Revision von Projektwerkstättlern verworfen

frau zwölf 31.03.2006 17:48 Themen: Repression
Der ‚große’ politische Prozess gegen zwei Aktive aus der Projektwerkstatt ist nahe an das Ende des Rechtsweges angelangt. Das Oberlandesgericht Frankfurt verwarf mit Beschluss vom 16. März ( http://www.projektwerkstatt.de/antirepression/prozesse/revision/olg_ablehnung.htm) die Revision der Angeklagten. Damit ist das Urteil des Landgerichts Giessen rechtskräftig: Dieses hatte die beiden Aktivisten am 3. Mai 2005 nach einem umfangreichen Prozess ( http://www.projektwerkstatt.de/antirepression/prozesse/haupt2instanz2.html), der allein über 15 weitere Strafverfahren wegen Falschaussagen, Körperverletzung, Beleidigungen nach sich zog, zu 8 Monaten Freiheitsstrafe ohne Bewährung bzw. zu 50 Tagessätzen verurteilt. Alle Anklagepunkte bezogen sich auf politische Aktionen – vom Vorwurf veränderter Wahlplakate bis hin zu Widerstand gegen die Staatsgewalt.
Revision von Projektwerkstättlern verworfen
Oberlandesgericht bestätigt politische Justiz

„Die Fehler im Berufungsverfahren waren grotesk – wir müssen aber damit rechnen, dass auch das Oberlandesgericht auf politischen Druck handelt“ hatte einer der beiden Angeklagten bei der Einreichung der Revision spekuliert. Diese Einschätzung hat sich mit dem Beschluss des Oberlandesgerichts (OLG) bewahrheitet. Lange hat das OLG auf sich warten lassen; die Verfassung des zugestellten Beschlusses kann allerdings nicht Schwerpunkt der Tätigkeit des 2. Strafsenat gewesen sein. Die eigentlichen Ausführungen zur Revision umfassen vier knappe Absätze, aus denen keine substantielle Begründung zu entnehmen ist – raumfüllend dagegen werden die Vorwürfe aus den Urteilen wiederholt. Die eigene Befangenheit lässt die Kammer des Oberlandesgericht in der Begründung zur Ablehnung der von den Angeklagten vehement geforderten Beiordnung durchblicken (Fehler im Original): „Eine abweichende Beurteilung kann sich auch nicht daraus ergeben, daß die Angeklagten in extensiver Wahrnehmung ihrer prozessualer Rechte , insbesondere der Erhebung zahlreicher formeller Rügen, eine vermeintlich schwierige Sach- und Rechtslage zu schaffen versuchen.“ Suggeriert wird, dass der zwölftägige Prozess inklusive gehäufter Falschaussagen oder vorbelasteter Schöffen nicht aus sich heraus komplex gewesen ist. Zudem wird die Selbstverständlichkeit, sich vor Gericht entsprechend zu verteidigen, in Frage gestellt bzw. gegen die Angeklagten gewendet.


Hintergrund des Verfahrens

In den letzten zweieinhalb Jahren wurde Giessen zeitweise von einer bunten Mischung offensiver, politischer Aktionen „überrollt“ – im Mittelpunkt stand der Widerstand gegen die autoritäre Zuspitzung von Politik. Ein wichtiger Aufhänger war die Ende 2002 verabschiedete „Gefahrenabwehrverordnung“ ( http://www.projektwerkstatt.de/gav/texte/gav.html) der Stadt Gießen, aber auch verschiedene Wahlen ( http://www.antiwalseite.de.vu) oder die rigide Abschiebepolitik (ein aktueller Fall:  http://www.de.indymedia.org/2006/03/141266.shtml). Die zahlreichen Interventionen – vom Straßentheater, Jubeldemos bis hin zu fingierten Behördenschreiben – sogenannte „Fakes – sorgten bei den Stadtoberen wie auch der Polizei für wachsenden Unmut, die dem überraschend hilflos gegenüber stand. Eine wild um sich schlagende Repression, eine unüberschaubare Anzahl eingeleiteter Ermittlungsverfahren und erfundene Tatvorwürfe zwecks Kriminalisierung der Handelnden waren die Antworten. Der bekannteste Name unter den Scharfmacher gegen die Aktiven aus dem Umfeld der Projektwerksatt dürfte Volker Bouffier ( http://www.projektwerkstatt.de/bouffier) sein – hessischer Innenminister und ehemaliger Kreisvorsitzender der CDU Giessen.


Konsequenzen

Mit dem umfangreichen Verfahren und dem harten Urteil gegen die Aktivisten sollen alle eingeschüchtert werden, die sich den sich ausbreitenden „law and order“-Konzepten, der deutschen Abschiebepolitik und anderen Formen autoritärer Politik widersetzen. Das Oberlandesgericht ist dem politischen Druck gefolgt und hat das eindeutig die politische Urteil bestätigt und nochmals gegen jeden Zweifel abgesichert. Auf dem Gang durch die Instanzen bleibt nun nur noch die Verfassungsbeschwerde. Für den Widerstand gegen Justiz und die autoritären Verhältnisse liefert das rechtskräftige Urteil keinen neuen Grund, höchstens einen weiteren konkreten Anlass. Das Wegsperren, das zielgerichtete Zerstören sozialer Existenzen, ist keine auf Polit-AktivistInnen beschränkte Ausnahme, sondern eine Normalität, welche jeden Tag Menschen trifft, die mit der herrschenden Ordnung und ihrer Eigentumslogik in Konflikt geraten. Daher sei es unabhängig von ihrem konkreten Fall wichtig, Widerstand gegen das Justiz- und Knastsystem zu organisieren.

Kontakt zu den Verurteilten: 06401-903283, 0174/7640667

- Alle Infos zum gesamten Verfahren:  http://www.projektwerkstatt.de/prozess
- OLG-Beschluss als Scan:  http://www.projektwerkstatt.de/antirepression/prozesse/revision/olg_ablehnung.htm
- Anti-Knast-Seiten:  http://www.weggesperrt.de.vu
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Ergänzungen

reaktionen

nobody 06.04.2006 - 21:03
habe heute, als reaktion auf den OLG-Beschluss, zum einen eine
Gegenvorstellung an das OLG geschickt, zum anderen einen
Befangenheitsantrag gegen die drei beteiligten RichterInnen gestellt.

Beide Anträge sind als HTML und .pdf zu finden unter:
 http://www.projektwerkstatt.de/antirepression/prozesse/revision/olg_ablehnung.htm

Außerdem gab es heute in der GI Allgemeinen (auch auf der Seite
dokumentiert) einen kurzen, relatibv ausgewogenen Text zum OLG-Beschluss,
in dem erwähnt wird, dass in Giessen offenbar ein gefälschtes Flugblatt
mit Privatadresse und Unterschrift von Volker Bouffier verteilt wurde,
in welchem dieser das Urteil begrüsst. Offenbar ein Fake ...

Beiträge die keine inhaltliche Ergänzung darstellen

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huch — interessiert

@aktivisti — sprachpurist