2. Runde im Verfahren gegen magdeburger Linke

BeobachterInnen 11.04.2005 13:52 Themen: Repression
Am 05. April 2005 startete das Revisionsverfahren gegen Daniel. Als Prozessbeobachtung waren wir dabei...
Prozessbericht vom 05. April 2005


Heute, am 05. April 2005, wurde der Prozess zur Revision gegen Daniel Winter eröffnet. Als Prozessbeobachtung begleiteten wir diesen.

Zunächst sollte der Prozess mit der üblichen Prozedur beginnen. Die Richter und die BAW stellten sich vor. Doch dann griffen die Anwälte von Daniel, Thomas Herzog und Martin Poell, ein, da 2 von den 3 anwesenden Richtern in dem ersten Verfahren gegen Marco, Daniel und Carsten die Keule der „Justiz“ schwenkten – Marco und Daniel wurden für schuldig befunden. Die Anwälte stellten einen Antrag, in dem eine ordnungsmäßige Besetzung des Gerichts gefordert wurde. Es ist rechtsmäßig vorgeschrieben, dass der Gefahr der Befangenheit der Richter vorgebeugt werden muss. Hier würde dies bedeuten, dass die Richter, die schon einmal das Urteil gegen Marco und Daniel gesprochen haben, in diesem Prozess eigentlich nichts zu suchen haben, denn
die Urteilsbegründung des 1. Verfahrens zeigt die Festigkeit der Richter in ihrer inneren Haltung zu dem vorgeworfenen Sachverhalt und den Beschuldigten (Befangenheit):
1. Verurteilung gründend auf einem Konstrukt (Modell 129a)
2. Die Richter hatten genug Zeit sich mit dem Prozess auseinanderzusetzen (Das erste Verfahren dauerte 13 Verhandlungstage)
3. Die Richter haben keinerlei Interesse am persönlichen Werdegang der Angeklagten. (siehe auch Revisionsverfahren gegen Marco H.)
4. Im vergangenen Verfahren wurde der Saal geräumt, Beugehaft und Ordnungsgelder verhängt und Hausverbote erteilt.

Die Bundesanwaltschaft meint hierzu, dass das BGH nun einmal diesen Antrag für unzulässig hält, so ist es die herrschende Meinung, dass dieser Antrag unzulässig ist. Der Vorsitzende Richter Braun kann z.B. nicht befangen sein, da dieser im ersten Verfahren nicht anwesend war. Das dürfte ja wohl reichen. Usw. usf.
Die Anwälte forderten durch einen weiteren Antrag eine Unterbrechung des Prozesses bis dies rechtsmäßig untersucht und geklärt werde.
Auch dies wurde vom Gericht konsequent ignoriert, denn – so das Gericht – sie entscheiden, wenn sie der Meinung sind, dass es Zeit ist und sie teilen ihre Haltung darüber mit, wenn sie denken, dass es angebracht wäre. Punkt.

Dann verlas Hornick (BAW) die Anklageschrift gegen Daniel W.
Wir guckten nicht schlecht, als wir mitkriegten, dass dies original die selbe wie die erste Anklageschrift von 2003 war. In dieser wurde Marco, Daniel und Carsten vorgeworfen, Mitglied und Gründer einer terroristischen Vereinigung gewesen zu sein, welche mit anderen militanten Gruppen (Bundesweit) den Umsturz der BRD anstrebte… (siehe www.soligruppe.de) Interessant ist hierbei, dass Carsten, obwohl er freigesprochen wurde, weiterhin in der Anklageschrift auftaucht und auch weiterhin die Rede von anderen Mitgliedern ist. Dass hier immer noch – ohne Eingreifen des Gerichts – versucht wird, den § 129 a mit ins Spiel zu bringen, zeigt einfach nur ihre beidseitige Kooperation im Kampf gegen linke Strukturen.

Nach der Verlesung der Anklageschrift, nahm der Richter Braun Stellung zu den so genannten Absprachen. Für alle, die es noch nicht wissen:
Im Januar 2005 gab es ein Angebot des Vorsitzenden Richter Braun an Daniel und Marco: Wenn sie die Taten eingestehen, Stellung zur Anklage beziehen und sich zukünftig an die Gesetze der BRD halten, würde die Strafe um einiges reduziert werden – eventuell könne sogar davon abgesehen werden.
Braun meinte nun, dass dies kein Angebot war, sondern dass sie sich allein aus rechtsgründen (nicht aufgrund eigener Interessen – nein nein) „gezwungen“ sähen, wenn Daniel die Taten auf sich nimmt, Jugendarrest zu verhängen. Es sei ein absolutes Missverständnis, dass der Herr Winter aufgrund seiner politischen Haltung angeklagt ist. Er säße aufgrund der begangenen Taten hier, die gegen das deutsche Strafgesetzbuch verstoßen. Seine politische Haltung könne natürlich Ursache für die Taten sein, aber – und jetzt gut lesen – niemand wird in der BRD aufgrund seiner politischen Einstellung verurteilt. Auch Rechte und Verfassungsfreunde würden bei Missachtung des Strafgesetzbuches genauso behandelt werden. Wenn Daniel nun dieses Angebot annehmen würde, also die Taten eingestehen und gleichzeitig Stellung zur Anklage beziehen würde, könnte das Gericht von einer hohen Strafe absehen.

Diese Stellungnahme des Gerichts, ist ein absoluter Entpolitisierungsversuch dieses Verfahrens… Mensch werfe nur einen Blick zu Verfahren gegen Nazis, die für versuchte und durchgeführte Brandanschläge gegen Asylbewerberheime nur Bewährung kriegen. Dort lässt sich die politische Haltung deutscher Gerichte sehr gut erkennen. Doch mehr dazu, findet ihr in der Prozesserklärung von Daniel.

Daniel lehnte nach einer von den Anwälten geforderten 15 minütigen Pause dieses anmaßende Angebot ab. Daraufhin las er seine Prozesserklärung vor. Danach fragte das Gericht, ob Daniel nach Angaben zu seinen jetzigen Lebensverhältnissen etc. machen wolle. Er verneinte dies.

Die Entscheidung über den Unterbrechungsantrag wurde auf „später“ verschoben. Das Gericht rief den ersten Zeugen auf.

Herr Schulze vom Landeskriminalamt Magdeburg war ein Ermittlungsbeauftragter im Zuge der Brandanschläge vom 18. März 2002. Mit dem Feststellen eines vermeintlichen Fingerabdrucks von Daniel, wurde gegen ihn ermittelt. Jedoch muss es schon vorher dienstliche Erkenntnisse über Daniel gegeben haben, da ihm ein Fingerabdruck zugeordnet werden konnte, obwohl Daniel nicht vorbestraft oder je ED behandelt wurde.
Bei der Auswertung des Videos von dem Brandanschlag gegen das LKA Gebäude konnte keine Person identifiziert werden – es war nur ein schwarzer Schatten sichtbar, der den Molli warf.
Es gab einen Durchsuchungsbeschluss für das E-Mail Konto an der UNI von Daniel, worauf ein Zuständiger der Uni die Daten dieses E-Mail Kontos auf Diskette zog und dem BKA übergab.
Schulze war bei der Hausdurchsuchung der Ulrike – des ehemals besetzten Hauses – und bei der Durchsuchung am 27.11.2002 – dem Tag der Festnahme von Marco und Daniel – dabei, war jedoch nicht mit der Auswertung dieser befasst.
Für die Durchsuchung am 27.11.2002 gab es keinen richterlichen Durchsuchungsbefehl. Die Durchsuchung wurde auf Grundlage Gefahr in Verzug durchgeführt, obwohl es einen Tag vorher schon klar war, dass die potenziellen Objekte durchsucht werden. Es gab einen Vorbereitungskreis (LKA, BKA, PD Magdeburg, Sprengstoffdienst und BAW), welcher die Durchsuchungen durchplante. Riger und Hornick (BAW) waren beide bei diesem anwesend. Dies ist ein interessanter Punkt, da die BAW bis dato leugnet, bei dem Vorbereitungskreis anwesend gewesen zu sein.
Schulze stellte die „Allein“entscheidung von Hornick nicht in Frage und dachte, dass der Antrag auf einen Durchsuchungsbefehl noch läuft. Es hat jedoch nie einen Antrag gegeben.
Auf die Frage, ob das LKA Informationen über den AZ etc. durch den Verfassungsschutz erhalten hat, musste Schulze passen. Das LKA arbeitet zwar mit dem VS zusammen (es gibt dafür eine Kontaktperson (in Magdeburg ist dies ein Herr Laie) des LKA zum VS), er wisse aber nicht, ob es da anfragen gab und wenn, dann hatte der VS keine Erkenntnisse zum Autonomen Zusammenschlusz (Magdeburg). Nun gut.
Das Verfahren wurde vor den ersten Hausdurchsuchungen an die BAW übergeben. Das LKA übernahm ab diesem Zeitpunkt nur noch Teilaufgaben – irgendwelche Unterlagen, Akten gibt es aber ab diesem Zeitpunkt nicht mehr.
Die Anwälte stellen einen Antrag auf Vereidigung. Dieser soll später geklärt werden.

Dann ging es weiter mit Kriminaloberst Roland Achiles, 46 Jahr alt, vom BKA Meckenheim.
Er war in einem breiten Feld in der Ermittlung gegen die Magdeburger Linke eingebunden. In Bezug auf Daniel war er unter anderem mit seiner Personenabklärung beauftragt, sowie bei der Hausdurchsuchung von Daniels Wohnung in Magdeburg dabei. Grund für die Hausdurchsuchungen vom 27.11.2002 war ein Telefonat zwischen Daniel und seiner Freundin, bei dem sich für das BKA angeblich eine hohe Fluchtgefahr ergab.
Laut Achiles hat an der Vorbesprechung zur Hausdurchsuchung am 27.11.2002 die BAW nicht teilgenommen. Brockmüller, ein BKA – Beamter, hat diese angeordnet und die BAW angefragt. Vorsichtshalber wurde die Durchsuchung im Vorhinein geplant. Ob dies rechtsmäßig sei, wisse er nicht.
Im Zuge der Ermittlungen gab es Gespräche mit dem Verfassungsschutz Magdeburg, der laut Achiles keine Informationen über die magdeburger Linke hatte. Nur das FK4 Magdeburg (Einheit der Polizei Magdeburg) habe spärliche Informationen über die magdeburger Linke gehabt. Komisch, dass seid dem Jahr 2000 der Autonome Zusammenschlusz (Magdeburg) und andere linke Gruppen und Aktivitäten im Verfassungsschutzbericht auftauchen. Keiner will anscheinend was wissen. Achiles ist sogar nicht bekannt, ob Observationen stattfanden. Häh?

Nach der Befragung soll nun geklärt werden, ob der LKA Beamte Schulze vereidigt werden soll. Das Gericht lehnt dies ab, da sie ihn nicht als so sehr Prozessrelevant sehen.

Dann wird der dritte Zeuge aufgerufen. Uwe Heilmann ist ein Polizist aus Magdeburg, welcher mit Kollegen den Brand bei DaimlerChrysler entdeckt hat. Ein Sicherheitsbeamter hatte sie darauf aufmerksam gemacht. Am Tatort hatten sie einen Beutel mit nicht zu definierenden Substanzen gefunden. Dieser konnte auch niemanden zugeordnet werden.

Zwei weitere Zeugen (Jürgen Becker – Polizist und Peter Engel – Kriminalbeamter) wurden zu einem Brand in einem Autohaus befragt.

Dann wurde die Verhandlung bis zum 19. April 2005 verlegt.

Soligruppe Magdeburg/Quedlinburg
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Ergänzungen

mg-Artikel in jw

partisan 12.04.2005 - 20:32
in der jungen welt ist am 8. april 2005 der aktuelle artikel der militanten gruppe (mg) veröffentlicht worden. nach wie vor wird im zusammenhang mir dem magdeburg-prozeß von einem bundesweiten militanten netzwerk ausgegangen...

hier nun der artikel:

Schritt für Schritt

Ein Aprilscherz oder kein Aprilscherz: Die militante gruppe (mg) antwortet der jungen Welt mit einer Erklärung vom 1.4.2005

* Zusammen kämpfen und so – praktische Formen antikapitalistischer Opposition endeten in der BRD und West-Berlin in Wegschließen (Sicherheitsstaat), Hofnarrentum (Grüne Partei) und Kitsch (»RAF-Ausstellung«). Trotz alledem verficht die militante gruppe (mg) einen »komplexen revolutionären Aufbauprozeß«, den sie kürzlich im Berliner Autonomen-Zirkular interim anhand der Frage »(Stadt)-Guerilla oder Miliz« diskutiert wissen wollte. Mit diesem Text setzte sich Helmut Höge in zwei Ausgaben dieser Zeitung (jW 2. und 3. März 2005) auseinander und riet angesichts historischer Erfahrungen dazu, keine Massenbewegungen, sondern ein »Klein-Werden« zu initiieren. Hierauf erreichte uns ein Schreiben der mg, das wir hier gekürzt dokumentieren.

(jW)



Die von Helmut Höge in der jungen Welt am 2.3.05 getroffene Aussage, daß unser Text »(Stadt-)Guerilla oder Miliz?« »bei den jüngeren interim-Lesern auf großes Interesse (stieß)«, können wir mangels repräsentativer Umfrage schwerlich überprüfen. Indes haben wir mit der Beschäftigung von Miliz-Modellen ein »bewaffnetes Format« an die Oberfläche der Diskussion um lnterventionsmittel und -formen der revolutionären Linken befördert, das lange Zeit unbeachtet blieb. (...) Insgesamt finden wir es positiv, daß sich Höge intensiv mit unserem Text inhaltlich auseinandergesetzt und kritische Einwände erhoben hat, die sich für ihn aus der Lektüre unseres Beitrages ergeben. Wir kennen nicht viele Beispiele dieser Art der ernsthaften inhaltlichen Kontroverse. Sein (sportliches) Motiv, uns zu weiteren »Anstrengungen« anspornen zu wollen, greifen wir mit diesen Zeilen gerne auf.


Papier-Guerilla?

Der von Höge gewählte ironische Dreiklang in seiner Artikelüberschrift »In der Stadt, auf dem Land oder Papier – Guerillakampf damals und jetzt« hat einen wahren Kern: Der Guerillakampf spielt sich aktuell in der BRD auf dem Format eines DIN-A-4-Blattes ab. Seit der Selbstauflösung der RAF 1998 bzw. der »Rücknahme der Eskalation« im April 1992 wurde der bewaffnete Kampf in der organisatorischen Form der Metropolen- oder Stadtguerilla ad acta gelegt. Dafür gab es konzeptionelle und »zeithistorische« Gründe, die wir erst einmal gar nicht abstreiten.

Seit dem Beginn der 90er Jahre sind Waschkörbe voll Papieren zur Krise und Perspektive des militanten und auch bewaffneten Widerstandes in der BRD geschrieben, verbreitet, besprochen und wieder vergessen worden. Diese von uns als revolutionäre Linke zugelassenen großen Erinnerungslücken machen uns schwer zu schaffen, denn periodisch sehen wir uns mit (zumeist ergebnislos verlaufenden) »Militanzdebatten« traktiert.

In bezug auf die Militanzdebatten bemerkt Sebastian Haunss in seinem Buch »Identität in Bewegung. Prozesse kollektiver Identität bei den Autonomen und in der Schwulenbewegung«, daß »wohl kein anderer Bereich, kein Thema sich bei den Autonomen durch so wenig Entwicklung und so viele Wiederholungen aus(zeichnet)«. Dies führt er darauf zurück, daß »die Konjunktur militanter Gruppen weniger strategischen Diskussionen als wiederkehrenden Bewegungszyklen (folge)«. Dieser Sachverhalt führte in den letzten fünfzehn Jahren u. a. dazu, daß wir zu keiner aufeinander aufbauenden, bezugnehmenden und auf (organisatorische) Ergebnisse abzielenden Debatte um klandestine Politikformen kommen konnten. (...)

Höges Humoreske, daß die von uns als »Abrechnungsshow« titulierte »RAF-Ausstellung« der KunstWerke Berlin auch Teil unseres anvisierten »Aufbauprozesses« sein könnte, können wir gewißlich nicht folgen. Ein unter der Schirmherrschaft von Ex-BRD-Innenminister Baum stehendes Kunst-Event verträgt sich kaum mit einem (manchmal auch kunstvollen) klandestinen Engagement. Bei diesem werden dann auch keine feuilletonistischen Auszeichnungen aus der chicen Kunst- und Kulturwelt abgeräumt; das einzige, was abgeräumt wird, sind wir, wenn wir nicht ordentlich auf uns acht geben.

Manche Vergleiche hinken einfach ganz fürchterlich. Das heißt aber nicht, daß die von den AusstellungsmacherInnen beabsichtigte Denunziation des bewaffneten Kampfes in der BRD bei allen AusstellungsbesucherInnen greift. Es wird z.B. von Stefan Wisniewski in einem Videomitschnitt sehr eindringlich erläutert, warum sich die RAF nach der Erstürmung der »Landshut« und den toten GenossInnen in Stammheim für die Liquidation von Schleyer entschieden hat. Weitere Beispiele ließen sich anführen. Teile der »RAF-Ausstellung« lassen für die BesucherInnen einen Interpretationsspielraum, der der beabsichtigten Wirkung der Abscheu und des Schreckens durchaus zuwiderlaufen kann. Mehr noch: Es ist nicht ausgeschlossen, daß einzelne durch bestimmte Ausstellungsexponate oder einsehbare Berichte über den bewaffneten Kampf für diesen interessiert werden.

Es ist eine absurde Vorstellung, für die Dauer einer 5-Minuten-Terrine Fragen des bewaffneten Kampfes »diskutieren« zu wollen. Wir haben mit dem Text »(Stadt-)Guerilla oder Miliz?« die Absicht verfolgt, überhaupt den Horizont des Themas »Bewaffneter Kampf« aufzumachen. Demnach handelt es sich hier um keinen »historisierenden« Text, mit dem der bewaffnete Kampf auf ein Abstellgleis geschoben werden soll, sondern um ein Mosaik für eine (Neu-) Bestimmung von Guerilla- bzw. Milizpolitik.

Dieser Text konnte von seiner Ausrichtung her nicht im Ansatz das hervorbringen, was von Höge bemängelt wird: die Benennung der »(unterschiedlichen) Gründe« des Scheiterns verschiedener Guerillamodelle und die daraus erwachsenden »Schlüsse für eine militante Praxis hier und jetzt«. Das sind die folgenden und aufeinander aufbauenden Schritte, die in einem kollektiven Prozeß innerhalb der revolutionären Linken gegangen werden müssen. Dabei ist es in vielen Punkten weitgehend offen, ob sie überhaupt (kollektiv) gegangen werden wollen. (...) Wir hoffen, es ist klar geworden, warum wir uns gegenwärtig und auf absehbare Zeit hauptsächlich mit dem Zusammenfügen von Buchstaben befassen (müssen), statt mit dem Herausbürsten des Rußes aus dem Colt-Lauf. Also, das Motto lautet: Schritt für Schritt!


Klein-Werden?

Höges Formel des »Klein-Werdens« von antagonistischen politischen Zusammenhängen, d.h., sich nicht konturenlos (strukturell) zu erweitern, sondern im Sozialen »aufzugehen« bzw. »sich schließlich mit nahezu jedem identifizieren zu können«, ist eine unterhaltende These. Allerdings ist diese Passage in seinem Beitrag typisch feuilletonistisch, ein bißchen philosophisch verklausuliert. Seine mit dieser These verbundene Aussage, daß sich von »Grottian«, über den »anonymen Luxusauto-Abfackler« bis zu »Trickprostituierten« »gewissermaßen bereits« ein »widerstandsebenenübergreifendes Netzwerk« »vereint« habe, führt in die Irre. Weder »vereint« diese Aufzählung von Personen(-gruppen) ein Bewußtsein des Kollektiven, noch ist dieses »Vereint-Sein« Ergebnis eines Prozesses der Organisierung, der bestrebt ist, die Atomisierung von stattfindenden sozialen Kämpfen aufzuheben.

Höge trifft aber, was unsere Redensart vom widerstandsebeneneübergreifenden Netzwerk angeht, einen verwundbaren Punkt unserer veröffentlichten Ansätze revolutionärer Politik. Ähnlich der Papier-Guerilla existiert ein derartiges »Netzwerk« nur am Reißbrett. (...)

Wir stehen, zugegeben, vor dem (Vermittlungs-)Problem, daß wir ohne eine erkennbare strukturelle Ausformung ein Modell einer revolutionären Organisierung propagieren. Um nicht mißverstanden zu werden: Wir haben keinen Spaß am bloßen Modellieren, wir stellen uns seit mehreren Jahren als militante gruppe (mg) die Gretchenfrage, welche Aufgaben sich für uns als klandestiner Zusammenhang neben unserer Hauptintention der Koordination militanter Politik ergeben. Vor dem Hintergrund der aktuellen Situation des Nichtvorhandenseins einer bewaffneten Struktur und der Marginalisierung der revolutionären Linken in Basisprozessen wirken wir parallel in mehrere Richtungen. Wir wollen uns nicht selbst auf die (exklusive) Rolle eines militanten Grüppchens zurückziehen, das nur anlaß- und bockbezogen mit strafrechtlich relevanten Handlungen aufwartet. Auf das Erkennen der Defizite der revolutionären Linken haben wir reagiert. Das heißt nicht, daß unsere Art des Reagierens die einzig mögliche ist. Aber wir haben z. B. mit unserem Projekt der Bildung einer militanten Plattform ein konkretisiertes Angebot der Organisierung militanter Gruppenstrukturen unterbreitet, das aus unserer Sicht ein unverzichtbarer Ausgangspunkt ist, um verläßlich inhaltlich, praktisch, logistisch und organisatorisch nicht nur vorausblicken zu können, sondern faktisch voranzukommen.

Um sich nicht selbst in einer »revolutionären Exklusivität« einzurichten, suchen wir u. a. Bezugspunkte zu den Protestformen deklassierter gesellschaftlicher Sektoren.

Wir haben in den vergangenen zwei Jahren unser inhaltlich-praktisches Hauptgewicht auf eine sozialrevolutionäre Linie gelegt. Höges Idee des »Klein-Werdens« – verstanden als Form der »Sozialisierung« – erweist sich als Nebelkerze. Einerseits spricht er sich für das »Verschwinden« in die sozialen Zusammenhänge aus, andererseits erzählt er im gleichen Atemzug von »einem anschwellenden Haufen Gesindel«, mit dem man konfrontiert werde. Statt in schlechter Manier Tiraden gegen »lumpenproletarische Auswüchse« zu fahren, kann es Sinn machen, z. B. die Diskussion einer lnterventionistischen Linken um Aneignungspraxen Prekarisierter tiefer zu thematisieren. (...)

Höge hat an einem anderen Punkt wiederum recht, wenn er hervorhebt, daß sich eine »Konjunktur« von Bewegung, Protest und Widerstand »weder herbeianalysieren noch -wünschen« läßt. Das ist unsere Rede; nicht Akademismus oder Voluntarismus setzen uns in Bewegung, sondern die kleinteilige, tagtägliche Mühsal der politischen (Vor-)Arbeit.

Für eine militante Plattform – für einen revolutionären Aufbauprozeß – für den Kommunismus!

militante gruppe (mg)
1. April 2005