10 Prozesstag in Aachen

UnterstützerInnen 28.04.2005 19:25 Themen: Repression
10.Prozesstag und Erklärungen von zwei der Angeklagten
Zehnter Prozesstag, 27. April 2005

• Gabriel und Begonia geben beide eine Erklärung ab (siehe
Homepage)
• Richter verliest rechtlichen Hinweis darauf, welche
Verurteilungen für die Kammer in Betracht kommen (siehe Homepage)
• Barts Antrag auf Haftverschonung wird abgelehnt
• Richter fragt Abschlussplädoyers an

Gabriel erschien wieder aus Protest gegen die immer noch bestehenden
überzogenen und entwürdigenden Sicherheitsmassnahmen in Unterwäsche.
Nach dem Soli-Applaus für die Angeklagten und dem gewohnheitsmässigen
Verweigern des Erhebens bei Erscheinen des Richters begann die
Zeugenvernahme.

1. Zeuge:
Als erster Zeuge wurde Garth Allen Pursey, Dozent, befragt. Er sagte
aus, er habe aus dem Auto heraus, als er um die Kurve bog, auf Höhe der
Halifaxstrasse zwei Fahrzeuge X und Y gesehen. Neben dem einen habe ein
Mann gestanden, der mit der Faust das Fenster das Autos Y eingeschlagen
habe. Als nächstes habe er beobachtet, wie eine männliche Person
davongerannt sei. Der erste Mann habe währenddessen seine Hände wie mit
einer Waffe nach vorne gestreckt gehalten. Der Zeuge sagte aus, 4-5
Schüsse gehört zu haben. Als letztes habe er direkt beim Auto X einen
Mann und eine Frau gesehen. Er habe alles durch den Rückspiegel
beobachtet und im Auto Y einen Mann und eine Frau und im Auto X zwei
Personen gesehen, sowie einen Polizeiwagen in der Nähe. Den Mann mit der
Waffe beschrieb er als gross und mit einem T-shirt bekleidet. Auf die
Frage des Richters, ob die Schüsse eingeschlagen hätten, antwortete er,
er habe es nicht gesehen, aber er nehme an, es wäre Richtung Polizei
geschossen worden. Aufgrund seiner Farbenblindheit könne er auch nichts
über die Farbe der Autos aussagen. Im Folgenden wurde er vom Richter
nach vorn gebeten, um eine vorliegende Skizze zu erläutern, die der
Zuhörerschaft nicht einsichtig war.

2. Zeuge
Als zweiter Zeuge erschien ein Polizeibeamter, der dem Richter und den
Anwälten Fotos der involvierten Autos und deren Beschädigungen
erläuterte und erklärte, auch ein Streifenwagen habe Beschädigungen
aufgewiesen.

3. Zeuge
Der dritte Zeuge, ein Kriminaloberkommissar, hatte den Tatort in den
Werkstatt gemacht und gab Erklärungen zu den Lichtbildern ab.

Danach setzte Richter Nohl an, das DNA-Gutachten zu verlesen, welches
die Speichelproben der Angeklagten mit den gefundenen Spuren vergleicht.
Gabriels Anwalt legte jedoch mit der Begründung Widerspruch ein, dass
anhand der beigefügten Unterlagen nicht nachvollziehbar sei, wie das
Ergebnis der Überprüfung entstanden ist, und verlangte zusätzlich zu
erläuternden Dokumenten des weiteren ein jeweils halbjährlich
ausgestelltes Zertifikat, das die korrekte Arbeit des Instituts
bescheinigt. Hieraufhin stellte der Staatsanwalt Herr Geimer den Antrag,
Frau Dr.West vom Landeskriminalamt zwecks Erläuterung der
Ergebnisführung persönlich zu laden, dem sich Gabriels Anwalt anschloss.

4. Zeuge
Nach einer 15-minütigen Pause erschien die vierte Zeugin, Frau
Schneider, Regierungsangestellte des Polizeipräsidiums Aachen, die bei
der ED-Behandlung von Begonie dabei war. Sie erklärte, Begonie sei sehr
aufgebracht gewesen und habe sich trotz mehrfacher Belehrung, dass die
Daten im Unschuldsfall vernichtet werden würden, nicht
erkennungsdienstlich behandeln lassen wollen. Auf deren Begehren, ihre
Tochter anrufen zu wollen, habe sie erwidert, dafür seien sie nicht
zuständig, und sie auf den Sachbearbeiter verwiesen. Mit dem
Sachbearbeiter sei von ihrer Seite aus keine Absprache gehalten worden.
Ob Begonie darüber aufgeklärt worden war, wie der Vorwurf gegen sie
lautete, könne sie nicht entsinnen. Sie bejahte die Nachfrage der
Anwälte, ob sie sich vor der Vernehmung mit den schon vernommenen Zeugen
der Polizei über den Fall unterhalten habe. Aber das sei nur allgemein
gewesen, ohne Einzelheiten zu behandeln. Zur Vorbereitung habe sie sich
außerdem den Vermerk und die Berichte auf dem Internet durchgelesen.

Nach einer um 45 min. überzogenen Mittagspause begann der zweite Teil
des Prozesstages mit Gabriels lautem Ruf: „SOLIDARIDAD CON MARCO“, einem
der Angeklagten der Magdeburger 129a-Prozesse, der gestern in Beugehaft
genommen wurde.

5. Zeuge
Helmut Radermacher, Polizeikommissar in Aachen, war als fünfter Zeuge
geladen. Er hatte zusammen mit seinem Kollegen Trapp den Streifenwagen
gefahren, der dem
Fluchtauto direkt gefolgt war. Über Funk hätten sie die Information
erhalten, dass von der Markant-Tankstelle ein roter BMW flüchtig war,
woraufhin mehrere Polizeifahrzeuge die Verfolgung aufnahmen. Ihnen
selbst sei das Fluchtfahrzeug auf Höhe der Schell-Tankstelle
entgegengekommen, woraufhin sie gewendet und den Wagen direkt verfolgt
hätten. Dieser sei mit einem anderen Fahrzeug kollidiert, dennoch
weitergefahren. Der Platz hinter dem Fluchtwagen sei dann einige Zeit
von einem Wagen des BGS eingenommen worden, das bald wieder zurückfiel.
Der Verkehr habe sich verdichtet und sei auf Höhe des Gerichts gestockt.
Daraufhin habe sich eine Person hinten Homepages auf den Rahmen des
heruntergekurbelten Fensters gesetzt, eine Waffe gezogen und auf sie
geschossen. Dasselbe habe sich Höhe Kaiserplatz und Höhe Hansemannplatz
wiederholt. Als der Fluchtwagen auf Höhe Bastei über den Grünstreifen
fuhr, sei für sie aufgrund der Verkehrssituation die Verfolgung beendet
gewesen, während das BGS-Fahrzeug diese fortgesetzten konnte. Einem
Funkspruch folgend begaben sie sich daraufhin zur Halifaxstrasse,
rückten jedoch eine Stunde später ab.
Auf die Fragen des Richters sagte er aus, er habe hinten im
Fluchtfahrzeug mehrere Personen gesehen, wobei es ausgesehen habe, als
ob die Person von der rechten heruntergedrückt wurde. Es sei von
Homepages bei sehr niedriger Geschwindigkeit geschossen und dabei bei
einer Entfernung von 20-25m kontrolliert gezielt worden. Er erklärte, es
habe sich jeweils um Doppelschüsse gehandelt, die er gehört habe, aber
jedoch nicht wisse, wo diese eingeschlagen seien. Den Schützen beschrieb
er als dunkelhaarig, mit Sonnenbrille und dunkel gekleidet. Lichtbilder
seien ihm nicht vorgelegt worden.

6. Zeuge
Als sechster Zeuge erschien Thomas Trapp, Streifenkollege des soeben
vernommenen Zeugen, dessen Aussage sich kaum von diesem unterschied,
abgesehen davon, dass er die Entfernung zum Fluchtauto auf 30-50m
schätze, die sich aus Sicherheitsgründen nach dem ersten Doppelschuss
vergrößert habe. Er habe den Eindruck gehabt, es sei nicht nur auf sie,
sondern auch auf einen weiteren Wagen geschossen worden. Erinnern könne
er sich an das hagere Gesicht des kurzhaarigen Schützen, sowie an dessen
Dreitagebart und Schirmmütze.

Folgend verliest der Anwalt eine Erklärung von Gabriel bezüglich des
Vorgefallenen am 28. Juni 2004. Vollständiger Text in der Homepage.
Gabriel erklärte darin, am 28.12 2003 aus Spanien während eines
Hafturlaubs geflüchtet und seitdem durch Europe gereist zu sein, um
politische Veranstaltungen abzuhalten, wobei er große Solidarität und
auch finanzielle Unterstützung erhalten habe. Außerdem sagte er: „Bart
und Begonie wussten bis zu den Vorfällen in Aachen nicht, dass José und
ich bewaffnet sind. Über dieses Thema ist unter uns vier zu keinem
Zeitpunkt geredet worden, da es diese beiden auch nichts angeht. José
und ich waren bewaffnet, da wir uns auf der Flucht befanden. (...) Wir
hatten vereinbart, die Waffen nur zur Drohung einzusetzen und nicht auf
Menschen zu schiessen, diese zu verletzen oder gar zu töten.“ Die
Geiselnahme sei nicht verabredet gewesen und aus einer Überreaktion
entstanden. Weiter heißt es: „José und ich hatten in den spanischen
Gefängnissen zu viel mitgemacht, um freiwillig dorthin zurück zu
kehren.“, gefolgt von einer Beschreibung der unmenschlichen Haftzustände
in der Isolation und der Folter. Im übrigen sei Bart nur auf seine
Aufforderung hin mit ins Fluchtauto gestiegen und die Schüsse habe er
gezielt nur in die Luft und auf die Reifen und Kühler des sie
verfolgenden Wagens abgegeben und damit erreicht, dass die Polizisten
flohen. Ein Bankraub sei nie geplant gewesen, da er dies weder
finanziell nötig habe noch eine erneute Festnehme riskieren wollte.

Diese Erklärung wurde mit Applaus von der solidarischen Zuhörerschaft
entgegengenommen, woraufhin der Richter erbost auf den Tisch schlug und
zu Protokoll gab, bei erneutem Applaus werde der Saal geräumt.

Es folgte die Verlesung einer Erklärung Begonias (siehe Homepage), die
besagte, dass Begonia nicht an dem Bankraub in Karlsruhe beteiligt war,
mit José nie über die Herkunft seiner wirtschaftlichen Mittel gesprochen
habe, in Verbrechensverabredungen nicht eingebunden war, sowie keine
Kenntnis darüber verfügte, dass Gabriel und José Schusswaffen bei sich
trugen.

Der Frage des Richters, ob Gabriel oder Begonia auf Fragen antworten
würden, wurde von Gabriels Verteidigung entgegnet, dies hänge von den
Fragen ab, während Begonias Anwalt erklärte, Antworten würden nur durch
ihn selbst nach vorheriger Absprache mit seiner Mandantin gegeben.

Nach einer weiteren Pause verlas der Richter einen rechtlichen Hinweis,
der sich darauf bezog, welche Verurteilungen die Kammer in Betracht
zieht, ohne jedoch die Beweisführung zu erläutern:
• Die Anklage gegen Bart könnte sich auf Beihilfe zur Geiselnahme
in Tateinheit mit Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte und zur Beihilfe
zum räuberischen Überfall in Tateinheit mit Beihilfe zum schweren Raub
reduzieren.
• Der Tatvorwurf Mord gegen alle Angeklagten könnte fallengelassen
werden.
• Somit verbliebe für Gabriel und José: Geiselnahme, versuchte
schwere räuberische Erpressung, Widerstand gegen Vollzugsbeamte und
Körperverletzung in einer Tateinheit und räuberischer Angriff auf einen
Kraftfahrer in Tateinheit mit schwerem Raub.
• José werde möglicherweise wegen schwerer räuberischer Erpressung
(Banküberfall in Karlsruhe) verurteilt.
• Es werde in Betracht gezogen, Begonia wegen Hehlerei zu
verurteilen, aufgrund der Annahme, dass sie sich darüber bewusst war,
gestohlenes Geld auszugeben.

Dann verlas er das Gutachten des Sachverständigen Baum bezüglich der
Waffen und der Munition. Gefunden worden seien eine Pistole (es folgen
technische Details), 2 Geschossteile, 5 Patronenhülsen und ein Revolver
(wiederum mit technischen Erläuterungen). Er stellte fest, dass beide
Waffen funktionstüchtig seien und dass auf beiden die Waffennummer
überschliffen gewesen sei. Die Patronenhülsen seien Schüssen aus dem
Revolver zuzuordnen.

Im Folgenden wandte er sich den Vorstrafenregistern der Angeklagten zu.
Bei Bart, Gabriel und Jose gab es keine Einträge. Begonia habe sich für
mehrere Fälle verantworten müssen, u.a. des Fahrens ohne Führerschein,
des Fahrens ohne Versicherung, des zweifachen Betrugs (eine unbezahlte
Heizölrechnung; Verlassen einer Tankstelle ohne die Rechnung zu
begleichen), des Erschleichens von Leistungen schwarzfahren in einem
öffentlichen Verkehrsmittel und des gefährlichen Eingriffs in den
Strassenverkehr mit Beleidigung.

Dann ergriff die Staatsanwaltschaft das Wort, beantragte das zuvor von
der Verteidigung abgelehnte Gutachten zu verlesen, einen weiteren Zeugen
zum Geschehen in der Werkstatt nicht vorzuladen und die Schliessung der
Beweisführung.
Die Verteidigung bestand auf den Zeugen und verlangte erneut, das
DNA-Gutachten nachzuprüfen. Richter Nohl erklärte, Frau Dr. West werde
am Freitag kommen, um die Ergebnisführung zu erläutern.

Danach fragte er sowohl Verteidigung als auch Staatsanwaltschaft, ob am
Freitag schon die Abschlussplädoyers gehalten werden könnten.
Die Verteidigung verneinte dies und der Staatsanwalt sagte, erst die
Erklärung zur Beweisführung abwarten zu wollen.

Letzten Endes kam er auf Barts Antrag zur Haftbefreiung zu sprechen und
verkündete, diesen zurückzuweisen, da immer noch Tatverdacht und
Fluchtgefahr bestehe. Auf die Frage von Barts Anwalt, ob er seinen
Beschluss erläutern könne, entgegnete er: „Wir verkünden Beschlüsse, wir
erläutern sie nicht.“

Barts Anwalt verlas daraufhin einen Antrag, die Regelung, dass
Verteidigerpost ungeöffnet weitergegeben wird, auch einzuhalten;
Kontrolle sei nur bei begründetem Zweifel am Absender berechtigt.

Trotz der Einwände der Verteidigung gab Richter Nohl dann den Inhalt des
DNA-Gutachtens bekannt. Speichelproben seien von allen vier Angeklagten
entnommen worden und mit DNA-Spuren auf mitgeführten Gegenständen,
Getränkebehältern und Zigarettenkippen verglichen worden. Verschiedene
Gegenstände und Bekleidungsstücke wurden ihren Trägern bzw. Besitzern
zugeordnet.

DieVerlesung dieses Dokuments wurde von der Verteidigung als Verstoß
gegen die Aufklärungspflicht erklärt. Josés Anwalt erklärte darüber
hinaus, Josés Geburtstags auf dem Gutachten sei falsch und Begonias
Anwalt verkündete, Begonia hätte mit der Umhängetasche, die ihr laut
DNA-Analyse zugeordnet worden war, nichts zu tun.
Der Antrag bezüglich des Einhaltens der Verteidigerpost-Regelung wurde
vom Richter akzeptiert, seine Umsetzung setze er voraus.

Der nächste Prozesstag ist Freitag, der 29.4.2005.
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Ergänzungen

infoveranstaltung

solidarischer mensch 29.04.2005 - 02:28
ifoveranstaltung am 5.5 um 19 uhr im druckluft zum tehma " die vier von aachen"
> Am 28. Juni 2004 werden vier Personen aus Spanien und Belgien in
> Aachen nach einem Schusswechsel mit der Polizei und Geiselnahme
> verhaftet. Sie hatten versucht nach einer Polizeikontrolle zu
> flüchten. Die vier verhafteten Personen sind Bart de Geeter,
> Jose Fernandez Delgado, Gabriel Pombo da Silva und Begona Pombo
> da Silva.
> info veranstaltung am 5 mai 05 im druckluft um 19uhr
> die 4 von aachen
> Während Begona, die Schwester von Gabriel, nur indirekt an der
> Tat beteiligt war werden den anderen drei Gefangenen, die
> allesamt
> aus anarchistischen Zusammenhängen stammen, nun vor Gericht
> Vorwürfe gemacht, die von schweren Verstößen gegen die
> Straßenverkehrsordnung, über Geiselnahme, bis zu neunmal
> versuchtem Mord reichen.
>
> An dem Infoabend wollen zwei Vertreter der UnterstützerInnen der
> Gefangenen und möglicherweise auch einer der Anwälte über die
> Vorgeschichte und Hintergründe der Tat sowie über das spanische
> Knastsystem und die FIES-Isolationshaft informieren, in der zwei
> der
> Gefangenen lange Jahre verbracht haben.
>
> Neben viel Raum für Diskussionen ist auch eine Soli-VoKü sowie
> für
> Interessierte die Koordinierung von Fahrgemeinschaften zum
> Prozess
> nach Aachen am Folgetag eingeplant
>
> für mehr infos  http://www.escapeintorebellion.info und  http://www.free.de/rob