Streik der Ärzte: Charite Berlin

come in burn out 01.12.2005 00:54 Themen: Soziale Kämpfe
Seit diesem Montag befinden sich die Ärzte der Charite Berlin im Streik. Sie wehren sich damit gegen die im Weiteren aufgeführten, unzumutbaren Arbeitsbedingungen. Wieso, Ärtze gehören doch zur Oberschicht und fahren Luxuskarossen? Von wegen, die Realität sieht etwas anders aus...
1. Das Problem:

Ein Assistenzarzt hat an der Charite Berlin nichts zu lachen:

Kurzfristige Arbeitsverträge, die mitunter die Liegezeit von manchem Patienten unterschreiten (wenige Monate),

ständige Drohungen mit Stellenabbau,

Stundenlöhne von ca. 10 Euro (für's Wiederbeleben oder Blinddarm operieren - was bekommt ein Schlüsseldienst oder Klempner im Vergleich?),

kein Weihnachts- und Urlaubsgeld,

durchschnittlich 37,5 Überstunden pro Monat - und das komplett unbezahlt,

Nettoverdienst ab 1100 Euro aufwärts,

endlose Marathondienste (bis zu 36h), an deren Ende die Müdigkeit ein Reaktionsvermögen wie unter 1,0 Promille erzeugt,

ständig zunehmende Bürokratisierung, so daß die Ärzte der Charite heute schon 70% ihrer Arbeitszeit mit administrativen und bürokratischen Aufgaben verbringen.


2. Die Reaktion:

Aufgrund dieser katastrophalen Arbeitsbedingungen hat die Ärzteinitiative der Charite Berlin folgende Forderungen aufgestellt:

Zügiger Abschluss eines Haustarifvertrages
Vergütung sämtlicher Arbeitsleistungen
Kein Abbau ärztlicher Stellen
Verbesserung der Bedingungen für Forschung und Lehre
Mehrjährige Vertragslaufzeiten
Einhaltung von Arbeitszeit-Höchstgrenzen und elektronische Erfassung der Arbeitszeiten
Konzentration auf originäre ärztliche Tätigkeiten
Strukturierte und garantierte Weiterbildung
Institutionalisierte Mitsprache der Ärzteschaft
Mehr Transparenz und Kommunikation
Reduktion der Verwaltungskosten
Adäquate Finanzierung der Hochschulmedizin

 http://www.klinikaerzte.org/themen/forderungen.html

3. Die Aktion:

Diese Woche streiken die Ärzte an allen drei Standorten in Berlin (Wedding, Mitte, Steglitz). Der Notfallbetrieb wird dabei aufrecht erhalten, wie es auch sonst an Feiertagen und nachts der Fall ist; Patienten werden nicht geschädigt oder gefährdet.

Dafür wird aber finanzieller und öffentlicher Druck auf den Vorstand ausgeübt, dem neben anderen auch der Obermafiosi Thilo Sarrazin angehört, welcher weiterhin die organisierte Kriminalität in Berlin deckt ( http://www.jpberlin.de/bankenskandal/de/  http://www.jungewelt.de/2004/02-27/003.php), von fehlendem Geld faselt und sich komplett lächerlich machte, als er behauptete, nichts von Überstunden an der Charite zu wissen. Entweder ist er somit als Vorstandsmitglied inkompetent, desinformiert und ahnungslos (ein Grund zurückzutreten) oder ein Lügner (ein Grund zurückzutreten).

Es gibt 3 Demonstrationen (MO MI FR) und zahlreiche Aktionen, heute werden Neurochirurgen am großen Stern Windschutzscheiben putzen, am Alex wird es von 11:00-14:00 Anleitungen zu Erster Hilfe geben und von 14:00-16:00 werden Kinderäzte am Brandenburger Tor informieren und eine "Teddy-Klinik" anbieten.

Ebenfalls gibt es Streikwachen und spontane Aktionen, sowie tägliche Besprechungen zur Lage.

In Berlin wird damit ein Anfang gemacht, bereits jetzt ist das mediale Echo groß, Patienten und Passanten stehen hinter den Forderungen der Ärzte. Außerdem haben bereits in anderen Städten die Planungen für Streiks begonnen, so daß sich diese schnell ausweiten könnten.
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Ergänzungen

Wird oft unterschätzt

Mathias 01.12.2005 - 01:13
Daß es im Sinne der Patienten ist, wenn die Ärzte ausgeruht und vernünftig bezahlt werden, liegt auf der Hand. Daß es normal ist, daß überarbeitete Ärzte 36 Stunden am Stück Operationen durchführen, ist wenig bekannt oder die Folgen für die Patienten werden unterschätzt.
Hier zeigt sich, daß sich der Sozialabbau doppelt auswirkt: die Wohlhabenden besuchen ihre Starärzte, die ausgeruht und ebenso wohlhabend sind. Für unsereins gibt es viel zu wenige Ärzte, die nicht richtig arbeiten können, weil sie übermüdet, gestresst und unzufrieden sind.
Deswegen sollten sich auch Nichtärzte an den Protesten beteiligen. Schnittpunkte gäbe es übrigens außerdem mit den Studis, die jetzt wegen Studiengebühren protestieren - sind ja auch ne Menge Medizinstudis dabei.

Vor einem Jahr Streik in Bremer Klinik

Von außen 01.12.2005 - 12:09
Vor etwa einem Jahr gab es einen Streik in der privaten Psychatrie Dr. Heines in Bremen. Die Arbeitsbedingungen waren für alle wirklich schon schlecht. Darauf hat die Belegschaft über mehrere Wochen gestreikt. Am Ende ist die Gewerkschaft eingeknickt und hat doch den Bedingungen, die von den privaten Betreibern vorgesehen waren zugestimmt (und das als Erfolg verkauft).
Inzwischen sieht es dort so aus, dass immer mehr outgesourced wird. PsychologInnen, die dort Therapien für zum Teil traumatisierte oder auf Entzug befindliche Menschen durchführen sind inzwischen bei Leiharbeitsfirmen angestellt. Halbwegs längerfristige Anstellungen selbst in den privilegierten, studierten Berufen? Fehlanzeige. Dabei soll dann eine sinnvolle, vertrauensvolle, stabile Atmosphäre aufgebaut werden, um eine Therapie zu ermöglichen?
Echt schlimm, was da im Gesundheitssystem passiert und wie sich manche Leute daran bereichern.

Auch bei Fachärzten...

*../* 01.12.2005 - 14:12
... ist die Lage zT dramatisch, mit "Stundenlöhnen" von noch unter 8 Euro und das bei bis zu 12 Stunden am Tag. (Und das übrigends im "goldenen Westen")

Wie egal uns das ist...

Z.Z. 02.12.2005 - 00:29
Arbeitsstundenzahl runter,der Lohn ist doch völlig korrekt,was verdient unsereins im Call-Center mit weniger interessanter Arbeit,und wie ist das in der Nachtschicht mit den Promille ? Für ne anständige 35-Stundenwoche ,und wozu brauchen wir eigentlich noch Forschung ? Für mehr Datenschutz von Patientendaten ,mehr Geld für das Pflegepersonal und transparent machen zur Kunden /Patientenseite hin,Eigenverantwortung von Kranken fördern,kürzere Liegezeiten,weniger Pharma und externe Krankengymnastik verordnen .Wir sind hier doch nicht in der Schwarzwaldklinik ,ey !

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@doktorix — doktorixnichtmöger