Demonstration zum Frauenabschiebeknast/Neuss

Nolager 24.08.2004 00:45 Themen: Antirassismus
Am Sonntag, 21.08 fand in Neuss im Rahmen der Anti-Lager-Action-Tour eine Demonstration gegen den Frauenabschiebeknast statt. An der Demo nahmen ca. 350 Personen teil. Am Gefängnis und in der Neusser Innenstadt fanden Kundgebungen mit Redebeiträgen statt.
Um 14.30 Uhr versammelten sich die antirassistischen DemonstrantInnen auf dem Bahnhofsvorplatz. Aus Bramsche reisten ca. 100 AktivistInnen mit der Bahn an. Beim mehrmaligen Umsteigen wurden jeweils Kurzdemonstrationen durch Bahnhofsgebäude/-vorplatz gemacht. Blue-Silver und Trommel-Musik lockerten die Stimmung auf, es wurden Tour-Zeitungen an andere Reisende verteilt und die Stimmung war, obwohl die Fahrt so lang war, ausgelassen.

In Neuss angekommen lief die Demo, CamperInnen vereint mit anderen AntirassistInnen, los in Richtung Abschiebegefängnis, das sich recht unscheinbar in der Neusser Innenstadt befindet und ihn dem 80 Frauen untergebracht sind. "Über 70 % der Frauen, die in Neuss einsitzen, werden bei Razzien in Bordellen festgenommen. Sie gehören zu den ca. 1,5, Millionen Menschen , die in Deutschland ohne Papiere leben. Viele der illegalisierten Frauen in Deutschland arbeiten als Hausarbeiterinnen, Kinderbetreuerinnen und Pflegekräften. [...] Privathaushalte wie Firmen profitieren von diesem Potential entrechteter und absolut billiger Arbeitskraft ungemein." (aus der Tour-Zeitung)

Die Demonstration durch die Stadt mit dem größten Schützenfest Deutschlands verlief ruhig bis zum ankommen an dem Knast. In der schmalen Straße war der Bürgersteig mit Gittern abgesperrt, was jedoch nicht die DemonstrantInnen daran hinderte, sich Zugang zur Gefängnismauer zu verschaffen. Einige Polizisten standen nun ohne Gitter den DemonstrantInnen gegenüber und zeigte Verhalten zwischen eingeschüchtert und angriffslustig. Insgesamt war die Polizei nicht so stark vertreten.

Nach einem kurzen Redebeitrag wurde, die Demo fortgesetzt, da die Frauen im Knast während der Zeit der Demo in den hinteren Teil des Gebäudes verlegt wurden. Zudem durften sie währenddessen nicht in den Innenhof. So zeigt sich wie die Beamten unter allen Umständen eine Wahrnehmung der Solidaritätsbekundungen unterbinden und die gefangenen Frauen von der Aussenwelt isolieren wollen.

Danach ging es zu einem zentralen Platz in der Innenstadt, wo noch mehr Redebeiträge gehalten wurden. Unter anderem wurde über frauenspezifische Fluchtgründe, die Diskriminierung (bis hin zu Todesstrafe) von Homosexuellen in zahlreichen Ländern und den Aufenthaltsbedingungen im Knast gesprochen. Ausserdem sprachen Frauen von einem kurdischen feministischen Netzwerk und Flüchtlinge aus verschiedenen Regionen.
Die Cafegäste in der Fussgängerzone reagierten grösstenteils mit Ablehnung oder Ignoranz auf die Redebeiträge.

Die Demo endete um ca. 18 Uhr.

Einziger Zwischenfall: Ein Mann in Schützenuniform musste von einem Polizisten ,der blitzschnell reagierte, in sein Haus zurückgedrängt werden. Er schien recht erhitzt gewesen zu sein und auf die Demo losgehen wollen, was, wie der Bulle richtig einschätzt, schlecht für ihn ausgegangen wäre, da Antifa auch manchmal Schützen angreifen heisst.
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Ergänzungen

persönlicher Eindruck

teilnehmer 24.08.2004 - 15:42
also, ich fand die demo dieses jahr sehr gelungen.
es waren wesentlich mehr leute da, als beim letzten mal (350 könnte gut hinkommen), die demo war bunt, laut und auch recht entschlossen.

die, bürger, die überhaupt eine reaktion gezeigt haben, waren zumindest teilweise empört ("das ist doch bolschewismus"). ein mensch in uniform, der offenbar demoteilnehmer bespuckt hatte, wurde schnell und entschlossen vertrieben. als daraufhin ca 10 knüppelbullen präsens zeigten wurden diese eingekesselt, umtanzt und verbal angegriffen.

endlich mal wieder ein gelungene demo.

ausführlicher und inhaltlicher Demobericht

Ant-Lager-Action-Tour 24.08.2004 - 23:14
“Ausweis bitte”
“Warum ich?“
„Weil du schwarz bist“
„Rassist! Rassist!“
So schallte es durch die Hallen der Bahnhöfe Osnabrück, Münster, Essen und Düsseldorf. Die ungefähr 100 AktivistInnen, die mit dem Wochenendticket vom Anti Lager Aktion Camp in Bramsche-Hesepe zur Demo nach Neuss anreisten, nutzen beim Umsteigen jede Gelegenheit für eine Blue + Silver Aktion und machten so die Anti Lager action Tour Sichtbar und hörbar. Constance E. eine der Flüchtlingsaktivistinnen: “Die Demo in den Bahnhöfen war sehr gut, weil sie öffentliche Aufmerksamkeit erregte und die Leute interessiert waren, zu wissen was los ist. Viele Leute haben die NoLager-Zeitung genommen und ich glaube, sie lesen sie. Ich habe mich wirklich gut gefühlt, diese Sprechchöre in Bahnhöfen und zur Polizei hin zu rufen. Es war eine sehr gute Erfahrung, der Polizei offen und ohne Angst zu haben zu begegnen. Normalerweise haben Flüchtlinge immer Angst vor den Kontrollen auf Bahnhöfen. Ob Polizei da ist oder nicht - es ist eine psychische Anspannung.“
„Schluss jetzt, ich bin das Gesetz“
„Buuh“ ...war nur in Sprechchören zu vernehmen, so dass die Demo gegen den Frauenabschiebeknast Neuss wie geplant um 14:30 am Hauptbahnhof Neuss beginnen konnte. Ca 500 Menschen nahmen an der lauten und powervollen Demo durch die Innenstadt zum Abschiebeknast und der Abschlusskundgebung auf dem Marktplatz teil.
Die zahlreichen Redebeiträge schlugen einen inhaltlichen Bogen von Themen wie Asylpolitik und frauenspezifischen Fluchtgründen und der Situation von Asylbewerberinnen zur Situation von illegalisierten Frauen.
„Wir sind nicht hier um zu klagen“ so die Rednerin der Medizinischen Flüchtlingshilfe Bochum "Wir klagen an!“ und klagte die europäischen Regierungen an, mit den Todesgrenzen um die Festung Europa zahlreiche Menschen zu ermorden. Die Rednerinnen von AGIF (Förderation der ArbeiterInnen aus der Türkei), der Karawane für die Rechte von Flüchtlingen und MigrantInnen NRW und von Ceni (kurdisches Frauenbüro für Frieden) klagten die EU-Regierungen an, durch ihre Abschiebepolitik mit Folterregierungen zu kooperieren.
Das feministische Netzwerk skandalisierte die psychiatrischen Zwangsuntersuchungen, denen Lesben ausgesetzt sind, die hier Asyl beantragen. Diese Untersuchungen sollen beweisen, dass es sich um eine "irreversible Prägung" handelt. „Das ist das Bild, das die Bundesverwaltungsrichter und -richterinnen von Lesben und Schwulen haben: Sie betrachten Homosexualität als eine Art Geburtsfehler, als Krankheit.“
Eine Aktivistin der Flüchtlingsinitiative Brandenburg machte in ihrem Redbeitrag rassistische Strukturen in der medizinischen Versorgung deutlich. „Flüchtlingsfrauen haben oft Angst zum Arzt zu gehen, wenn sie schwanger sind, weil sie befürchten müssen, dass das Kind durch falsche medizinische Behandlung abgetrieben wird. Sie wollen keine schwarzen Kinder.“ Außerdem beschrieb sie die sexualisierte Gewalt, die Frauen in Eisenhüttenstadt von Angestellten dort erlebt haben.
Die Verschränkung von rassistischer und sexistischer Gewalt machte auch ein Redebeitrag aus Bremen deutlich, in dem sexualisierte Gewalt in Abschiebegefängnissen Thema war. „Abschiebegefängnisse sind perfekte Orte für sexualisierte Gewalt“ Frauen haben kaum Möglichkeiten sich zu wehren und „die Täter wissen das.“
Eine „Putzkolonne“ solidarisierte sich mit Migrantinnen, die -meist ohne Papiere- in Pflege, Gastronomie und Haushalten den Dreck weg machen, ohne irgendwelche Rechte zu haben. Auch der Redebeitrag einer Mitarbeiterin von Madonna e.V. (Beratungsstelle für Prostituierte in Bochum) bezog sich konkret auf die Situation der meisten Frauen, die im Abschiebegefängnis Neuss sind. Ca 70% von ihnen wurden bei Razzien in Bordellen ohne Papiere aufgegriffen. Die Rednerin beschrieb die Lebens- und Arbeitssituation von illegalisierten Migrantinnen in der Sexindustrie: „Sie können jederzeit verhaftet und abgeschoben werden. Deshalb sind sie auf unsichere Orte und zweifelhafte Helfer angewiesen. Schleußer können Wucherpreise für ihre Dienste verlangen. Unseriöse Organisatoren der Sexindustrie beuten sie aus. Freier erpressen gefährliche sexuelle Dienstleistungen.“ Sie forderte, wie auch die Hurenbewegung in der BRD, Legalisierung statt Razzien.
Das war auch eines der zentralen Slogans im Aufruf: „Solidarität stärken! Legalisierung statt Razzien! Weg mit dem Knast! Bleiberecht für Alle!“
Zu größeren Auseinandersetzungen mit der Polizei während der Demo kam es nicht, aber es ergab sich eine sehr lustige Situation als BlueSilver-AktivistInnen zwei Polizisten in ihr Rollenspiel mit einbezogen. Sie kreisten sie ein und verdeutlichten ihnen mit „Ausweis bitte“ und „Rassist, Rassist“ wie sich rassistische Polizeikontrollen anfühlen.
Auch die Rückreise der AktivistInnen nach Bramsche-Hesepe geriet wieder zur Dauerdemonstration, selbst im letzten Umsteigebahnhof wurde noch getrommelt und gerufen:
„Lager, Abschiebelager, jedes Lager ist ein Lager zu viel!“
Und natürlich auch in bezug auf die vielen Landkreise -die unsichtbaren Grenzen für Flüchtlinge, die wir an diesem Tag durchquert haben: „When law is racist, break the law! break it break it more and more!”

Die Redebeiträge können auf der Dokomentationsseite der AntiLager action Tour www.nolager.de nachgelesen werden.

Report in English

nolager 24.08.2004 - 23:17
“Ausweis bitte” (Passport please)
“Warum ich?“ (why I?)
„Weil du schwarz bist“ (because you are black)
„Rassist! Rassist!“ (Racist! Racist)
This was shouted in the halls of the train stations in Osnabrück, Münster, Essen und Düsseldorf. Around 100 activists, who went from the Anti Lager Action Camp in Bramsche-Hesepe to the demonstration in Neuss by weekend ticket, took the chance to make the Anti Lager action Tour visible and hearable in every trainstation on the way. Constance E. one of the refugee activists:
The demonstration in the train stations was very good, because it created awareness and lot of the people were eager to know whats really going on. Many people took the NoLager newspapers and I guess they read it. I really felt good, that I could shout this slogans in trainstations and to the policemen. It was a very good experience, to face the policemen openly without being afraid. Normally a refugee is always afraid of being controlled at train stations. Whether police is there or not, it is psycholocically tense.”
“Schluss jetzt, ich bin das Gesetz” (Finish now, I am the law)
„Buuh!“...was to hear only in role games. So the demonstration in Neuss started, as it was planned at 14:30 at the main train station in Neuss. Around 500 people took part in the powerful demonstration against the deportation prison for women.
Many speeches were held and they all together linked topics like asylum policy and gender specific reasons for flight and the situation of female asylum seekers with the situation of illegalized female migrants. “we are not here to complain, we are here to blame” said the speaker of the medical help for refugees, Bochum and blamed the european goverments of mordering many human beeings by the killing borders of the fortress europe. The speaker of AGIF (federation of turkish workers) the speaker of the Karawane for the rights of refugees and migrants and the speaker of Ceni (kurdish womensoffice for peace) blamed the european goverments of cooperating with torture regimes with their asylum policy.
The Feminist Network scandalisied that lesbians, who apply for asylum are undertaken by force psychological tests. This test are supposed to prove wether someone is irreversible lesbian. „That`s how the judges see us, theu consider homosexuality as a kind of desease."
An activist of the Refugee Initiative Brandenburg condemned racist structures in medical treatment and hospitals. “Refugee women are many times afraid to go to hospital, when they are pregnant, because they have to fear, that the child will be removed by false mediccal treatment. They dont want black children.” She also described sexualised violence that refugee women experienced in Eisenhüttenstadt by employees.
The link between racist and sexist violence was also explained by another speach about sexualised violence in deportation prison. “”
A “team of cleaning workers” expressed their solidarity with female migrants, who work -most of the time without papers- in housholds, hotels restaurants without having any legal rights.
The speach of Madonna e.V.( NGO for the support of prostitutes) related concretely to the situation of the women in the deportation prison in Neuss. 70% of them were arrested with raids in sex club. The speaker describred the living and working conditions of illegalized migrants in the sex industry: “They can be arrested and deported at any time. Therefore they are dependent on uncertain places and doubtful aids. Smugglers can require prices which are too high for their services. Dubious supervisors of the sex industry can exploit them. Costumers can force them to offer dangerous sexual services. Often they are threatened by racist and sexualised violence.” She demanded -as the sex workers movement in Germany does- legalization instead of raids.
This was also one of the central slogans of the demonstration: “Empower solidarity! Legalization instead of raids! Remove the prison! The right to stay for everyone!
During the demonstration there was no trouble with the police, but a very funny situation happended, when two policemen were pushed into the role game of Blue and silver activists. The activists circled them and made them to understand how racist police controls feel by shouting “Ausweis bitte” and “Racist, racist”
The journey back to Bramsche -Hesepe happended to be again a never ending demonstration: Everytime when tthe activists changed the trains,even in the last train station, drums were heard and “Lager, Abschiebelager. Jedes Lager ist ein Lager zu viel! (Camps, deportation camp. Every camp is one camp too much!)
And of course also concerning the many “Landkreise” -the invisible borders for refugees- which we crossed that day: „When law is racist, break the law! break it break it more and more!”