CHE-Hochschul-Verenkung

AutorIn 03.12.2005 22:50 Themen: Bildung
zum achten Mal in folge führt das von Bertelsmann Stiftung finanzierte Centrum für Hochschulentwicklung (CHE) nun schon seine alljährliche Umfrage durch. Es ist damit an der Zeit, sich dieses Hochschulranking mal etwas näher anzusehen.
Was macht man als weltumspannendes Unternehmen, wenn man gerne etwas mehr politischen Einfluß haben möchte? Ja, richtig, man finanziert "unabhängige" Kommissionen, Institute oder Stiftungen. Wenn man dann fertig geforscht hat, schreibt man einen Bericht mit konkreten "Verbesserungsvorschlägen" und legt ihn dann der Politik vor. Die politisch Verantwortlichen nehmen diese "unabhängig" erarbeiteten Konzepte und Tips dann meist auch gerne zur Umsetzung entgegen.

Ungefähr so muß auch 1994 die Bertelsmann Stiftung gedacht haben, als sie das Centrum für Hochschulentwicklung erschaffen hat. Dank GATS-Abkommen der Welthandelsorganisation (WTO) können jetzt endlich auch die letzten Naturressourcen wie Wasser oder Gemeingüter wie Bildung oder Kultur privatisiert, künstlich verknappt und dann zu Geld gemacht werden.

Wo man erst mal fette Gewinne wittert, wie beim Verkauf von Bildung durch Studiengegühren, sind dann auch die betriebswirtschaftlichen Methoden zur Gewinnoptimierung nicht mehr sehr weit. Damit man überhaupt solche diffusen Dinge wie die "Qualtität von Bildung" letztendlich in Geld messen kann, hat das betriebswirtschaftliche Controlling, Rankings, Evaluationen und andere Bewertungsskalen erdacht.

CHE-Hochschulranking

Die derzeitg laufende Datenerhebung für das 8. CHE-Hochschulranking steht dann auch ganz im Zeichen der Optimierung der Hochschulen auf das Heranzüchten von Humankapital für die Wirtschaft. So interessiert man sich auf Skalen von 1 bis 6 unter anderem für die studentische Evaluation von Lehrveranstaltung sowie die Umsetzung der daraus gewonnen Ergebnisse.

Natürlich will man auch gerne wissen, wie weit die "Modularisierung / Umsetzung von ECTS" bereits erfolgreich an der Hochschule funktioniert. Das man sich im Ranking auch für die Vermittlung von beruflichen Fachkompetenzen wie "Teamfähigkeit", "Selbstorganisation", "Präsentationsfähigkeiten", "IT-Kompetenzen", "Denken in fachübergreifenden Zusammenhängen", "Unternehmerisches Denken" oder Fremdsprachen interressiert, sollte nicht mehr sehr verwundern.

Zur Abrundung der Hochschulbewertung wird dann im wesentlichen noch das funktionieren der Serviceeinrichtungen, insbesondere in Bezug auf die Zusammenarbeit mit der Wirtschaft hin, kontrolliert. Das kommt dann mehr oder weniger unauffällig als "Vermittlung berufsrelevanter Qualifikation (z.B. Projektmanagement)", " Praktikumsvermittlung / -börse" oder "Hilfen beim Übergang in den Beruf (Absolventenbörse etc.)" daher.

Datenschutz

Am Ende der "anonymen" Umfrage fragt man dann noch höflich nach der Emailadresse: "Wir werden die Umfrageteilnehmer im nächsten Jahr über die Veröffentlichung der Ergebnisse informieren. Sagen Sie uns bitte, ob Sie informiert werden möchten." mit den Wahlmöglichkeiten: "Ja, ich möchte informiert werden, und zwar unter folgender E-Mail Adresse:" oder "Nein, ich möchte nicht informiert werden".

Das hier viele, weniger kritische, Studierende leichtfertig ihre Anonymität auf's Spiel setzen,, ist bei dieser Formulierung recht wahrscheinlich. Die zur Emailadresse gehörende Person läßt sich sehr oft über Suchmaschinen etc. ermitteln.

Bevor am aber am Schluß seine Emailadresse abgeben darf, interessiert man sich ab Frage 24 der "anonymen" Umfrage für Dinge wie: Geschlecht, Alter, Fachsemester, Wohnungsgröße und monatliche Miete, Abinote, Hochschulwechsel, prozentuale Einkommenzusammensetzung aus Jobs, Bafög und Vermögen, die ersten 2 PLZ-Ziffern, Wohnsituation (Eltern, WG, eigene Wohnung, Untermiete, etc.) sie die Entfernung der Hochule vom Wohnort und wie die Hoschschule erreicht wird (PKW, zu Fuß, ÖPNV, etc.).

Umsetzung und Verlässlichkeit

Interessant ist narürlich die Frage, in wie weit dieses Ranking überhaupt geeignet ist, ein anährend reales Bild der Situationen an den einzelnen Hochschulen zu vermitteln. Nur nebenbei: Ob man sich bei der Hochschulwahl an Rankings orientiert, wird dort auch abgefragt.

Für das Ranking läßt das CHE über die Immatrikulationsbüros der Universitäten Briefe mit einem 6-stelligen Zugangscode, bestehnd aus fünf Kleinbuchstaben sowie einer zufällig eingefügten Ziffer verschicken. Die eigentliche Umfrage erfolgt dann ausschließlich online ( https://www.che-befragung.de/studierende/index.php) unter Angabe des zugesandten Einmalpasswortes. Immerhin werden auch die Professoren ( https://www.che-befragung.de/professoren/index.php) mit in die Befragung einbezogen.

Pro Untersuchung wird zudem immer nur ein Fächerteilgruppe untersuch. Im aktuell laufenden Ranking, für das Frühjahr 2006, zum Beispiel alle technischen oder naturwissenschaftlichen Studiengänge. Wenn man unterstellt, daß alle Stdierenden, die an der Umfrage teilnehmen möchten, über gleichmäßigen Zugang zum Internet verfügen, sind die Daten trotzdem nur teilweise aktuell.

In wie weit das Spektrum der gestellten Fragen und das enge Schulnotenkorsett überhaupt ermöglicht, die subjektiv jeweils anders empfundene Situation an der Hochschule wiederzugeben, sei hier mal den Konsumenten dieses Artikels überlassen.

Schenkt man den Angaben unter ( http://wiki.offeneuni.tk/wiki/CHEpasswds) Glauben, so ist es Studierenden offenbar schon gelungen, die zusätzliche Sicherung, durch das Bild mit dem Zahlencode, automatisiert zu überwinden.

Solche zusätzlichen Bilder sollen naomalerweise sicher stellen, das z.B. Passwörter nicht automatisiert erraten werden können. Das ist aber anscheinend beim CHE gelungen, indem auf die Open Source Software gocr ( http://jocr.sourceforge.net) zurückgegriffen wurde.

Sollten sich diese technischen Schwächen, wirklich bestätigen, muß man die Aussagekraft der Umfrageergebnisse des CHE-Hochschulrankings, ernsthaft in Zweifel zeihen.
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Ergänzungen

Anmerkung

Statistiker 04.12.2005 - 19:56
Man kann die Evaluationsphobie auch übertreiben: Wie soll eine Bildungslandschaft sich denn bitteschön wandeln und anpassen, wenn keine Informationen seitens der Studierenden kommen? Die Daten zu Geschlecht etc. sind immanent wichtig für eine Auswertung und ich kann beim besten Willen keinen Grund finden, warum man einen anonymisierten Fragebogen dahingehend kritisiert. Wie soll man sonst erkennen, dass manche Fächer ausschließlich in Männerhand sind?

Der Fragebogen ist freiwillig und m.E. ein sinnvolles Instrument. Die Tatsache, dass das Ranking durch Manipulation ad absurdum geführt wird, drückt eher mangelndes soziales Bewusstsein aus.

Natürlich ist es einfach, die vielfältigen Informationserhebungen zur Hochschullandschaft zu kritisieren. Aber wie soll sonst im Rahmen des Bologna-Prozesses ein Feedback kommen? Die Studiengebühren sind wohl kaum als Resultat des CHE-Rankings zu sehen - daran ist eher die breite Masse der neuen Studienanfänger schuld, die sich lieber unpolitisch mit der Situation abfindet.

Ein Kommentar eines regelmäßigen indymedia-Lesers und in der Hochschulentwicklung tätigen Statistikknechts.

Fragebogen

AutorIn 04.12.2005 - 20:14
Da das mit dem Zip-Upload nicht geklappt hat, jetzt das ganze noch mal als PDF (dadurch 3,7 MB). Vielleicht können die Mods ja mal den Vertipper in der Überschrift korrigieren, das sollte "Verrenkung" statt "Verenkung" heißen.

Der Lockruf der Stifter

Demkratie braucht FREIE Bildung 04.12.2005 - 20:23
Zur Vertiefung:
in
Blätter für deutsche und internationale Politik
von
Thomas Barth und Oliver Schöller
BERTELSMANN UND DIE PRIVATISIERUNG DER BILDUNGSPOLITIK
Link:
 http://www.blaetter.de/artikel.php?pr=2183&such=Der%20Lockruf%20der%20Stifter

Nicht nur elematare statistische Daten

AutorIn 04.12.2005 - 22:37
Im Fragebogen werden eben nicht nur elementare statistische Daten wie Geschlecht, Hochschule, Studiengang, Fachsemsterzahl, etc. abgefragt, sondern eben auch Dinge wie die Wohnungsgröße, Wohnungsmiete, die Zusammensetzung des Haushaltseinkommen, dessen Höhe anhand der Wohnungsmiete geschätzt werden kann. Der genauere Wohnort über die PLZ-Ziffern ist ebenfalls unnötig, weil selbiges schon über die Entfernung zur Hochschule ausreichen abgedeckt ist.

Bevor man darüber nachdenkt, wie man Feedback zum Bologna-Prozess bekommt, sollte man vielleicht zuerst mal über dessen Notwendigkeit nachdenken.

Beiträge die keine inhaltliche Ergänzung darstellen

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