Berufsverbot gegen Antifaschisten

Figrin D'an 06.03.2006 10:01 Themen: Antifa Repression
Seit Mitte Dezember 2003 ist bekannt, dass gegen den Realschullehrer Michael Csaszkóczy, der in der Antifaschistischen Initiative Heidelberg (AIHD) aktiv ist, ein Berufsverbotsverfahren läuft. Nachdem ihm zunächst nur das Land Baden-Württemberg die Einstellung als Lehrer verweigerte und das Berufsverbot somit offiziell machte, zog im Jahr 2005 auch Hessen nach. Die Argumentation lehnte sich hierbei an die des baden-württembergischen Kultusministeriums an, und auch der Verfassungsschutz, der Michael zwölf Jahre lang überwachte, argumentierte in seinem Jahresbericht 2004 nach dem selben Muster.
In einem Brief des Oberschulamtes Karlsruhe wurde Michael Csaszkóczy mitgeteilt, dass Erkenntnisse des Verfassungsschutzes Zweifel an seiner Bereitschaft aufkommen ließen, jederzeit für die „freiheitliche, demokratische Grundordnung“ einzutreten. Die für 1. Februar 2004 vorgesehene Übernahme in den Schuldienst wurde ausgesetzt, und bei einem „vertieften Einstellungsgespräch“ am 21. April 2004 wurde deutlich, dass die Entscheidung des Oberschulamts im Grunde bereits gefallen ist, wobei in erster Linie die von Michael nicht dementierte Zugehörigkeit zur AIHD ausschlaggebend war. Nachdem ihm zunächst nur das Land Baden-Württemberg die Einstellung als Lehrer verweigerte und das Berufsverbot somit offiziell machte, zog im Jahr 2005 auch Hessen nach, wo Michael schon eine schriftliche Einstellungszusage für die Übernahme in das Beamtenverhältnis auf Probe vom staatlichen Schulamt erhalten hatte. Die Argumentation lehnte sich hierbei an die des baden-württembergischen Kultusministeriums an, und auch der Verfassungsschutz, der Michael zwölf Jahre lang überwachte, argumentierte in seinem Jahresbericht 2004 nach dem selben Muster.
Der Ursprung der Berufsverbote liegt im 1972 eingeführten „Radikalenerlass“, mit dessen Hilfe politisch aktive Menschen aus dem öffentlichen Dienst ferngehalten und Gleichgesinnte eingeschüchtert werden sollten. Ab Mitte der 80er Jahre wurde dieses Repressionsinstrument nicht mehr in dieser Form angewendet, ohne dass jedoch die gesetzlichen Grundlagen der Bundesländer gestrichen wurden; so sind sie auch im „Landesbeamtengesetz Baden-Württemberg“ weiterhin verankert – und zwar in einer Form, die weitgehend aus dem NS-Gesetz „zur Wiederherstellung des Berufsbeamtentums“ vom 7. April 1933 übernommen wurde. Darin wurde beschlossen, dass Beamte auch dann entlassen werden können, „wenn die nach vorliegendem Recht hierfür erforderlichen Voraussetzungen nicht vorliegen.“ Des Weiteren regelte es, dass „Beamte, die nach ihrer bisherigen politischen Betätigung nicht die Gewähr dafür bieten, dass sie jederzeit rückhaltlos für den nationalen Staat eintreten, [...] aus dem Dienst entlassen werden [können].“ Die hier allzu offensichtlich erkennbaren Kontinuitäten zum aktuellen Berufsverbotsverfahren verwundern kaum, wenn man bedenkt, dass es von Zöglingen des früheren NS-Marinerichters Filbinger (heute CDU) initiiert wurde. Der ehemalige baden-württembergische Ministerpräsident wird von seiner Partei „wegen seiner besonderen Verdienste“ trotz seiner Vergangenheit als Ehrenvorsitzender gehalten. Und so muss mit umso größerer Entschiedenheit gegen dieses Verfahren vorgegangen werden, mit dem ein Antifaschist von eben jenem schwarz-braunen Milieu überzogen wird.
Die Praxis der Berufsverbote unterscheidet sich grundlegend von anderen staatlichen Repressionsmaßnahmen gegenüber systemkritischen AktivistInnen. Während bei anderen Formen politischer Verfolgung in der Bundesrepublik den Betroffenen ein konkreter Verstoß gegen Gesetze „nachgewiesen“ werden muss, kommt bei den auf dem „Radikalenerlass“ basierenden Verfahren ausschließlich die Zugehörigkeit zu einer politisch unliebsamen Gruppe zum Tragen. Damit werden die politische Meinung und das daraus resultierende persönliche Engagement an sich kriminalisiert, was die inoffizielle (Wieder-)Einführung des „Gesinnungsverbrechens“, wie es aus dem Nationalsozialismus bekannt ist, bedeutet. Eine weitere Besonderheit der Berufsverbote ist ihr vollständiges Losgelöstsein von den staatlichen Strafverfolgungsbehörden, indem an Stelle eines Gerichts das Oberschulamt das Urteil fällt. Grundlegende Informationen zu den einzelnen Fällen kommen vom Innenministerium und dem diesem zuarbeitenden Landesamt für Verfassungsschutz, das dadurch den Status einer Ermittlungsbehörde erhält. De facto bedeutet das die Abkehr von der generellen Unschuldsvermutung, da hier eine Umkehr der Beweislast stattfindet: Die staatlichen Behörden müssen dem Betroffenen kein konkretes Vergehen nachweisen, sondern es liegt an ihm selbst, seine Verfassungstreue unter Beweis zu stellen.
Genau aus diesen Gründen ist Solidarität an dieser Stelle mehr denn je gefragt, nämlich genau deshalb, weil der staatliche Repressionsapparat einen Einzelnen stellvertretend für alle anderen herausgreift und ihn konkret in seiner Existenzgrundlage bedroht.

Gegen Polizei- und Überwachungsstaat!
Geheimdienste abschaffen!
Weg mit dem Berufsverbot gegen Michael Csaszkóczy!

Weitere Informationen unter:
 http://www.gegen-berufsverbote.de
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Ergänzungen

Prozess und Demo gegen Berufsverbote

Perkeo 06.03.2006 - 12:15
Verhandlung in der Sache Michael Csaszkóczy gegen das Land Baden-Württemberg
Freitag, 10. März 2006, 9.30 Uhr - Karlsruhe
Verwaltungsgericht Karlsruhe, Röntgenstr. 2a
ab 9.00 Uhr Mahnwache vor dem Verwaltungsgericht in der Röntgenstraße

Demonstration gegen Berufsverbote!
Samstag, 25. März 2006, 12.00 Uhr - Karlsruhe Kronenplatz
Es rufen auf:
Antifaschistische Initiative Heidelberg (AIHD), Rote Hilfe, Organisierte Linke Karlsruhe, VVN/BdA Baden-Württemberg, DKP Baden-Württemberg, DKP Hessen, Linkspartei.PDS Baden-Württemberg, WASG Baden-Württemberg, GEW Baden-Württemberg, GEW Hessen, Solidaritätskomitee gegen Berufsverbote

Siehe auch:
 http://www.gegen-berufsverbote.de/index1.php?section=ka-demo&PHPSESSID=ce42118ee869e141c749d79605cd2368

Video-DVD zum Thema:

freundeskreis v i d e o c l i p s 06.03.2006 - 15:00
erhaeltlich bei uns gegen spende:


Berufsverbot gegen Mitglied der Antifaschistischen Initiative Heidelberg (AIHD) -

Länge: 40 min

Eine Veranstaltung in der Humboldt-Universität, Berlin, 2.11.2004
mit:
Michael Csaszkóczy (Berufsschullehrer und Mitglied der Antifaschistischen Initiative Heidelberg (AIHD) und
Prof. Dr. Kutscha (Dozent an der Fachhochschule für Verwaltung und Rechtspflege, Berlin; Fachgebiete: Staats- und Verwaltungsrecht).
OrganisatorInnen: Kritische JuristInnen am Fachbereich Rechtswissenschaften der Freien Universität Berlin,
akj - Berlin – Arbeitskreis Kritischer Juristinnen und Juristen und die Rote Hilfe e.V., Berlin.

(01) Berlin, 02.11.04 – Interview mit Michael Csaszkóczy zu dem gegen ihn verhängten Berufsverbot als Realschullehrer - 7:00
(02) Berlin, 02.11.04 – Veranstaltung, Teil 1: Vortrag von Prof. Dr. Kutscha – „Berufsverbote im öffentlichen Dienst der BRD seit den 70er Jahren“ – 11:35
(03) Berlin, 02.11.04 – Veranstaltung, Teil 2: Ablauf und Begründung für das Berufsverbot – 9:00
(04) Berlin, 02.11.04 – Veranstaltung, Teil 3: Kritik am Verfassungsschutz, Motive für Berufsverbote – 12:00

Antifa-Demo in Ludwigshafen!!

xy 06.03.2006 - 16:54
Am Samstag den 11.3 findet in Ludwigshafen eine Antifa-demo gegen Rechte Strukturen statt.

www.ludwigshafen.ainfos.de

swr vom 10.3.

antifa 10.03.2006 - 23:37
Karlsruhe
35-Jähriger klagt auf Einstellung als Lehrer


Mit der Klage eines Lehramtsanwärters, der wegen seiner politischen Aktivitäten abgewiesen wurde, hat sich das Verwaltungsgericht Karlsruhe befasst. Der fachlich geeignete 35-Jährige war wegen seiner Mitgliedschaft in einer antifaschistischen Initiative nicht als Lehrer eingestellt worden.

Bei der Verhandlung wies der Heidelberger Pädagoge die Anschuldigungen der Behörden zurück. "Bei ihren Fächern Deutsch und Geschichte besteht Anlass zur Befürchtung, dass sie in diesem Unterricht ein Bild unseres Staates propagieren, das von Seiten des Landes als diskriminierend angesehen wird", sagte der Richter bei der Verhandlung. Eine Entscheidung soll am Montag veröffentlicht werden.

Der Kläger, der von der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) unterstützt wird, sagte, er stehe hinter den umstrittenen Veröffentlichungen seiner politischen Gruppe. Ihm sei bislang aber noch nie vorgehalten worden, "die Schüler zu beeinflussen oder zu indoktrinieren."

Die frühere Stuttgarter Kultusministerin Annette Schavan (CDU) hatte die Ablehnung im August 2004 mit der Gesinnung der als linksextrem eingestuften Gruppe begründet. Diese befürworte Militanz und stelle sich gegen die freiheitlich-demokratische Grundordnung, betonte der Vertreter der Schulbehörde vor Gericht erneut. Auch in Hessen war eine Bewerbung des Realschulpädagogen abgelehnt worden.


Quelle:
 http://www.swr.de/nachrichten/bw//id=1622/nid=1622/did=1134040/1mequxw/index.html