzt wird.

Die Aufgabe, die du als machbar definierst, ist sehr schwierig. Begriffe runterzubrechen auf die Alltagssprache, ohne dass es banal wird, fällt mir z.B. sehr schwer. Jedenfalls: Mit der Frage, ob das als wichtig eingeschätzt wird, hat das nichts zu tun. Es geht vielmehr darum: Machen bestimmte Begriffe Sinn, weil die Inhalte damit besser transportiert werden?

Beiträge die keine inhaltliche Ergänzung darstellen

Verstecke die folgenden 5 Kommentare

Es war ein Gruppenstern

Gender Disorder Requirement 31.05.2006 - 17:02
Ich muß mich mit einem Wort von ihm abfinden, ganz zum Schluß, kurz bevor er in die Plenarräume ging, weil es sehr viel aussagt. Er sagte zu mir:"Der Umgang mit meiner Unfähigkeit wird zu schwer." Das ist sehr schön, das wird ein sehr schöner Tod...Warum gerade durch deine Kritik des BUKO dazu angetan ist, neue Kontroversen und Konzeptionen des Übersetzens gerade derjenigen Inhalte beginnt, die mit der Reflektion des selbstständigen Debattierfreudigkeiten geübt wird.

Smash it up...

Andererseits.....

leser 01.06.2006 - 14:16
Du hast einerseits völlig recht mit deiner Kritik.
Demgegenüber sehe ich aber auch einen weit verbreiteten Anti-Intellektualismus unter vielen Linken.
Ich bin auch nicht mit `nem Fremdwörterbuch unter dem Arm auf die Welt gekommen. Bildung ist anstrengend, na klar. Aber auch notwendig, gerade für Linke. Ich kenne durchaus auch Menschen aus "bildungsfernen Millieus" die sich einiges an Wissen angeeignet haben.
Diese Trennung kommt nicht nur daher, dass die "Studis" zT abheben, sondern auch daher, dass den meisten Theorie einfach egal ist.
"Hauptsache Action, Action, Action; Hauptsache voran, voran, voran; Reflektion, Strategie, was ist das?"
Das ist die zweite Seite dieser Trennungs-Problematik.

BUKO-Podiumsdiskussion - ein Reinfall

Dona 01.06.2006 - 16:28
Also die ganze Podiumsdiskussion war eine reine Fehlorganisation. Katja Dieffenbach hat für alle, die nicht aus dem gleichen Diksussionskontext stammen, völlig unverständliche Sachen erzählt (inhaltlich war es aber nichts anderes als die letzten Jahre...), Raul Zelik hat einen Beitrag vorgelesen, der schon zweo Wochen vorher im ak stand (ziemlich unverschämt mit so einem Vortrag anzutanzen) und Gaston hat veruscht mit wenig Struktur in seinem Vortrag den Rassismus zum neuen Hauptwiderspruch zu machen...
Gaston hat wenigstens etwas mit Bewegungen zu tun, die anderen haben sich da ja schon lange verabschiedet. Mir ist nicht klar warum sie eingeladen wurden. Sie haben sich in Vortrag und Diskussion nicht auf einander bezogen. Leider wurde durch die PodiumsteilnehmerInnen ein gelungener Auftakt verhindert.Eine verpasste Chance

Linke Elite --> Ausbeuter von Morgen?

Ritter Fortinbras 16.06.2006 - 07:44
Heute nutzen sie Ihre Sprache um sich abzuheben, Morgen nutzen sie ihre Sprache zur beeinflussung solcher die sich davon beeinflussen lassen, und dann nutzen sie sie zur festigung ihrer Macht in der Gruppe.
Die Menschen die sich durch Sprache absetzen, werden wie die Politiker von heute eine volksfremde Machtausübung betreiben. Egal welcher Gesinnung sie zu Anfang waren.

3. missverständniss

savas 24.06.2006 - 07:09
möchte noch ma anmerken daß ich es schwach finde, daß du die aufgabe, nicht-theoretiker_innen ins boot zu holen, den leuten überläßt die als sog. expert_innen unterwegs sind. Diese haltung (deine haltung?) finde ich fatal. Meine motivation ist daß was ich nicht verstehe mir selbst beizubringen bzw. selbst zu bestimmen wenn ich was frage. Ich finde daß in "der szene" immer gerne kritisiert wird ohne daß leute sich selbst mit den problemen (der anderen) auseinandersetzen. Hier noch ein paar tipps für dich oder andere:
gründe ein blog wo es drum geht bestimmte begriffe klarer zu kriegen, besuche ein autonomes seminar oder setz' dich mit ein paar freund_innen zusammen und klärt was für euch so unverständlich ist und gehe mit eurem "ergebnis" zu bekannten expert_innen und frage die ob sie nicht bock/zeit haben euch ein bißchen zu helfen.