Geschichten, die Hartz IV schreibt

eine Spielverderberin 22.12.2004 11:58 Themen: Soziale Kämpfe
Am Sonntag den 19.12. konnten viele SpaziergängerInnen bei Övelgönne, der hamburger Hauptflaniermeile an der Elbe, sich die Zeit mit einem Spiel vertreiben. Nachdem sich die SpielerInnen durch das Hartz-IV-Leben gekämpft hatten, konnten sie am Ziel zwischen dem faulen Leben in der sozialen Hängematte, dem 48 Stunden Job, dem spottbilligen 1-Euro-Job oder dem garantierten Grundeinkommen wählen.
Am Sonntag den 19.12. konnten viele SpaziergängerInnen bei Övelgönne, der hamburger Hauptflaniermeile an der Elbe, sich die Zeit mit einem Spiel vertreiben.
Auf einem Spielfeld für drei Personen hatten die teilnehmenden SpielerInnen die Gelegenheit sich durch das Hartz-IV-Leben zu kämpfen. Unterbrochen von Ereignissen versuchten sie ans Ziel zu gelangen, um dort zwischen dem faulen Leben in der sozialen Hängematte, dem 48 Stunden Job, dem spottbilligen 1-Euro-Job oder dem garantierten Grundeinkommen zu wählen.

Im Gegensatz, zu der Aktion der Altonaer Arbeitsförderungsgesellschaft (AFG), unter den ersten 200 freiwilligen BewerberInnenn für 1-Euro-Jobs einen festen Arbeitsplatz mit vorherigem Förderungsseminar zu verlosen, gab es für die SpielerInnen immerhin einen Lolly.
(Die umstrittene Aktion der AFG wurde mittlerweile aus Mangel an Beteiligung wieder abgesagt.)


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Im Folgenden sind die "Spielregeln", die als Flyer verteilt wurden, dokumentiert:

Spiel des Lebens oder Geschichten, die Hartz IV schreibt

„Ein Löwe geht zu drei Kühen und sagt zu ihnen: liefert mir eine von euch aus, dann lass ich euch anderen in Ruhe. Zwei der Kühe sind sich bald einig und gehen auf den Handel ein. Eine Woche später kommt der Löwe zu einer der beiden Kühe und sagt: überlass mir deine Kollegin, dann verschone ich dich. Die Kuh ist einverstanden. Es vergeht eine Woche, dann kommt der Löwe wieder. Die letzte Kuh erinnert an das versprechen, doch der Löwe lacht und fragt: warum sollte ich dich verschonen? Und frisst sie auf.“

Eine ALG II Empfängerin die zwangsweise einen Ein-Euro-Job verrichtet, um nicht ihre Bezüge zu verlieren.


Ein Mann ohne deutschen Pass und Arbeitserlaubnis, der bei einer Razzia auf einer Baustelle festgenommen und abgeschoben wird.

Eine Frau, die aufgrund von verschärften Zumutbarkeitsregeln durch die Agentur für Arbeit in die traditionelle Rolle der versorgten Ehefrau gedrängt wird.

Eine tarifliche Auseinandersetzung, die mit Urlaubsverzicht und unentgoltener Arbeitszeitverlängerung endet, um angeblich Arbeitsplätze zu erhalten.

Eine rumänische Professorin, der aufgrund ausländer- und arbeitsrechtlicher Bestimmungen nur ein schlecht bezahlter Putzjob den Lebensunterhalt sichert.


GESCHICHTEN, die erzählen wie im Rahmen neoliberaler Entwicklung sich die vermeintliche Solidargemeinschaft immer mehr entleert und zunehmend mehr Menschen entrechtet, diszipliniert und einer totalen Kontrolle auf dem Arbeitsmarkt ausgesetzt werden.
Geschichten, die davon zeugen, dass die Arbeitsreformen der Agenda 2010 die gesamte Gesellschaft betreffen, nicht allein ALG II-Bezieherinnen, nicht allein Erwerbslose.

Angeblich sollen die Reformen Arbeitsplätze schaffen.


Tatsächlich werden Arbeitsplätze abgebaut, soziale Leistungen gekürzt und privatisiert, prekäre Billiglohn- und Leiharbeit eingeführt, die Löhne gesenkt und die Arbeitszeit erhöht. Der Konkurrenzdruck jede-r gegen jede-n hier und weltweit wird immer und immer wieder aufs Neue ausgespielt. Dabei institutionalisiert Hartz IV im Grunde das, was für Flüchtlinge schon seit Jahren Realität ist. Mit Hartz IV werden ungeschützte und prekäre Arbeitsverhältnisse gesetzlich verankert, die oftmals MigrantInnen und Frauen vorbehalten waren. Hartz IV ist die logische Fortführung der kapitalistischen Gesellschaftsform, innerhalb derer die Existenz einzelner nur dann berechtigt ist, wenn sie für die Gesellschaft verwertbar sind, wenn um jeden Preis gearbeitet wird.

ABER, was sind eigentlich die Ziele der Einzelnen in diesem gesellschaftlichen Spiel, was nur zu häufig alles andere als ein Spiel ist? Angenommen, es träte für einen Moment eine Pause auf dem Spielplan ein, es gäbe die Möglichkeit, fern der Ereignis(-felder) zu wählen, in welcher Gesellschaft wir eigentlich leben wollen ...


Wir nehmen uns das Recht, nach unseren Wünschen und Bedürfnissen zu leben. Wir fordern für alle das Recht, ihre Zeit nach eigenen Wünschen und Bedürfnissen zu gestalten. Und wir fordern für alle das Recht auf Existenz, unabhängig von Verwertbarkeit, Geschlecht oder Nationalität.

Seid nicht dankbar für Dinge, die Ihr nie gewollt habt!
Macht mit beim Agenturschluss am 3.1.2005!




Weitere Infos zur Initiative Agenturschluss unter:
 http://www.labournet.de/agenturschluss/
 http://www.labournet.de/diskussion/arbeit/aktionen/agenturschluss_dez.html
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