Kenia: Schriftsteller gefoltert

Jannek 20.08.2004 17:08 Themen: Weltweit
Der bekannteste Kenianische Schriftsteller ist nach seiner Heimkehr nach 22 Jahren des Exils überfallen und misshandelt worden, seine Frau wurde mehrfach vergewaltigt. Von einem gewöhnlichen Raubüberfall kann nicht ausgegangen werden. Der Vorfall wirft viele Fragen auf. Wie sicher sind ehemalige Gegner des Moi Regimes unter der neuen Demokratischen Regierung.
Vor einer Woche ist der wahrscheinlich berühmteste Kenianische Schriftsteller Ngugi wa Thiong’o und seine Frau Njeeri in ihrem Apartment von vier unbekannten Tätern überfallen worden. Von einem Raubüberfall geht wohl nicht einmal die kenianische Polizei aus. Obwohl die beiden alle Wertsachen ohne Widerstand aushändigten, wurde Ngugi wa Thiong’o brennende Zigaretten ins Gesicht gedrückt und seine Frau mehrfach vergewaltigt.
Ngugi wa Thiong’o, Professor für Literatur in Kalifornien, befindet sich auf einer ein monatigen Lesungstournee durch Kenia. Es ist das erste mal, dass er sein Heimatland besucht, seit er vor 22 Jahren ins Exil floh. Damals galt er als bekanntester Gegner der Regierung Kenyatta. Seine Bücher setzten sich sowohl mit Kenias Kolonialer Vergangenheit als auch mit Neokolonalismus nach der Unabhängigkeit auseinander. In Ablehnung an die Kolonialisierung durch die Unterdrückung Afrikanischer Sprachen schrieb er als erster Autor überhaupt in seiner Muttersprache Kikuju Romane. Nachdem der Aufführung eines Regimekritischen Theaterstücks (Ich heirate wen ich will) durch eine Laienschauspiel Gruppe ende der 1970er Jahre wurde er ohne Gerichtsurteil für ein Jahr inhaftiert. Den Haftbefehl wurde vom späteren Präsidenten Moi unterschrieben.
Viele Fragen zu diesem Überfall bleiben offen. Die Gangster konnten ungehindert in das Anwesen eindringen. Sie warteten in einem geparkten Wagen, ohne das einer der Wachleute des Sicherheitsdienstes verdacht schöpfte. Keiner will die Schreie der beiden Opfer während des mindestens einstündigen Überfalls gehört haben.
Fünf Wachmänner befinden sich immer noch in Polizeigewahrsam, konkrete Verdachtsmomente wurden jedoch nicht präsentiert. Die Ermittlungen konzentrieren sich auf die Mungiki Sekt, eine verbotene Organisation, die koloniale Einflüsse bekämpfen will und die traditionelle Lebensweise wieder herstellen will. Zahlreiche Morde, Überfälle und Zwangsbeschneidungen gehen auf ihr Konto. Einige von Ngugis Büchern werden als Bekenntnis zur traditionellen Lebensweise von der Sekte angeführt. So wird das Buch „the River in between“ als Verherrlichung des Beschneidungsritus von Mungikileuten interpretiert. Der einzige Anhaltspunkt für die Theorie, dass es sich bei dem Überfall um eine versuchte Zwangsrekrutierung handelt, ist den Gangstern einmal gestellte Frage, ob Ngugi Mungikimitglied sei. Zudem würde die Vorgehensweise –Misshandlungen und Vergewaltigung –Überfällen der Mungiki ähneln.
Eine weitere ungeklärte Frage ist, warum ein so berühmter Besucher, der bekanntermaßen Feinde in Kenia hat, keinen Schutz durch die Polizei erhalten hat. Eine mögliche Antwort darauf ist sein neustes Buch, das Ngugi in Kenia präsentiert. Das zu erst in Kikuju erscheinende Buch spielt in einem fiktiven Land in dem die Regierung durch Wahlversprechen an die Macht kommt, die sie dann bricht. Darin könnte man eine Parallele zur Situation in Kenia sehen: Präsident Kibaki wurde mit dem Versprechen gewählt, eine neue Verfassung innerhalb von 100 Tagen zu verabschieden, die verhindern soll, dass nicht noch einmal ein Präsident seine Macht so Missbrauchen kann, wie es sein Vorgänger Moi für nahe zu ein viertel Jahrhundert getan hat. Die Regierung scheint jedoch vieles zu tun, um die Verfassung nicht verabschieden zu müssen.
Nach mehreren Tagen im Krankenhaus hat Ngugi seine Lesungen in verschiedenen Teilen wieder aufgenommen, „Wir dürfen nicht unseren Geist von denen zerstören lassen, die nicht mögen was wir tun.“, so Ngugi auf einer Pressekonferenz. Auch Njeeri hat sich öffentlich geäußert: „Es wäre ein leichte gewesen die Rede von der versuchten Vergewaltigung auf zu nehmen und mich ins nächste Flugzeug in die Vereinigten Staaten zu setzten um dort Hilfe zu bekommen. Aber immer wieder die Worte „versuchte Vergewaltigung“ in den Nachrichten zu hören war wie ein Messer in meiner Brust. (…) Ich werde mich nicht verstecken. Mich trifft keine Schuld.“. Njeeri kümmert sich seit 18 Jahren um misshandelte Kinder in den Vereinigten Staaten.

So lange nicht geklärt ist, wer hinter der Attacke gegen Ngugi und Njeeri steckt, kann nicht ausgeschlossen werden, dass es anderen ehemaligen Gegnern des Regime Moi anderes ergehen kann. Mögen sich Presse- und Meinungsfreiheit im letzten Jahr deutlich verbessert haben, so sieht es mit vielen Dingen noch lange nicht gut aus. Die Polizei hat ihren Ruf behalten: verschieden Menschenrechtsorganisationen beklagen den Tod von 24 Menschen in 7 Monaten, die ohne Anzeichen von Widerstand oder Notwehr zum Teil aus nächster Nähe erschossen wurden. Nach dem Mord an einem Polisten durch Viehdiebe am Anfang des Monats im Norden des Landes haben mehrer 100 Menschen ihre Dörfer verlassen und sind geflüchtet –aus Angst vor der Vergeltung durch Polizisten.
Die Sicherheit ehemaliger politischen Flüchtlingen scheint daher nicht gewährleistet zu sein –auch unter einer demokratischen Regierung. Abschiebungen nach Kenia können das Leben von Flüchtlingen aufs Spiel setzten.
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