Demo in Stuttgart: Bildung ist keine Ware

Andreas Bühler 01.06.2004 16:49 Themen: Bildung
Baden-Württemberg will allgemeine Studiengebühren ab dem ersten Semester einführen. Die Gebühren sollen zunächst 500 € betragen und mit einem privatem Bildungskredit finanziert werde. Damit verabschiedet sich der Staat aus der Bildungsfinanzierung. Schüler und Studierende demonstrieren daher am 19.6.2004 in Stuttgart gegen Studiengebühren.
Der Arbeitskreis Bildung der Universität Stuttgart ruft zur Demonstration am 19. Juni in Stuttgart auf. Unterstützt wird der Aufruf durch das höchste Gremium der Studierenden – die Landesastenkonferenz (LAK), zahlreiche Universitäten und Fachhochschulen im Land, sowie die Schülerschaft der Region Stuttgart. Auch die Studierendenschaft der Universität Tübingen (www. http://studiengebuehren.fsrvv.de/?Vollversammlung::Aufruf_zur_Demo), der "Freie Zusammenschluss der Studierendenschaften" (FZS), sowie das bundesweite "Aktionsbündnis gegen Studiengebühren" ( http://www.abs-bund.de/aktuelles/) rufen zu einer gemeinsamen Demonstration gegen Bildungsabbau in Stuttgart auf.

Anlass der Demonstration ist die geplante Einführung allgemeiner Studiengebühren in Baden-Württemberg und die Novellierung des Landeshochschulgesetzes (LHG). Noch sind Studiengebühren durch Bundesgesetze deutschlandweit verboten. Gegen dieses Verbot haben sechs CDU-geführte Länder geklagt – Ende diesen Jahres wird das Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe über die Klage entscheiden. Wird der Klage der Länder stattgegeben, plant Baden-Württemberg zum nächstmöglichen Termin die Einführung von Studiengebühren in Höhe von zunächst 500 Euro im Semester. Trotz des Widerstandes zahlreicher studentischer Initiativen hält die Landesregierung in Baden-Württemberg an ihren Plänen fest. „Die Verantwortlichen erkennen nicht an, dass die Einführung von Gebühren in allen Ländern gescheitert ist“, erklärt Andreas Bühler, Sprecher des Arbeitskreises Bildung der Universität Stuttgart. Bühler weiter: „In allen Ländern, in denen Studiengebühren eingeführt wurden, ging die Studierendenzahl zurück. Zusätzlich verschärfen Studiengebühren soziale Ungerechtigkeiten.“ Hier lägen klare Widersprüche zu den Zielen des Landes; schließlich würde die Steigerung des Anteils an gut (aus-) gebildeten Menschen an der Gesamtbevölkerung angestrebt. Heute ist der Anteil an Akademikern in Deutschland vergleichsweise gering. Während im OECD -Durchschnitt 31 Prozent eines Jahrgangs einen Hochschulabschluss erwerben, sind es in Deutschland nur 19 Prozent. „Der Personalmangel ist inzwischen innovationshemmender als der Mangel an Finanzierungsquellen. Gerade Branchen mit großem Anteil an hoch qualifizierten Beschäftigten, und darunter zumeist speziell ausgebildeten Ingenieuren, trifft der Fachkräftemangel besonders. Langfristig führt diese Entwicklung zu einem strategischen Nachteil im nationalen und globalen Wettbewerb“, warnte der Verband deutscher Ingenieure (VDI) bereits in einer Erklärung im Januar 2002. Die Zahl der Hochschulabsolventen soll also erhöht werden. „Die deutsche Wirtschaft braucht dringend Akademiker. Werden nun aus sozialen Gründen weitere Bevölkerungskreise systematisch aus der Hochschulbildung ausgeschlossen, weiß ich nicht, wie dieses Ziel erreicht werden soll“, ergänzt Bühler.

Dabei ist das Bildungssystem in Deutschland bereits heute sozial sehr selektiv. Schon der Zugang zu Gymnasium und Abitur ist für sozial Schwache nur sehr schwer zu erreichen. So kommen Vergleichsstudien wie PISA und IGLU zu dem Ergebnis, dass die Schulsysteme in Deutschland Ungleichheiten fördern. Andreas Bühler denkt noch einen Schritt weiter: „Wenn nun auch noch Studiengebühren eingeführt werden, wird die Zugangsschwelle zu Universitäten für sozial Schwache noch weiter erhöht“. Ein tragfähiges Modell, wie diese negativen Effekte vermieden werden können, ist nicht in Sicht. Das Modell der sogenannten Nachlaufenden Studiengebühren hat sich hinsichtlich der Herstellung von sozialer Gerechtigkeit nicht bewährt. Ein ausreichendes Stipendiensystem, das soziale Härte abmildern könnte, kann nicht kurzfristig aufgebaut werden - erst recht nicht angesichts leerer Haushalte. „Bisher dienten alle an den Universitäten erhobenen Gebühren zur Sanierung des maroden Landeshaushaltes. Langzeitstudiengebühren, die vom Bundesverfassungsgericht als illegal gebrandmarkte Rückmeldegebühr, der Verwaltungskostenbeitrag: Nichts floss an die Hochschulen zurück. Mit Studiengebühren nimmt Baden-Württemberg bundesweit erneut eine Vorreiterrolle bei der Entdeckung neuer Möglichkeiten Haushaltslöcher zu stopfen ein.“ erklärt der Sprecher des Arbeitskreises Bildung.

Die Einführung von Studiengebühren geht einher mit der Absicht des Ministeriums für Wissenschaft, Forschung und Kunst (MWK) mit einem neuen Landeshochschulgesetz (LHG) die Hochschulautonomie zu stärken. „Wir sehen in diesem Gesetz jedoch nur einen weiteren Schritt der Ökonomisierung der Hochschulen“, erklärt Franz Bozsak, stellvertretender Sprecher des AK-Bildung. „Hier werden Gremien geschaffen, die aufgrund ihrer Zusammensetzung eine Einschränkung der studentischen Mitbestimmung bedeuten. Das Leitmotiv des Gesetzesentwurfes scheint ‚Bildung als Ware’ zu sein. Wirtschaftliche Einscheidungsstrukturen, international kompatible Abschlüsse, Entdemokratisierung der Hochschulen und die Einführung von allgemeinen Studiengebühren ebnen den Weg, Bildung nicht mehr als gesamtgesellschaftliches Gut, sondern als Ware zu betrachten.“ Mit folgendem Text rufen daher die Landesastenkonferenz, zahlreiche Universitäten und Fachhochschulen des Landes, die Schülerschaft der Region und der Arbeitskreis Bildung der Universität Stuttgart zur Demonstration nach Stuttgart: www.gegen-studien-gebuehren.de
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Ergänzungen

gegen-studien-gebuehren.de is nicht mehr...

someone 18.08.2005 - 09:41
gegen-studien-gebuehren.de is nicht mehr. Die Seite hat jetzt schon ne Weile jemand anderes und hat keine Inhalte zum Thema Studiengebuehren mehr.

Eine Bitte an die Mods:
Schmeißt den Link zu der Seite raus damit die Seite bei Google nicht noch unterstuetzt wird und ersetzt diesen durch streikblog.de

Danke sehr!