München: Prozess gegen Unterbindungsgewahrsam

Rote Hilfe München 28.10.2004 19:57 Themen: Repression SiKo München
Dieses Jahr beginnen die Aktionen gegen die Sicherheitskonferenz mit einer Klage gegen den Unterbindungsgewahrsam...
Einleitung:

Viele Blicke und Ideen richten sich wieder auf die Mobilisierung gegen die
Nato-Sicherheitskonferenz, die wie jedes Mal am Anfang des Jahres (11./12. Februar 2005) stattfinden wird. Auch dieses Mal soll den Kriegstreibern der Aufenthalt in München so unbequem wie möglich gemacht werden.
Unser Blick richtet sich hier zuerst auf den unangenehmsten Aspekt der
Aktionen der letzten Jahre, genauer gesagt, auf die Menge an Repression, mit der wir allesamt konfrontiert wurden und wohl auch in Zukunft sein werden.

Rückblende:

Am 9. November findet ein Prozess statt, in dem Anklage erhoben wird gegen
das Mittel des Unterbindungsgewahrsams, das in Deutschland immer öfter zum Einsatz kommt. Der Kläger wurde am Freitagabend zusammen mit vielen anderen festgenommen, aber nicht wie die meisten anderen im Laufe der Nacht raus gelassen. Er musste bis zum Ende aller angemeldeten Aktionen, also bis Samstagnacht, im Polizeipräsidium Ettstrasse Einzelzelle ohne Matratze verharren, ohne zu wissen, was ihm eigentlich vorgeworfen wird.
Nun wurde es ihm mitgeteilt. In einer mehrseitigen Begründung wird er als Bedrohung für eine so genannte "öffentliche Sicherheit" konstruiert. Eingestellte Jahre zurückliegende Verfahren werden in der Begründung dazu angeführt.

Öffentliche Sicherheit oder Sicherheit vor der Öffentlichkeit ?

Die so genannte "öffentliche Sicherheit", die der Staat hier in Gefahr
sieht, war Thema der Aufrufe zu den Protesten der letzten Jahre. Mit
"Sicherheit" lässt sich einiges begründen, wie Mensch immer wieder
feststellen muss. Während im Bayerischen Hof die "Sicherheit" ins Feld geführt wird, sorgt die Polizei draußen ebenfalls für die "Sicherheit" der Tagungsteilnehmer direkt und für natürlich für "Sicherheit" und Ordnung in der Stadt. Diese "Sicherheit" ist die der herrschenden Machtverhältnisse, der unterdrückerischen Praktiken und der gehorsamen Realität, denn der Ort des Sprechens über Krieg und Frieden, über Sicherheit und Unsicherheit ist immer der Ort der Mächtigeren und sie definieren die Perspektive.

Die Definition Sicherheit:

Was dann “Sicherheit" konkret für diejenigen heißt, die dagegen sind, dass
sich alljährlich Kriegsstrategen in München treffen, zeigen die Erfahrungen der letzten Jahre. Mit einem Aufgebot von mehr als 5.000 Einsatzkräften versuchte der Staat 2002, das Verbot der Demo am Samstag durchzusetzen - mit ziemlich geringem Erfolg. Zwar gab es über 800 Festnahmen, aber es gelang trotzdem eine Demo mit 10.000 Leuten durchzusetzen. 2003 und 2004 gab es darauf dann zwar keinen Versuch mehr die Demo zu verbieten, allerdings wurde sie mit einem massiven Polizeiaufgebot konfrontiert.

Letzes Jahr:

2004 hatten die staatlichen "Gesetzeshüter" ein besonderes Augenmerk auf den Freitag gerichtet, an dem zu Blockadeaktionen rund um den Bayerischen Hof aufgerufen wurde: Es gab zahlreiche Festnahmen (256) und Verletzte. Ein Festgenommener war mit einem besonders hohen Maß an Polizeigewalt konfrontiert, er wurde in der Polizeizentrale (Ettstrasse) eine Treppe runter gestoßen und getreten,außerdem war er rassistischen Sprüchen der Polizisten ausgesetzt. Gegen ihn wurde U-Haft wegen angeblicher Fluchtgefahr auf Grund seines Wohnsitzes in Österreich verhängt. Erst nach 10 Tagen und Zahlung einer Kaution kam er schließlich frei.

Staatliche Repression im Vorfeld:

Die staatliche Repression gegen die Proteste zeigten sich zunehmend auch schon im Vorfeld der Aktionen. Bereits eine Woche vor Beginn der Sicherheitskonferenz wurden die Räume des gemeinnützigen Vereines Zeit,
Schlacht und Raum e.V. gestürmt, sämtliche Türen eingetreten, die dort
anwesenden Leute bedroht, festgehalten, durchsucht und gefilmt. Alle Räume wurden außerdem verwüstet und ebenfalls gefilmt. Die nächsten Wochen wurden im gesamten Viertel Polizisten abgestellt um es zu "bewachen".

Abschrecken und Einschüchtern, so könnte das Motto des Vorgehens der Polizei lauten. Jeglichem Handeln gegen den herrschenden Zustand soll die Legitimität gründlich abgesprochen werden, oder zumindest Stärke entgegengesetzt werden. Welche es nicht gut finden, wie es hier läuft, verlieren das Recht, ihre Meinung zu äußern und sich zu versammeln. Wie selbstverständlich wird durch routinemäßiges Filmen und Sammeln von Daten auf Demonstrationen, Kontrolle von Individuen und politischen
Strukturen möglich gemacht. Die so “unter Verdacht" geratenen Personen
erscheinen dann anschließend in staatlichen Karteien, auf deren Basis Leuten die Anreise zu Demonstrationen verweigert und ein mehrtägiges Unterbindungsgewahrsam verhängt wird.

Münchens Polizeipräsident Dr. Wilhelm Schmidtbauer spricht in diesem Zusammenhang von “Berufsdemonstranten" und impliziert damit ein sinnentleertes Ritual. Jeglicher Bezug zum nichtdemonstrierenden Rest der Bevölkerung soll dadurch vernichtet werden. Unterstützt werden diese Aussagen oft von der Presse, die durch Pressekonferenzen des Polizeiapperates und guten Beziehungen dorthin bedient werden. Die Kriminalisierung von Widerstand, die an einem solchen Wochenende, besonders sichtbar wird, ist dauerhaft präsent und fordert einen breiten, vielfältigen, und entschlossenen Umgang.


Deswegen rufen wir dazu auf, die Klage unseres Genossen gegen
Unterbindungsgewahrsam doppelt zu unterstützen:

“Drinnen" im Gericht, um ihn durch unsere Anwesenheit zu unterstützen

“draußen³ weil ein Prozess nicht alles sein kann und unserer Meinung nach
auch nur Sinn macht, wenn er politisch begleitet und genutzt wird, um
Repression im Allgemeinen und im Besonderen gegen die Siko zu thematisieren.


Die Rote Hilfe schreibt dazu: “Bei den Klagen kann es nicht Ziel sein, dass einzelne Menschen vor der (bürgerlichen) Gerichtsbarkeit ihr so genanntes Recht einklagen. Die Klagen können nur ein Werkzeug für eine politische Öffentlichkeitsarbeit sein. Nur wenn die Klagen von einer lauten und solidarischen Arbeit begleitet werden, kann ein politisches Ziel erreicht werden."

Lektüre: Rote Hilfe / Der Umgang des Staates mit den
Protesten gegen die Sicherheitskonferenz 2004 in München

Kundgebung
- am Montag, den 08.11.2004 Stachus | 16:00-20:00

Prozess
- am Dienstag, den 09.11.2004 zum Prozess | 14:00 Justizpalast
Prielmayerstr. 7 | Sitzungssaal 12/0
Creative Commons-Lizenzvertrag Dieser Inhalt ist unter einer
Creative Commons-Lizenz lizenziert.
Indymedia ist eine Veröffentlichungsplattform, auf der jede und jeder selbstverfasste Berichte publizieren kann. Eine Überprüfung der Inhalte und eine redaktionelle Bearbeitung der Beiträge finden nicht statt. Bei Anregungen und Fragen zu diesem Artikel wenden sie sich bitte direkt an die Verfasserin oder den Verfasser.
(Moderationskriterien von Indymedia Deutschland)

Ergänzungen

Mehr zum Thema

Schlupp 28.10.2004 - 23:55
Fotos und Berichte zur Siko 2004

von den Vorfeldaktionen
 http://www.indynews.net/Fotosseite_I.915.0.html

von den Gegenaktionen am Freitag
 http://www.indynews.net/Fotosseite_II.914.0.html

von der Demonstration am Samstag
 http://www.indynews.net/Fotosseite_III.913.0.html

Prozess zur "Sicherheitskonferenz" 2003
 http://www.indynews.net/ArtikelNo.991+M588596112ba.0.html

von der Solidemo für die Gefangenen danach:
 http://www.indynews.net/Fotosseite_IV.912.0.html

"Heilige Sicherheit!" Einführung der High-Tech-Videoüberwachung
 http://www.indynews.net/ArtikelNo.991+M50cf63d6626.0.html

Kreative Demonstration gegen Unterbindungsgewahrsam
 http://www.indynews.net/ArtikelNo.991+M5b1d56af7e7.0.html

Erste Aufrufe zur Sicherheitskonferenz 2005
 http://germany.indymedia.org/2004/10/96590.shtml


Termine für Siko 2005:

Mahnwachen "Für eine Welt ohne Terror und Krieg" , Ab 11.11.04 am Richard Strauß Brunnen. Ab 4.11.04 => 16:00 bis 17:30 Uhr. Info Tel.: (089) 152716 oder 31190520.

18.1.05 19:30 Uhr PDS München (Schwanthalerstr. 139, U4/5 Schwanthalerhöhe) Veranstaltung zur NATO-Sicherheitskonferenz in München - Themenabend der BO "Linksabbieger" der PDS München