Projekt von Neonazis: Verein "Toringi e.V."

Left Resistance Arnstadt [LRA] 01.11.2005 17:44 Themen: Antifa
Nach Aufmärschen und Kundgebungen, einer Kameradschaft und einem rechtsradikalen Netzwerk, zahlreichen Neonazi-Konzerten sowie einer lokalen Nazipostille hat die Kleinstadt Gotha nun neues zu bieten: Einen eingetragenen Verein der rechtsextremen Szene, der Schulungen & Rechtsrock-Konzerte organisiert und ein gepachtetes Vereinshaus das als Ausgangspunkt für neofaschistische Gewaltakte fungiert. Nach dem sich die Überfälle in den letzten Wochen verschärften, sogar AnwohnerInnen Unterschriftenaktionen gegen den "Naziterror" initiierten, sah sich die Polizei unter Druck gesetzt und ließ nach einer Durchsuchungsaktion einen Nazitreff vorerst schließen, sowie einige braune Schläger verhaften. Die Vereinsstruktur existiert weiterhin.
Ein Jahr Existenz: 40 Mitglieder der Neonazi-Szene
Egal ob NPD-Kreisverband, Skinhead-Bands wie "Bataillon" und "Kampfgeschwader", Neonazigruppen wie der "Nationaler Widerstand Gotha" und das NSAW ("Nationales und Soziale Aktionsbüro Westthüringen) - in der Thüringischen Kleinstadt haben rechtsextreme Organisationsformen schon seit langem Hochkonjunktur. Lokale Nazikader haben ein neue Plattform geschaffen, in der das rechte "Fussvolk", musikorientierte Naziskinheads und ideologisch geschulten Rechtsextremisten gleichermaßen zufrieden gestellt werden. Bereits am 3. Oktober 2004 gründeten der 29jährige Immobilienmakler Carsten Franke sowie sein 23jähriger Stellvertreter Frank Humboldt im beisein von fünf weiteren Eingeschworenen den "Toringi-Verein zur Thüringer Brauchtumspflege". Doch statt wie in der Satzung verankert widmete sich die Gruppe, deren Größe bis zum Oktober 2005 auf etwa 40 Mitglieder anwuchs, weniger dem internationalem Jugendaustausch und der "Pflege von Denkmälern", sondern vielmehr rechtsradikalen Aktivitäten. Der Ehemalige Vorstand Franke, ebenfalls Intiiator des "Bürgerstammtisches gegen Sozialabbau" erlangte viel Ruhm innerhalb der Naziszene, als er im Herbst 2004 nach der Spaltung der Montagsproteste die Demonstrationen der Rechtsextremen veranstaltete. Doch es dauerte nicht lange und so kursierten im Frühjahr 2005 die ersten V-Mensch Gerüchte um den Immobilenmakler in Gotha. Daraufhin wurde am 27. Februar ein erneutes Vereinstreffen angesetzt und deren Spitze gewechselt.

Aufbau durch führende Nazikader wie Sebastian Reiche und Christian Rebenstock
Mit dem 22-jährigen Anti-Antifaaktivisten und landesweit aktiven Neonazi Sebastian Reiche, welcher zwischenzeitlich auch mit der Organisation eines europaweiten Neonazitreffens, der finanziellen und organisatorischen Leitung einer landesweiten Koordinierungsstelle Thüringer Rechtsextremisten, einer neuen Internetplattform, zwei rechtsradikalen Zeitschriften und dem NPD-Wahlkampf beschäftigt war, sollte sich einiges ändern. In der Tat folgte ein aktionistischer Wechsel innerhalb der rechten Szene rund um den Toringi-Verein. Zusammen mit seinem 19 Jährigen Stellvertreter Steffen Köthen segnete der Vorsitzender Reiche entsprechende Entscheidungen ab, deren Auswirkungen die Struktur zunehmend aus dem Untergrund hervorhob. Personelle Unterstützung erhält das Projekt auch durch weitere führende Neonazi-Aktivisten, beispielsweise durch den etwa 22jährigen Christian Rebenstock. Der wegen Körperverletzungsdelikten mehrfach vorbestrafte Gothaer ist ein führender Kader des NSAW, trat hin und wieder als Anmelder von Demonstrationen auf und besuchte nicht zuletzt selbst etliche Schulungen im Süd-Westthüringer Raum. Mit zwei duzend Anhängern, dem lokalen NPD-Direktkandidaten Michael Burkert und dem Neugothaer NSAW-Kader Patrick Wieschke sorgte Rebenstock im Frühjahr 2002 für Aufsehen, als er in die Räumlichkeiten eines antifaschistisches Vorbereitungstreffen gegen einen Naziaufmarsch eindrang und dies störte.

Beim Gründungstreffen dabei: Mitglied von Nazibands und Wehrsportgruppe
Ebenfalls unter den Gründungsmitgliedern befindet sich auch der rechtsradikale Aktivist Thomas Wagner, der seine Wohnung wie in den kürzlich veröffentlichten Kundendaten des rechtsextremen Versandes "Front Records" ersichtlich ist, des Öfteren wechselte und nebenbei bereits Mitte der 90er Jahre massiv in der rechten Szene auffiel. Der inzwischen etwa 30 Jährige Wagner war einst aktives Mitglied der Neonazi-Bands „Bataillon“ und „Kampfgeschwader“, deren CD-Cover Hakenkreuze zierten und nur so vor volksverhetzenden Texten strotzten. Nach einer großangelegten Razzia kam er zusammen mit weiteren Mitgliedern der Gothaer „Bunkerszene“ im August 2001 in Untersuchungshaft. Jener „Bunker“ und Konzertsaal der rechten Skinhead-Szene in den Kellerräumen der Arndoli-Turnhalle galt noch lange vor dem neuen Vereinshaus als Szenetreff schlechthin, bis er ebenfalls von einer Razzia betroffen war und dort nach einer Schiesserei Hakenkreuzfahne, Hitleraccessoires und Munition sichergestellt wurden. Highlight war außerdem die Aushebung eines Wehrsportlagers in Gotha, das bis zum 19.03.1997 ebenfalls von Thomas Wagner betrieben wurde. Beamte fanden ein umfangreiches Waffenarsenal, Luftgewehre, Schreckschusspistole, Drosselschlingen, Kampfausrüstung, Gasmasken, Hakenkreuze, SS-Runen, Reichskriegsflagge, Stahlhelme, ein geklautes Feuerwehrzelt und Lagerfeuer samt Holzkreuz á la Ku Klux Klan. Bereits drei Monate später schoss der damals 22 Jährige Wagner seinem Kameraden Marco Zint beim Ausprobieren neuer Waffen mit einer Pump-Gun ins Bein. Die Waffe gab’s vom Arnstädter Neonazikader Thomas Kreysler, der damals einen Waffengeschäft mit verbotenen Kriegswaffen betrieb und bereits vor der Wende die „Deutsche Volkspartei“ (DVP) gründete, mit der er Anfang der 90er Jahre zeitweilig bis zu 300 Jugendliche in Arnstadt und Umgebung aktivieren konnte. Das Kreyßler gute Beziehungen nach Gotha hatte, sah mensch nicht nur an seinen gelegentlichen Besuchen im Ortsteil Siebleben sondern auch an seinem Besuch bei der Beerdigung des Neonazis Rene Klaus Willing, welcher sich nach der ersten „Kampfgeschwader“-Razzia im August 2000 in Gotha erhängte.

Vereinsräume für rechte Skinhead-Konzerte
Damals wie heute verfügen Gothaer Neonazis über eine Legitimation für ihre rechten Treffpunkte: Mit dem neuen Projekt funktioniert das dank dem "e.V."-Kürzel hinter dem Namen des Toringi-Vereins, der den Rechtsextremisten leider noch viel mehr neue Möglichkeiten bietet. So gilt der Verein, wie jeder andere auch unabhängig von seinen Mitgliedern als juristische Person, kann außerdem Räumlichkeiten anmieten und Spenden sammeln. Davon machen der Vorstand und seine Mitglieder auch gerne Gebrauch: In der Frimaerstraße haben sie das so genannte "Grüne Haus" für die nächsten 5 Jahre gepachtet. Im Inneren verdreckte Räume und ein Lokal im Keller, sowie ein Nebenraum der mit Tarnnetzen und Runen verziert ist. AnwohnerInnen berichten von regelmäßigen Alkoholexzessen durch rechte Schläger. Doch diese treten nicht nur Türen ein, beschimpfen PassantInnen, demolieren Briefkästen und "pinkeln von Vordächern durch geöffnete Wohnungsfenster" (Aussage einer Anwohnerin). Vielmehr soll der Treffpunkt als Veranstaltungsort von rechten Skinheadkonzerten und Ausgangspunkt von Naziangriffen dienen. Bereits am 30. Juli 2005 reisten etwa 70 bis 100 Neonazis an, um ein als "Vereinsfeier" getarntes Rechtsrock-Konzert im „Grünen Haus“ zu besuchen. Die Veranstaltung, übrigens das fünfte Nazikonzert mit 60-200 TeilnehmerInnen in Gotha dieses Jahr, wurde aufgelöst, doch nicht allzu lange ließen die Toringi-Mitglieder auf die nächsten Schlagzeilen warten.

Nazi-Treff nun geschlossen, Verein existiert weiterhin
Als am 1. Oktober 2005 neun Personen, darunter ein Mensch vietnamesischer Herkunft an den Räumlichkeiten vorbeiliefen, wurden sie zuerst angepöbelt, dann mit Totschlägern und Zaunslatten niedergeschlagen. Ein Opfer musste ins Krankenhaus eingeliefert werden, während die 38 anwesenden Neonazis weiter feierten. Als die Polizei eintraf wurden zwar Personalien festgestellt und Anzeigen aufgenommen, die drei Haupttäter jedoch erst drei Wochen später verhaftet. Ähnliches ereignete sich eine Woche nach dem Überfall in Gotha, am 7. Oktober im nahe gelegenen Ohrdruf. Vier junge Neonazis überfielen mehrere Jugendliche, schlugen einen 16 Jährigen zielgerichtet krankenhausreif und versuchten ihm das Genick zu brechen. Verhaftungen erfolgten fast zeitgleich mit denen in Gotha, erst zwei Wochen später. Auch die Vereinsräumlichkeiten wurden am 23. Oktober 2005 nach einer Razzia vorerst geschlossen. Kripo-Beamte stellten Schlagwerkzeuge, darunter Baseballschläger und Schutzhelme, sowie mehrere CDs und Schriften sicher. Die Räume befanden sich laut Polizei "in einem inakzeptablen hygienischen Zustand", die Elektrik wurde abgeklemmt und das Kellerlokal versiegelt. Die Vereinsstruktur besteht weiterhin und gegen die rechte Szene in und um Gotha wurde mit der Schließung des Treffpunkts und der Verhaftung einiger Schläger nur punktuell vorgegangen. Antifaschistischer Selbstschutz, Vernetzung und ein organisiertes Entgegentreten sind daher umso mehr notwendig.

Möglichkeiten dazu in naher Zukunft:
* 5.11.2005 Arnstadt - 15. Antifaschistischer/Antirassistischer Ratschlag, Stadthalle 10 Uhr Eröffnungsplenum, 11:30 Workshops, 18 Uhr Mahngang/Demo.
Infos unter  http://lra.antifa.net

* 13.11.2005 Gera - "no peace for enemy" - Keine Glorifizierung deutscher Täter. Volkstrauertag abschaffen. Antifa-Kundgebung, 10 Uhr Ostbahnhof
Infos unter  http://aag.antifa.net

* 19.11.2005 Gotha - "demolition in progress - braune Sümpfe trocken legen", Antifa-Block auf Demo gegen gegen rassistische Vereine, Brauchtum und Neonazismus, 14 Uhr Neumarkt
Infos in Kürze unter  http://lra.antifa.net
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Ergänzungen

Weitere Infos

Doppelrahmstufe 01.11.2005 - 18:06
Sebastian Reiche - Führender Nazikader aus Thüringen 'enttarnt'
 http://de.indymedia.org/2005/08/126215.shtml

Wieder einmal: Schwerer Naziüberfall in Ohrdruf (7. Oktober 2005)
 http://lra.antifa.net/index.php?show=news&readmore=75

Einen Tag danach: Naziaufmarsch in Eisenach gestört (8. Oktober 2005)
 http://lra.antifa.net/index.php?show=news&readmore=76

Schon wieder offen ???

(muss ausgefüllt werden) 01.11.2005 - 21:46
Anscheinend ist der Nazi-Treff in Gotha wieder geöffnet. Bereits am Wochenende lungerten schon wieder ganze Horden der Braunen vor dem Haus herum und Musik dröhnte heraus.
Fragt man sich wie das sein kann, dass die Polizei das ganze versiegelt und eine Woche später ist alles wie vorher. Irgendwas läuft da schief. In der Presse kommt seitdem auch nix mehr. Wahrscheinlich war das nur ein kurzes mediales Strohfeuer. Denke auch nicht, dass eine Demo da großartig was bringt. Wenn die Polizei gewollt hätte, hätten die das Ding schon längst zugemacht.

Ältere Pressemeldungen und Berichte

Magerquark 01.11.2005 - 22:46
 http://www.pds-fraktion-thueringen.de/themen/rechts/rechtsextreme.html

Personelle Verstärkung durch rechtsextreme Vordenker
Thüringer Neonazis setzen sich mit überregionalen Veranstaltungen in Szene

... Aber nicht nur im vorpolitischen Raum zeichnen sich Veränderungen ab. Auch die originären öffentlichen Naziaktivitäten tragen inzwischen einen anderen Charakter. Augenfällig ist sicherlich der auch durch die Funktionäre verordnete Outfitwechsel. Flugblätter nehmen zunehmend kommunale Probleme auf und sprechen die Bürger in netter Form an. Der "Rennsteigbote", eines von mehreren Mitteilungsblättchen der Neonazis, spricht lokale Themen an. In Altenburg heißt die örtliche Kameradschaft jetzt nach norddeutschem Vorbild "Schöner Leben im Altenburger Land". In Gotha tarnen sich die Nazis hinter einem Verein mit dem gefälligen Namen "Toringi e.V.", der sich laut Satzung um die Brauchtumspflege kümmern will. Tatsächlich finden in den Vereinsräumlichkeiten aber rechtsextreme Veranstaltungen und Musikdarbietungen statt. Die Anzahl der Skinheadkonzerte hat sich in 2004 im Vergleich zum Vorjahr mehr als verdoppelt und auch 2005 fanden im ersten Halbjahr rund ein Dutzend Konzerte statt, damit ist eine weitere Steigerung absehbar.

Erhöhte Taktzahl des neofaschistischen Motors. Entwicklung der Naziszene in Thüringen in den letzten Jahren
von Martina Renner
Der Rechte Rand Nr. 95, Juli/August 2005
 http://nadir.org/nadir/periodika/drr/archiv/NR95/inhaltsseite-NR95.htm
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 http://www.verfassungsschutz.thueringen.de/monatschronik/juli.html

Skinheadkonzert am 30. Juli in Gotha in Vereinsräumen des "Toringi-Vereins zur Thüringer Brauchtumspflege e.V." aufgelöst

Am 30. Juli löste die Polizei ein Skinheadkonzert auf, das in den Vereinsräumen des "Toringi-Vereins zur Thüringer Brauchtumspflege e.V." in Gotha stattfand. Im Verlauf der als "Vereinsfeier" getarnten Veranstaltung, die etwa 90 Personen besuchten, sollten mehrere Skinheadbands auftreten.
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Pressemitteilung der PD Gotha
 http://www.thueringen.de/de/polizei/gotha/medien/pressemitteilungen/index.html

Gefährliche Körperverletzung und Verdacht des Landfriedensbruchs in Gotha - durch schnelles Eingreifen der Polizei konnten Täter ermittelt werden (PM 01.10.05)

Am Samstag, den 01.10.2005 kam es gegen 01.30 Uhr in Gotha zu einer gefährlichen Körperverletzung, die durch das schnelle Eingreifen der Polizei noch am Tatort aufgeklärt werden konnte.
Gegen 01.30 Uhr kamen 9 Personen aus einer Gaststätte in der Oststraße. Auf dem Nachhauseweg kamen sie an den Räumlichkeiten eines Vereins (Friemarer Straße - Oststraße) vorbei. Der Vereinsvorsitzende und seine Mitglieder gehören der rechten Szene an. Nach Aussage dieser Personen kam es mit einigen Mitgliedern des Vereins zu verbalen Streitigkeiten. Diese Streitigkeiten eskallierten so, dass die Vereinsmitglieder auf die anderen Personen mit Zaunslatten und einem "Totschläger" eingeschlagen haben. Unter den Geschädigten befand sich auch ein Bürger vietnamesischer Abstammung mit deutscher Staatsangehörigkeit. Dieser wurde durch die Täter beleidigt und versucht zu schlagen. Der Mann hatte zwischenzeitlich die Polizei angerufen, um Schlimmeres zu verhindern.
Auf Grund der Erfahrungen mit dem Verein aus den zurückliegenden Wochen wurden sofort die zur Verfügung stehenden Kräfte durch die Einsatzzentrale der Polizeidirektion Gotha zusammengezogen und zum Einsatz gebracht.
Die in den Vereinsräumen anwesenden 38 Personen wurden einer Kontrolle unterzogen und die Täter konnten durch die Geschädigten identifiziert werden. Es handelt sich dabei um polizeibekannte Personen der rechten Szene.
Durch die Schläge mit den Zaunslatten musste ein Geschädigter mit dem Rettungswagen in das Krankenhaus gebracht werden, ein zweiter Geschädigter trug durch die Schläge eine Prellung am Oberschenkel davon. Andere Geschädigte wurden beleidigt und bespuckt.
Gegen die Täter wurden Anzeigen wegen gefährlicher Körperverletzung erstattet. Geprüft wird durch die Kriminalpolizei Gotha im Zusammenwirken mit der Staatsanwaltschaft das Vorliegen von Landfriedensbruch sowie das Begehen der Straftaten mit fremdenfeindlichem Hintergrund.
Die Polizei brachte insgesamt 30 Beamte zum Einsatz.
Die weiteren Ermittlungen werden am 01.10.2005 durch eine Sonderarbeitsgruppe und Führung der Kriminalpolizei fortgeführt.

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Thüringer Landeszeitung (TLZ) Gotha vom 13.10.2005

Leben in einem Klima der Angst

Gotha. (tlz) Schwere Vorwürfe an die Adresse von Stadt und Polizei richten Anwohner aus der Friemarer Straße. Die angebliche Hilflosigkeit der Behörden im Umgang mit den rechtsextremen Mitgliedern eines Vereins, der sich in einer benachbarten Gaststätte eingenistet hat, verstehen und akzeptieren sie nicht.

Mehr als 150 Unterschriften haben Anwohnerinnen in einem Protestschreiben an Oberbürgermeister, Vermieter, Ordnungsamt und Mieterbund gesammelt. Eine E-Mail, die auf die Missstände in diesem Teil von Gotha-Ost hinweist, ging der Stadt im September zu. Am 30. September waren Mitarbeiter des Ordnungsamts vor Ort - in der darauffolgenden Nacht wurden drei Passanten von Neonazis verprügelt.

"Es ist nicht zum Aushalten", klagt Martha S. (Name geändert). Seit knapp einem Jahr werden sie und ihre Nachbarn von den Neonazis terrorisiert. Am Nachmittag oder frühen Abend beginnt das so genannte Vereinsleben und dauert bis zum frühen Morgen, klagt Paula T. (Name geändert). In den vermeintlichen Vereinsräumen, vor dem Gebäude sowie an und in den Nachbargebäuden lungern die Jugendlichen rum.

Ist der Alkoholpegel hoch genug, beginnen die Exzesse: Eintreten von Türen, Demolieren von Briefkästen, Herausreißen von Pflanzen, Lärm, Verwüstungen, Beschimpfungen und Drohungen seien an der Tagesordnung sagen die beiden Frauen. Uriniert und gebrochen wird an den Hauswänden. Von Vordächern hätten Besoffene versucht durch geöffnete Wohnungsfenster zu pinkeln.

"Jeder weiß, was los ist", berichten sie. "Die Behörden versuchen es hin und her zu schieben", meinen sie. Und: "So weit wie vorletztes Wochenende hätte es nicht kommen müssen. Was muss noch passieren, bis uns geholfen wird?"

Die Kinder nicht auf die Straße zum Spielen schicken, abends alles verriegeln und verrammeln, sich am besten gar nicht sehen lassen - das ist das Klima in diesem Teil der Friemarer Straße. Pure Angst. Eine Nacht in Ruhe schlafen? Das habe sie schon seit Jahren nicht mehr, sagt Martha S. "Und wenn man bei der Polizei anruft, heißt es: Wir können uns nicht nur um die Friemarer Straße kümmern", ärgert sie sich.

Die Suche nach einem Ausweg ist für die Anwohner schwer. Die Frauen haben sich mittlerweile auch ans Fernsehen gewendet. Von ihrem Vermieter fühlen sich die Frauen mehr als im Stich gelassen. Das Finden einer neuen Wohnung ist alles andere als einfach. Kinderreiche Familien brauchen viel Platz. "Und wenn die Vermieter fragen, wo wohnen sie jetzt, ist Feierabend", sagt Martha S.

Hilfe bei der Wohnungssuche will die Stadt anbieten, das sagte gestern Bernd Seyfarth, rechte Hand des Oberbürgermeisters. "Die Baugesellschaft steht mit ihren Beratern zur Verfügung." Glücklich sei die Stadt mit dem Zustand nicht.

Am Wissen um den Brennpunkt und die Vorfälle mangelt es nicht. Aber an der Handhabe. Gothas Polizei hat das Innenministerium schon vor Monaten um eine "rechtliche Würdigung" gebeten. Die Antwort steht aus, offenbar ist an dieser Stelle auch Thüringens oberste Polizeibehörde ratlos.

13.10.2005 Von Oliver Bauer
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TLZ Gotha vom 22.10.2005

Polizei greift jetzt durch

Gotha. (tlz) Gegen Mitglieder der rechten Szene, die in Gotha und Ohrdruf junge Leute verprügelt hatten, erließ die Staatsanwaltschaft jetzt Haftbefehl.

Zu beiden Straftaten habe die Kripo Gotha umfangreiche Ermittlungen geführt, um die Vorwürfe gegen die Täter hieb- und stichfest zu machen, berichtet Polizeipressesprecher Detlef Kasch. Die Staatsanwaltschaft Erfurt beantragte nun gegen sechs Personen, drei aus Gotha und drei aus Ohrdruf, Haftbefehle.

Ein Täter aus Gotha wurde inhaftiert, gegen einen wurde der Haftbefehl gegen Auflagen ausgesetzt. Von den drei Tätern aus Ohrdruf wurden zwischenzeitlich zwei inhaftiert, der dritte wurde am Freitag dem Haftrichter vorgeführt, ebenso der dritte Täter aus Gotha.

Den Neonazis aus Gotha wird vorgeworfen, am 1. Oktober in der Friemarer Straße Personen wegen ihres Aussehens angegriffen zu haben. Die Polizei setzte bei der nächtlichen Schlägerei 30 Beamte ein, um weitere Übergriffe zu verhindern.

Am 7. Oktober kam es in Ohrdruf ebenfalls zu einer Schlägerei, bei der Mitglieder der rechten Szene mehrere Jugendliche aus Ohrdruf verletzten. In beiden Fällen mussten die Opfer ärztlich behandelt werden.

21.10.2005

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TLZ vom 24.10.2005

Vorerst Ende des Spuks

Gotha. (tlz/wifi) Die Polizei hat den als Vereinslokal getarnten Neonazi-Treff in der Friemarer Straße geschlossen. In der Nacht zum Sonntag rückten Trupps der Bereitschaftspolizei sowie der Polizeiinspektion Gotha vor und durchsuchten die Räume. Aber statt einst wie samstags sonst vollen Lokals fanden die Beamten lediglich drei Jugendliche vor. Die Polizei stellte Schlagwerkzeuge (vom Baseballschläger bis zum "aufbereiteten Tischbein"), Schutzhelme sowie CDs und Schriften sicher. Ob deren Inhalt verfassungsfeindlich ist, das ließ die Polizei offen. Die Prüfung durch die Kripo werde ergeben, was davon strafrechtlich relevant sei.

Ein "Heimatzimmer" suchte die Polizei vergeblich. Als Ort und Verein der "Brauchtumpflege" hatten Mitglieder der rechten Szene ihren Treff deklariert. Dafür fanden sich verdreckte Räume im Keller und eine Abstellkammer im Erdgeschoss. Tresen, Tisch und Stühle vermittelten im Keller den Anschein eines Lokals. Einzige Zierde im Raum: Tarnnetze, wie sie bei der Armee üblich sind, an Decke und Wand. In einem Nebenraum waren runenartige Schriftzeichen an die Wänden geschrieben.

Die Räume selbst befanden sich laut Polizei "in einem inakzeptablen hygienischen Zustand." Sämtliche elektrische Leitungen seien provisorisch verlegt. Die Polizei habe im Keller die Elektrik abgeklemmt, um Gefahren für die Bewohner des darüber liegenden Hauses auszuschließen. Das Kellerlokal wurden versiegelt. Am Montag soll die Ordnungsbehörde der Stadt Gotha in Kenntnis gesetzt und über weitere Schritte entschieden werden.

Das lässt die Anwohner hoffen. Seit Wochen fühlen sich Familien im Haus und Umkreis von den Neonazis bedroht. Anfang Oktober waren junge Leute zusammengeschlagen worden. Wegen des Vereinsrechts hatten bis dato Stadt und Polizei keine Handhabe gesehen.

PI-Chef Dietmar Kaiser betont aber, dass die Polizei unabhängig von Beschwerden der Bürger der sogenannten Vereinsgaststätte "viel Aufmerksamkeit" gewidmet habe. Bei Straftaten, Ordnungswidrigkeiten und Ruhestörungen im Umfeld seien die Gesetzeshüter "anlassbezogen" eingeschritten. Inzwischen habe sich der Treff zu einem Gefahrenherd entwickelt. Vor diesem Hintergrund sei beim Amtsgericht Gotha die Razzia erwirkt worden.

Ende vergangener Woche überschlugen sich die Ereignisse. Drei Mitglieder der Gothaer rechten Szene wurden am Freitag in Haft genommen. Einen Tag später folgte die Razzia. Die Polizei fuhr am Samstagabend offenbar mehrere Einsätze gegen Neonazis. Bereitschaftspolizisten wurden beordert, um im Ilmkreis ein Treffen zu unterbinden. Mitternacht formierte sich das Kommando in Gotha. Gegen 0.40 Uhr wurden das Karree und die Kreuzungen im Bereich der Friemarer Straße abgesperrt. Dann verschaffte sich die Polizei Zutritt. Von den drei angetroffenen Personen wurden zwei wegen fehlender Ausweise mit aufs Revier genommen, der dritte durfte gehen.

23.10.2005

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Thüringer Allgemeine (TA)
Razzia im Vereinslokal

Gothaer Polizei durchsuchte gestern Nacht die Vereinsgaststätte "Toringi" in der Friemarer Straße und versiegelte sie. In den vergangenen Wochen widmete die Gothaer Polizei unabhängig von Beschwerden der Bürger der Friemarer Straße 31 diesem Treffpunkt viel Aufmerksamkeit. Straftaten, Ordnungswidrigkeiten und Ruhestörungen im Umfeld der Gaststätte veranlassten die Polizei, beim Amtsgericht Gotha eine Verfügung zur Durchführung einer Razzia zu erwirken. Zur Erinnerung: Am Samstag, dem 1. Oktober, hatten Vereinsmitglieder vor dem Lokal mit Zaunlatten und Totschlägern auf Leute eingeprügelt (TA berichtete). Planmäßige im Ilmkreis und im Landkreis Gotha eingesetzte Kräfte der Bereitschaftspolizei und der Gothaer Polizei führten gestern gegen, ab 0.40 Uhr, eine Razzia im Vereinslokal durch. Bei den anwesenden drei Personen wurde die Identität festgestellt und es wurden die Räume durchsucht. Im Verlauf der Durchsuchung und der Überprüfungen wurden verschiedene Schlagwerkzeuge (vom Baseballschläger bis zum "aufbereiteten Tischbein") und Schutzhelme sowie CDs und Schriftmaterial aufgefunden und sichergestellt. Die Prüfung durch die Kriminalpolizeiinspektion wird ergeben, welche davon strafrechtlich relevant sind. Die Vereinsräumlichkeiten selbst befanden sich in einem inakzeptablen hygienischen Zustand. Sämtliche elektrische Leitungen waren derart provisorisch verlegt, dass der Kellerbereich stromlos gelegt werden musste, um Gefahren für die Bewohner der darüber liegenden Wohnungen auszuschließen. Nach Beendigung der polizeilichen Maßnahmen wur-de die Vereinsgaststätte bis zum Montag versiegelt. Die Ordnungsbehörde der Stadt Gotha wurde über den Zustand des Lokals in Kenntnis gesetzt.

Anti-Antifa-Homepage > Verfahren eingestellt

delete a.schladitz 06.11.2005 - 02:03
Sebastian Reiche war im letzten Jahr für eine Anti-Antifa-Seite verantwortlich, auf der neben Namen, Adressen, Bildern auch Autokennzeichen vom Vorbereitungskreis des antirassistischen/antifaschistischen Ratschlages 2005 veröffentlicht wurden. Das Verfahren wurde nun eingestellt, der DGB legt Beschwerde beim Oberstaatsanwalt ein.

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Ermittlungen gegen Nazis weiterführen!
02.11, 12:55

DGB protestiert gegen Einstellung des Ermittlungsverfahrens wegen Bedrohung der Organisatoren des letztjährigen Antifaschistischen Ratschlags

Die Staatsanwaltschaft Erfurt hat das Ermittlungsverfahren wegen Bedrohung von Personen, die den letztjährigen Antifaschistischen Ratschlag in Gotha vorbereitet hatten, wegen „nicht hinreichendem Straftatverdacht“ eingestellt. Ein oder mehrere Neonazis hatten im Internet steckbriefähnliche Beschreibungen veröffentlicht, in denen Mitglieder der Vorbereitungsgruppe mit Namen, teilweise Bildern, Privatadressen und z.T. auch KFZ -Kennzeichen beschrieben worden waren. Es kann kein Zweifel bestehen, dass damit Angst und Einschüchterung verursacht werden sollten, insbesondere durch den Aufruf, den Ratschlag „mit allen Mitteln zu bekämpfen“.

Der antifaschistische Ratschlag in Gotha stand damit unter besonderen Vorzeichen und verstärkten Sicherheitsbedingungen.

„Die Einstellung der Ermittlungen ist vor dem Hintergrund, dass im Zusammenhang mit dem Gewaltaufruf nicht nur Bilder einzelner Organisatoren, sondern auch deren Privatadressen veröffentlicht wurden , nicht nachvollziehbar“, so Matthias Plhak vom DGB-Thüringen.

„Zudem ist heute neben dem Provider auch der für den Aufruf verantwortliche Neonazi namentlich bekannt und selbst der Thüringer Verfassungsschutzbericht geht auf die Bedrohung des Ratschlages ein. Wir können deshalb die Staatsanwaltschaft nur auffordern, ihre Entscheidung nochmals zu überdenken und haben zusammen mit anderen betroffenen Organisationen Beschwerde beim Oberstaatsanwalt eingelegt.“

Beiträge die keine inhaltliche Ergänzung darstellen

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