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Kirmes, Bier und Bratwurst - 1. Mai in Berlin

JW 01.05.2006 22:23
Wir trauern um den Verlust des Tages der Arbeit. Zumindest in Berlin ist nur noch lächerlich.
Betrachtet man die Ereignisse und Aktionen am Tag der Arbeit in Berlin, so könnte man meinen, es sei alles ganz toll in diesem Land. Es gäbe Vollbeschäftigung, jeder Schulabgänger bekommt einen Ausbildungsplatz, junge Wissenschaftler gehen nach dem Studium direkt an die Arbeit, statt an sinnlose Ausbeuter-Praktika und die Enteignungen und Entwürdigungen durch die Hartz-Gesetzgebung gibt es nicht. So könnte man meinen, wenn sich die heutige DGB-Demo und Kundgebung und den Ersten Mai in Kreuzberg anschaut.

Der DGB lief quer durch Berlin mit mäßiger Beteiligung bis zum Brandenburger Tor. Wer jetzt eine kämpferische Abschlußkundgebung erwartet, liegt falsch. Statt Willen zur Aktion sah man am Brandenburger Tor lediglich eine Unzahl von Bier- und Würstchenständen, selbst die CDU hatte mit ihrer "Arbeitnehmer"-Organisation CDA einen Stand. Die Leute waren mehr mit ihren Plastikbechern voll Bier und der warmen Sonne beschäftigt, als dem Redner Frank Bsirske zu lauschen, der die Forderungen nach Mindestlohn und vieles mehr verkündete. Vielleicht war man resigniert, da man von Gewerkschaften ohnehin nichts mehr erwartet, da dort die guten Beziehungen zum Koalitions-Mehrheitsbeschaffer SPD deutlich wichtiger sind, als wirkliche Veränderungen und Verbesserungen.

Ähnliches Spiel am Nachmittag in Kreuzberg. Daß heute der Tag der Arbeit war, konnte man kaum noch erkennen. Das "MyFest" in Kreuzberg war eher ein großer Rummelplatz, überfüllte Straßen und Cafés und lauter lustige unpolitische Menschen mit Luftballons. Statt Kapitalismuskritik konnten wir den Kapitalismus hautnah erleben: Die Dönerpreise waren fast überall auf 2,50 bis 3 Euro hochgeschraubt. Börsenartige Spielchen auch beim heute so wichtigen Bier: In der vollen Zone im Bereich Adalbertstraße zahlte man 1,50, in den weiter abseits gelegenen Straßen nur 1,20. Angebot und Nachfrage eben. Statt Ausbildungsplätze stellte man den Jugendlichen Basketballkörbe zur Verfügung. Zudem durften einige Jugendliche aus der Umgebung erstmals so etwas wie Macht ausüben. Endlich mal abseits des Schulhofs zuschlagen zu können ermöglichte das Projekt von Bezirksamt und Polizei, indem sie meistens türkische Jugendliche zu Hilfssherriffs erklärte. Dementsprechend sah man viele sich für äußerst wichtig nehmende Kinder mit Knopf im Ohr. Morgen gehts dann wieder in die Verwahranstalt Hautschule oder in die Arbeitsloigkeit.

Nicht, daß ich den sinnlosen Randalen der letzten Jahre nachtrauern würde - den eigenen Bezirk, der immer noch vorwiegend von sozial Schwachen bewohnt wird, zu Kleinholz zu verarbeiten, ist große Schafscheiße - vielmehr finde ich es schade, daß dieser Feiertag, für den die Arbeiterbewegung so lange kämpfte, einfach zu einem lustigen Straßenfest verkommt. Politisches beschränkte sich in Kreuzberg auf ein paar Stände von Parteien und Organisationen am Mariannenplatz, die spontane 18-Uhr-Demo (wenn man sie denn politisch nennen will) versackte am Ende nur in den feiernden Massen am Mariannenplatz.
Es wird wohl im Laufe des Abends noch die üblichen Ausschreitungen geben, von Kampfstimmung, von der Präsentation der Stärke derjenigen, die den Reichtum schaffen, keine Spur. Gefreut haben sich heute in Kreuzberg vor allem die Dönerläden-Besitzer, die machten das Geschäft des Jahres und die Kinder, die endlich mal draußen spielen konnten, ohne dauernd von der Blechlawine gefährdet zu werden.
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Ergänzungen

Es gab noch mehr in Berlin

nix 02.05.2006 - 01:28
Auch wenn deine Eindrücke zu diesem lächerlichen "Myfest" richtig sind, es gab auch noch Euromayday: Tausende auf einer europaweit Vernetzten Protestdemonstration gegen Prekarisierung und Fremdbesimmung des Lebens.
Gewerkschaften und Myfest-Touris sind nicht die Welt...

Mayday super!

really prekär 02.05.2006 - 11:31
Der mayday in Berlin war super! Es wurden ständig Parolen durchgegeben, es gab haufenweise Zwischenkundgebungen mit Redebeiträgen (vor dem ehemals besetzten sozialen Zentrum in der Glogauer, vor der Rütli-Schule, vor dem Rathaus Neuköln und auf dem Hermannplatz), es haben sich sehr viele Leute, vor allem MigrantInnen, spontan angeschlossen, die Reaktionen aus den Häusern waren positiv und am Schluss gab es noch ein Umsonstbuffet und ein Konzert mit Obrint Pas auf dem Hermannplatz. Die Bullen meinten es seien 5.500 Leute, also würde ich mal sagen es waren etwa 8.000 (in Neuköln, auf dem Hermannplatz waren dann weniger, viele sind dann gefahren).
Es ging gegen Rassismus und Abschiebungen, gegen Hartz IV, Zwangsumzüge und gegen Kapitalismus. Es gab viele Redebeiträge von migrantischen Gruppen und Initiativen, vom Drugstore, vom Bethanien, Interkomms und FelS.

Also es war definitiv die gelungenste und beste Demo seit Jahren und ein absoluter Lichtblick dafür wie der 1. Mai laufen kann.

Da nützt das pöbeln und nörgeln diverser Traditionsliebhaber nix. Wer nicht da war, hat was verpasst und wer da war, kommt bestimm im nächsten Jahr wieder!

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