Argentinien: Klassenkampf und brennende Züge

Carlos el Coyote 14.11.2005 18:36 Themen: Weltweit
Nachdem Pendler diesen Monat bereits komplett 2 Züge abgefackelt haben, wurden vorige Woche erneut ein Zug der Linie Sarmiento mit einem Molli in Brand gesetzt und ein Zug der Linie Mietre mit einer Metallbarriere gestoppt. Ein Gerichtsurteil enthüllt die Hintergründe.
Vor 2 Wochen fackelten tausende von Pendlern der Linie Sarmiento komplett 15 Waggons und ein Bahnhofshäuschen ab, lieferten sich Straßenschlachten mit der Polizei und plünderten umliegende Geschäfte. In Haft genommen wurden hauptsächlich Jugendliche, die sich nach meinem Wissen alle vorläufig wieder auf freiem Fuß befinden.

Vgl. dazu unter:  http://germany.indymedia.org/2005/11/131358.shtml

Letzte Woche griffen zwei Personen einen Zug der Linie Sarmiento mit einem Molli an, als dieser gerade leer in den Bahnhof von Moreno einlief, und setzten so den mittleren Waggon in Brand. Am selben Tag wurde ein besetzter Zug der Linie Mietre mit einem Metallteil gestoppt, das zuvor auf die Schienen gelegt worden war. Verletzt wurde dabei niemand.

Wie jetzt bekannt wurde, stehen alle diese Vorfälle in einem Zusammenhang und haben durchaus klassenkämpferische Bedeutung:

Betreiber beider Linien ist die Gesellschaft TBA (Trenes de Buenos Aires).
Die Linie Sarmiento verbindet das Zentrum von BsAs mit den östlich gelegenen Stadtteilen, die Linie Mietre hingegen führt in den Westen der Stadt und endet in dem Nobelörtchen El Tigre. Dabei muss man sich folgendes verdeutlichen: die Hauptstadt wird in ihrer Mitte durch die Avenida de Mayo geteilt, die den Präsidentensitz mit dem Kongress verbindet. Je weiter man von dort aus nach Osten geht, desto ärmer wird die Gegend. Geht man hingegen gen Westen, dann kommt man in die Reichen-Viertel.

Im Jahre 2001 verhandelte der Staat die Konzession für TBA neu. Dabei wurden die staatlichen Zuschüsse für die Linie Sarmiento gekürzt, und für die Linie Mietre erhöht. Gegen diese Ungleichbehandlung reichte ein Verbraucherverband Klage ein und erhielt 4 Jahre später, am Tage der letzten beiden Anschläge, das Urteil:

In dem Urteil stellten die Richter fest, dass TBA und die staatliche Verwaltung die Zuggäste aus dem Osten herabwürdigend behandeln und gegenüber den Fahrgästen der Linie Mietre diskriminieren würden. Die Waggons der Linie Sarmiento würden nicht geputzt, kaputte Sitze nicht ausgetauscht und auch im Winter kaputte Fenster nicht ersetzt werden. Wegen Überfüllung der Züge müssten manche Zuggäste sich außen an die Waggons hängen. Die Linie Mietre hingegen hält eher den Fahrplan ein, die Waggons sind z.T. mit Klimaanlagen ausgestattet und werden in Stand gehalten. Die Richter verurteilten TBA sowie den Staat dazu, gleiche Verhältnisse in den beiden Linien zu schaffen.

Quelle auf Spanisch:  http://www.pagina12.com.ar/diario/economia/2-59122-2005-11-12.html

P.S.: Schaut man sich das U-Bahn-Netz der Hauptstadt an, dann sieht man, dass - im Gegensatz zum Westen - im Osten (La Boca) erst gar keine U-Bahnlinien gebaut wurden.
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Ergänzungen

In einem Eisenbahnforum...

muss ausgefüllt werden 15.11.2005 - 12:18
... hab ich eine kopie des Artikels gepostet, vielleicht gibts hier ja ne Diskussion dazu:
 http://s134260722.online.de/drehscheibe-online/forum/read.php?f=30&i=1008&t=1008

Beiträge die keine inhaltliche Ergänzung darstellen

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Klassenkampf?

mfG 14.11.2005 - 22:09
Also unter Klassenkampf habe ich was anderes gelernt. Nicht überall wo es brennt, herrscht eine revolutionäre Stimmung. Großkapitalisten fahren selten mit der U- Bahn. Das ist der gleiche Murks wie in Frankreich, nur ein Schnitt ins eigene Fleisch.

Wenn deutsch-linke...

Maschinenstürmer 15.11.2005 - 05:53
...Bürgersöhnchen mal wieder alles und jeden in Abrede stellen wollen, da es sich ja um keinen dogmatisch verortbaren Klassenkampf handelt, dann erinnert dies doch immer wieder an das (linke) deutsche Wesen, an welchem die Welt genesen soll.

In Frankreich, Argentinien oder anderswo hat der Kampf der Marginalisierten begonnen respektive ist in vollem Gange. Der Kampf gegen die Zumutungen des Systems, gegen das menschenunwürdige System selber. Es finden keine plumpen Subjektivierungen mehr Raum, keine Identifizierung mehr mit irgendeiner scheinbaren "Arbeiterklasse", die gegen "die da oben" kämpft. Was wir hier erleben ist eine neue Generation der Maschinenstürmer, und somit vielleicht auch eine Neugeburt deren emanzipatorischen Potenzials. Hoffen wir also, dass die Linke in den betreffenden Ländern weiter zu denken in der Lage ist, als der von Deutscher Ideologie zerfressene und marginalisierte Geist der deutschen Linken...

keine inhaltiliche ergänzung

nix muss 15.11.2005 - 15:05
"Also unter Klassenkampf habe ich was anderes gelernt. Nicht überall wo es brennt, herrscht eine revolutionäre Stimmung. Großkapitalisten fahren selten mit der U- Bahn. Das ist der gleiche Murks wie in Frankreich, nur ein Schnitt ins eigene Fleisch."
da hat sich ja jemand mit den sozialen kämpfen in argentinien beschäftigt. ganz großes lob. geh kacken