Gegenkampagnen zu "Du bist Deutschland"!

Deutschlandkritiker 08.12.2005 17:39 Themen: Antifa Medien
Alle zusammen gegen Deutschland! Gegenkampagen und Internetseiten gegen die hurra-patriotischen Verblödungversuche von „Du bist Deutschland“

Wie jeder von euch schon mitbekommen haben dürfte werden wir seit Ende september von der Kampagne „Du bist Deutschland“ gefoltert. Dagegen haben sich verschiedene Gegeninitative wie „Deutschland-raus-aus-den-Köpfen.de“, „Du-Disst-Deutschland“ oder „ich bin nicht Deutschland“ gegründet , die hier kurz vorgestellt werden sollen. Doch voher gibt’s noch mal eine Übersicht was den so bisher passiert ist und was „Du bist Deutschland“ eigentlich ist.
Die Kampagne:

Seit Ende September läuft nun die „grösste social-marketing“ Kampagne der jüngeren deutschen Geschichte „Du bist Deutschland“. Wie jeder schon mitbekommen habe wird haben sich dort 25 Medienunternehmen unter der Führung von „Hilters besten Lieferanten“, der Bertelsmann AG zusammengefunden um uns nachhaltig einzureden das Deutschland was ganz tolles ist und wir stolz sein können dazu zu gehören. Das ganze Kostet 30 Millionen Euro und soll zum Ziel haben „Initialzündung einer Bewegung für mehr Zuversicht und Eigeninitiative in Deutschland“ zu sein und die Deutschen zu „mehr Selbstvertrauen und Motivation“ anzustoßen. Es geht also um die Schaffung eines neuen „Deutschen“ Nationalbewusstein, das den etwas fatalistischen Beigeschmack des alten deutschen Nationalismus (Nazis und so) beiseite lässt zugunsten eines offenen, toleranten und multikulturellen Nationalgefühls. So weit so schlecht. Dazu werden Einstein und verschiedene andere Personen die sich eines aggressiven Deutschen Selbstbewussteins aus guten Gründen verweigerten oder dessen Opfer wurden mit Nazi-Tätern wie Ferdinand Porsche oder Hr. Thyssen auf eine Stufe gestellt. Ein Vorgehen das der antifaschistischen Linken noch von dem Bombardement-Gedenken in Dresden und Halbe oder der Debattte um das Mahnmal der Vertriebenen in Erinnerung sein dürfte. Neu ist die Penetranz und die Breite mit der die Kampagne gegen jeden aufklärerischen Gedanken kämpft. In den 80ern und auch Mitte der 90er wäre so was undenkbar gewesen. Mit der Ablehnung des Irak-Krieges und der erfolgreichen Instrumentalisierung der alt-68er durch Rot/Grün um Deutschland einen „bunten & humanen“ Anstrich zu verleihen haben sich die Paradigma deutlich verschoben. Formulierte zum Bespiel der Schriftsteller Günter Grass noch Anfang der 90er Jahre „Deutschland denken heisst Auschwitz denken“ macht er heute Propaganda für „Du bist Deutschland“ und schreibt Bücher über ertrunkende Nazi-Flüchtlinge. Wen er heute Deutschland denkt, denkt er augenscheinlich nicht mehr Auschwitz sondern die deutsche „Friedensmacht“ und eine alternative zum „Unilitarismus“ der USA. Auch in der Popkultur hat sich einiges geändert. War es vor paar Jahren noch schick Deutschland scheisse zu finden, gehen Musiker wie Mia und Fler heute offen mit ihre Liebe zu Deutschland hausieren. Bei angeblichen Linken Politikern verhältniss sich nicht anders. Legendär wurde die ehemalige PDS-Vorsitzende Gabi Zimmer mit ihrem ehrlich vorgetragenen „Ich liebe Deutschland“

Das Volumen

Wenn die Macher von der Werbeagentur richtet gerechnet haben werden 1,6 Milliarden Kontakte erzielt. Dies entspricht einer rechnerischen Reichweite von 98 Prozent. Jeder Deutsche soll somit durchschnittlich 16-mal erreicht werden. Das Mediavolumen (Stand 23. September 2005) setzt sich zusammen aus (geklaut von Wikipedia):

Zeitschriften:
· 40 Titel, Auflage in Tausend: 26.072,3
· Kontakte in Mio.: 625,5
· Schaltvolumen: 11.267.051 Euro
Zeitungen:
· 8 überregionale Titel, Auflage in Tausend: 2.195,6
· 13 regionale Titel
· Auflage in Tausend: 2.854,8
· Kontakte in Mio. gesamt: 82,8
· Schaltvolumen gesamt: 5.378.799 Euro
TV:
· 11 Sender
· Kontakte in Mio. gesamt: 761,3
· Schaltvolumen gesamt: 12.500.000 Euro
Kino:
· 1.866 Theater in 343 Orten
· Kontakte in Mio. gesamt: 32,4
· Schaltvolumen gesamt: 984.998 Euro
Plakat:
· 2.326 Mega-Lights (18/1) in 80 Orten
· Kontakte in Mio. gesamt: 84,8
· Schaltvolumen gesamt: 999.994 Euro
Durch die enorme Verbreitung der Kampagne sind natürlich auch die Gegenreaktion denkbar breit. Fast überall findet mensch verschiedenste Leute aus verschiedensten Lebensrealitäten die sich über „Du bist Deutschland“ kräftig auskotzen. Schon Tage nachdem die Kampagne gestartet waren überfluteten Internet-Blogs wie der Flickr-Pool ( http://www.flickr.com/groups/dubistdeutschland/pool/) das Netz mit satierischen Antworten auf die Kampagne. Auch verschiedene Zeitungen kritisierten den dort betriebenen Nationalismus scharf. Die Debatte über „Du bist Deutschland“ und die fragwürdigen Kontinuitäten eines deutschen „Selbstwertgefühls“ spitze sich zu als vor einigen Wochen ein Foto von einer NSDAP-Kundgebung in Ludwisghafen 1935 auftauchte auf der unter einem riesigen Hitler-Porträts die Worte: Denn du bist Deutschland prangerten.( abgebildet in dem Buch „Ludwigshafen - Ein Jahrhundert in Bildern“ des Stadtarchivs Ludwigshafen am Rhein von 1999 (ISBN 3-924667-29-2).) In Leni Riefenstahls Film „Triumph des Willens“ hiess es dagegen noch etwas förmlicher „sie sind Deutschlands“. Ein paar Tage aufregung später, behruigten die Kampagnenmacher, die sich nicht zu Blöd waren der rechtsextremen Wochenzeitung „junge Freiheit“ ein Interview zu geben, die Öffentlichkeit indem sie nochmals betonten „nix davon gewusst zu haben“ und sich von „den nazis zu distanzieren“. Innerhalb des Netzes sind inzwischen spontan hunderte von mehr oder weniger Gelungen Verarschungen und Gegenentwürfen zu „Du bist Deutschland“ entstanden. Etwas schwerfällig als die Blogger-Szene zeigte sich die radikale Linke. Zwar erkannte auch sie sehr schnell das Konflikt-Potential der Kampagne doch dauerte es dann doch paar Monate bis diese aus dem Blumentopf kam. Zwar gab es ein paar Tage nach beginn der Kampagen schon die ersten Flyer, Plakate, Aufkleber und Texte linker Gruppen die sich kritisch auf die Kampagne bezogen , doch dauerte es doch seine Zeit bis daraus handfestere Projekte waren die mehr sein sollten als einzelne Printprodukte oder Statements. Ein erstes Treffen für eine Gegenkampagne fand Mitte Oktober am Rande eines „Jugendkongresses“ von verschiedenen Jugendstrukturen die irgendwie mit der Linkspartei sympathisieren. Nach einigem hin und her ist daraus die Kampagne „Deutschland raus aus den Köpfen“ entstanden. Doch auch andere Spektrum beteiligen sich an der „Nestbeschutzung“. Die Kritik der radikalen Linken bezieht sich neben dem Nationalisus vor allem auf den an zynismus nicht mehr zu übertreffenden Neoliberalismus denn die Kampagen auszeichnet, der suggeriert das mit etwas gute Laune die vorherrschende Perspektivlosigkeit gegen eine gutenbezahlen Arbeitsplatz zu tauschen ist.


Die Gegenkampagnen:

 http://www.wieder-deutschland.de/

Eine sehr schöne Internetseite mit einigen Interessanten Texten zur Kritik an der Kampagne. Das Kernstück der Seite ist neben dem Design der „Orginal-Seite“ was sehr gut kopiert wurde, vor allem die E-Cards mit „Du bist Deutschland-Motiven“ die verschickt werden können um sein Verhältnis zu Deutschland klarzumachen. Ausserdem werden Musterbriefe angeboten um den Machern die Meinung zu schreiben. Eine Beitrag darüber gabs auch schon bei Indy:  http://www.de.indymedia.org/2005/12/134559.shtml

 http://ich-bin-nicht-deutschland.dl.am/
Kommt augenscheinlich eher aus dem Punkrock-Spektrum. Wird von verschiedenen Bands unterstützt unter anderem den Berliner Polit - Skatepunks „ZSK“. Es gibt die möglichkeit T-Shirts gegen Deutschland zu bestellen. Ganz nett.


www.Deutschland-raus-aus-den-Köpfen.de

Scheinbar bisher die grösste und umfassende Gegenkampagne. Zentrales Stück der Kampagne soll die Seite sein auf der eine breite Anzahl von Texten/Motiven/Aufkleber und Plakat-entwürfen/ Flyern/ Mp3s / Videos / sprühschablonen gegen „Du bist Deutschland“ angeboten werden sollen um örtlichen Gruppen die Arbeit gegen Deutschland zu erleichtern. Der Charakter der Kampagne ist „dezentral“. Jede/r soll seine Gegenentwürfe und Texte auf die Seite stellen lassen und jede/r soll sie frei weiterverbreiten können. Seit einigen Tagen ist die Seite der Kampagne jetzt Online. Die Idee scheint meines erachtens die beste, die umsetzung recht professionell doch die Inhalte auf der Seite fehlen zum Grossen Teil noch. Hinter der Kampagne steckt der pds-nahe sozialistische Jugendverband [`solid] (www.solid-web.de), auch wenn die Angebote betont „Strömungsübergreifend“ sein sollen und die zusammenarbeit mit verschiedenen anderen linken Strömungen offensiv gesucht wird. Neben der Kampagne „Deutschland raus aus den Köpfen“ bei der es nach Aussagen von Aktivisten von [`solid]36 nicht darum gehen soll „Werbung für politische Sekten“ zu machen und die deshalb auf Logos von [`solid] oder der PDS verzichtet, bietet [`solid] auch noch Materialen unter dem Motto „Du disst Deutschland“ an, welche vor allem für die Organisation werben soll. Es bleibt zu hoffen, das die dominanz von [`solid] nicht andere Gruppen (aus guten Gründen) abschreckt bei der Kampagne mitzumachen. Eine Zusammenarbeit mit diesem Projekt scheint mir jedoch für die radikale Linke am sinnvollsten.

Erster Konzeptentwurf von Deutschland-raus-aus-den-Köpfen:
 http://forum.solid-web.de/showpost.php?p=85558&postcount=103

Presse:

Interview mit Marco Heinig von [`solid] im Neuen Deutschland (heute):
>> Deutschland sein – oder nicht?

Bundessprecher von [’solid] über eine Kampagne und ihr Gegenstück

ND: Egal ob im Kino, im Fernsehen oder auf den Straßen der Bundesrepublik – überall wird in diesen Tagen für die Kampagne »Du bist Deutschland« geworben. Der Jugendverband [’solid] macht eine Gegenkampagne. Wollen Sie nicht »Deutschland« sein?

Heinig: Nationalstaaten sollten als das gesehen werden, was sie sind: Produkte der Geschichte, mit denen man sich derzeit noch abfinden muss. Sich mit dem Land bzw. Staat, in dem man geboren ist, zu identifizieren, bedeutet aber eine »Schicksalsgemeinschaft« anzunehmen, die ein »Wir-und-die-anderen-Verhältnis« schafft. Das halte ich schlicht für falsch. Schließlich verbindet mich mehr mit den Lohnabhängigen anderer Länder als mit den gesellschaftlichen Eliten des »eigenen« Landes.

Im Rahmen der »Du-bist-Deutschland-Kampagne« der Medienunternehmen wird die Bundesrepublik als demokratischer Sozialstaat dargestellt. Haben Sie andere Erfahrungen?

Es wird verleugnet, dass die Demokratie in Deutschland nur so weit wirkt, wie unser totalitäres Wirtschaftssystem es zulässt. Der Sozialstaat, der zu keiner Zeit wirklich umfassend genug für die große Mehrheit der Bevölkerung war, wird seit Ende der 80er Jahre massiv abgebaut. Aktuelle Stichworte sind da nur Hartz IV und die geplante Einführung von Studiengebühren.

Sie haben Plakate zu einer eigenen Kampagne »Deutschland raus aus den Köpfen« entworfen. Mit welchen Zweck?

Wir wollen mit den durch die Kampagne erzeugten Logiken brechen und dem Betrachter die Möglichkeit ins Bewusstsein rufen, dass man auch anders darüber denken kann. Uns ist dabei klar, dass wir gegen eine millionenschwere Medienkampagne nicht viel entgegensetzen können. Aber wir tun das, was uns derzeit möglich ist. Wer sich darüber informieren will, kann das im Internet auf unseren Seiten www.deutschland-raus-aus-den-koepfen.de und www.solid-web.de tun.

Aber auch zahlreiche Prominente haben erklärt, »Deutschland« zu sein, darunter selbst Künstler mit Migrationshintergrund. Ist es so gesehen nicht etwas an den Haaren herbeigezogen, der »Du bist Deutschland-Kampagne« Nationalismus vorzuwerfen?

Mal abgesehen vom werbestrategischen Kalkül, welches hierbei eine Rolle spielte, kann ein überzogen positiver Bezug auf das Land, welches ja auch nur die Migration zulässt, soweit sie der nationalen Ökonomie nützt, nur als nationalistisch bezeichnet werden. Jeder Einzelne soll nach dem Willen der Kampagnenmacher fragen, was er für »sein Land« tun kann, und nicht, was für einen selbst und vielleicht viele andere das Beste wäre.

Die Kampagne wurde unter anderem von der Bertelsmann AG ins Leben gerufen. Welches Interesse verfolgen Konzerne wie dieser Ihrer Meinung nach mit der »Du bist Deutschland«-Initiative?

Die Bertelsmann AG sieht sich nicht nur wirtschaftlich, sondern auch politisch als gestaltender gesellschaftlicher Akteur. Die Think-Tanks des Unternehmens sind wohl zu dem Schluss gekommen, dass »die Deutschen« ein Motivationsproblem haben. Andererseits wird eingeschätzt, dass die nationalistischen bzw. patriotischen Gefühle in der Bundesrepublik noch nicht stark genug sind. Hier ist man sich darüber im Klaren, dass ein stärkerer Nationalismus bzw. Patriotismus die aus Politik und Wirtschaft kommenden Zumutungen erträglicher macht – frei nach dem Motto: »Ich bin ein armes Schwein, aber wenigstens ein deutsches.«

Fragen: Peter Nowak


www.deutschland-raus-aus-den-koepfen.de

Interview mit Arian Wendel von deutschland-raus-aus-den-köpfen in der jungen Welt (28.11.):

Interview
»Den Laden mal auseinanderfliegen lassen!«
Gegenkampagne zu »Du bist Deutschland« gestartet. Dezentrale Aktivitäten per Internet. Ein Gespräch mit Arian Wendel

* Arian Wendel ist Mitglied von [’solid]36, die sozialistische jugend kreuzberg, und arbeitet zur Zeit an einer Gegenkampagne zu »Du bist Deutschland«.

F: Egal ob im Kino, im Fernsehen oder auf den Straßen der Bundesrepublik, überall wird man zur Zeit von der Kampagne »Du bist Deutschland« verfolgt. Sie wollen nicht »Deutschland« sein. Warum eigentlich nicht?

Ich habe keine Lust, von amoklaufenden Werbetextern derart dreist von der Seite angekumpelt und mit nationalstaatlichen Gebilden gleichgesetzt zu werden. Ich bin halt Arian Wendel und nicht Deutschland. Wer etwas anderes behauptet, dem würde ich einen Gang zum Psychiater empfehlen. Darüber hinaus fühle ich mich der sozialistischen Linken zugehörig, und wir galten ja schon immer aus gutem Grund als Vaterlandsverräter. Für uns stellt der nationalstaatliche Rahmen bestenfalls ein Terrain des Klassenkampfes dar, unsere Ziele sind dem Wesen nach internationalistisch. Wie sagte Marx doch so schön: »Das Proletariat hat kein Vaterland«.

Wenn von Deutschland und den Deutschen die Rede ist, sollen meistens Differenzen verschleiert werden. Hier geht es darum, wachsende soziale Unterschiede mit der Ideologie einer modernisierten Volksgemeinschaft zuzuschütten. Dem arbeitslosen Schlucker soll so vermittelt werden, daß ihn mit den Millionären, die in dem Kampagnenspot auftreten, mehr als die gemeinsame Sprache verbindet.

F: Im Rahmen der »Du-bist-Deutschland«-Kampagne wird die Bundesrepublik als demokratischer Sozialstaat dargestellt. Haben Sie andere Erfahrungen?

In der alten BRD waren die personellen und gesellschaftlichen Kontinuitäten zum Naziregime unübersehbar. Im Gegensatz zur DDR wurde dort nicht einmal der Versuch gewagt, mit der faschistischen Vergangenheit zu brechen. Die Auswirkungen der mangelnden Aufarbeitung spüren wir noch heute. Ein schönes Beispiel für die fragwürdige Kontinuität ist diese aktuelle Kampagne. Es paßt zu ihr, daß vor einer Woche das Bild einer NSDAP-Kundgebung aus dem Jahre 1935 auftauchte. (s. jW v. 25. November 2005) Es zeigt auf einem Ludwigshafener Platz ein riesiges Hitlerporträt, unter dem »Denn Du bist Deutschland« zu lesen ist.

Die Macher der Kampagne wollen sich zwar scharf vom Faschismus abgrenzen. Dennoch ist es so: Wer mit deutschem Nationalismus hausieren geht, landet früher oder später bei den Nazis. Und als linker politischer Aktivist weiß ich aus eigener Erfahrung, daß in Deutschland ein instrumenteller Umgang mit demokratischen Grundrechten an der Tagesordnung ist. Auch der sogenannte Sozialstaat wird jetzt plattgemacht, um die Auslandseinsätze der Bundeswehr bezahlen zu können. Seine zentrale Aufgabe hat er ohnehin schon erfüllt – er sollte nämlich die Arbeiter davon abhalten, mit den Kommunisten im Osten zu sympathisieren.

F: [’solid]36 ist Teil eines Bündnisses gegen die Kampagne. Was haben Sie konkret vor?

Wir haben uns am Rande des Jugendkongresses »Es kommt die Zeit« Mitte Oktober in Berlin zusammengefunden, um den hurra-patriotischen Verblödungsversuchen dieser Kampagne etwas entgegenzustellen. Wir haben dort die Idee dezentraler Aktivitäten entwickelt. Das heißt konkret, daß unsere Internetseite Plakate, Flugblätter, Aufkleber, Postkarten und Sprühschablonen anbietet, die sich kritisch mit der Kampagne beschäftigen.

F: Die Kampagne wurde von der Bertelsmann AG ins Leben gerufen. Welches Interesse verfolgt der Konzern damit?

In dem Manifest der Kampagne heißt es »Du hältst den Laden zusammen« – und genau darum geht es. Bertelsmann möchte, daß wir den Laden, genannt Deutschland, immer schön zusammenhalten, damit sie weiter die Profite einstreichen können. Wir dagegen meinen, daß es an der Zeit ist, den Laden mal auseinanderfliegen zu lassen und zu sagen »Alle Räder stehen still, wenn mein starker Arm es will!«

Interview: Markus Bernhardt

* Infos:
www.deutschland-raus-aus-den-koepfen.de
www.solid36.net



Manifest der Kampagne:

WARNUNG: Deutschland kostet den Verstand und kann die körperliche Unversehrtheit anderer Menschen gefährden!

Der Flügelschlag einer Scheißhausfliege kann einen Tsunami auslösen. Ähnliche unangenehme Folgen kann es haben, wenn sich Medienkonzerne, Politik und Promis zusammenraufen, um den Leuten mit einer hurra-patriotischen Kampagne einzureden, Deutschland wäre eine tolle Sache, bei der es sich tierisch lohnen würde, mitzumachen. Freiheit und Selbstverwirklichung seinen dabei zu erwerben. Doch das Gegenteil ist der Fall: Innerhalb des kapitalistischen Systems kann es keine wirkliche Freiheit geben. Linksradikale Propaganda, sagst du? Wieso gehst du zur Schule, auch wenn du dort eh nix lernst? Wieso gehst du zur Arbeit, obwohl es dich krank macht? Und wieso gehst du eigentlich wählen, wenn du eh keine Wahl hast? Du kennst die Antwort: Weil dir nix anderes übrig bleibt. Du bist nur ein kleiner Teil innerhalb des Systems der Profitmaximierung. Du bist ein Standortnachteil. Du hältst die Kacke am Dampfen. Aber du zählst nix.

Das ist Deutschland

Unsere Freiheit wird beschnitten und unsere Bedürfnisse unterdrückt. Sie kündigen uns, weil wir zu langsam arbeiten. Sie stecken uns in Knäste, weil wir Wände beschmieren. Sie schieben uns ab, weil wir keinen deutschen Pass bekommen. Egal, wer wir sind, hier können wir nur verlieren. Doch diese Scheiße läuft nur, solange wir mitmachen, jedeR einzelne hält die Maschinerie am laufen, aber zusammen sind wir in der Lagen sie zu stoppen.

Das ist Kapitalismus

Kapitalismus schmeckt nicht nach Zuckerwatte. Auch wenn Medienkonzerne, PolitikerInnen und Promis der Kategorie a-d uns das pausenlos versuchen klar zumachen. Mag sein, dass unsere Armut noch nicht das angestrebte “Weltniveau” erreicht hat. Mag sein, dass Deutschland noch nicht so eine Großkriegsmacht wie vor 45 ist, doch zusammen mit der EU befinden sie sich auf dem besten Weg dorthin. Um ihr Deutschland wieder wettbewerbsfähig zu machen, werden sie die letzten Reste der sozialen Sicherungssysteme zerschlagen und die Bundeswehr weiter aufrüsten. Und als ob das nicht reichen würde, trauen sich die Herrschenden dann auch, noch uns mit einer dreißig Millionen Euro schweren Verblödungskampagne zu belästigen. Volksgemeinschaft hilft nicht gegen miese Verhältnisse. Also los, holen wir uns die Kohle zurück. Werden wir zu dem Windstoß der das Kartenhaus zum Einsturz bringt.

Das ist Widerstand

Also: Wie wär es, wenn wir wieder mal alle auf die Straße gehen? Lasst uns alle zusammen eine große Barrikade auf der Deutschlandbahn errichten. Denn wir wollen links abbiegen und nicht gradewegs in die Vergangenheit.

Das muss sein

Behandeln wir Nationalismus und Kapitalismus doch einfach wie unserer schlimmsten Feinde. Meckern wir nicht über sie, sondern versuchen sie abzuschaffen. Und gleich dazu die Geschlechterrollen, den Rassismus und den Antisemitismus.

Das ist die Lösung.

Termine:

17.12.2005 | Demo gegen Deutschland in Darmstadt
Infos:  http://www.besser-ohne-deutschland.tk/

Diskussion:
Linke Foren in denen „Du bist Deutschland“ ausgiebig diskutiert wird:

Solid-forum:  http://forum.solid-web.de/showthread.php?t=7216&page=1&pp=15
Hiphop-partisan:  http://partisan.kommunikationssystem.de/wbb2/thread.php?postid=171977#post171977

Weitere Seiten zu „Du bist Deutschland“:
 http://www.du-bist-deutschland.be/
www.solid36.net
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Ergänzungen

Find' ich gar nicht schlecht.

egal 08.12.2005 - 20:35
Denn mit der dussligen Kampgagne haben sich die doch ein Eigentor geschossen.

Nun ist eine Google-Abfrage ja keine absolute Wahrheit, aber ein wenig aussagekräftig ist sie schon. Besonders wenn als Ergebnis außer der Kampagnenseite selbst nix anderes kommt als Schmutz, Hohn und Spott darauf:
 http://www.google.de/search?hl=de&q=%22Du+bist+Deutschland%22&btnG=Google-Suche
Egal ob Zeitung oder Blog.

Beunruhigt bin ich allerdings schon - mehr über die Masse. Adidas macht mit "das hier trägst du nie allein" dieselbe Kampagne, "die gößte Nationalmannschaft der Welt" ist eine Frechheit sogar Coca-Cola reiht sich mit dem "Make your own heimspiel" in diese subtile Propaganda ein. Schätze nächstes Jahr wirds erst richtig kesseln.

noch einer...

(muss ausgefüllt werden 09.12.2005 - 21:53
ich hab hier die das bild vom beginn der kampagne noch mal aufgegriffen...

Du-bist-Deutschland-Adventskalender

no borders 09.12.2005 - 21:57
Und dann gibt es noch den Du-bist-Deutschland-Adventskalender von KanalB. Unterdiesem Link wird jeden Tag ein neues Türchen gegen Deutschland aufgemacht:  http://kanalb.org/
Sehenswert!

Wer ist Deutschland?

tns 09.12.2005 - 23:54
Als hätte man es geahnt...
Und erzähl mir keiner, die Kampagnenleute hätten nicht recherchiert!

aktion aus lingen

mensch 10.12.2005 - 20:54
Hier noch plakatentwürfe aus Lingen.

meiner meinung nach ist die ``Du bist Deutschland`` kampagne eine sehr einladene, bei der sich sehr viel kreative und lustige aktionsformen anbieten!

in diesem sinne

Deutschland halts Maul

Ich bin NICHT deutschland

jonas 11.12.2005 - 13:33
Wir sind nicht Deutschland!

Täglich müssen wir uns von Kinder "Du bist Deutschland" eintichtern lassen. Dabei wissen diese Kinder noch nicht einmal, welche Aussage dieser Slogan beinhaltet. Und so werfen sie ein trügerisch helles Licht auf unser geliebtes Deutschland. Aber all’ die Werbungen, TV-Spots etc. sollen uns ja nur "Denkanstöße geben, nicht mehr, aber auch nicht weniger". Doch ihre Aussage ist in mehreren Sichtweisen widersprüchlich. Auch versuchen viele uns einzureden stolz auf "unser Land" zu sein, obwohl sie uns doch nur "Richtlinien geben" wollen

"Du bist Deutschland"!? Was soll dieser Ausspruch bewirken? Denn wir dürfen zwar sagen, was wir denken, doch dies ändert an der Situation meist nichts. Aussprüche wie "Mir passt das nicht!" stoßen auf kein Interesse. Falls man aber seine Meinung ausbaut und Dinge sagt, die wahr sind und mehrere Meinungen wieder spiegeln, kann man im höchsten Fall sogar da für bestraft werden.
Und das wird als hochgelobte Meinungsfreiheit gefeiert.


"Behandle dein Land doch einfach wie einen guten Freund. Meckere nicht über ihn(…)" Wenn wir unser Wort erheben und das sagen sollen, was wir fühlen, wieso sollen wir uns dann nicht über "unser Land" aufregen und versuchen etwas gegen Missstände und Fehler zu tun? Müssen wir denn nichts verändern? Und ob!


"Du bist 82 Millionen"? Deutschland als Einheit? (übrigens auch der Gedanke vieler Patrioten)
Das soll und wird nicht funktionieren, denn dazu müsste die Meinung des Einzelnen unterdrückt werden und das werden wir nicht so über uns ergehen lassen, oder?


Wir wollen nicht für unser Land oder unsere Regierung bzw. einfach nicht für Deutschland stehen. Denn in diesem Land regiert genauso Hass, Wut, Gewalt und Nationalsozialismus zwischen all’ der Schönrederei, wie auch in anderen Ländern.
Und dann wird uns gesagt, dass wir "nicht meckern sollen", so etwas genauso wie Abschiebungen und andere unmenschliche Dinge zu akzeptieren, aber dann doch irgendwie unsere Meinung zu sagen, da wir ja DEUTSCHLAND sind, und so auch automatisch für alles stehen müssen??!
Nein danke!


Es gibt viel zu viel, was in diesem Land schief geht, wir wollen zwar etwas zum Positiven verändern, aber dann auch mit jeglicher Freiheit und nicht mit Verboten, sodass Veränderungen letztendlich doch gestoppt werden. Wir wollen nicht für Diskriminierungen, Gewalt, Missstände und für ein Land, in dem Raubkopierer härter bestraft werden als Kinderschänder, stehen.
Deswegen sind wir NICHT Deutschland!

deutsch sein ohne nazis

hmpf 15.12.2005 - 13:35
mir stellt sich immer wieder die frage, ob man nicht eines tages stolz darauf sein kann, deutsch zu sein. ohne damit gleich den zweiten weltkrieg zu verbinden. andere sind auch stolz auf ihre nationalität und rechtsextremismus gibt es dort auch zu genüge. nur in deutschland ist jeder, der auch nur ansatzweise stolz ist, diese nationalität zu haben gleich ein nazi.
ich will gar keine andere nationalität. aber nazis sind echt übel. ich sehe genug von denen jeden tag. ich habe ausländische freunde und finde das toll.
die kampanie ist allerdings der letzte husten. seit wann ist ein mensch gleich ein ganzes land?

Lieber keine Identität

MannohneEigenschaften 14.01.2006 - 18:38
Schön, dass die sogenannte radikale Linke frühzeitig eingreift, wenn Deutschland sich weiterentwickeln will. Denn ganz offensichtlich ist ja besser ohne Identität gegen das böse, böse System zu kämpfen, als einmal wirklich pragmatisch Position zu beziehen. Da ihr ja alle scheinbar nicht aus Deutschland kommt und seit euren jüngsten Jahren in autonomen Lagern in einem Land eurer Phantasie politisch korrekt gelebt habt, finde ich eure Kritik angemessen, ja, sogar höchst notwendig.

Wer Deutschland denkt, denkt Ausschwitz. Welch ein passender Satz, gerade, weil wir, die zweite Generation nach Hitlers Volk, Erbsünder sind, die sich diesem Schicksal widerstandslos zu beugen haben.

Nie wieder Deutschland, nie wieder irgendwas. Schön, dass wenigstens die moralisch gefestigte radikale Linke pragmatische aufgeklärte Beiträge zu einer besseren Welt liefert.

De nada

Kritik am Medienriesen Bertelsmann

Steffen Roski 23.03.2006 - 13:39
Schaut doch mal nach bei

www.steffen-roski.de

Dort Kritisches zu Bertelsmanns "neoliberalem Nationalismus"!

Beiträge die keine inhaltliche Ergänzung darstellen

Zeige die folgenden 15 Kommentare an

sinnlos — für die Katz

startseite? — gutfinder

Verdammt wichtige — Kampage!!

lol — lol

schöne zeit? — provitamin b5

nazi fake? — verunsicherter

nazi fake — jonas

Haß macht blind! — Ralf Siemer

Es nervt — Michel

lächerlich — Philipp