"Studenten kosten den Staat." - Hoffentlich!

Fernseh-Hype-Mitläufer-Studi 13.10.2005 07:18 Themen: Bildung
Obiges Zitat(1) unterstreicht einmal mehr, warum freier Zugang zu Bildung bzw. Informationen im Allgemeinen, wichtig ist. Es stammt aus einer Anzeige der sächsichen Landtagsfraktion der Linkspartei gegen Studiengebühren (siehe jW 12.10.05, Uni-Spezial S. 9). Vielleicht ist, daß aber auch nur meine, (noch) etwas idealistische Zukunftsvision, denn die Realität sieht ja leider anders aus.
Die Montagsdemos, die "Agenturschluß"-Kampagne und der "Summer of Resistence" teilen im wesentlichen das gleiche Schicksal, was heißt, das sie außer, mehr oder weniger, Öffentlichkeit zu schaffen, nicht viel bewirkt haben, denn "Hartz IV" wird hingenommen und die Studiengebühren eingeführt. Und die nächsten "Reformen" kommen bestimmt...

Wo ist jetzt das Problem? Die basisnahe Vernetzung zwischen den Hochschulen klappt doch zunehmend besser und für die Probleme anderer sozialer Gruppen, hat man sich, zumindest auf dem Papier, im Gegensatz zu früheren Studistreiks, auch geöffnet.

Das Hauptproblem ist zunächst, daß den jeweils Betroffenen die Alternativen nicht bekannt sind, denn warum soll man kämpfen und mal wirklich etwas rsikieren, "wenn man doch eh nichts ändern" kann? Die konkreten negativen Auswirkungen werden in der Regel bei
den Protesten gut nach außen dargestellt, doch das Hilft auch nicht
gegen die vorhandene Resignation, sofern den Leuten die "Politik" nicht eh schon gleichgültig ist.

Ein weiteres Problem ist, daß man insbesondere bei den Studierendenprotesten, einzig und allein auf "öffenttlichkeitswirksame Aktionen" setzt. Das ist prinzipiell nicht falsch, nur müssen insbesondere, schlüssig und konkret Alternativen und Lösungen aufgezeigt
werden, wenn man Außenstehende von der eigenen Idee begeistern will.

Außerdem nützt es nichts, nur möglichst viele Leute auf eine Demo zu mobilisieren. Die dort vertretenden Forderungen müssen auch mit Aktionen untermauert werden, denn sonst werden sie, insbesondere von den Herrschenden, zu Recht ignoriert. Denn was juckt es einen Konzernvorstand, wenn sich 1 Mio. Leute gerade mal die Beine in den Bauch stehen wollen?

Falls sich vereinzelt wirklich noch ein paar überzeugte Aktivisten finden, dann gibt es ja noch die Polizei. Spätestens, wenn diese auftritt, hat der "brave Bürger" solche Angst, das er sich unterwürfig und kampflos, geschlagen gibt (wer es nicht nachvollziehen kann, gehe in die nächste S/U-Bahn und rufe "die Fahrausweise bitte!", worauf hin gann min. 70% Gehorsam leisten). Dabei ist es leider egal, ob die "Grünlinge" vielleicht deutlich in der Minderheit sind, dann spätestens dort zeigt sich, ob man wirklich aus Überzeugung handelt. Es gibt viele Möglickkeiten, seine Entschlossenheit friedlich zum Ausdruch zu bringen, was heißt, das man selbst keine anderen Menschen vorsätzlich gefährdet, denn dafür ist dann, im Zweifelsfall, die Polizei da.

Ein weiteres gravierendes Problem ist die fehlende Solidarität unter den Betroffenen. Ja, woher soll diese, ohne wirkliche Überzeugung das es Alternativen gibt, auch kommen? Da, kann man dann x-Mal demonstrieren und Selbstdarstellungs-"Grabenkämpfe" in den eigenen Reihen führen (siehe die Montagsdemos in Berlin). Solange sich nicht möglichst alle Leute wirklich gleichberechtigt einbringen können und man wirklich tolerant ist und jeweils im konkreten Einzelfall entscheidet. Da denke ich auch z.B. an die pauschalen demonstrative Intoleranz der "linken Gutmenschen" gegenüber Sexismus, Rassismus, etc., wo sie immer Sachen wie Mord, Folter, gesunde Umwelt, etc. vergessen. ;-) An solchen pauschalen Distanzierungen, sieht man dann, was die Gruppen wirklich von "Herrschaftskritik" halten. Solche Statement's lösen in der Praxis die entsprechenden Probleme nämlich auch nicht, wenn sie dann auftreten sollten und außerdem ist die Grenze bei diesen Begriffen sowieso immer subjektiv.

Unter "praktischer Solidarität" verstehe ich z. B. auch die wirkliche Einbeziehung der Betroffenen, z.B. in den Arbeitsagenturen und sonstigen
Ämtern, direkt vor Ort, indem man Demos oder andere Aktionen direkt
dort hin verlegt. Stattdessen war, zumindest der letzte Studierendenstreik
in Berlin, von meist, rein aus Neugier, mitlaufenden Studierenden geprägt, wie man z.B. an der Demobeteiligung der Samstagsdemo gut sehen kann. Dort verdoppelte sich die Zahl der Teilnehmer nach der ersten Demo schlagartig (nach dem erzugten Medienhype, müssen da natürlich alle mal gewesen sein, weil sie ja sonst vielleicht was "Wichtiges" verpassen könnten...) und nahm danach exponentiell wieder ab. "Schnell noch fertig studieren", um dann doch keine Loharbeit zu finden, ist für diese Leute eben leider wichtiger, als Solidarität!



(1) Die Azeige ist im Orginal mit "Studenten kosten den Staat. Zum Beispiel Württenberg." betitelt und versucht dann, an wisschenchaftlichen
Gtrößen der Vergangenheit, die Wichtigkeit der Gebührenfreiheit klar zu machen.
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Ergänzungen

Berlin '03

kein Idealist 13.10.2005 - 12:29
Die fehlende "Solidarität" wie du es nennst war tatsächlich ein Problem, zumindest bei den Protesten in Berlin. Pünktlich kurz vor den Ferien hörte der "Streik" plötzlich auf. Der Individualismus der Studierenden hatte sich doch durchgesetzt, es war wieder wichtiger einen Schein zu machen als für nachkommende Studentengenerationen zu sorgen. Zudem wollte sich kaum einer die Ferien mit Aktionen verhageln. Das war ein echtes Problem, was mich ziemlich enttäuscht hatte.
Was die Zustimmung unter der Bevölkerung angeht, so lief dies ja ziemlich gut. Wenn ich mich recht erinnere, hatten wir eine Zustimmung von mehr als 90 Prozent unter den Berlinern. Diese dürfte aber mit dem plötzlichen Versiegen der Proteste wieder zurückgegangen sein, da doch wieder das Bild vom faulen Studenten entstand, der seine Ferien in Ruhe genießen will, statt bei Wind und Wetter auf der Straße zu sein. Professoren und Studenten holten sich damals reihenweise Erkältungen bei öffentlichen Veranstaltungen, am Ende war alles kaputt.
Gebracht hat es aber trotzdem was: Die PDS- Basis pfiff ihren Wissenschaftssenator zurück und verhinderte damit Studienkonten (vorerst), schließlich wurde auch ein nicht unbeachtlicher Teil der Kürzungen zurückgezogen. Allerdings sollte man sich damit nicht zufriedengeben.
Hauptproblem für zukünftige Proteste werden aber m.E. nach vor allem die eigenen Leute sein, das hat ja schon Lenin festgestellt. Gleich zu anfang gab es die mahnenden Stimmen, man sollte auf keinen Fall "radikal" werden, alles schön friedlich, lustig und bunt. Sowas tötet gleich zu Beginn. Zudem gab es auch unter Studenten Sektierer, die ein Zusammengehen mit streikenden Arbeiter, mit Schülern usw. verhindern wollten, ganz zu schweigen von Konsenssuchern. Solch eine Spaltung muß ebenfalls überwunden werden, schließlich sind Hochschulprobleme nicht isoliert von allem anderen.

Überzeugung fehlt

Fernseh-Hype-Mitläufer-Studi 13.10.2005 - 18:57
Ja, die Medienarbeit in Berlin zum Streik war echt super, da kam dann auch die Zahl der Mopo mit 89% Zustimmung her. Das Problem ist eben nur und das versuche ich in der obigen Analyse aufzuzeigen, das die Proteste keine dauerhafte Substanz, außerhalb des Medienhypes, haben, weil den Leuten eben nich wirklich bewußt ist, wofür sie eigentlich kämpfen. OK, Berlin '03 hat immerhin den PDS-Parteitagsbeschluß gebracht, aber das Problem der fehlenden Überzeugung bei den Betroffenen ist ein prizipielles, denn sonst würde der Protest nicht so leicht abbröckeln. Radikalität kann auch kontraproduktiv sein, aber sinnvolle "Gewalt" gegen Sachen, siehe zum Beispiel die "Weihnachtsbaumkürzung", ist imho durchaus angebracht.