Finanzierungskonferenz Nordafrika Mittelost

Stadtplenum München 15.12.2004 19:22 Themen: Globalisierung SiKo München
Erstmals findet am 11. Februar 2005, im "Dorint Sofitel Hotel Bayerpost" (Bayerstr.12) in München, eine Finanzierungskonferenz zur Region Nordafrika/ Mittelost statt. Sie wird veranstaltet vom Bundesverband der Deutschen Industrie (BDI) und dem Bundesverband deutscher Banken (BdB) im Rahmen der Nordafrika Mittelost Initiative der Deutschen Wirtschaft (NMI). Die Weltbank-Gruppe und die Europäische Investitionsbank (EIB) sind Mitveranstalter der Konferenz.
Bis zu 250 Persönlichkeiten aus Politik und Wirtschaft haben ihre Teilnahme an der Konferenz angekündigt, die unter dem Motto "Mehr Sicherheit durch Investitionen" den Auftakt zu einer Veranstaltungsreihe mit zweijährigem Rhythmus bildet. Themen der Konferenz sind operative Fragen der Finanzierung und der finanziellen Absicherung von Export- und Projektvorhaben sowie Auslandsinvestitionen in der Region (Nordafrika/ Mittelost). Als weiterer Schwerpunkt sind Strategien und Instrumente zur Gewinnung von Investoren aus der Region für ein Engagement in Deutschland benannt.

Kooperation mit der "Münchner Konferenz für Sicherheitspolitik"

Da laut Veranstaltern "spezifische Sicherheitsrisiken Handel und Investitionen in der Region behindern", findet dieses Treffen in Kooperation mit der "Münchner Konferenz für Sicherheitspolitik" (SiKo) statt. Die OrganisatorInnen der Aktivitäten gegen die NATO-Kriegskonferenz haben immer wieder betont, dass die weltweite Ausbeutung und ihre militärische Absicherung den inhaltlichen Schwerpunkt des jährlich stattfindenden Kriegstreibertreffens darstellt. Bedingt durch die thematische Ausrichtung der Finanzierungskonferenz, ihre bewusste Anlehnung an die SiKo und einem der Schwerpunkte der 41. SiKo, die "wechselseitige Beziehung von wirtschaftlicher Entwicklung und Sicherheit", findet diese Argumentation erstmals eindeutig und offiziell ihre Bestätigung.

Die politische Brisanz erfährt die Finanzierungskonferenz auch dadurch, dass hier explizit deutsche Interessen im Vordergrund stehen. In Konkurrenz zum relativ schleppend verlaufenden sogenannten "Barcelona-Prozess", mit welchem die EU seit 1995 die Schaffung einer Freihandelszone im südlichen und östlichen Mittelmeerraum anstrebt, dient diese Konferenz dazu, eine transkontinentale deutsche Wirtschaftsexpansion zu forcieren. In Zeiten immer knapper werdender natürlicher Ressourcen, geraten die rohstoffreichen Staaten Nordafrikas und des Mittleren Ostens verstärkt in den Fokus deutscher Begehrlichkeiten. Die Einbeziehung von Weltbank-Gruppe und Europäischer Investitionsbank (EIB), als Mitveranstalter der Konferenz, könnte als geschickter taktischer Schachzug bewertet werden, der den Eindruck erwecken soll, die Konferenz sei in einen europäischen/globalen Zusammenhang eingebettet.

Die Angliederung der Zusammenkunft der deutschen Wirtschaftselite an die Münchener Militärkonferenz ermöglicht zudem einen Abgleich wirtschaftlicher und militärischer Expansionskonzepte. Nicht von ungefähr hat Außenminister Fischer während der SiKo 2004 versucht, eine "transatlantische Initiative für den gesamten Mittelmeerraum" auf die Tagesordnung zu setzen. Bis zur deutschen Vereinigung vollzog sich die wirtschaftliche Expansionstätigkeit in Nordafrika und dem Mittleren Osten ohne offene militärische Komponente. Seit der Neuformulierung deutscher Militärpolitik drängt das Auswärtige Amt jedoch auf koordinierte Aktionen, die der kriegerischen Ressourcensicherung dienen und mit zivil-wirtschaftlichen Aktivitäten gekoppelt werden. So demonstriert Berlin bereits heute mit einer eigenständigen Aufrüstung der nordafrikanischen Küstenüberwachung, mit Schnellbooten, Überwachungssystemen und Kommunikationsausrüstung seine nationalen Handlungsoptionen, um die Migrationsbewegungen noch vor dem Eintritt in die EU zu stoppen. Die von Schily geforderten Auffanglager entlang der nordafrikanischen Küste, würden die Abschottung der Außengrenzen des europäischen Wohlstandsblocks vervollständigen.

Nordafrika Mittelost Initiative der Deutschen Wirtschaft (NMI)

Da die Finanzierungskonferenz im Rahmen der "Nordafrika Mittelost Initiative der Deutschen Wirtschaft" (NMI) stattfindet, muss sie etwas genauer betrachtet werden. Die NMI wurde im März 1996 vom BDI zusammen mit dem Deutschen Industrie- und Handelskammertag (DIHK), dem Bundesverband des Deutschen Groß- und Außenhandels (BGA) und dem Nah- und Mittelost-Verein (NuMOV) gegründet, später kamen der Afrika-Verein (AV) sowie der Bundesverband deutscher Banken (BdB) hinzu.

"Die Bundesrepublik ist exportorientiert und braucht sichere und aufnahmefähige Absatzmärkte, während die arabischen Länder aus ihren umfangreichen Rohstoffvorkommen Exporterlöse zur Finanzierung deutscher Waren erzielen könnten", so heißt es z.B. in einer Studie der "Deutschen Gesellschaft für Auswärtige Politik". Die Maghreb-Staaten sind bereits seit geraumer Zeit Ziel einer deutschen Außenwirtschaftsoffensive, die den nationalen Einfluss im ,,gesamten Nahen und Mittleren Osten sowie Nordafrika" vergrößern soll: So ist seit dem 1. Juni 2002 ein bilateraler Investitionsförder- und -schutzvertrag zwischen Deutschland und Algerien in Kraft, der es der rot-grünen Regierung erlaubt, Garantien für deutsche Investitionen in Algerien zu übernehmen. Die Gründung des Deutsch-Libyschen Wirtschaftsforums fand bereits im Jahr 1997 statt.

Da diese Offensive in traditionellen Einflussgebieten der Mittelmeeranrainer Frankreich, Italien und Spanien sowie der ehemaligen Kolonialmacht Großbritannien stattfindet, bündelt die NMI die wirtschaftlichen Kapazitäten, um die Levante und den Maghreb als bisher unzureichend genutzte "neue Absatzmärkte" und Regionen mit umfangreichen Energievorkommen zu erschließen. Die hochkarätige Besetzung des NMI-Präsidiums - u.a. Daimler-Chrysler, Siemens, Deutsche Bank, Commerzbank, ABB, MAN und Dresdner Bank - verdeutlicht, dass für das deutsche Kapital die wirtschaftliche Eroberung der südlichen und südöstlichen Mittelmeeranrainerstaaten von immenser Bedeutung ist. Zudem ist die Wirtschaftsliberalisierung der gesamten Region mit über 800 Millionen Menschen nicht nur erklärtes Ziel auf europäischer Ebene ("Barcelona-Prozess" ) sondern auch Stoßrichtung dieses bilateralen Prozesses.

Arische Kontinuität

Zu den NMI-Trägerorganisationen gehört der Nah- und Mittelost-Verein (NuMOV), der seinerseits unter dem Namen ,,Orient-Verein" 1934 in Berlin gegründet wurde. Die durch den Zweiten Weltkrieg unterbrochene Vereinsarbeit wurde am 10. Mai 1950 durch die Gründung des ,,Nah- und Mittelost-Vereins" wieder aufgenommen. ,,Die Versammlung beschloss, die im wesentlichen noch geltende frühere Satzung des Orient-Vereins zu genehmigen", schreibt der NuMOV heute. Im Jahr 1954 übernahm der Hamburger Industrielle und frühere NS-Geheimdienstspezialist für die Zerschlagung der deutschen Nachbarstaaten in ethnische ,,Regionen", Alfred C. Toepfer, den Vorsitz.

Während der NS-Okkupation hatten sich die Toepfer-Betriebe an der wirtschaftlichen Ausplünderung Frankreichs beteiligt, lieferten Löschkalk für die Massengräber im Getto Lodz (,,Litzmannstadt") und verfügten über große Mengen jenes Raubgolds, das Berlin den Opfern seiner industrialisierten Massenvernichtung entriss. Zu den NS-Liegenschaften der Toepfer-Stiftung gehörte u.a. Gut Kalkhorst, das bis 1945 als ,,Reichsführerschule" fungierte. Der Stifter persönlich hielt auf Kalkhorst Rasse-Vorträge und beschwor die blutliche Einheit der arischen Welt (,,Blutsgenossen").

Nach 1945 beschäftigte Toepfer in seinen Firmen mehrere Nazi-Verbrecher, darunter Edmund Veesenmeyer, Mitarbeiter Eichmanns bei der Massendeportation von 400.000 Ungarn jüdischer Herkunft in die deutschen Vernichtungslager und finanzierte Thies Christophersen, den Autor des Buches ,,Die Auschwitz-Lüge". Trotz dieser eindeutigen Verbindungen erfreute sich Toepfer hoher Wertschätzung des deutschen Staates, dem er durch weltweite Co-Finanzierung deutschsprachiger Minderheiten (,,Volksgruppen") diente. Auch nach seinem Tod (1993) ging die Zusammenarbeit mit der Toepfer-Stiftung zugunsten einer ethnischen Neuordnung des Kontinents weiter. 2004 wurde beispielsweise bekannt, dass die Beauftragte der Bundesregierung für Kultur und Medien, Christina Weiss, für eine der Toepfer-Stiftungen in Hamburg tätig ist.

Fazit

Die "Finanzierungskonferenz Nordafrika Mittelost" ist von ihrer politischen Bedeutung her, der
"Münchner Konferenz für Sicherheitspolitik" gleichzusetzen. Die Eliten aus Wirtschaft, Militär und Politik werden sich am zweiten Februarwochenende in München einfinden, um weitere Pläne der weltweiten Ausbeutung und ihrer militärischen Absicherung zu entwerfen. Deshalb ist beiden Konferenzen die gleiche politische Aufmerksamkeit zu widmen und dementsprechend werden sich auch die Gegenaktivitäten gestalten.

Stadtplenum München
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Ergänzungen