Telefonbefragung der ARGE

Martin Pausch 30.07.2005 09:19 Themen: Soziale Kämpfe
Am 29.07.05 fand in Dortmund eine Pressekonferenz statt zum Thema : Anrufe bei Den Arbeitslosen.
Hier ist erst mal der Presseaufruf :

In den letzten Tagen und Wochen führt die Bundesagentur für Arbeit über ein beauftragtes Call Center verstärkt Telefonbefragungen von ALG II Empfängern durch. In diesem Zusammenhang hat es einige merkwürdig zu nennende Vorfälle gegeben.

Alarmiert und erschüttert durch Berichte und Befürchtungen von Betroffenen auf der Montags- demonstration und bundesweite Hinweise auf mutmaßlichen Rechtsmissbrauch halten wir es für unsere Pflicht, diese Vorfälle an die Öffentlichkeit zu tragen.

Rainer Wisnewski berichtete als direkt Betroffener im Rahmen dieser Pressekonferenz von seinem Fall. Er wurde Samstag Vormittag um 8:30 Uhr angerufen und nach Daten, die seine Angaben bei der Arbeitsagentur betreffen, gefragt! Er ist empört:
„Woher sollte ich wissen, wer mich anruft? Was wäre geschehen, wenn ich nicht geantwortet hätte oder nicht zu Hause gewesen wäre? Ich werde mir das nicht gefallen lassen!“
Martin Pausch berichtete, dass eigene Recherchen und Berichte die bis heute an die Montagsdemo herangetragen wurden, ergeben haben, dass es sich hierbei um keinen Einzelfall handelt. Allein auf der Demonstration am vergangenen Montag meldeten sich etliche Betroffene. Das gleiche Bild ergibt sich aus Berichten Betroffener auf der Homepage der Dortmunder Montagsdemo und weiteren Internet-Foren.

Presseberichte (z.B. „Westfälische Rundschau“ Nr. 173 vom 28.07.2005) bestätigen die Aktion der BA erst im Nachhinein. Es wird im Bericht darauf hingewiesen, die Anrufe „dienten der Aktualisierung der vorhandenen Daten“ und „die Teilnahme sei freiwillig“.

Angenommen, diese Darstellung, die sich auf die Presseerklärung der ARGE Dortmund vom 27.07.05 stützt, ist zutreffend, dann stellen sich in diesem Zusammenhang doch einige Fragen:

- Warum gab es keine Information im Vorfeld der Aktion ?
- Warum erfolgte eine Vielzahl der Anrufe Samstags ?
- Warum wurde keiner der uns bekannten Betroffenen darauf hingewiesen, dass die Beantowrtung freiwillig ist?
- Warum findet diese Aktion in der Ferienzeit statt ?
- Hat derjenige, der nicht „freiwillig teilnimmt“, oder zufällig mehrfach nicht erreicht werden konnte evtl. mit Konsequenzen zu rechnen?
- Wie kann ein Datenabgleich seriös per Telefon durchgeführt werden? Was nützt solch ein Datenabgleich, wenn die Teilnahme freiwillig ist? Sind die so gewonnenen „Daten“ relevant ?
- Wie sind Kosten und Nutzen einer solchen Aktion vor dem Hintergrund zu sehen, dass möglicherweise viele keine telefonische Auskunft gaben ?
- Spürt man hier Leistungsempfängern hinterher, die z.B. unabgemeldet Urlaub machen oder „Schwarzarbeit nachgehen ? Ein tatsächlicher „Schwarzarbeiter“ würde das am Telefon wohl kaum zugeben, oder ?

Die Journalistin Gaby Doemges hat bei der ARGE in Dortmund recherchiert und fragt sich: „Warum bekomme ich von der Pressstelle zuerst die Auskunft, bei den Anrufen handle es sich um Betrüger, anschließend wird mir erklärt, es handle sich um einen Datenabgleich, durchgeführt von einem Callcenter?“
Andeutungen aus Kreisen des Call Centers geben Anlass zur Vermutung, dass sich mehr dahinter verbergen könnte als „nur eine freiwillige Umfrage“.
- Wie sind dies Andeutungen zu bewerten?

Der Betriebsrat Gerd Pfisterer wies in diesem Zusammenhang auf einen Brief von Minister Clement vom Juni hin, in dem dieser bedauert, dass zu wenig Hartz IV Bescheide abgelehnt wurden. „Es ist ganz offensichtlich, dass jetzt die Hartz-Gesetze verschärft angewandt werden sollen. Nachdem die ganze Arbeitsmarktpolitik der Regierung gescheitert ist, will jetzt die Regierung von sich ablenken und die Schuld auf die Arbeitslosen und ihren angeblichen Missbrauch abwälzen Das wird ihr nicht gelingen!“
- Sollen hier Betroffene stigmatisiert oder gar kriminalisiert werden ?

Es ist ein politischer Skandal, wenn Minister Clement die von Gewerkschaften, Wohlfahrtsverbänden und sonstigen Organisationen angebotene Information, Aufklärung und Beratung für Betroffene faktisch als „Anleitung zum Sozialleistungsbetrug“ darstellt !

Die Verunsicherung bei den Betroffenen ist groß, die Umstände der Aktion geben Anlass zu großer Besorgnis. Das „Anschreiben Minister Clements an die Geschäftsführer und Geschäftsführerinnen der Arbeitsgemeinschaften“ und die „Empfehlungen zur Vermeidung/Aufdeckung ungerechtfertigter Leistungszahlungen“ (siehe Anlagen) leisten dem zusätzlich Vorschub.

Wir werden die Berichterstattung und die weitere Entwicklung aufmerksam verfolgen, und wir werden weiterhin dafür demonstrieren, dass Hartz IV und die Agenda 2010, oder wie immer sie unter einer neuen Regierung auch heißen mögen, vom Tisch kommen. Die einzigen Arbeitsplätze, die mit diesem sozialen Kahlschlag geschaffen werden, sind aufgeblähte Verwaltungs- und Überwachungsdienste. Niemand kommt an der Tatsache vorbei, dass es einfach keine Arbeitsplätze gibt, egal wie viel Druck und Überwachung angeordnet wird.

Wir fordern vollständige Aufklärung der Öffentlichkeit, schriftliche Information aller Betroffener über ihre Rechte und Einstellung des unwürdigen Ausschnüffelns der Hartz IV Betroffenen!

Wir fordern Presse und Medien auf, sich dieser Fragen anzunehmen und hier entsprechend zu recherchieren !
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Die Presse war eingeladen und war anwesend. Wir wurden beraten von RA Gosmann auch Soest. Heute Abend wird es die ersten Presseberichte geben.

Leider mussten wir feststellen das diese Anrufe keine Aktion der BA war sondern so wie es aussieht ein Privates Call Center.. Wenn dieses Zutreffend ist haben wir eine sehr bedenkliche Lage in Sachen Datenschutz. Was uns zur Zeit vorliegt ist, das dieses Call Center die Firma Vivento ist, also eine Firma der Telekom. Wenn dieses der Fall ist halten wir uns rechtliche Schritte vor.

Ich spreche jetzt mal nur von meinem Teil der Pressekonferenz, den ich pers. Wiedergeben kann.

Gestern habe ich bei dem Bundesministerium für Arbeit angerufen und es gelang mir bis zur Vorzimmerdame von Herrn Clement zu gelangen. Ich fragte die Vorzimmerdame : Ich möchte gerne einkaufen gehen, habe aber Angst das ich so eine Befragung der BA verpasse. Würde mich gerne abmelden aber bei meiner ARGE ist leider kein durchkommen. Diese Frau sagte mir, das Sie mir nicht helfen könnte, das Sie die Abmeldung nicht abnehmen könnte und mir dadurch dann keine Strafe erspart werden könnte. Sie gab mir aber eine Nummer, die für solche Ratschläge da ist und auch helfen könnte. Diese Nummer ist übrigens für alle Arbeitslosen angeblich und soll schnelle Hilfe geben bei Fragen : 030-20146922. Da hatte ich auch wieder eine nette Frau dran die mich aufklärte über mein Problem des Einkaufen. Diese Nummer ist übrigens auch eine Nummer des Bundesministerium für Wirtschaft und Arbeit. Ich fragte auch Sie, was kann passieren wenn ? Sie sagte im dem Fall hätte ich ja einen Kassenbon und der würde für die BA zählen. Ich stutzte. Ich fragte weiter, was ist wenn ein Arbeitsloser mal den ganzen Tag weg ist ? Sie sagte, das kann nicht sein, ein Arbeitsloser ist nicht den ganzen Tag weg weil er verfügbar sein muss. Ich fragte wieder was ist wenn ich das möchte ? Danach wurde ich aufgeklärt in Beamtendeutsch, was nichts anderes heißen sollte. Wenn Sie aus dem Haus gehen, dann haben Sie sich telefonisch abzumelden. Danach war mir klar das aus der Fußfesselgeschichte vor ein Paar Wochen nun eine Telefonfessel Geschichte geworden ist. Dieses ist aber Rechtswidrig und hat keinen Bestand so RA Gosmann. Es zählt nur die Verfügbarkeit des Briefes. Fragen sollten nicht beantwortet werden, da die BA schon alle Daten hat. Die Befragung hat keinen Zweck, es ist eigentlich das Ergebnis: Die BA will nur wissen ob wir anwesend sind. Damit Herr Clement mit seiner Verfolgungsbehörde auch schön die Arbeitslosen aus ALG II werfen kann. Es ist leider sehr traurig was hier passiert. Weitere Infos folgen. Ich habe die Namen der beiden Damen mit Absicht weggelassen, da es ab Montag ein schwebendes Verfahren werden könnte.
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Ergänzungen

der wichtige Punkt

hd 31.07.2005 - 20:24
Ich habe auch einen solchen Anruf von einem Call Center bekommen. (Berlin) Der springende Punkt scheint mir zu sein, dass Arbeitsamts-Daten an Dritte weitergegeben werden, die sich aus der Anonymität bei einem melden. Mir war es nur nach 10 Minuten hin und her am Telefon gelungen, herauszufinden, welches Call Center überhaupt am Draht war (Rostock, Med Haus, hieß es dann). Ein Rückruf, also eine Verifizierung war überhaupt nicht möglich. Diese Datenweitergabe scheint mir der springende Punkt zu sein. Ich habe dem Arbeitsamt geschrieben, dass meine private Telefonnummer bei ihnen gelöscht werden soll, außerdem um Auskunft über die Verantwortlichen und die Beschwerdemöglichkeiten gebeten.