„Ein Salzstock ohne Deckgebirge ist keiner"

Bi Umweltschutz Lüchow-Dannenberg 28.09.2005 19:35 Themen: Atom
Gorleben darf niemals Endlager werden

Im November sollen wieder zwölf Behälter mit hochradioaktivem Atommüll aus der französischen Wiederaufarbeitungsanlage La Hague nach Gorleben gekarrt werden. Wenn „wir“ diesen Transport schon nicht verhindern, aber mindestens politisch und demonstrativ behindern können, werden weitere Mosaiksteinchen das Gorlebener „Endlager“ zementieren, obwohl immer deutlicher wird, dass dieser Salzstock völlig ungeeignet ist. Für mindestens eine Million Jahre muss diese tödliche Hinterlassenschaft des „homo sapiens“ vor der Umwelt abgeschottet werden. Nun hat unlängst das Bundesumweltministerium (BMU) die lange bekannte Tatsache bestätigt, dass Gorleben kein geschlossenes Deckgebirge als zweite geologische Schutz-Barriere über dem Salzstock besitzt (GR berichtete). In einer Veranstaltung der BI „Warum Gorleben weiter erkunden“ Anfang September kommentierte der Geologe und Ex-AKEnd-Mitglied Detlev Appel diesen Fakt treffend: „Ein Salzstock ohne Deckgebirge ist kein Salzstock“.
Denn im Verlauf der Erdgeschichte bildeten sich Salzstöcke, die durch Druck der aufliegenden schwereren Deckgebirgslagen - die ein größeres spezifisches Gewicht haben als die ehemaligen „Salzkissen“ - das über geologische Zeiträume plastische Salz nach oben aufwölbten bzw. „aufquollen“. Und jede als „Salzstock“ bezeichnete Formation hatte einst ein darüberliegendes sogenanntes „Deckgebirge“, das diesen schützt. Zum Beispiel vor Wasserzutritten. Denn nur durch Wasser wird das Salzgestein abgelaugt und der Salzstock verliert in erdgeschichtlicher Zeit einen größeren Teil seiner Masse. Als Relikte verbleiben dann die unlösbaren Gesteinsreste, der sogenannte „Gipshut“ über dem Salzspiegel.

Beim Gorlebener Salzstock zeigt sich eine besondere Gefährdung. Ein großer Teil ist von der sogenannten „Gorlebener Rinne“ durchzogen, wo Gletscher in den letzten Eiszeiten schützende Tonschichten ausgeräumt und beiseite geschoben haben, und deren Schmelzwasser beim Abtauen Unmengen Sande und Kiese in den Rinnenbereich, sogar bis in den Salzstock hinein, transportiert haben. Und genau in diese „Gorlebener Rinne“ sind die beiden Schächte des „Erkundungs“-Bergwerks hineingetrieben worden. Diese nahezu seit Anfang an bekannte Tatsache der Untersuchung des Gorlebener Salzstocks wird von den Befürwortern einer schnellen Lösung der Atommüllproblematik bewußt ignoriert. Gorleben wird von atomgläubigen Politikern und Wissenschaftlern immer noch als „eignungshöffig“ beschworen, aber in vergleichenden Untersuchungen systematisch ausgeklammert. Die Fakten fasste Heinrich Messerschmidt von der BI-„Fachgruppe Radioaktivität“ in seinem Vortrag noch einmal zusammen.

So reicht eine steil in die Tiefe abtauchende Bank des spröden, rissigen, gasdurchlässigen, sich im Geensatz zu Salz nicht plastisch verformbaren Minerals Anhydrit bis in den „Erkundungsbereich“ des Endlagers. Besucher der Stollen können diese mehrere Meter breite Schichtung sehr gut an den braun-violetten Farbwandlungen erkennen. Wegen der Sprödigkeit sind sie im Gegensatz zum Steinsalz mit Netzen und Stahlträgern gesichert. Außerdem reicht eine 10 bis 30 Meter breite Schicht von Carnallitit – ein Mineral, das sich bei Temperaturen von 180 bis 200 Grad verflüssigt, und wegen seiner Wechselwirkungen in Zusammenspiel mit Salz und Wasser Sicherheitsexperten schweres Kopfzerbrechen bereitet – bis in das geplante Endlager hinab. Keine Basis für ein „Endlager“, das den hochradioaktiven Atommüll länger als 50000 Jahre sicher vor der Biosphäre abschließen soll – von der anvisierten eine Million Jahren ganz abgesehen. Über die Anhydrit- und Carnallititschichten kann an die im aggressiven Salz liegenden Lagerbehälter Wasser dringen und die hochradioaktiven langlebigen Radionuklide nach oben transportieren. Ein Schutz des Salzstocks vor Grundwasser besteht mangels eines dichten Deckgebirges ja nicht. Selbst die bundeseigene „Bundesanstalt für Geowissenschaften und Rohstoffe“ (BGR) hat in einem Aufsatz zur „Süß-/Salzwasserverteilung im Deckgebirge des Salzstocks Gorleben“ aus dem Januar 2003 bestätigt, dass es „aufgrund lokal erhöhter vertikaler Durchlässigkeiten innerhalb des Lauenburger Tones zu einem vertikal gerichteten Aufstrom von Salzwässern aus der Gorlebener Rinne in das obere Aquifersystem“ komme. Und „Diese Salzwässer gelangen in den Grundwasseraufstromgebieten der Elbeniederung in verdünnter Form bis in den oberflächennahen Grundwasserleiter“ (nachzulesen bei  http://www.bgr.de/b1hydro/index.html?/b1hydro/fachbeitraege/c200301/suesssalz.htm.

Diese k.o.-Kriterien für ein „Endlager Gorleben“ sind ausreichend lange bekannt – nicht nur den Wissenschaftlern, sondern auch den Menschen, die beispielsweise bei Wootz auf der anderen Elbseite in nur wenigen Metern Tiefe salzhaltiges Grundwasser finden. Auch die BGR selber hat im Auftrage der damaligen Bundesregierung erneut nach alternativen „erkundungswürdigen“ Endlager-Salzstöcken gesucht – allerdings ohne Gorleben auch vergleichend mit einzubeziehen – das war auftragsgemäß ausgeschlossen! Und so hatten die Gutachter Dr. F. Kockel und Dr. Peter Krull im August 1995 dann nur drei bedingt für die Atommülllagerung „erkundungswürdige“ Salzstöcke benannt: Waddekath, Wahn Zwischenahn, mit erheblichen Bedenken noch Gülze-Sumpte. In der Werteskala der etwa 41 bewerteten Salzstöcke wäre Gorleben ungefähr bei den Positionen 25 bis 30 einzuordnen!

Zu berücksichtigen ist weiter die enorme Wärmemenge, die bei der Einlagerung von hochradioaktivem Atommüll in das Salz übergeht, und danach in die umliegenden Randbereiche und über das Deckgebirge abgeleitet werden muß. Wenn immer wieder beteuert wird, dass das Salzstockinnere seit Jahrmillionen unberührt geblieben sei, wird dabei gedanklich ausgeklammert, dass es in dieser Zeit niemals einen solchen Wärmeeintrag gegeben hat. Nach vorsichtigen Einschätzungen wird sich allein durch Wärmeausdehnung des Salzgesteins die Oberkante des Salzstocks mit seinem Deckgebirge, innerhalb von 3000 Jahren zusätzlich um vier Meter anheben...

Warum unter diesen Umständen überhaupt damit begonnen wurde, 1,5 Milliarden Euro – davon mehr als 60% für das eigentliche „Endlager“ - im Salz zu verbuddeln, ist immer wieder unverständlich, auch warum der Bundesumweltminister das von ihm selbst als „Schwarzbau“ bezeichnet Erkundungsbergwerk nicht längst auf Dauer stillgelegt hat. Und weder eine Schwarz-Gelb-Grüne, noch eine Schwarz-Rote, noch sonst irgendeine Koalition kann diese Fakten „wegvereinbaren“. Eine Sofort-Lösung ist nicht in Sicht. Daher darf kein Gramm zusätzlicher Atommüll mehr produziert werden! Auch wenn noch so viele CASTOREN Druck ausüben und darauf warten, im Salz verbuddelt zu werden – Geologie läßt sich nicht austricksen. Die Menschen im Wendland auch nicht. Sie stellen sich quer.


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Ergänzungen

im video gesehen!

ratte 28.09.2005 - 21:50
hallo!!!
Ich habe in der Schule gesehen wie Atommüll in gelben Metalltonnen ein Hang im Salzstock hinuntergeworfen werden.
Aber ich musst gleich drüber nach denken ob das nicht gefährlich sein könnte, wenn Mensch so ein Tonne meterweit runterkullern lässt.
Die Tonne könnte doch ohne weiteres aufgehen.
Da hab ich mir gedacht, dass das ein Fake ist um nur den dummen Schülern zu zeigen wie das aussehen könnte.
Weiß jemand genaueres übe r den Ablauf in so einem Lager?

Übrigens war das Video ein Sendung von Peter Lustig(Löwenzahn).

Video von Morsleben oder Asse

Schrupf 29.09.2005 - 01:24
Solches abkippen hatte es vor allem im "Versuchs-Endlager" Asse II gegeben. Dabei wurde der Müll unwiederbringlich in einen Salzstock gekippt - nur so als versuch. Allerdings war der Müll illegaler Weise auch noch mit Plutonium versetzt.
Jetzt ist es so, dass der Salzstock leckt und damit zu rechnen ist, dass das radioaktive Material in wenigen Jahren austritt. Selbst, wenn also die Fässer beim abkippen nicht kaputt gehen, die Salzlauge wird sie zerfressen.
Dazu findest Du mehr Informationen unter der unten stehenden Adresse.
In Morsleben sieht es wohl auch nicht allzuviel besser aus. Das war das Endlager der DDR, welches dann nach der Übernahme fröhlich von der Bundesregierung weiter benutzt wurde, bis ein Gericht entgültig entschied, dass das illegal sei. Dort wurde der Müll zum Teil durch Luken in tiefer liegende Schächte abgekippt. Allerdings gibt es auch dort ein Wasserproblem und eines mit dem Deckgebirge.
Das Video wird wohl von einem dieser beiden Lager kommen.

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