Beschlagnahme bei aaa-Redaktion rechtswidrig

Atomkraftgegnerin in der Göhrde 20.09.2005 19:46 Themen: Atom
Beamte der Staatsschutzabteilung im Wendland mußten heute morgen die Sachen zurückbringen, die sie im August in einer groß angelegten Aktion gegen die Redaktion der Zeitung anti atom aktuell davon getragen hatten. Ein gutes Dutzend AtomkraftgegnerInnen aus der Göhrde nahm sich die Zeit, Öffentlichkeit dafür herzustellen
Die Polizeimaßnahme gegen die Redaktion der Zeitschrift anti atom aktuell (aaa) war rechtswidrig. Mit dieser Entscheidung stellte sich das Landgericht Lüneburg am vergangenen Wochenende auf die Seite der aaa-Journalistinnen Elisabeth K. und Martin N. Deren Wohnungen im Wendland und die Redaktionsräume der Bewegungszeitschrift waren im August von einem Großaufgebot der Polizei durchsucht und Computer und zahlreiche Unterlagen beschlagnahmt worden. Dagegen hatten die Hamburger Anwälte Beschwerde eingelegt. „Das Amtsgericht Dannenberg hat zu Unrecht gegen die Beschuldigten Durchsuchungsbeschlüsse erlassen“ heißt es im Beschluss der 6. Strafkammer des LG Lüneburg, selbst „Anhaltspunkte, die einen Anfangsverdacht rechtfertigen, sind nicht ersichtlich.“

In seiner Begründung weist die Kammer auf die besondere Schwere hin, mit der durch eine Hausdurchsuchung in Grundrechte eingegriffen wird; die sorgfältige Überprüfung des Sachverhalts durch den zuständigen Richter müsse Grundvoraussetzung einer solchen Maßnahme sein. Der Republikanische Anwaltsverein RAV hatte zuvor in einer Stellungnahme diesen so genannten Richtervorbehalt angemahnt und gerügt, dass das Amtsgericht Dannenberg - wie bereits häufig im Zusammenhang mit der Auseinandersetzung um die Lagerung von Atommüll in Gorleben - seine Wächterfunktion missachtet habe.

Eingeleitet hatte die Staatsanwaltschaft Lüneburg das Verfahren angeblich wegen einer Aufforderung zu Straftaten. Sie nahm damit Bezug auf die Internetseite der Veranstaltungswoche „prekär-camp“; in der Programmübersicht waren an mehreren Tagen Workshops zum Thema „Yomango“ genannt. In der spanischen Umgangssprache bedeutet yo mango sowohl „ich esse“ wie „ich klaue“; „Yomango“ ist eine von Künstlerinnen in Barcelona initiierte Form des Protests gegen Verarmung und Verunsicherung der Lebensverhältnisse. Auch hiermit hat sich die Kammer unter Vorsitz von Dr. Gützow befasst und schreibt im Beschluß: „Zahlreiche Fragen sind offen, beziehungsweise die Antworten auf diese Fragen sind bloße Vermutungen: Wo sollten etwaige Taten stattfinden? In welchen Geschäften sollte in der provinziell angehauchten Kleinstadt Lüchow gegen angeblich zunehmende Kommerzialisierung durch Diebstähle protestiert werden?“ Eine Aufforderung zur strafbaren Handlung konnte das Gericht nicht erkennen.

„Es entsteht der Verdacht, dass hier eine aus Sicht der Staatsanwaltschaft gute Gelegenheit genutzt wurde, sich Daten über eine nicht genehme Publikation, die aaa, zu verschaffen. Hierin ist ein unverhältnismäßiger Eingriff in die Pressefreiheit zu sehen. Auch die gesetzlichen Schweigerechte von Redakteur/innen über Informant/innen wurden so wegen eines geringfügigen Vorwurfs schwer verletzt.“ schreibt Karen Ullmann für den RAV.

Da sich die Aktion gegen eine Redaktion richtete, wiege die Unverhältnismäßigkeit des Eingriffs besonders schwer, urteilt der Vorstand der Deutschen Journalisten-Union dju. Wie schon in früheren vergleichbaren Fällen könne der angebliche strafrechtliche Anlass für die Durchsuchung nur als Vorwand für eine Ausforschung des Redaktionsgeheimnisses verstanden werden. Die dju warnt ausdrücklich davor, den Vorgang wegen des geringen publizistischen Marktgewichts des betroffenen Presseorgans zu unterschätzen. „Die Pressefreiheit existiert entweder ungeteilt oder sie existiert nicht.“ mahnt Manfred Protzner, Sprecher der dju. „Wer Rechte der anderen nicht verteidigt, setzt die eigenen aufs Spiel.“

Nach Auskunft von Oberstaatsanwalt Warnecke sind die beschlagnahmten Gegenstände freigegeben; die Aushändigung durch Beamte der Staatsschutzpolizei fand am 20. September um 11 Uhr statt. Dazu hatten sich Nachbarinnen und Nachbarn eingefunden
Creative Commons-Lizenzvertrag Dieser Inhalt ist unter einer
Creative Commons-Lizenz lizenziert.
Indymedia ist eine Veröffentlichungsplattform, auf der jede und jeder selbstverfasste Berichte publizieren kann. Eine Überprüfung der Inhalte und eine redaktionelle Bearbeitung der Beiträge finden nicht statt. Bei Anregungen und Fragen zu diesem Artikel wenden sie sich bitte direkt an die Verfasserin oder den Verfasser.
(Moderationskriterien von Indymedia Deutschland)

Ergänzungen

Die ganze Story...

siehe... 20.09.2005 - 23:46

Versiegelung?

XY aufgelöst 21.09.2005 - 23:25
Hallo,
weiss vielleicht jemand, ob die Gegenstände bei Beschlagnahme ordnungsgemäss in versiegelte Behälter verpackt wurden, und ob die Siegel bei Rückgabe der Gegenstände noch unversehrt waren?

Bericht

randbild 22.09.2005 - 09:40
siehe auch  http://www.randbild.de

keine versiegelung

dabei gewesen 24.09.2005 - 01:23
Mit der Begründung, es seien keine Siegel vorhanden, wurden die Tüten nicht verschlossen. Auf Nachfrage erklärte der Staatsschutzbeamte, man "könne ja eigene Siegel benutzen".

Sich gegen die Scheiße wehren...

... 25.09.2005 - 09:53
...tut mensch sinnvollerweise auch beim näxten Castortransport ins Wendland, dessen Termin bereits festzustehen scheint: Auftaktdemo Lüneburg, 5.11., dann bis zum 8. oder 9.11 Aktionen an Schiene und Straße!

Für einen lebendigen Widerstand!

Beiträge die keine inhaltliche Ergänzung darstellen

Zeige den folgenden Kommentar an

Rechtsbäugung — db_smasher