Die Lügen der Privatisierer

dz 23.11.2004 00:11 Themen: Globalisierung
Wir erleben gegenwärtig weltweit die Privatisierung sämtlicher ehemals öffentlicher Sektoren wie Wasserver- und entsorgung, Bildungswesen, Telekommunikation, Nah- und Fernverkehr, Gesundheitswesen, Energieversorgung.
Der Anteil des Dienstleistungssektors am Bruttosozialprodukt liegt in den USA jetzt schon bei 73%, während er beispielsweise in Europa lediglich 45% ausmacht. Für die Konzerne gilt es also sich einen neuen Markt mit enormem finanziellem Potential zu erschließen.
Die Konzerne versprechen den Verbrauchern billigere Preise - und den Kommunen Einnahmen - das Gegenteil ist der Fall.
Betrachten wir die verheerenden Effekte der Privatisierung am Beispiel des Landes Berlin:
1999 wurden die Berliner Wasserbetriebe teilprivatisiert. Die Instandhaltungskosten der Anlagen wurden sofort nach der Privatisierung um 50% reduziert. Eingespart wurden diese vor allem bei mit Wartungsmaßnahmen beauftragten mittelständischen Betrieben, was zweierlei Folgen hatte: zum Einen verschlechterte sich der Zustand der Anlagen merklich, zum Anderen bedeutete es für viele kleine Betriebe den Ruin. Insgesamt hingen an diesen kleinen Unternehmen etwa 10.000 Arbeitsplätze. Derzeit sind weitere 1300 Arbeitsplätze gefährdet. Darüber hinaus wurden Anfang des Jahres die Preise für die Verbraucher um 15% erhöht. Die Landeskasse erzielte durch die Teilprivatisierung zwar einen einmaligen Gewinn von 1,73 Milliarden Euro, der sich aber relativiert angesichts der langwierigen wirtschaftlichen Folgekosten von Betriebsschließungen und Arbeitslosigkeit; außerdem erwirtschafteten die Berliner Wasserbetriebe auch vor der Privatisierung jährlich einen nicht unbeträchtlichen Gewinn, der auf der Einnahmenseite des Landes verbucht werden konnte. Erwähnenswert auch, dass das Land Berlin den Betreiberfirmen eine Gewinnmarche garantiert, die gegebenenfalls aus der Landeskasse bezahlt werden muss.

Ähnlich die Situation bei den Gaswerken. Die Privatisierung erfolgte 1998 . Von den 2563 Arbeitsplätzen wurden mehr als die Hälfte, nämlich 1381, abgebaut. Der Gaspreis erhöhte sich für die Verbraucher um 43,7% (!). Das Land verdiente an dem Verkauf der Gaswerke 721 Millionen Euro. Der geschäftstüchtige Aufkäufer verkaufte inzwischen allein das Gasnetz für 818 Millionen Euro an eine Münchner Leasing Firma.

Bereits 1977 wurde der landeseigene Energieversorger BEWAG zum Preis von 1,17 Milliarden Euro an drei Privatkonzerne verscherbelt. Das bedeutete für 4550 Men-schen den Verlust des Arbeitsplatzes und für die Verbraucher einen Preisanstieg von 4,1%. Statt der jährlichen Dividende von 50,6 Millionen Euro die das Land Berlin vor der Privatisierung erhielt, wird ihm jetzt lediglich ein “Mitsprachrecht” eingeräumt. Einer der drei privaten Käuferkonzerne verkaufte mittlerweile seinen zu 496 Millionen Euro erstandenen Anteil an der BEWAG zum Preis von 1.71 Milliarden Euro an den schwedischen Konzern Vattenfall weiter.

Ungläubiges Staunen stellt sich auch ein wenn man den Fall der staatlichen Bundesdruckerei Berlin näher betrachtet: für eine Milliarde an die Gruppe “Authentos” verkauft, ging diese bald mit 500 Millionen Euro Schulden in die Pleite. Die Bundesregierung sanierte daraufhin mit öffentlichen Geldern die Druckerei, in der auch Bank-noten und Personalausweise gedruckt wurden, und verkaufte sie wiederum weiter an einen privaten Betreiber zum Preis von: einem Euro (!). 2310 Drucker verloren bei dieser Privatisierungsaktion ihren Arbeitsplatz.
Die Führung der Berliner Verkehrsbetriebe (BVG) indes bereitet sich erst auf die Privatisierung vor. Konkret wurde angekündigt weitere 6000 Mitarbeiter zu entlassen; erste Preiserhöhungen wurden bereits abgesegnet.

Auch der Berliner Krankenhauskonzern Vivantes, der jährlich 180.000 Menschen versorgt, wurde in die Teilprivatisierung geschickt und das mit einem Schuldenberg von 230 Millionen Euro. Die Einsparungen ließen nicht auf sich warten: Entlassun-gen, Lohnverzicht der Mitarbeiter, Schließung von Abteilungen, “Verdichtung” der Arbeitsbelastung, Outsourcing selbst wesentlicher Versorgungselemente.

Die Liste der Beispiele ließe sich fortsetzen: auch die Berliner Wohnungsbaugesell-schaft (GEHAG) sowie die Berliner Messe GmbH sollen “erfolgreich” privatisiert werden. Erwähnt sei auch die demnächst geplante vollständige Privatisierung der Berliner Verkehrsbetriebe (BVG) die deshalb schon mal 1/3 ihrer Mitarbeiter entlassen hat, die Preise erhöht hat, sowie die Streichung des Sozialtickets betreibt.



Die Privatiserung bringt also schlechtere Qualität, teurere Preise und Massenentlassunegn mit sich.
Sie ist Ausdruck eines Wirtschaftssystems das sich klar gegen die Interessen der ungeheuren Mehrzahl der Menschen richtet.

Entweder wir ändern das System als Ganzes - oder es wird sich nichts ändern.




Quellen:

- Fritz, Thomas: “GATS 2000: Gegen die weltweite Liberalisierung von Dienstleistungen”, in Attac Deutschland (Hrsgb.): “Eine andere Welt ist möglich!”, S. 105 - S. 107, VSA-Verlag Hamburg, 2002
- junge Welt, Nr. 170 vom 27.7. 2004, S.10/11, Verlag 8. Mai GmbH, Berlin

-  http://www.privatisierungswahn.de/neues.html
Creative Commons-Lizenzvertrag Dieser Inhalt ist unter einer
Creative Commons-Lizenz lizenziert.
Indymedia ist eine Veröffentlichungsplattform, auf der jede und jeder selbstverfasste Berichte publizieren kann. Eine Überprüfung der Inhalte und eine redaktionelle Bearbeitung der Beiträge finden nicht statt. Bei Anregungen und Fragen zu diesem Artikel wenden sie sich bitte direkt an die Verfasserin oder den Verfasser.
(Moderationskriterien von Indymedia Deutschland)

Ergänzungen

Privatisierung: nicht nur ökonomische Folgen

Zweckoptimist 23.11.2004 - 12:32
Privatisierungen ziehen aber leider nicht nur ökonomische Folgen nach sich, also z. B.:
- Massenentlassungen
- Preiserhöhung
- Verschlechterung des Angebots
- Erhöhung der öffentlichen Verschuldung bei gleichzeitig
- sinkenden Einnahmen der öffentlichen Hände.

Prototypisch kann das bei der Privatisierung von Eisenbahnen beobachtet werden. Was aber dabei besonders perfide ist: das ganze wird auch noch gefährlicher. Mit der Umwandlung der Bahn in ein privatrechtliches Utnernehmen z. B. stiegen eben nicht nur die Subventionen massiv an (hier auf das 10-fache), sondern leider auch die Todeszahlen durch "Schlamperei", "technisches Versagen" oder wie auch immer man die Vernachlässigung der Sicherheit zugunsten der versprochenen Rentabilität auch nennen mag. Noch extremer ist das in England, wo Landreisen wieder das Gefahrenniveau des Mittelalters aufweist.

Willkommen in der schönen neuen Welt des Neoliberalismus

Privatisierung in "Dritte-Welt-Ländern"

zana 23.11.2004 - 13:11
In Bolivien besitzen die Konzerne das Monopol auf die Wasserversorgung.
Bewohnern von Armenvierteln wurde daher per Gerichtsbeschluss untersagt, Regenwasser in Wannen zu sammeln, um es als Trink- oder Waschwasser zu verwenden.

In Bolivien zahlen durchschnittlich arme Familien bis zu ein drittel ihres Monatseinkommens für Wasserverbrauch.

Qualität ist aber eine ökonomische Größe

N.N. 23.11.2004 - 13:11
Weiß jemand und kann ergänzen,wie der Gewinn in der Dienstleistungsbranche überhaupt entsteht ? Indem die Arbeit (+) billiger ist als die Leistung/das Angebot ? Oder wie ?

Privatisierung auch in Nürnberg

Fautista 23.11.2004 - 13:50
Die im ABeitrag angesprochenen Sachen laufen auch hier in Nürnberg.So hat die Stadt mittlerweile der ehemals (noch-) städtischen Wohnbaugesellschaft (wbg) das 100% Belegungsrecht ihrer Wohnungen eingeräumt.Nicht nur nach Gerüchten soll im stillen Kämmerlein über die Abschaffung der Sozialbindung "verhandelt" werden.

@N.N. - Gewinn in der Privatisierer

p.g. 23.11.2004 - 13:51
Ich bin kein Ökonom; aber so weit ich weiß muss man sich das etwa so vorstellen:

ein Konzern kauft der Stadt extrem billig ein zuvor kommunales Unternehmen ab (z.B. Wasserversorgung).

1. schmeißt die Hälfte der Arbeiter raus
2. lässt die verbliebenen Arbeiter für weniger oder den gleichen Lohn mehr arbeiten
3. vernachlässigt laufende Kosten: also z.B. weniger Wartungsarbeiten an Filtern etc.
5. erhöht den Endpreis den die Verbraucher zahlen müssen
6. bildet mit anderen etwaigen Konkurrenz-Konzernen ein inoffizielles Preiskartell (so das kein "ruinöser" Wettbewerb zwischen ihnen entsteht) und
6. lässt sich das alles in einem für die Stadt extrem ungünstig ausgearbeiteten Vertragswerk gesetzlich garantieren - lässt mitunter auch, wie im Fall Berlin, eine Gewinngarantie (!) vertraglich festschreiben - was nichts anderes heißt als dass, wenn der Konzern trotzdem Verlust macht oder nicht ausreichend Gewinn, die Steuerzahler ihm das aus der Landeskasse begleichen!

30% Lohnkürzung

antikapitalist 23.11.2004 - 15:33
in diesem Zusammenhang müssen die verbliebenen Angestellten der Berliner S-Bahn eine Lohnkürzung von 30% hinnehmen!!!

der staat hat uns verkauft

wassermann 24.11.2004 - 11:13

zu N.N.; "wodurch enstehen hier eigentlich gewinne"


deine einschätzung ist nicht falsch, aber viel zu kurz gegriffen.

es ist natürlich richtig, dass ein müllabfuhr-unternehmen,
dass mit weniger und/oder billigeren arbeitern arbeitet,
wirtschaftlicher arbeitet als andere, und so mehr kaptial
akkumuliert bzw. profite macht.

der wesentliche punkt bei der privatisierung von ver- und
entsorgungsunternehmen in europa in den letzten 10 jahren ist
aber ein anderer.
als die energieversorgungs und telekommunikationssysteme
(bei diesen beiden waren die änderungen seinerzeit für den
normalbürger am drastischsten zu bemerken) privatisiert worden
sind, enstand ein NEUER MARKT für investoren, den es in der
form vorher garnicht gab. und das ist bis heute, also 3-10
jahre nach den privatisierungen der grosse motor der die
einzelnen unternehmen antreibt: man kämpft um marktanteile,
und stelungen, um einfluss, kurz gesagt, es geht in der ver-
und entsorgung (in europa) derzeit immer noch eigentlich nur
um umsatz - und nicht um unmittelbaren profit.

die energieversorger beispielsweise hatten früher, als sie
noch öffentlich waren, viel mehr kapital akkumuliert als
heute - wo es für die kleineren unter ihnen schon schwer ist,
überhaupt noch zu arbeiten. bei beginn der privatisierung
des energiemarktes stand man damals vor unglaublichen 300
milliarden DM überschuss - seinerzeit die grösste geldanhäufung
in der BRD. (mit der man, nur mal als beispiel, locker hätte
die bundesbahn oder die post übernehmen können.)

die eigentliche verschiebung des gesellschaftlichen
besitzverhältnisse findet nicht dadurch und dort statt, wo
privatkapitalisten gaslieferverträge abschliessen und ubahnen
fahren lassen, sondern das wesentliche ist die tatsache, dass
all diese unternehmen heute keine bundeszuschüsse mehr bekommen;
das heisst wir zahlen keine steuern mehr für die bahn und die
AKWs, sondern statt dessen höhere preise für deren service.

warum dann die steuern nicht gesenkt wurden ?
ja, genau, da haben wir´s ja.



Beiträge die keine inhaltliche Ergänzung darstellen

Zeige den folgenden Kommentar an

Hi Wassermann — blubber