Abschiebeknast Grünau blockiert (mit Bilder)

Herbert Ernst Karl Frahm 03.05.2006 20:55 Themen: Antirassismus
Mitglieder der Initiave Pro Afrika und der WASG Berlin protestierten heute vor dem Polizeiabschiebegewahrsam Köpenick in der Grünauer Straße gegen die unmenschliche Abschiebepolitik des rot-roten Senats. Gegen 11 Uhr ketteten sich die Aktivistinnen und Aktivisten an das Tor des Berliner Abschiebeknasts.
In den letzten Tagen und Wochen war die Berliner Abschiebepolitik und entsprechende Äußerungen von Innensenator Körting (SPD) wiederholt in die Schlagzeilen geraten. Der angolanische Kriegsflüchtling Prospeiro Antonio Manuel hatte sich mit lautstarken Rufen im Flugzeug seiner Abschiebung widersetzt und der Pilot verweigerte die Mitnahme. Daraufhin wurde er von Beamten der Bundespolizei misshandelt. Bereits zuvor scheiterte eine Abschiebung kurz vor ihrer Durchführung aufgrund eines richterlichen Beschluss. Tagtäglich muss P.A. Manuel mit seiner Abschiebung rechnen. Eine weitere Abschiebung einer ganzen Familie wurde sogar unrechtmäßig durchgeführt: Familie S. wurde deswegen nach ihrer Abschiebung von der UN-Verwaltung UNMIK im Kosovo zurück nach Berlin gebracht.

Etwa zehn Menschen schlossen sich mit einer Stahlkette an das Tor des Abschiebeknasts an, um gegen die Abschiebepolitik zu protestieren und konkret auf das Schicksal von P.A. Manuel aufmerksam zu machen. Ein Transparent und Klebebänder forderten "Hiergeblieben!". Unter den angeketteten AktivistInnen befanden sich Mitglieder der Initiative Pro Afrika sowie Mitglieder der WASG Berlin sowie parteilose Kandidaten ihrer Landesliste. Sie forderten einen sofortigen Abschiebstopp und Aufenthaltsrecht für

- Familie Aydin, die seit 17 Jahren in Berlin lebt, deren Kinder hier aufgewachsen sind, die Berlinerinnen und Berliner sind.

- Familie S., die als Kriegstraumatisierte aus dem Kosovo nach Berlin gekommen sind, und die nach illegaler Abschiebung sogar von der UN-Verwaltung nach Berlin zurückgeflogen wurde, weil nur hier die entsprechende Therapie möglich ist.

- Prospeiro Antonio Manuel, der als 16jähriger Kriegsflüchtling in Berlin Schutz suchte und seit 14 Jahren hier seine neue Heimat gefunden hat.

Nach einer Stunde wies Polizeioberrat Michael Scharnowski seine Beamten an, den Abschiebegegnern die Ketten zu entfernen, die Personalien aufzunehmen und ein Platzverweis auszusprechen. Zuvor sicherte er die Weiterleitung des Anliegens der DemonstrantInnen an Innensenator Körting zu. Knastleiter Kiele zeigte gleich im Anschluss daran die täglich praktizierte Unmenschlichkeit. Prospeiro Antonio Manuels Arzt, der sich zum Besuch angekündigt hatte, durfte auf direkte Anweisung von Kiele aufgrund der Ankettaktion seinen Patienten nicht mehr besuchen. Nur der Besuch von Manuels Frau wurde genehmigt.

Die AktivistInnen der WASG knüpfen mit dieser Aktion an die guten Zeiten der grünen Partei an. Als im Sommer 1983 Cemal Kemal Altun und andere als erste türkische Asylbewerber nach dem Militärputsch in der Türkei 1980 aus Berlin abgeschoben werden sollte, ketteten sich Mitglieder der Grünen, darunter Petra Kelly, vor dem Bundeskanzleramt in Bonn an. Nun bleibt zu hoffen, dass die AktivistInnen der WASG Berlin einen anderen Weg einschlagen und ihren außerparlamentarischen Aktivismus fortsetzen und solchen unterstützen anstatt wie die Grünen zu einer Regierungspartei zuwerden, unter der zwangsläufig unmenschliche Abschiebungen durchgeführt werden.

 http://www.pro-afrika.de/
 http://www.wasg-berlin.de/
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Ergänzungen

korrekte aktion

neuberliner 03.05.2006 - 21:10
Das war ein korrekte Aktion! Auch wenn Parteien immer suspekt sind, haben Leute aus der WASG-Berlin damit gezeigt, dass sie sich dem rassistischen Konsens entgegenstellen. Wenn sie das Parlament auch als Aktionsbühne gegen Rassismus und Arbeitswahn nutzen, sind sie (zumindest für diese Mal, und wahrscheinlich auch zum letzten Mal) eine Alternative zum Nichtwählen.Die Presserklärungen zur Aktion auf der Seite der WASG sind ok.( http://www.wasg-berlin.de/index.php?id=3) Für die WASG sind Flüchtlinge einfach BerlinerInnen bzw. NeuberlinerInnen. Finde ich charmant und witzig.


respekt

a.m. 03.05.2006 - 21:54
Sosehr ich Parteien und Wahlkampf verachte: aber den Rummel um den eigenen Wahlantritt (PDS gegem Berliner WASG) zu nutzen, um gegen Abschiebung zu demonstrieren und im aktuellen Fall Prospeiro Antonio Manuel zu unterstützen, der bisher noch kaumm Öffentlichkeit hatte, finde ich bemerkenswert. In Deutschland erhält man mit solchen Aktionen nämlich keine Stimmen. Deshalb: honorabel.
Weitere Infos zu Prospeiro Antonio Manuel:
Er schloss sich vor ca. 20 Jahren als Jugendlicher in Angola einer bewaffnet kämpfenden Befreiungsbewegung an. Er landete im Knast, wurde gefoltert, musste erleben wie seine Eltern wegen seiner Tätigkeit ermordet wurden. Vor 15 Jahren floh er nach Berlin. Seine Traumatisierungen hat er bis heute nicht verarbeitet. In den letzten Jahren konnte er trotz Jobangeboten keine Arbeit aufnehmen, da er wie alle Flüchtlinge keine Arbeitserlaubnis erhhielt, sowie der Redidenzpflicht unterlag. Die Härtefallkommision hat festgestellt, dass er voll "integriert" ist, perfekt deutsch spricht, und in Angola möglicherweise Gefängnis droht. Die Bedrohung durch die Abhschiebung und die immern noch nicht verabeiteten Taumatisierungen haben bei ihm zu einer massiven Verschlechterung seines Gesundheitszustandes geführt. Dies war der Grund, dass die erste Abschiebung vor einigen Wochen am Flughafen durch einen richterlichen Bescheid gestoppt wurde. Seine zweite Abschiebung hat er durch lautes Rufen im Flugzeug verhindert. Der Pilot verweigerte die Mitnahme. Im Anschluß daran wurde er wahrscheinlich von BGS-Beamten geschlagen.

eingang

war schon mehrmals drin 03.05.2006 - 23:55
ich war da schon öfter drinnen. der abschiebknast hat zwei schleusen. die eine dient a u c h als besuchereingang und hat noch zusätzlich das davorgesetzte gittertor. während der aktion war somit eine schleuse für fahrzeuge nicht passierbar. besucherInnen konnten selbstverständlich über eine kleine nebentüre rein. wenn sich mehr menschen konsequent gegen abschiebung einsetzen würden, könnte der laden auch mal ganz dichtgemacht werden......

Über eine Protestaktion in schwierigen Zeiten

Tom Strohschneider (ND) 04.05.2006 - 01:20
Es ist elf Uhr, als der Schrecken von WASG-Chef Klaus Ernst vor dem Abschiebeknast im Berliner Stadtteil Grünau vorfährt. Den Opel steuert Lucy Redler selbst. Einen Fahrer wird sich die Frontfrau der Hauptstadt-WASG auch im heißesten Wahlkampf für das Abgeordnetenhaus nicht gönnen können. Wenn die 26-Jährige dann überhaupt noch Spitzenkandidatin ist.
Diese Frage interessiert auch die Journalisten am meisten. Immerhin ist die Solo-Kandidatur der Berliner WASG unlängst ausdrücklich missbilligt worden und seit Tagen wird über jene »Maßnahmen« gerätselt, die die Bundesspitze nun gegen den Landesverband ergreifen wird. Doch bevor ein Wort darüber fällt, haben sich Lucy Redler und ein paar andere schon an das Eingangstor des einstigen Frauengefängnisses gekettet. Auch wenn der Berliner WASG im Streit um ihre Kandidatur in gewisser Weise selbst eine Art Abschiebung droht, steht nämlich zunächst etwas ganz anderes auf dem Programm.
Die Aktion in Grünau gilt am Tag vor der Innenministerkonferenz der deutschen Asylpolitik. Neben vielen anderen sitzt auch der Angolaner Antonio Prosperio Manuel in Berlin-Grünau und wartet auf seine Abschiebung. Als 16-Jähriger ist er vor dem Krieg in seiner Heimat geflüchtet und lebt seit 14 Jahren in Deutschland. Neben Redler haben sich auch Sebastian Gerhardt und Michael Kronawitter vor dem Tor angekettet, um »für ein Ende rassistischer Abschottungspolitik« zu demonstrieren. Beide stehen ebenfalls auf der Landesliste der Berliner WASG und die Pressesprecherin der Partei sagt, dass man Abschiebe-Protest und Kandidatur-Streit eigentlich auseinander halten will. Allerdings hat in Berlin der Wahlkampf längst begonnen, weshalb das nicht ganz so einfach ist.
Während vor dem Tor eine Flasche Sonnencreme kreist und die Ketten in der Sonne glitzern, sagt Lucy Redler dann das, was alle erwartet haben: Die Berliner WASG will trotz aller Kritik an ihrer Kandidatur festhalten. Von einem Sonderparteitag, bei dem noch einmal die Basis befragt werden soll, erwartet Gerhardt eine Mehrheit, auch für den Landesvorstand, der dann die Vertrauensfrage stellen will. Für Redler steht aber ebenso fest, dass der Bundesvorstand vorher etwas unternehmen wird. Was, das ist weiterhin unklar. Und dann folgt noch einmal jener Satz: Administrative Maßnahmen seien kein geeignetes Mittel zur Überwindung politischer Differenzen.
Das sieht Polizeioberrat Michael Scharnowski etwas anders. Kurz nach 12 Uhr spricht der Abschnittsleiter von einem Verstoß gegen das Versammlungsgesetz und vom »Rollenspiel« zwischen Polizei und Demonstranten. Scharnowski hat darin die Rolle übernommen, die Aktion der Berliner WASG zu beenden. Das letzte Wort hat dann ein riesiger Bolzenschneider. Jedenfalls an diesem Tag.

Maul aufgemacht!

Linker 04.05.2006 - 10:50

Inhalt des Offenen Briefs

PDS-Basisaktivistin 05.05.2006 - 00:40
Die scharfe Kritik der PDS zeigt sich im offenen Brief deutlich:
"Darin plädiert Klaus Lederer für eine »echte Berliner« Lösung und für eine »Integrationsvereinbarung«, die der Familie Aydin (...) eine Bleibechance eröffnet." (Zitat aus der Presseerklärung der PDS)
Ich denke, dass es eine Verhöhnung der Betroffenen ist, wenn die PDS eine "INtegrationsvereinbarung" für sie fordert, damit sich eine "Bleibechance eröffnet". Das ist die Sprache von Herrenmenschen, die Flüchtlinge maximal tolerieren, ihnen aber keinesfalls Rechte zugestehen. Das ist die Sprache technokratischer, evtl. sozialdemokratischer Verwaltung. Der Koalitionsfrieden wird dadurch sicherlich nicht gefähhrdet. Und Herr Körting hat heute gegenüber dem Tagesspiegel lapidar festgestellt, dass er bei seinen Entscheidungen bleibt. Ein Innensenator spielt Gott. Ein erbärmliches Schauspiel.

Linke Rhetorik

abc123 05.05.2006 - 15:11
wie üblich von der PDS. Bei einem von den Grünen eingebrachten Antrag, der sich für das Bleiberecht der Familie Aydin einsetzt, hat sich die PDS-Fraktion gestern enthalten. Skandalös. Ein Pflegeleichter Koalitionspartner: 2007 in Berlin - 2009 im Bund.

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Die Treue der PDS

antirassistin 03.05.2006 - 21:28
Das schlimmste ist, dass viele Menschen immer noch glauben, dass die PDS in dieser Regierung irgendetwas für die von Rassismus, Lohnrsenkungen und Sozialabbau Betroffenen erreichen kann. Im konkreten Fall der Abschiebungen hat die PDS als Koalitionspartner stramm zur SPD gehalten. Obwohl die Öffentlichkeit (in Form von Tagesspiegel, Berliner Zeitung, TAZ, sogar Boulevardpresse) im Falle der Aydins empört ist, obwohl die UN-Verwaltung im Kosovo sogar eine Familie komplett zurück nach Berlin geschickt hat, weil die Abschiebung illegal im Sinne der UN-Konventionen ist, hat die PDS nicht ihr Maul aufgemacht. Nicht einmal ihr Maul aufgemacht! Geschweige denn Körting wenigstens zu etwas "humanistischer Milde" gezwungen. Das ist erbärmlich! Vielleicht schaffen es ja die WASG-Rebellen die PDS hier zu reizen. Möglicherweise wird die Berliner WASG, sowie ausserparlamentarische AktivistInnen einfach wieder als Spinner und Träumer diffamiert, die noch nicht kapiert haben, wie mensch richtige Politik macht. Wie scheisse und wie dumm macht eigentlich regieren?

Klasse, aber...

warmaldrinne 03.05.2006 - 22:52
...nächstes Mal vielleicht nicht gerade den Besuchereingang blockieren, sondern lieber die Zufahrt fürs Personal?

PDS= Die hartenKämpfer für die Menschenrechte

krasse pds 04.05.2006 - 16:25
ohh, wie süss. die partei der deutschnationalen sozialdemokraten hat einen offenen brief geschrieben. wie krass. der innensenator wird ziteren...

Wahlkampfkommentare

charmant und witzig 05.05.2006 - 15:55
ist das hier die Wahlkampfseite der WASG, die sich programmatisch dem Kampf der PDS verschrieben hat. Elegant, den Wahlkampf als Diskussionsbeitrag im open posting zu gestalten.